Als Folge der teilweise schweren Grundkrankheiten und der angewendeten immunsuppressiven Therapien stellen Infektionen einen wesentlichen Morbiditäts- und Mortalitätsfaktor bei Patienten mit rheumatischen Erkrankungen dar [1, 2]. Bei den Infektionen handelt es sich vorwiegend um konventionelle bakterielle Infekte der Atemwege [1, 2, 3, 4, 5]. Zusätzlich zu einer entsprechenden Überwachung und Anpassung der Therapie sowie zu allgemeinen Hygienemaßnahmen sind impfpräventive Maßnahmen dringend indiziert. Aus diesem Grund empfahl die Ständige Impfkommission (STIKO) 2005 neben den Regelimpfungen zusätzlich altersunabhängig bei Patienten mit Immunsuppression die Impfung gegen Pneumokokken, Influenza sowie gegen Haemophilus influenzae b und Meningokokken (STIKO Epidemiologisches Bulletin 39/2005). In Deutschland wie England, Irland und Griechenland ist entsprechend den Umfragen von einer unzureichenden Umsetzung dieser Empfehlungen auszugehen [6, 7, 8, 9]. Diese Umfragen identifizierten die fehlende Empfehlung durch den betreuenden Arzt sowie Unsicherheit bezüglich Impferfolg und Verträglichkeit von Impfungen bei vielen Ärzten und Patienten als wesentliche Ursachen [7, 8, 9].

Auf der Basis der aktuellen Empfehlungen der STIKO (STIKO Epidemiologisches Bulletin 30/2012) und der speziellen Empfehlungen für immunsupprimierte Patienten (STIKO Epidemiologisches Bulletin 39/2005) soll dieser Leitfaden mithilfe aktueller Studien zur Effektivität und Sicherheit den Wissensstand zur Impfung bei Patienten mit rheumatischen Erkrankungen unter Berücksichtigung verschiedener Therapien zusammenfassen. Die Aussagen beruhen auf einer aktuellen PubMed-basierten, systematischen Literatursuche (Stand 10/2010) mit folgenden Suchkriterien: (rheumatoid arthritis OR lupus OR scleroderma OR vasculitis OR psoriasis) AND vaccination. Der entsprechende Evidenzgrad für die Aussagen ist entsprechend der aktuellen Version des Centre of Evidence Based Medicine Oxford (http://www.cebm.net) vermerkt. Die Aussagen beruhen für viele Erkrankungen und Therapieformen nur auf Fallberichten, kleinen Kohortenstudien oder sogar nur auf Analogschlüssen. Die Empfehlungen der STIKO zu speziellen Impfungen sind in Tab. 1 zusammengefasst.

Tab. 1 Impfplan für Patienten mit rheumatischen Grunderkrankungen (entsprechend STIKO)

Allgemeine Vorbemerkungen

Die meisten Untersuchungen wurden bei Patienten mit rheumatoider Arthritis (RA) oder systemischem Lupus erythematodes (SLE) durchgeführt. Neben retrospektiven Kohortenuntersuchungen existieren zahlreiche kontrollierte und einzelne randomisierte Studien. In diesen Studien wurden Effektivität und Sicherheit meist abhängig von der immunsuppressiven Therapie beurteilt.

Die Effektivität wurde bei allen Studien mithilfe eines Titeranstiegs Impfantigen-spezifischer Antikörper als Surrogatmarker beurteilt. Unsicherheit bezüglich der Interpretation dieser Laborparameter bestehen, weil

  1. 1.

    es nicht für jede Impfung ausreichende Daten zur Festlegung eines protektiven Impftiters gibt (STIKO Epidemiologisches Bulletin 39/2005),

  2. 2.

    diese Titer nicht unbedingt auf immunsupprimierte Patienten mit möglicherweise komplexer Störung des Immunsystems übertragen werden können,

  3. 3.

    der Nachweis protektiver Impfantikörper wenige Wochen nach der Vakzinierung keine Aussage über die Dauer protektiver Antikörpertiter bei immunsupprimierten Patienten und damit verbunden sinnvoller Impfintervalle bei Auffrischungsimpfungen erlaubt.

Eine Bestimmung der spezifischen Antikörpertiter nach Impfung kann aufgrund der Kosten-Nutzen-Betrachtung nicht generell empfohlen werden. Ausnahmen stellen Hepatitis B bei exponierten Patienten, Röteln und Varizellen bei Schwangerschaftswunsch und in individuellen Fällen Patienten mit hochgradiger Wahrscheinlichkeit eines Impfversagens (wie z. B. Patienten mit Immundefekt, Asplenie, nach Rituximab-Therapie) und der Option der Boosterimpfung dar.

Es gibt nahezu keine Daten für Patienten mit rheumatischen Erkrankungen zu klinischen Endpunkten wie reduzierter Infektionsrate bzw. Mortalität nach Impfung. Nur 2 kleine Studien haben eine reduzierte Infektionsrate mit Influenza nach Impfung bei Patienten mit RA und SLE nachweisen können [10].

Bezüglich der Sicherheit der Impfung bei rheumatologischen Patienten existieren vor allem Daten zu der Frage nach einer möglichen (Re-)Aktivierung der autoimmunen Grunderkrankung gemessen anhand von Veränderungen der Aktivitätsparameter wie Aktivitätsscores und z. T. auch serologischen Surrogatmarkern, wie z. B. Anstieg der Autoantikörpertiter.

Generell ist zu bemerken, dass in den vorliegenden Impfstudien fast ausschließlich Patienten mit geringer Aktivität der Grunderkrankung eingeschlossen wurden. Der Zeitpunkt einer Impfung sollte daher nicht in Phasen erhöhter Krankheitsaktivität erfolgen.

Die Effektivität und die Sicherheit einer Impfung bei Patienten mit rheumatischen Erkrankungen werden im Wesentlichen von 3 Faktoren bestimmt:

  • Impfstoff,

  • (aktuelle) immunsuppressive Therapie,

  • Art und Aktivität der Grunderkrankung.

Impfstoff

Lebendimpfstoffe

Aufgrund der sehr spärlichen Datenlage und der Besorgnis wegen eines vermutlich erhöhten Risikos bei Impfung von Lebendimpfstoffen sind Lebendimpfungen bei immunsupprimierten Patienten generell kontraindiziert (STIKO). Hierzu gehören die Impfung gegen Masern, Mumps und Röteln (MMR), gegen Varizella-zoster-Virus (VZV), Rotaviren und die Indikationsimpfungen gegen Typhus und Gelbfieber.

Deswegen gilt die Empfehlung, Lebendstoffimpfungen möglichst erst 3 bis 6 Monate nach Absetzen der immunsuppressiven Therapie durchzuführen (Evidenzgrad D; [11]). In Analogie zu der natürlichen Infektanfälligkeit bei einer systemischen Glukokortikoidtherapie bis 10 mg/Tag (British Society) bzw. 20 mg/Tag (STIKO) und bei jeglicher lokalen Therapie (wahrscheinlich einschließlich intraartikulärer Applikation) werden Lebendstoffimpfungen generell als unbedenklich angesehen (Evidenzgrad D).

Erste kleine Studien weisen jedoch auf eine ausreichende Sicherheit von Lebendimpfungen unter bestimmten Bedingungen hin. So existieren für die MMR-Impfung 2 Studien bei Patienten mit juveniler idiopathischer Arthritis (JIA; [12, 13]), die eine gute Effektivität, eine gute Verträglichkeit der Impfung und insbesondere keine Erkrankung durch das Impfvirus zeigen konnten.

Eine kleine retrospektive Studie aus Brasilien hat keine wesentlichen Nebenwirkungen bei Gelbfieberimpfungen (Exanthem Fieber, Myalgien) von 70 vorwiegend vorgeimpften Patienten mit unterschiedlichen rheumatischen Erkrankungen (RA, SLE u. a. m.) unter Immunsuppression [Methotrexat (MTX), Sulfasalazin u. a. m.] festgestellt [14].

Aufgrund der klinischen Notwendigkeit einer effektiven Prophylaxe wurde von einem Expertenkomitee des American College of Rheumatology (ACR) am 01.08.2008 eine Stellungnahme zur Varizellenimpfung auf der Basis der Empfehlungen des Advisory Committee on Immunization Practices (ACIP; [15]) verfasst, in der grundsätzlich die Impfung von RA-Patienten über 60 Jahren empfohlen wird, auch wenn diese mit MTX (< 0,4 mg/kg/Woche) oder Glukokortikoidtherapie (< 20 mg Prednisonäquivalent/Tag) behandelt werden. Die ACIP-Empfehlung schloss zusätzlich Patienten mit Azathioprin (< 3,0 mg/kg/Tag) ein. Bisher sind diese Empfehlungen ohne entsprechende Studiengrundlage (Evidenzgrad D). Da die Impfung auch einer Reaktivierung eines Zosters und einer schweren postzosterischen Neuralgie vorbeugen kann, kann die Impfung unabhängig von der Vorgeschichte bezüglich VZV-Infektion verabreicht werden, und eine Bestimmung des Immunisierungsstatus ist nicht empfohlen [15].

Zusammenfassende Beurteilung

Lebendimpfstoffe sind bei immunsuppressiv behandelten Patienten aktuell weiterhin kontraindiziert. Zugelassen sind sie lediglich bei Patienten unter einer lokalen oder systemischen Steroidtherapie bis zu einer maximalen Tagesdosis von 20 mg/Tag (STIKO Epidemiologisches Bulletin 39/2005; Empfehlungsgrad D). Wichtig ist die Umgebungsprophylaxe (s. unten „Weitere Prophylaxemaßnahmen“) für MMR und Varizellen, während dagegen der Kontakt immunsupprimierter Patienten mit Personen in den ersten 2 Wochen nach oraler Polio-, Typhus- oder Rotavirenimpfung vermieden werden sollte (Empfehlungsgrad D). Reiseimpfungen gegen Gelbfieber und Cholera sind bei unzureichender Datenlage weiterhin bei Patienten unter immunsuppressiver Therapie kontraindiziert und nur in Ausnahmefällen zu erwägen.

Totimpfstoffe

Bei den relevanten Totimpfstoffen im Erwachsenenalter handelt es sich um die Auffrischung der Regelimpfung gegen Tetanus, Diphtherie und seit 2009 auch Pertussis (s. unten) sowie die von der STIKO empfohlene Indikationsimpfung aller Patienten unter Immunsuppression gegen Pneumokokken, Haemophilus influenzae b (Hib), Meningokokken und Influenza (STIKO Epidemiologisches Bulletin 39/2005).

Für die Hib-Impfung steht in Deutschland ausschließlich der für das Kleinkindesalter zugelassene Konjugatimpfstoff zur Verfügung. Eine Hib-Konjugatimpfung nach dem 5. Lebensjahr ist daher nur außerhalb des aktuellen Zulassungsbereichs möglich und in Deutschland als Einzelimpfstoff nur über Import zu erhalten.

Grundsätzlich sollten, so es der Gesundheitszustand des Patienten zulässt, ausstehende Impfungen vor Beginn einer langfristigen Immunsuppression komplettiert bzw. aufgefrischt werden (STIKO 39/2005 und [11], Evidenzgrad D), was jedoch in der Praxis nicht immer realisiert werden kann.

Die Frage, ob spezielle Adjuvantien oder höhere Impfdosen bei Patienten mit Autoimmunerkrankungen und insbesondere unter Immunsuppression zur Überwindung einer möglicherweise abgeschwächten Impfantwort sinnvoll sind, ist bisher nicht ausreichend untersucht und wird deswegen nicht generell empfohlen. In einer kleinen Studie konnte keine erhöhte Nebenwirkungsrate eines M59-adjuvantierten Influenza-Impfstoffes in dem Beobachtungszeitraum von 4 Wochen festgestellt werden [16]. Eine endgültige Aussage ist nicht möglich.

Umfangreiche Studiendaten bei Patienten mit rheumatischen Erkrankungen liegen für die Influenza- und Pneumokokkenimpfung vor, auch Hepatitis B und Tetanus sind in einigen Studien untersucht. Andere Impfstoffe können nur abhängig vom Impfprinzip analog beurteilt werden.

Bei jeder Impfung sind im Einzelfall bei der Beratung von Patienten die Risiken der Impfung und eines nicht vorhandenen Impfschutzes sorgfältig gegeneinander abzuwägen und dem Patienten im Gespräch und mithilfe der Patienteninformation (http://www.dgrh.de/patientenimpfung.html) zu erklären. So ist grundsätzlich bei Patienten mit Lungenbeteiligung entsprechend den Empfehlungen der Fachgesellschaft für Pneumologie auf Impfung gegen Pneumokokken und Influenza sowie bei Patienten mit potenzieller Dialysepflicht oder Therapie mit Rituximab oder TNF-α-Inhibitoren auf eine suffiziente Hepatitis-B-Impfung zu achten [(Empfehlungsgrad „Good clinical practice“ (GCP)].

Influenza

Für die Impfung gegen Influenza liegen unterschiedliche Impfstoffe vor. Neben den meist angewandten (inaktivierten) Spaltvirusimpfstoffen enthalten andere Totimpfstoffe inaktivierte Vollviren oder nur spezifische Untereinheiten von Influenza (Hämagglutinin und Neuraminidase). Aufgrund der meist reduzierten Immunogenität gereinigter Untereinheitsimpfstoffe enthalten manche dieser Impfstoffe Adjuvantien zur Verstärkung der Impfantwort. Einzelne Impfstoffe können auch attenuierte lebende Viren enthalten (aktuell keine Zulassung in Deutschland). Es liegen keine ausreichenden vergleichenden Untersuchungen zu den verschiedenen Influenza-Impfstoffen vor. Eine Studie, die auch 47 Patienten mit rheumatischen Erkrankungen einbezog, zeigte eine leichte Überlegenheit der Effektivität bei vergleichbarer Sicherheit des Untereinheitsimpfstoffes gegenüber einem virosomalen Impfstoff desselben Herstellers [17]. Wiederholte Impfungen gegen Influenza innerhalb einer Saison scheinen keinen zusätzlichen Nutzen zu bringen [18]. Eine bessere Einschätzung der Sicherheit von adjuvantierten Impfstoffen bei rheumatologischen Patienten ist nach der Auswertung möglicher Nebenwirkungen nach der adjuvantierten H1N1-Vakzinierung in den kommenden Jahren zu erwarten. Erste Daten deuten eine vergleichbare Verträglichkeit zu nicht adjuvantierten Impfstoffen an [16]. Das Vorliegen einer rheumatischen Erkrankung oder immunsuppressiven Therapie ist keine Kontraindikation für die Verabreichung adjuvantierter Impfstoffe.

Pneumokokken

Die Pneumokokkenimpfung induziert gegen die Polysaccharidkapsel gerichtete Antikörper. Aktuell stehen in Deutschland sowohl reine Polysaccharid- als auch Konjugatimpfstoffe zur Verfügung. Die meisten Studien wurden mit dem reinen Polysaccharidimpfstoff durchgeführt, der 23 verschiedene Polysaccharide (PPV23) enthält. Diese 23 Serotypen bedingen 88 % der Bakteriämien. PPV23 mindert das Risiko einer Pneumokokkenbakteriämie mit einer protektiven Impfeffektivität von 74 %. Die Protektion gegen eine Pneumonie war dabei abhängig von der untersuchten Kohorte. Die bisherigen Metaanalysen sind jedoch nicht geeignet, um den Effekt bei Erwachsenen mit chronischen Krankheiten ausreichend nachzuweisen [19]. Seit Oktober 2011 ist für Erwachsene im Alter von über 50 Jahren auch der Konjugatimpfstoff zugelassen. Es liegen aktuell allerdings keine Untersuchungen zu dessen Einsatz bei erwachsenen Patienten mit rheumatischen Erkrankungen vor. Der Effekt einer Umgebungsprophylaxe wurde durch die Einführung der Regelimpfung von Kindern mit dem konjugierten Impfstoff bereits durch die Abnahme der Infektionen durch die abgedeckten Stämme in der allgemeinen Bevölkerung gezeigt [20, 21]. Diese Prophylaxe durch Impfung von Haushaltskontaktpersonen erscheint daher bei Patienten unter Immunsuppression indiziert. In der aktuellen Stellungnahme der STIKO ist die Auffrischimpfung für Patienten mit primärer oder sekundärer Immundefizienz und chronischen Nierenerkrankungen weiterhin alle 5 Jahre empfohlen (STIKO Epidemiologisches Bulletin 30/2012). In einer spezifischen Stellungnahme zur Pneumokokkenvakzinierung (STIKO Epidemiologisches Bulletin 7/2012) wird als mögliche Impfstrategie die Erst- und Wiederholungsimpfung mit dem Konjugatimpfstoff und einer einmaligen Auffrischungsimpfung mit dem reinen Polysaccharidimpfstoff diskutiert. Bei Patienten zwischen dem 18. und dem 49. Lebensjahr befindet man sich aktuell weiterhin im Off-label-Bereich für den Konjugatimpfstoff.

Zusammenfassende Beurteilung

Die Impfung von Patienten unter Immunsuppression ist generell unabhängig vom Alter empfohlen und aktuell für den Konjugatimpfstoff erst ab dem 50. Lebensjahr zugelassen (STIKO). Die Verträglichkeit ist gut (Evidenzgrad 2+). Die aktuelle STIKO-Empfehlung sieht eine Auffrischimpfung bei Immunsuppression alle 5 Jahre vor. Die Auswahl des Impfstoffes und die optimale Reihenfolge des Einsatzes müssen durch weitere Studien erst noch belegt werden. Neuere Daten stellen dieses Schema infrage, zukünftige Studien werden Effektivität und Sicherheit von polyvalenten konjugierten Impfstoffen bei Patienten mit rheumatischen Erkrankungen zeigen.

Hepatitis B

Für die Impfung gegen Hepatitis B (HepB) bestehen keine speziellen Empfehlungen für Patienten unter Immunsuppression. Eine Erstmanifestation oder Aktivierung einer Autoimmunerkrankung einschließlich SLE und Vaskulitis wurde wiederholt nach einer HepB-Impfung berichtet (s. Übersicht [22]). In der Normalbevölkerung wurde die Prävalenz einer autoimmunen Nebenwirkung nach HepB-Impfung mit 1 in 55.000–294.000 Impfungen geschätzt [23]. Eine kleine Studie bei Patienten mit RA [24] zeigte keine vermehrten Nebenwirkungen, und die amerikanische Impfbehörde sieht bei Patienten mit rheumatischen Erkrankungen keine Kontraindikation für eine Hepatitis-B-Impfung gegeben [25].

Zusammenfassende Beurteilung

Eine Hepatitis-B-Impfung ist unter Abwägung von Nutzen und Risiko bei Patienten mit Autoimmunerkrankungen möglich (Evidenzgrad 4). Das Risiko für eine Aktivierung der Grunderkrankung nach Impfung ist möglicherweise erhöht (Evidenzgrad 3). Patienten mit erhöhter Gefährdung für eine Infektion durch Hepatitis, z. B. vor Rituximab-Therapie, TNF-Inhibitor-Therapie, potenzieller Dialysepflichtigkeit, sollten rechtzeitig geimpft werden. Zur besseren praktischen Umsetzung kann das in den Fachinformationen dargestellte rasche Impfschema zum Einsatz kommen (Empfehlungsgrad GCP).

Weitere Totimpfstoffe

Frühsommermeningoenzephalitis

Es existieren keine Daten zur Impfung gegen Frühsommermeningoenzephalitis (FSME) bei rheumatischen Erkrankungen. Lediglich eine Untersuchung zeigte reduzierte Antikörpertiter nach Impfung von herztransplantierten Patienten unter Cyclosporin A (s. auch Cyclosporin A; [26]), sodass Empfehlungen individuell abhängig von Immunsuppression und Expositionsrisiko ausgesprochen werden müssen.

Humane Papillomaviren

Die Impfung gegen humane Papillomaviren (HPV) ist relevant für junge SLE-Patientinnen, da bei diesen möglicherweise eine erhöhte Neigung zu persistierenden Infektionen und sekundären Präkanzerosen besteht [27]. Aktuell liegen erste Daten zur Verträglichkeit der Impfung bei 50 SLE-Patientinnen vor. Die quadrivalente Impfung mit Gardasil® wurde gut vertragen und erreichte eine nur leicht gegenüber gesunden Kontrollen reduzierte Serokonversion in über 75 % der Patientinnen ([28]; Evidenzgrad 2b).

Polio

Eine parenterale Impfung gegen Polio (Totimpfstoff!) ist im Erwachsenenalter nur bei unvollständiger Grundimmunisierung oder fehlender einmaliger Auffrischung erforderlich (Empfehlungsgrad D).

Pertussis/Diphtherie/Tetanus

Zwischenzeitlich wurde von der STIKO die Empfehlung zu einer einmaligen Auffrischimpfung von Erwachsenen gegen Pertussis ausgesprochen [29]. Es steht ein für Erwachsene zugelassener Kombinationsimpfstoff mit Diphtherie/Tetanus zur Verfügung. Spezielle Daten für Patienten mit rheumatischen Erkrankungen liegen nicht vor.

Weitere Prophylaxemaßnahmen

Die Impfung von Kontaktpersonen in der Umgebung immunsupprimierter Patienten stellt eine wichtige Möglichkeit der Infektprophylaxe insbesondere bei Patienten dar, bei denen der Impferfolg mangelhaft oder schwer vorhersehbar ist und/oder bei denen bestimmte (Lebend-)Impfungen kontraindiziert sind. In diesem Zusammenhang sind Impfungen der Kontaktpersonen gegen Influenza, Pneumokokken, Varizellen und MMR empfohlen (STIKO Epidemiologisches Bulletin 39/2005). Die Umgebungsprophylaxe mit Lebendimpfstoffen für Masern, Mumps, Röteln (keine Übertragungen berichtet) und Varizellen (selten Übertragung mit mildem Verlauf unter virostatischer Therapie) ist ungefährlich (STIKO Epidemiologisches Bulletin 39/2005). Lediglich bei der oralen Typhus- und Rotavirenimpfung [30] oder der früher eingesetzten oralen Polioimpfung ist eine potenzielle Gefährdung immunsupprimierter Patienten durch Übertragung ausgeschiedener Lebendimpfstoffe zu beachten.

Nur bei Patienten mit persistierendem Antikörpermangel und fehlender Impfantwort besteht die Indikation zu einer kontinuierlichen passiven Immunisierung mit polyklonalen Immunglobulinpräparaten (Empfehlungsgrad D). Bezüglich der Postexpositionsprophylaxe gelten die gleichen Indikationen wie bei Personen ohne rheumatische Erkrankung. Bei der Entscheidung zur Postexpositionsprophylaxe muss berücksichtigt werden, dass trotz durchgeführter früherer Impfung möglicherweise nur ein eingeschränkter Impfschutz vorliegt. Über eine Impfung hinausgehende Infektionsprophylaxen müssen abhängig von Immunstatus und Infektionsrisiko empfohlen werden. So sollten Patienten mit einer schweren CD4-Lymphopenie in Analogie zu den Empfehlungen bei HIV-Patienten eine Pneumocystis-jirovecii-Prophylaxe erhalten.

Einfluss immunsuppressiver Therapie auf das Impfansprechen

Siehe auch Zusammenfassung in Tab. 2.

Tab. 2 Impfansprechen unter immunsuppressiver Therapie

Spezifische Sicherheitsaspekte für unterschiedliche Therapieformen ergeben sich bei der Impfung mit Totimpfstoffen nicht. Aus diesem Grund wird vor allem auf die Frage der Effektivität eingegangen.

Glukokortikoide

Studienlage

Die Studien bei Patienten mit COPD und einer täglichen Steroiddosis von mindestens 10 mg bis maximal 30 mg/Tag Prednisonäquivalent für Pneumokokken- und Influenzaimpfung (adjuvantierter Impfstoff) ergaben ein normales Impfansprechen [31, 32]. Die Übertragung der Daten auf Patienten mit rheumatischen Erkrankungen und jahrelanger Steroidtherapie ist jedoch dadurch eingeschränkt, dass in der Studie die Mindesteinnahme der Steroide auf 2 Wochen vor und 3 Wochen nach Impfung gesetzt worden war. Mehrere Impfstudien bei Patienten mit rheumatischen Erkrankungen schlossen Patienten mit reiner Steroidtherapie als Kontrollgruppe ein [33, 34]. Auch die Untersuchungen an Patienten mit rheumatischen Erkrankungen deuten auf keine wesentliche Einschränkung der Impfantwort bei Vakzinierung gegen Pneumokokken und Influenza hin [33, 34].

Die Impfempfehlungen der STIKO und auch anderer Gesellschaften erlauben die Impfung mit Lebendimpfstoffen bei Patienten mit einer Steroidtherapie von bis zu 10 bzw. 20 mg Prednisonäquivalent am Tag (STIKO Epidemiologisches Bulletin 39/2005). Bei hohen systemischen Kortisondosen (> 2 mg/kg/Tag Prednison oder > 20 mg/Tag Prednison bei KG > 10 kg) gelten laut STIKO abhängig von der Behandlungsdauer folgende Hinweise: Bei einer Therapie unter 14 Tagen kann unmittelbar, ansonsten mit 1 Monat Mindestabstand mit Lebendimpfstoffen geimpft werden (STIKO Epidemiologisches Bulletin 39/2005).

Effektivität

Impfantwort gegen Influenza und Pneumokokken nicht reduziert (Evidenzgrad 2b).

Zusammenfassende Beurteilung

Eine wesentliche Einschränkung der Impfwirkung ist unter Steroidtherapie bis 20 mg Prednisonäquivalent/Tag nicht zu erwarten. Aus diesem Grund gibt es keine Einschränkung bezüglich der Impfempfehlung. Lebendimpfstoffe können entsprechend der STIKO-Empfehlung bis zu 20 mg Prednisonäquivalent/Tag angewendet werden (Empfehlungsgrad D).

Antimalariamittel

Studienlage

Zu Antimalariamitteln liegt nur eine kleine Studie bei SLE-Patienten vor. Diese zeigt eine geringgradige, einer niedrigen Glukokortikoiddosis entsprechende Reduktion der Impfantwort auf Influenza [18].

Effektivität

Impfantwort gegen Influenza leicht reduziert (Evidenzgrad 3b).

Zusammenfassende Beurteilung

Eine wesentliche Einschränkung der Impfwirkung ist bei Antimalariamitteln nicht zu erwarten. Aus diesem Grund gibt es keine Einschränkung bezüglich der Impfempfehlung. Zu Lebendimpfstoffen kann aufgrund fehlender Daten keine Stellungnahme erfolgen (Empfehlungsgrad D).

Sulfasalazin

Studienlage und Effektivität

In der Literatur und über den Hersteller sind keine Daten zu Impfungen bei Patienten unter Sulfasalazin vorhanden.

Zusammenfassende Beurteilung

Eine wesentliche Einschränkung der Impfwirkung ist bei Sulfasalazin nicht zu erwarten. Bei fehlender Datenlage kann jedoch keine formelle Impfempfehlung ausgesprochen werden (Empfehlungsgrad D).

Cyclosporin A

Studienlage

Es liegen keine Daten von Cyclosporin A (CsA)-behandelten rheumatologischen Patienten vor. Eine kontrollierte Studien zur Impfung gegen Influenza bei lungentransplantierten Patienten zeigte im Vergleich zu einer mit Tacrolimus behandelten Kontrollgruppe eine reduzierte Impfreaktion [35]. Die Einschränkung der Antwort gegen Influenza wurde bei nieren- und herztransplantierten Patienten bestätigt [36, 37]. Im Gegensatz zu der Influenza-Impfung war die Reaktion auf die gleichzeitige Pneumokokkenimpfung bei Herztransplantierten nicht messbar beeinträchtigt [37].

Effektivität

Impfantwort gegen Influenza reduziert (Evidenzgrad 2a), gegen Pneumokokken erhalten (Evidenzgrad 2b).

Zusammenfassende Beurteilung

Bei fehlenden Daten für rheumatologische Patienten können diese nur von anderen Patientengruppen, vor allem transplantierten Patienten, extrapoliert werden. Hier ist ein meist deutlich reduziertes Impfansprechen auf T-Zell-abhängige Antigene bei der Mehrzahl der Patienten zu beobachten, während die Polysaccharidantwort nicht gestört war (Empfehlungsgrad D).

Azathioprin

Studienlage

Mehrere kleine, z. T. kontrollierte Studien bei SLE-Patienten unter Azathioprin haben im Vergleich zu unbehandelten oder nur Steroid-behandelten Patienten einen Trend zur Verminderung der Impfantwort auf einzelne Influenza-Impfstämme gefunden [18, 38]. In einer weiteren Studie hatte Battafarano [39] 76 SLE-Patienten gegen Tetanus, Pneumokokken und Haemophilus influenzae b geimpft. Azathioprin hatten keinen signifikanten Einfluss auf die Impfantwort. In den Studien an Nierentransplantierten [40] war ein leicht reduziertes Impfansprechen beobachtet worden, das aber über dem von MMF lag. Eine Studie zur Pneumokokkenimpfung bei SLE-Patienten zeigte ein normales Impfansprechen [41].

Effektivität

Leichtgradige Reduktion der Impfreaktion auf Influenza (Evidenzgrad 2b), erhaltenes Ansprechen auf Pneumokokken (Evidenzgrad 2b).

Zusammenfassende Beurteilung

Die Impfantwort gegen Influenza ist unter Azathioprin wahrscheinlich leichtgradig eingeschränkt, (Evidenzgrad 2b). Dagegen scheint die gegen Pneumokokken gerichtete spezifische Immunantwort weitgehend erhalten zu sein (Evidenzgrad 2b).

Methotrexat

Studienlage

Zahlreiche kontrollierte Studien haben die Wirkung von Methotrexat (MTX) auf das Impfansprechen gegenüber Influenza und Pneumokokken vor allem bei Patienten mit rheumatoider Arthritis untersucht. Sowohl bei Patienten mit RA [42] als auch Psoriasis-Arthropathie [43] führte MTX zu einer deutlichen Reduktion der gegen Pneumokokken gerichteten spezifischen Impfantwort. Dagegen war die Impfantwort gegen Influenza in zahlreichen Studien nicht statistisch signifikant beeinflusst [33, 34, 38, 42, 44]. Auch die Impfung gegen Hepatitis B zeigte in einer Studie normale Impfantworten unter MTX-Therapie [24].

Effektivität

Impfantwort gegen Influenza vorhanden (Evidenzgrad 2a), gegen Pneumokokken eingeschränkt (Evidenzgrad 2b), gegen Hepatitis B vorhanden (Evidenzgrad 2b).

Zusammenfassende Beurteilung

Unter der Therapie mit MTX sind T-Zell-abhängige Antworten wie die Impfantwort gegen Influenza und Hepatitis B nicht eingeschränkt. Dagegen zeigen mehrere Studien eine reduzierte Antwort gegen Pneumokokkenpolysaccharide. Es gibt zu diesem Zeitpunkt keine Untersuchungen dazu, ob die Gabe von konjugierten Impfstoffen möglicherweise eine bessere Antwort gegen Pneumokokken induziert.

Leflunomid

Studienlage

Keine Berichte in der Literatur vorhanden.

Effektivität

Keine Aussage möglich.

Anmerkung

Die lange Halbwertszeit nach Absetzen von Leflunomid (LEF) muss bei einer geplanten Lebendimpfung berücksichtigt werden.

Cyclophosphamid

Studienlage

Die Impfantwort unter Cyclophosphamid (CYC) wurde nur in wenigen Publikationen berichtet. Battafarano et al. [39] fanden keine Reduktion der gegen Tetanus, Pneumokokken und Hämophilus gerichteten Impfantwort bei 7 Patienten mit SLE.

Effektivität

Keine Reduktion der Impfantwort (Evidenzgrad 3).

Zusammenfassende Beurteilung

Die Studienlage ist aufgrund der geringen Fallzahl und des unerwarteten Ergebnisses mit großer Zurückhaltung zu beurteilen. Aufgrund der schweren Immunsuppression unter CYC ist vor jeder geplanten CYC-Therapie möglichst auf eine ausreichende Impfung einschließlich Pneumokokken und Influenza zu achten (Empfehlungsgrad D). Dies muss insbesondere bei Patienten mit Krankheitsbildern und potenziell zu erwartender Indikation zur CYC-Therapie möglichst weit im Vorfeld berücksichtigt werden, da die Durchführung von Impfungen im weiteren Verlauf aufgrund von häufig hoher Aktivität der Grunderkrankung schwierig sein kann.

Mycophenolatmofetil

Studienlage

Es liegen keine Daten von Impfungen mit Mycophenolatmofetil (MMF) behandelten Patienten mit rheumatischen Erkrankungen vor. Mehrere kontrollierte Studien zeigten bei Nierentransplantierten im Vergleich zu gesunden Kontrollen und mit Azathioprin behandelten Patienten eine reduzierte, aber nachweisbare Impfreaktion auf die Impfung gegen Influenza [40, 45, 46]. Untersuchungen zu anderen Impfstoffen liegen nicht vor.

Effektivität

Impfantwort gegen Influenza reduziert (Evidenzgrad 2a).

Zusammenfassende Beurteilung

Bei fehlenden Daten für rheumatologische Patienten können nur Erfahrungen von anderen Patientengruppen, vor allem Nierentransplantierten, herangezogen werden. Hier ist ein reduziertes Impfansprechen gegen Influenza bei der Mehrzahl der Patienten nachweisbar (Empfehlungsgrad D).

Tumornekrosefaktor-Blocker

Studienlage

Bisher sind nur für 3 Tumornekrosefaktor (TNF)-α-hemmende Substanzen Untersuchungen vorhanden.

Mehrere kontrollierte, prospektive Kohortenstudien [33, 34, 42, 43, 47, 48, 49] haben den Effekt der TNF-α-hemmenden Therapie im Vergleich zu mit Methotrexat behandelten Patienten mit RA untersucht. Die Therapie mit TNF-a-hemmenden Substanzen hatte keinen relevanten Einfluss auf die Pneumokokken-spezifische Impfantwort [42, 43, 48], nur in Kombination mit Methotrexat war eine Reduktion der Impfantwort beobachtet worden. Dagegen zeigte die Studie von Kapetanovic eine Reduktion der Influenza-spezifischen Impfantwort [33]. Dieses Ergebnis wurde in einer späteren Studie an einer gemischten Population von 64 Patienten mit Morbus Crohn und RA unter Therapie mit Etanercept (ETN), Adalimumab (ADM) oder Infliximab (IFX) bestätigt [49]. Für 2 der 3 Impfstämme war die Antwort im Vergleich zu einer heterogenen Therapiekontrollgruppe und gesunden Kontrollpersonen signifikant reduziert. Der Anteil an Patienten mit protektiven Antikörpertitern nach 4 Wochen unterschied sich jedoch nicht signifikant von den beiden Kontrollgruppen, sodass die Autoren die Impfung empfahlen. Eine Unterscheidung der Subgruppen nach RA und Morbus Crohn wurde nicht dargestellt.

Eine Studie bei Patienten mit RA oder Spondylarthropathie (SpA) zeigte ein vergleichbares Impfansprechen bei Patienten mit und ohne IFX-Therapie [50]. Lediglich in der Gruppe der RA-Patienten waren 2 der 3 Impftiter signifikant niedriger bei allerdings gleicher Anzahl an Impfansprechen.

Aufgrund der vorliegenden Daten ist eine vergleichende Beurteilung der verschiedenen TNF-Inhibitoren nicht sicher möglich. Es ist wahrscheinlich, aber formell noch nicht gezeigt, dass die bisherigen Erfahrungen auf die neuen TNF-α-hemmenden Substanzen Golilumab und Certolizumab übertragen werden können.

Effektivität

Gut bei Pneumokokken (Evidenzgrad 2a), leicht eingeschränkt bei Influenza (Evidenzgrad 2b).

Zusammenfassende Beurteilung

Die Effektivität und Sicherheit von Impfungen gegen Pneumokokken und Influenza ist bei rheumatologischen Patienten unter TNF-α-hemmender Therapie nicht klinisch relevant eingeschränkt (Evidenzgrad 2a). Eine geringe Reduktion der Antikörpertiter gegen Influenza nach Impfung ist möglich, ohne dass diese bei den meisten Patienten den angenommenen protektiven Titer im Hämagglutinationstest unterschritten. Zwischen den verschiedenen untersuchten Substanzen ist zu diesem Zeitpunkt keine relevante Differenz zu beobachten (Evidenzgrad 2b). Patienten unter TNF-α-hemmender Therapie sollten möglichst vor Therapiebeginn gegen Pneumokokken, Influenza und Hepatitis B geimpft werden, eine Impfung ist aber auch während der Therapie möglich (Empfehlungsgrad C).

Anakinra

Studienlage

Keine Berichte in der Literatur oder Herstellerangaben vorhanden.

Effektivität

Keine Aussage möglich.

Rituximab

Studienlage

Die Impfantwort nach Gabe von Rituximab (RTX) wurde in 3 kleinen Kohortenstudien und einer randomisierten Studie an Patienten mit rheumatischen Erkrankungen untersucht. Gelinck et al. [51] berichteten von 4 Patienten, die 84 Tage nach RTX gegen Influenza geimpft wurden. Die Impfantwort war drastisch für alle 3 Impfstämme reduziert. In einer größeren Kohorte von SLE-Patienten unter RTX [52] wurden 14 Patienten 7 Monate nach RTX-Therapie gegen Tetanus und Pneumokokken geimpft. Nur 6 Patienten zeigten überhaupt eine Antwort. Horwitz et al. [53] hatten bereits bei Lymphompatienten eine deutlich reduzierte Impfantwort auf Pneumokokken und Bearden et al. [54] für Neoantigene gezeigt. Sekundärantworten sind meist reduziert, aber noch teilweise erhalten [55]. In der einzigen randomisierten Studie von Bingham et al. (SIERRA; [56]) wurde bei 103 Patienten mit RA die Auffrischimpfung für Tetanus, die Immunisierung gegen Pneumokokken und gegen Keyhole Limpet Hemocyanin (KLH) als Neoantigen 24 Wochen nach RTX im Vergleich zur MTX-Monotherapie untersucht. Während die Auffrischimpfung gegen Tetanus in beiden Gruppen vergleichbar war, war die Impfantwort gegen Pneumokokken und das Neoantigen deutlich reduziert. Die B-Zell-Zahl im peripheren Blut hatte keinen prädiktiven Wert für die erfolgreiche Impfantwort. Auch Impfantworten gegen das „Neoantigen Influenza“ waren nicht nur innerhalb der ersten 8 Wochen nach RTX-Therapie, sondern auch bei einem großen Teil der Patienten 6 Monate nach RTX deutlich reduziert [57].

Mehrere Studien haben übereinstimmend den Erhalt von vorbestehenden Serumtitern gegen Impfantigene wie Tetanustoxoid und Pneumokokkenpolysaccharid [58, 59] und Masern [60] unter RTX-Therapie gezeigt.

Effektivität

Evidenzgrad 2a für Impfversagen unter RTX-Therapie, 2a für Erhalt vorbestehender Impftiter, 2a für Ansprechen einer Auffrischimpfung gegen Tetanus 6 Monate nach RTX-Therapie.

Zusammenfassende Beurteilung

Unter Therapie mit RTX ist mit einem deutlich reduzierten Impfansprechen insbesondere gegen Pneumokokken und Neoantigene bei den meisten Patienten zu rechnen, deswegen sollten Impfungen mindestens 2 Wochen vor Beginn der Therapie abgeschlossen sein (Empfehlungsgrad D). Eine mögliche RTX-Therapie sollte deswegen frühzeitig in die Konzeption des individuellen Impfplans mit einbezogen werden. Eine Auffrischimpfung gegen Peptidantigen erscheint 6 Monate nach RTX-Therapie wieder möglich zu sein, während die Impfantwort gegen Polysaccharide und Neoantigen weiterhin deutlich eingeschränkt zu sein scheint. Bestehende Impftiter werden durch die nachfolgende RTX-Therapie innerhalb des bisher dokumentierten Zeitraums von 48 Wochen nur unwesentlich beeinflusst.

Abatacept

Studienlage

Es liegt zu diesem Zeitpunkt lediglich eine kleine Pilotstudie an gesunden Probanden vor [61]. Die Mehrheit der Probanden zeigte abhängig vom zeitlichen Abstand zwischen der Impfung und der einmaligen Gabe von Abatacept eine reduzierte Impfantwort auf Tetanustoxoid und Pneumokokken.

Effektivität

Reduzierte Antwort auf Tetanustoxoid und Pneumokokken möglich (Evidenzgrad 2b).

Zusammenfassende Beurteilung

Die Wirkung einer Abatacept-Dauertherapie auf den Impferfolg lässt sich aus den vorliegenden Daten nicht abschätzen. Aufgrund theoretischer Überlegungen und der oben genannten Studie sollten (vor allem T-Zell-abhängige) Impfungen möglichst vor Therapiebeginn durchgeführt werden (Empfehlungsgrad D).

Tocilizumab

Studienlage

Zwei Studien aus Japan an 190 Patienten mit RA ergaben einen vergleichbaren Titeranstieg und Anteil von Patienten mit Impfantwort gegen Pneumokokken und Influenza unter Tocilizumab im Vergleich zu einer RA-Kohorte unter einer konventionellen Basistherapie [62, 63].

Effektivität

Wahrscheinlich keine wesentliche Einschränkung der Impfantwort gegen Pneumokokken und Influenza.

Zusammenfassende Beurteilung

Die Effektivität und Sicherheit von Impfungen gegen Pneumokokken und Influenza ist unter Tocilizumab-Therapie wahrscheinlich nicht klinisch relevant eingeschränkt (Evidenzgrad 3).

Sicherheit der Vakzinierung abhängig von der Grunderkrankung

Rheumatoide Arthritis

Studienlage

In 9 kontrollierten Studien mit insgesamt 602 RA-Patienten wurde das Impfansprechen auf die Impfung gegen Influenza untersucht. Dabei zeigten die meisten Patienten ein normales Impfansprechen, das lediglich durch die bestehende Therapie beeinflusst wurde. Es wurden keine besonderen Nebenwirkungen oder Aktivierung der Grunderkrankung berichtet. Die Impfantwort auf Pneumokokken wurde in 5 kontrollierten Studien an 397 Patienten untersucht. Dabei zeigten die meisten Patienten ein Ansprechen, das teilweise gegenüber der Normalbevölkerung erniedrigt war. Diese Reduktion war jedoch in verschiedenen Studien teilweise mit MTX [33, 42], teilweise mit TNF-α-hemmender Therapie [64] oder mit beiden [48] verbunden. Das Impfansprechen bei der Hepatitis-B-Impfung war in einer kontrollierten Studie nicht eingeschränkt [24].

Effektivität

Gut für Influenza (Evidenzgrad 1a), ausreichend für Pneumokokken (Evidenzgrad 2a).

Sicherheit

Gut für Influenza und Pneumokokken (Evidenzgrad 1a).

Zusammenfassende Beurteilung

Bei Patienten mit RA ist aufgrund der bestehenden Daten von einem guten Impfansprechen und Sicherheit bei der Impfung gegen Influenza und nur leicht eingeschränkt für Pneumokokken auszugehen (Evidenzgrad 1a). Das Ansprechen wird vor allem durch die bestehende immunsuppressive Therapie (vor allem RTX und vor allem MTX für Pneumokokken) modifiziert.

Systemischer Lupus erythematodes

Studienlage

Mehrere kontrollierte Studien haben das Impfansprechen von SLE-Patienten auf Influenza und Pneumokokken untersucht. Studien in den 1970er-Jahren an insgesamt 125 Patienten hatten eine meist normale, aber in der einzigen randomisierten Studie auch erniedrigte Effektivität der Influenzaimpfung erbracht [65, 66, 67, 68, 69]. Die Studie von Holvast et al. [18] zeigte ein reduziertes Impfansprechen für die Influenza-A-Stämme auch bei SLE-Patienten ohne Therapie (Serokonversion bei 60 statt 90 % bei Gesunden), das bei Steroid- bzw. Hydroxychloroquin (HCQ)-behandelten SLE-Patienten auf 40–50 % und Azathioprin-behandelten Patienten auf 10–30 % sank. Zwei neuere Studien [38, 44] bestätigten niedrigere Antikörpertiter bei SLE-Patienten bei jedoch ähnlicher Serokonversionsrate [44]. Durch eine kurzfristige Wiederholung der Influenzaimpfung lässt sich die reduzierte Impfantwort bei SLE-Patienten nicht relevant anheben [18]. Nebenwirkungen in Form von Myalgien, Müdigkeit und Schwitzen waren erhöht bei SLE-Patienten aufgetreten. Eine vermehrte Aktivierung des SLE nach Impfung konnte nicht festgestellt werden. Bei 4/125 Patienten, vor allem bei vorbestehender SLE-Aktivität, war es zu schweren Schüben während der Beobachtungsphase gekommen.

Die Impfung mit Pneumokokkenpolysaccharid wurde in 5 Studien mit insgesamt 275 SLE-Patienten [70, 41, 39, 71] untersucht. Alle Studien ergaben eine gute Verträglichkeit. Die Effektivität war grundsätzlich in allen Studien nachgewiesen, wenn auch die Impftiter gegenüber gesunden Kontrollen meist reduziert waren (Evidenzgrad 2a).

In einer brasilianischen Studie wurden 28 SLE-Patienten erfolgreich gegen Hepatitis B geimpft, ohne dass eine Exazerbation des SLE auftrat [72].

Effektivität

Impfantwort gegen Influenza leicht reduziert (Evidenzgrad 2b), gegen Pneumokokken reduziert (Evidenzgrad 2b), gegen Hepatitis B gut (Evidenzgrad 2b).

Sicherheit

Impfung gegen Influenza, Hepatitis B und Pneumokokken gut verträglich, auch wenn in Einzelfällen eine Reaktivierung möglich ist (Evidenzgrad 2b).

Zusammenfassende Beurteilung

Die Ansprechrate und die Titerhöhe sind bei den meisten SLE-Patienten sowohl nach Influenza- als auch Pneumokokkenimpfung vorhanden, aber im Vergleich zu Gesunden leicht reduziert. Ein erhöhter Anteil an Impfversagern unter SLE-Patienten ist möglich. Impfungen gegen Influenza, Pneumokokken und Tetanus sind insgesamt als sicher anzusehen, wenn auch einzelne Exazerbationen und im Vergleich zu Gesunden vermehrt leichte Nebenwirkungen berichtet werden. Impfungen bei Patienten mit aktiver Erkrankung und insbesondere bei aktiver Nierenbeteiligung sollten vermieden werden (Empfehlungsgrad D). Patienten mit assoziierten Komplementdefekten sind vermehrt gefährdet für Infektionen mit bekapselten Erregern und sollten gegen Pneumokokken und Meningokokken (Epidemiologische Bulletin 32/2010) geimpft werden.

Sonstige Kollagenosen

Studienlage

Eine kleine Kohortenstudie liegt für die progressive Systemsklerose (PSS; [73]) vor: 46 PSS-Patienten wurden mit virosomalem Influenzaimpfstoff geimpft; 70–80 % der Patienten zeigten ein Impfansprechen und keine Nebenwirkungen. Insbesondere wurde keine Zunahme der Aktivität der Grunderkrankung in der 12-monatigen Verlaufsbeobachtung festgestellt. Es existieren keine entsprechenden Daten für Patienten mit Sjögren-Syndrom, Dermato- und Polymyositis oder Mischkollagenose.

Effektivität und Sicherheit

Evidenzgrad 2b für PSS.

Zusammenfassende Beurteilung

Impfungen sind bei Patienten mit Systemsklerose effektiv und sicher (Evidenzgrad 2b) und sollten aufgrund der häufigen Lungenbeteiligung für Pneumokokken und Influenza durchgeführt werden (Empfehlungsgrad C–D). Alle anderen Kollagenosen können nur im Analogschluss zu Daten bei SLE-Patienten beurteilt werden (Empfehlungsgrad D).

Vaskulitiden

Studienlage

Zahlreiche Fallberichte haben einen möglichen Zusammenhang einer Impfung und dem Auftreten bzw. der Aktivierung einer Vaskulitis mit sehr selten auch fatalem Ausgang beschrieben [74, 75]. Eine randomisierte Studie (72 Patienten; [76]) und eine retrospektive Analyse (230 Patienten; [77]) aus der Groninger Arbeitsgruppe haben die Effektivität und Sicherheit der Influenza-Impfung bei Patienten mit Granulomatose mit Polyangiitis (Morbus Wegener; GPA) bzw. ANCA-positiver Vaskulitis untersucht. Die erste Untersuchung ergab eine mit gesunden Kontrollen vergleichbare Impfantwort und Serokonversion gegen zwei Drittel der Impfstämme. Beide Untersuchungen zeigten keine Erhöhung der Nebenwirkungen oder Rezidive nach Impfung im Vergleich zu nicht geimpften Patienten (gemessen an Birmingham Vasculitis Activity Score, BVAS [77, 76] und ANCA-Titer [76]) bzw. gesunden Kontrollen [76].

Zur Impfung gegen Pneumokokken liegen keine Daten vor.

Effektivität

Impfantwort gegen Influenza vergleichbar zu gesunden und Krankheitskontrollen (Evidenzgrad 2b).

Sicherheit

Wahrscheinlich gut (Evidenzgrad 3).

Zusammenfassende Beurteilung

Die Impfung von Patienten mit ANCA-positiver Vaskulitis in Remission gegen Influenza ist sicher und effektiv (Empfehlungsgrad C), Daten zu anderen Impfungen sind nicht vorhanden. Das Auftreten einer Vaskulitis als Impfreaktion ist mehrfach insbesondere nach Hepatitis-B- und Influenza-Impfung beschrieben (Evidenzgrad 3). Bei Patienten mit vorbestehender Impfreaktion in Form einer Vaskulitis sollten weitere Impfungen unter sorgfältiger Abwägung von Risiko und Nutzen erfolgen. Patienten mit aktiver Vaskulitis sollten nicht geimpft werden (Empfehlungsgrad D).

Sonstige rheumatische Erkrankungen

Studienlage

Nur sehr wenige Daten haben die Effektivität und Sicherheit von Impfungen bei Patienten mit reaktiver Arthritis und Spondylarthropathien untersucht. Eine kontrollierte Studie bei 184 Psoriasispatienten hat ein vergleichbares Impfansprechen gegen Pneumokokken bei der Therapie mit oder ohne Etanercept gezeigt [43]. Zahlreiche Einzelfallberichte beschreiben eine „reaktive Arthritis“ nach den verschiedensten Impfungen ([78, 79] u. a. m.; Evidenzgrad 3).

Effektivität und Sicherheit

Aufgrund fehlender Daten nicht ausreichend beurteilbar.

Zusammenfassende Beurteilung

Für die Gruppe der Spondylarthropathie- und reaktiven Arthritispatienten gibt es keine ausreichenden Studien, um Effektivität und Sicherheit zu beurteilen. Diese können nur in Analogie zu den Studien bei der RA mit einem gewissen Vorbehalt abgeleitet werden (Empfehlungsgrad D). Das Auftreten einer Arthritis als Folge einer Impfung ist möglich (Evidenzgrad 3).

Schlussfolgerungen zu Impfempfehlungen für Patienten mit entzündlich rheumatischen Erkrankungen

Bei Patienten mit chronisch entzündlich rheumatischen Erkrankungen besteht häufig eine intrinsische und therapiebedingte erhöhte Infektanfälligkeit, die wesentlich zu Morbidität und Mortalität der Patienten beiträgt.

Bei einem hohen Anteil der Infektionen handelt es sich um impfpräventable Infektionen.

Jeder Patient soll vor der Einleitung einer immunsuppressiven Therapie über eine mögliche Zunahme der Infektneigung und die empfohlene Impfprävention aufgeklärt werden (s. Patienteninformation unter http://www.dgrh.de/patientenimpfung.html).

Für alle Patienten mit rheumatischen Erkrankungen und insbesondere für Patienten unter immunsuppressiver Therapie ist ein umfassender Impfschutz anzustreben.

Die Grundimmunisierung aller Patienten mit rheumatischen Erkrankungen umfasst notwendige Auffrischimpfungen für Tetanus und Diphtherie sowie die empfohlenen Impfungen für Pneumokokken, Meningokokken und Influenza. Aktuell können keine Empfehlungen für spezifische Impfstoffe (konjugiert, adjuvantiert etc.) ausgesprochen werden. Ein spezifischer Impfplan ist in Tab. 1 zusammengefasst.

Impfungen mit Totimpfstoffen sind bei Patienten mit rheumatischen Erkrankungen in Remission auch unter immunsuppressiver Therapie effektiv und sicher. Ausnahme stellt der Zustand nach B-Zell-depletierenden Therapien dar, da hier nicht mit einem adäquaten Impfansprechen zumindest in den ersten 6 Monaten nach der Therapie zu rechnen ist. Die Impfung ist nach diesem Intervall nachzuholen.

Impfungen bei aktiver Grunderkrankung sollten, soweit möglich, aufgrund erhöhten Risikos für zusätzliche Krankheitsaktivität vermieden werden.

Lebendimpfungen sind bei relevanter Immunsuppression kontraindiziert. Hierunter zählen die Impfungen gegen Masern, Mumps, Röteln (MMR), Varizellen, Gelbfieber, die orale Typhus- und Choleraimpfungen. Aktuelle Studien zeigen jedoch, dass diese Impfungen unter bestimmten Bedingungen auch mit ausreichender Sicherheit verabreicht werden können, sodass in Einzelfällen für Röteln (Schwangerschaftswunsch) bzw. Varizellen die Impfung erwogen werden kann. Bei Reiseimpfungen mit Lebendvakzine müssen mit Patienten Infektionsrisiko, Impfrisiko und zu erwartender Impferfolg ggf. mithilfe eines Reisemediziners abgewogen werden.

Lebendimpfungen gelten als ausreichend sicher bei Patienten mit Steroiden unter 20 mg Prednisonäquivalent/Tag, topischen Steroiden, Antimalariamitteln und Sulfasalazin.

Abhängig von Grunderkrankung und Immunsuppression sind häufig verminderte Impfantworten bei Patienten mit rheumatischer Grunderkrankung zu erwarten. Dennoch liegen die Titer meist noch im protektiven Bereich. Es werden keine zusätzlichen zeitnahen Wiederholungsimpfungen gegen Influenza empfohlen.

Eine Kontrolle der Titerkontrolle nach Impfung ist nicht generell empfohlen. Nach Impfung gegen Hepatitis B oder Röteln ist eine Kontrolle sinnvoll, da hier protektive Bereiche definiert sind und ggf. geboostert werden kann, wenn Schwangerschaft oder Exposition zu erwarten ist (cave: Bei der Impfung gegen Röteln handelt es sich um eine Lebendimpfung, die in Deutschland auch nur als Kombinationsimpfstoff MMR vorliegt).

Die aktuellen Empfehlungen der EULAR zu Impfungen bei Patienten mit rheumatischen Grunderkrankungen stimmen mit den hier erarbeiteten Empfehlungen überein [80]. Für weitere Informationen wird auf die Empfehlungen der ständigen Impfkommission unter http://www.rki.de verwiesen.