Nach wie vor hat die Nierenbeteiligung beim systemischen Lupus erythematodes (SLE) den größten Einfluss auf Morbidität und Mortalität. Trotz verbesserter Therapieführung von Lupuspatienten konnte zumindest im Zeitraum von 1982 bis 1995 die Inzidenz der terminalen Niereninsuffizienz nicht reduziert werden. Genauso bedeutsam wie das rasche Ansprechen in der Induktionstherapie der Lupusnephritis ist eine effektive Erhaltungstherapie um Nephritisrezidive, Dialysepflichtigkeit oder Tod zu verhindern. Als Therapieoptionen werden vor allem Glukokortikosteroide, Azathioprin (AZA), Mycophenolatmofetil (MMF) und Cyclophosphamid (CYC) diskutiert. Welchem dieser Medikamente, die allesamt ein beträchtliches Nebenwirkungsrisiko aufweisen, der Vorzug zu geben ist, wird kontrovers diskutiert. Die Autoren der vorliegenden Arbeit liefern zu dieser Diskussion einen wertvollen Beitrag.

Hintergrund

Bereits 1896 wurde Mycophenolsäure als Gärungsprodukt verschiedener Pilzarten der Gattung Penicillium isoliert. Nachdem es in der Transplantationsmedizin eine Erfolgsgeschichte durchlaufen hatte, wurde es erstmals Ende der 1990er-Jahre in einem Mausmodell der Lupusnephritis erfolgreich eingesetzt. Seitdem wurden 13 Fallberichte, Fallserien oder Kohortenstudien mit insgesamt ca. 1200 Patienten über die Effektivität von MMF bei diversen SLE-Manifestationen veröffentlicht, außerdem 13 kontrollierte, randomisierte Studien mit 42 bis 227 Patienten mit Lupusnephritis.

Vor allem die 2005 im New England Journal of Medicine publizierte Arbeit von Ellen Ginzler et al. [1] fand viel Beachtung. In einer randomisierten offenen Studie wurden MMF und CYC zur Induktionstherapie bei 140 Patienten mit Lupusnephritis verglichen. MMF erwies sich als effektiver und hatte, von der häufigeren Diarrhö abgesehen, ein günstigeres Risikoprofil in Bezug auf Todesfälle, Hospitalisierungen und Infektionen.

Leider scheiterten die berechtigten Zulassungsbestrebungen an der Vorläuferstudie der vorliegenden Arbeit: In der Untersuchung der ALMS (Aspreva Lupus Management Study Group) zur Induktionstherapie, in der wiederum MMF mit CYC verglichen und die Überlegenheit statistisch erwiesen werden sollte, wurde keine Signifikanz erreicht [2]. Alle Ergebnisse wiesen zwar zumindest auf die Gleichwertigkeit von MMF hin, was allein vor dem Hintergrund des günstigeren Risikoprofils gereicht hätte, um MMF als erste Wahl zur Induktionstherapie zu begründen. Ein wichtiges Argument für MMF wäre z. B. die niedrigere Rate an ovarieller Insuffizienz, da es sich bei den Patienten häufig um junge Frauen mit Kinderwunsch handelt. Formal wurde aber das Studienziel, die Überlegenheit zu demonstrieren, nicht erreicht und damit eine negative Studie produziert.

In der vorliegenden Arbeit präsentieren die Autoren die Ergebnisse für die Patienten, die nach Ansprechen auf MMF oder CYC in der ALMS-Induktionsstudie randomisiert eine Erhaltungstherapie mit MMF oder AZA einnahmen.

Methoden

Patienten mit Lupusnephritis Klasse III, IV oder V, die auf eine 6-monatige Induktionsphase mit MMF oder CYC im Rahmen der oben genannten Induktionsstudie angesprochen hatten, wurden doppelblind 1:1 randomisiert und erhielten placebokontrolliert entweder MMF (2 g pro Tag) oder orales AZA (2 mg pro Kilogramm Körpergewicht pro Tag). Die Beobachtungszeit betrug 36 Monate. Die Definition von Ansprechen war dem Prüfarzt überlassen und deckte sich nicht unbedingt mit der Definition des Kommitees zur Überwachung der Studienendpunkte.

Als Begleitmedikation durften die Patienten höchstens 10 mg Prednisolon-Äquivalent pro Tag erhalten. Primärer Endpunkt in Bezug auf Wirksamkeit war die Zeit bis zum Therapieversagen. Als Therapieversagen galten die Ereignisse Tod, terminale Niereninsuffizienz, Verdopplung des Serumkreatinins, erneuter Schub der Lupusnephritis oder erneute Therapieintensivierung zur Behandlung der Lupusnephritis. Als sekundäre Endpunkte wurden die Zeit bis zum Eintreten jedes einzelnen der oben genannten Ereignisse und das Auftreten von Nebenwirkungen bzw. von „adverse events“ untersucht.

Ergebnisse

Insgesamt wurden 227 Patienten von den ursprünglichen 370, die in die Vorläuferstudie eingeschlossen wurden, für eine weitere Erhaltungstherapie randomisiert; 116 wurden dem Arm mit MMF und 111 dem mit AZA zugeteilt. MMF war AZA überlegen in Bezug auf den primären Endpunkt, nämlich die Zeit bis zum Therapieversagen (relatives Risiko 0,44; 95%-Konfidenzintervall von 0,25–0,77; p = 0,003) und in Bezug auf die Zeit bis zum erneuten Schub oder bis zur Therapieintensivierung (relatives Risiko < 1,00; p < 0,05). Therapieversagen trat bei 16,4% der Patienten (19 von 116) in der MMF-Gruppe und bei 32,4% (36 von 111) in der AZA-Gruppe auf. Mehr als 95% der Patienten beider Gruppen erlitten „adverse events“, nämlich vor allem leichtere Infektionen und gastrointestinale Nebenwirkungen (p = 0,68). Zu schwerwiegenden Ereignissen kam es bei 33,3% der Patienten in der AZA-Gruppe und bei 23,5% in der MMF-Gruppe (p = 0,11). In der AZA-Gruppe wurde die Therapie häufiger wegen „adverse events“ abgebrochen als in der MMF-Gruppe (39,6 vs. 25,2%, p = 0,02).

Diskussion und Kommentar

Nach Ansicht der Autoren erweist sich MMF als effektiver darin, das Ansprechen einer Lupusnephritis nach Induktionstherapie zu erhalten.

Zuletzt publizierten Houssiau et al. [3] Daten der EUROLUPUS MAINTAIN-Studie zur Erhaltungstherapie bei Lupusnephritis. Die 105 Patienten erhielten eine Cyclophosphamid-Stoßtherapie nach dem sog. Eurolupus-Schema (6-mal  500 mg alle 2 Wochen) und im Anschluss randomisiert MMF oder AZA als Erhaltungstherapie. Unter der Erhaltungstherapie mit MMF traten zwar tendenziell weniger Nephritisschübe auf, der Unterschied erreichte aber keine Signifikanz. Als wichtiges Argument für die Wahl von AZA führte Houssiau die Teratogenität von MMF an, was sicherlich für die vorwiegend jungen Patientinnen im gebärfähigen Alter hochrelevant sein dürfte. AZA dagegen gilt bekanntermaßen als relativ unbedenklich in Bezug auf Empfängnis und Schwangerschaft. Unter MMF sind eine Häufung von Mikrotie, Anotie, Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalten, Gehörgangsatresie, Hypertelorismus, Kolobomen, Mikrognathie und kardiovaskulären Missbildungen beschrieben.

Volkswirtschaftlich gedacht, besteht ein weiterer Vorteil von Azathioprin in den niedrigeren Kosten: Diese betragen für Azathioprin 40–50 Euro pro Monat, für das Originalpräparat von Mycophenolatmofetil ca. 500 Euro pro Monat, also das 10-Fache, und für Generika von Mycophenolat ca. 230 Euro pro Monat. In diesem Zusammenhang sollte aber die Kosteneffektivitätsanalyse von Tse et al. [4] nicht unerwähnt bleiben. Die Autoren verglichen bei insgesamt 44 Patienten eine Induktions- und Erhaltungstherapie mit MMF vs. Induktion mit CYC und Erhaltung mit AZA. Aufgrund der niedrigeren Rate an Hospitalisierung und Infektionen fiel die Therapie alleine mit MMF nur noch 1,57-mal so teuer aus.

Die Aussagekraft der MAINTAIN-Studie wird etwas durch die relativ geringe Patientenzahl von 105 geschmälert. Die vorliegende Studie kann immerhin 227 Patienten aufweisen. Auch wurde die MAINTAIN-Studie im Gegensatz zur aktuellen Arbeit nicht doppelblind und placebokontrolliert durchgeführt, und als Einschlusskriterium wurde kein Ansprechen auf die Induktionstherapie gefordert. Abschließend schränkt auch die unterschiedliche ethnische Zusammensetzung die Vergleichbarkeit ein: Amerikanische ALMS hatte einen viel höheren Anteil an Nicht-Kaukasiern als die europäische MAINTAIN. In der MAINTAIN-Studie kam auch der „große Gleichmacher“ aller Lupusstudien zum Tragen: die begleitende Prednisolon-Dosis war kaum begrenzt, wohingegen ALMS die maximale Prednisolon-Dosis strikt auf 10 mg festlegte.

Einschränkend muss hier auf eine Tatsache hingewiesen werden, die gerade Houssiau richtigerweise nicht müde wird zu betonen: Für die endgültige Beurteilung von Therapiestrategien bei Lupusnephritis sind eigentlich Nachbeobachtungszeiträume von 10 oder mehr Jahren erforderlich, insbesondere in Bezug auf kardiovaskuläre Ereignisse und terminale Niereninsuffizienz. Die Nachbeobachtung der ALMS von 36 Monaten wird aber mit Sicherheit nicht verlängert, weswegen wir diese Information für die Studienpopulation nicht erhalten werden.

Eine interessante Gemeinsamkeit beider Therapiegruppen wird von den Autoren hervorgehoben, nämlich die Tatsache, dass sich nach Induktionstherapie lediglich ca. 8% der Patienten in kompletter Remission ihrer Nephritis befanden im Gegensatz zu 60% in beiden Gruppen am Ende der Erhaltungstherapie, sodass die weltweit übliche Unterteilung in Induktionstherapie und Erhaltungstherapie lediglich artifiziell sein könnte. Bekanntermaßen wirkt sich aber ein rasches Ansprechen sehr wohl auf die langfristige Prognose aus.

Da die Studie ein Ansprechen auf die Induktionstherapie als Einschlusskriterium forderte, wurden Patienten mit aggressiveren bzw. therapierefraktäreren Formen nicht erfasst. Ob diese dennoch von der Umstellung auf AZA oder MMF profitiert hätten, bleibt damit unklar.

Zusammenfassend kann man feststellen, dass einerseits die Autoren ein sehr gutes Argument für den Einsatz von MMF als Erhaltungstherapie bei Lupusnephritis liefern, was sich bei der Diskussion mit den Kostenträgern, die gerade bei MMF eine besonders kritische Aufmerksamkeit walten lassen, als sehr wertvoll erweisen dürfte. Andererseits wird vor allem im Zusammenhang mit Kinderwunsch die Wahl immer noch auf AZA fallen, das weiterhin als hocheffektives Präparat in dieser Situation anzusehen ist.