Die Differenzialdiagnose einer Vaskulitis zunächst unklarer Genese umfasst neben einer ausführlichen Anamnese hinsichtlich vorangegangener Infektionen und der Einnahme von Medikamenten und Drogen auch die gezielte Suche (Mikrobiologie, Serologie, Bildgebung) nach möglichen Auslösern einer sekundären Vaskulitis bzw. Assoziation einer Vaskulitis mit einer zugrunde liegenden Erkrankung (Malignom, andere rheumatische Systemerkrankung). Pathophysiologisch zu trennen von einer sekundären Vaskulitis sind Vaskulitis „Mimics“.

Infektassoziierte sekundäre Vaskulitiden

Von einer para- und postinfektiösen sekundären Vaskulitis spricht man, wenn ein direkter zeitlicher Zusammenhang mit viralen, bakteriellen oder mykotischen Infektionen gegeben ist. Die Vaskulitis bessert sich häufig nach Elimination oder immunologischer Kontrolle der auslösenden Erreger.

Pathophysiologisch werden folgende Mechanismen diskutiert (Übersicht bei [1]):

  • direkte Erregerinvasion und toxische Schädigung der Gefäßwand (z. B. Mycobacterium fortuitum, Treponema pallidum, Salmonellen und Yersinien und Induktion einer Aortitis),

  • Endothelzellinfektion (Rickettsia prowazeki, CMV, HIV, HBV, HCV),

  • immunologisch vermittelte Gefäßwandschädigung über kreuzreagierende Antikörper oder zytotoxische Zellen, die gegen virusinfizierte Endothelzellen reagieren. Häufig spielen dabei Immunkomplexe, Kryoglobuline, Viskositätserhöhung, Aktivierung von Komplement und Gerinnungssystem sowie Zytokinfreisetzung eine Rolle (z. B. bei chronischen HCV-, HBV- oder HIV-Infektionen, Lues II/III, chronischer Borreliose, Gruppe-A-Streptokokken),

  • Störungen in Zahl und Funktion von regulatorischen T-Zellen.

Der Übergang zwischen eindeutig infektassoziierten Vaskulitiden und den als „primäre“ Vaskulitiden klassifizierten Erkrankungen, in denen schon seit Langem eine infektbedingte Ätiopathogenese diskutiert wird, dürfte in vielen Fällen fließend sein ([2], Tab. 1).

Tab. 1 Infektionen als mögliche Ursache klinisch definierter Vaskulitiden. (Aus [1], mod. nach [2])

Sekundäre Vaskulitiden bei Kollagenosen, rheumatoider Arthritis und Sarkoidose

Vaskulitiden (typischerweise vom Typ der Kleingefäßvaskulitis) kommen in Assoziation mit anderen rheumatischen Systemerkrankungen (rheumatoide Arthritis, Kollagenosen) oder der Sarkoidose vor. Besonders häufig treten sie beim systemischen Lupus erythematodes (SLE) auf, wie in einer großen Studie an 670 SLE-Patienten gezeigt werden konnte: 76 Patienten (11%) wiesen eine sekundäre Vaskulitis auf, von denen allerdings nur 32 (42%) die Chapel-Hill-Klassifikationskriterien erfüllten [3]. Typische klinische Manifestationen einer sekundären Vaskulitis sind eine Purpura, Ulzerationen, Livedo reticularis, Glomerulonephritis, alveoläre Hämorrhagie, Kardiomyopathie, Lungenknoten, granulomatöse Myokarditis, Hämatemesis, Meläna oder eine Schwerpunktneuropathie. Auch beim primären Sjögren-Syndrom und der Dermato-/Polymyositis sind sekundäre Vaskulitiden nicht selten.

Medikamentös induzierte sekundäre Vaskulitiden

Die Diagnose einer medikamenteninduzierten Vaskulitis basiert auf der Feststellung von Symptomen einer Vaskulitis, die zeitlich im Zusammenhang mit dem ursächlich vermuteten Pharmakon stehen, auf dem Ausschluss einer anderweitigen sekundären Vaskulitis (z. B. getriggert durch Infektionen oder Malignome) sowie evtl. dem Nachweis von Autoantikörpern (darunter ANCA und ANA).

Thyreostatika machen 80–90% der Induktoren einer medikamentös assoziierten Vaskulitis aus, der häufigste Vertreter ist Propylthiouracil (Tab. 2). In 6–11% [4, 5] der thyreostatisch behandelten Patienten kann ein positiver P-ANCA nachgewiesen werden, in den allermeisten Fällen mit Antigenspezifität für MPO, seltener für Proteinase 3, Lactoferrin oder humane Leukozytenelastase, Kathepsin G oder BPI [6, 7]. Darüber hinaus treten, im Gegensatz zur primären ANCA-assoziierten Vaskulitis (AAV) auch ANA, ds-DNS-, Histon- und Cardiolipin-Antikörper auf.

Thyreostatika machen 80–90% der Induktoren einer medikamentös assoziierten Vaskulitis aus

Tab. 2 Übersicht über die wichtigsten Medikamentengruppen, die eine Vaskulitis induzieren können

Die Pathophysiologie der medikamentösen Autoantikörperinduktion ist nicht völlig geklärt, denkbar sind [6, 7]:

  • Bildung von zytotoxischen Medikamentenmetaboliten durch aus aktivierten Granulozyten freigesetztes MPO, die dadurch selbst immunogen werden und MPO-Antikörperbildung induzieren,

  • medikamentenvermittelte Induktion von Apoptose neutrophiler Granulozyten und dadurch Präsentation von ANCA-Antigenen auf der Zelloberfläche,

  • medikamenteninduzierte Autoantikörperproduktion vermittels der Stimulation des angeborenen Immunsystems.

Nur etwa ein Drittel der medikamentös induzierten, ANCA-positiven Patienten zeigen klinische Vaskulitissymptome. Dabei wird eine Hautvaskulitis deutlich häufiger (63 vs. 25%) bei medikamentös induzierter Vaskulitis als bei primärer AAV beobachtet, eine Glomerulonephritis hingegen viel seltener (19 vs. 75%; [8]). Andererseits wurde in verschiedenen Kohorten gezeigt, dass sowohl die unbehandelte autoimmune Hyperthyreose mit positivem P-ANCA-Nachweis einhergehen kann [4, 5, 9] als auch unter Behandlung mit Propylthiouracil die ANCA-Inzidenz auf bis zu 64% ansteigen kann [4], ohne dass sich eine Vaskulitis klinisch manifestiert.

Fallberichte weisen auf einen Zusammenhang zwischen dem Auftreten eines Churg-Strauss-Syndroms (CSS) mit dem Gebrauch von Leukotrienrezeptorantagonisten (LRA) zur steroideinsparenden Behandlung des Asthma bronchiale hin [10, 11]. Hypothesen zur Pathophysiologie reichen von der Demaskierung eines dem Asthma bronchiale zugrunde liegenden CSS durch Steroideinsparung bis hin zur LRA-induzierten Leukotriendysbalance. Die klinischen Manifestationen und das ANCA-Muster unterscheiden sich nicht vom idiopathischen CSS. Die existierenden Daten lassen allerdings keine eindeutigen Schlüsse auf die kausale oder koinzidentelle Rolle der LRA für das CSS zu. Das NIH und die US FDA haben den Gebrauch von LRA vorerst ohne Einschränkungen zugelassen [7].

Vaskulitis „Mimics“

Hierunter werden Krankheitsbilder verstanden, deren klinische Symptome denen primärer oder sekundärer systemischer Vaskulitiden zum Verwechseln ähnlich sind, denen aber pathophysiologisch und/oder histologisch keine Vaskulitis zugrunde liegt.

Erkrankungen, die mit Mittelgesichtsdestruktionen einhergehen, die an die Granulommanifestationen im HNO-Bereich bei Granulomatose mit Polyangiitis (GPA, Wegener) denken lassen, sind die TAP („transporter associated with antigen presentation“)-Defizienz [12], eine sehr seltene autosomal-rezessive Störung der MHC-Klasse-I-Expression auf Zelloberflächen, sowie das Kokain-induzierte Midline-Granulom [13]. Bei der TAP-Defizienz stehen rezidivierende Infekte mit gramnegativen Bakterien der Atemwege im Vordergrund, gefolgt von destruierenden granulomatösen Hautmanifestationen, die zu äußeren Defekten im Mittelgesicht führen können, was bei der GPA typischerweise nicht der Fall ist. ANCA gegen das Zielantigen BPI („bactericidal permability increasing protein“) können vorkommen [14].

Das Kokain induzierte Midline-Granulom zeichnet sich durch Zerstörung von Knorpel- und Knochenstrukturen im Mittelgesicht ohne äußere Hautdefekte aus, v. a. bei Kokain schnupfenden Frauen, die Veränderungen im HNO-Bereich bei GPA sehr ähneln können. Zusätzlich können purpuraartige Hautveränderungen an den Extremitäten und Ohrläppchen auftreten sowie laborchemisch Leukopenien, ein positiver P-ANCA mit Zielantigen HLE (humane Leukozytenelastase) und ggf. weitere Autoantikörper [15]. Zumindest ein Teil des Krankheitsbildes ist wahrscheinlich auf die Beimischung von Levamisol zur Augmentierung des Kokaineffektes zurückzuführen. Die wichtigste therapeutische Maßnahme besteht in der Einstellung der Kokaineinnahme.

Auch ein Cholesterinemboliesyndrom kann die klinische Symptomatik einer Kleingefäßvaskulitis imitieren. Durch Katheterinterventionen, ggf. noch Wochen später, oder durch spontanes Aufbrechen von cholesterinhaltigen Plaques, vorzugsweise in der proximalen Aorta, kommt es zur Embolisierung von zahlreichen kleinsten Cholesterinkristallen in kleinste periphere Extremitäten- oder Endorgangefäße mit konsekutivem Gefäßverschluss, Gewebeischämie und sekundärer Entzündungsreaktion. Klinisch findet man eine Livedo reticularis der betroffenen Hautareale, Myalgien, ggf. eine Darmischämie, ein akutes Nierenversagen ohne nephritisches Urinsediment oder multiple kleine Hirninfarkte [16]. Serologisch zeigen sich unspezifische Entzündungsreaktionen ohne ANCA-Nachweis, ggf. eine passagere Eosinophilie und/oder Eosinophilurie. Cholesterinembolien in die kraniale Körperhälfte lassen sich anhand von Cholesterinverschlüssen retinaler Arterien am Augenhintergrund ablesen (Hollenhorst-Plaque). Therapeutisch kann eine auf wenige Wochen begrenzte Kortikosteroidtherapie die sekundäre Entzündungsreaktion eindämmen.

Letztendlich können Medikamente, die zur Vaskulitistherapie eingesetzt werden, durch Hypersensitivitätsreaktionen Symptome auslösen, die klinisch nicht eindeutig von einem Rezidiv der zu behandelnden Grunderkrankung zu unterscheiden sind. Durch Uromitexan (Mesna®) als Zystitisprophylaxe unter Cyclophosphamid können Fieber, Hauterytheme, Arthralgien, Mylagien, Perimyokarditis, Diarrhöen und Schleimhautläsionen induziert werden [17].

Die Gabe von Azathioprin als remissionserhaltende Therapie kann bei Patienten mit Mutationen im Enzym Thiopurinmethyltransferase (TPMT) zu akutem Nierenversagen bei interstitieller Nephritis mit Fieber, Pankreatitis, Hepatitis und Schock führen [18]. In beiden Fällen sind die potenziell ursächlichen Therapeutika abzusetzen.

Fazit für die Praxis

  • Es gibt eine Vielzahl von infektiösen und medikamentösen Auslösern für sekundäre Vaskulitiden, die meist ANCA-negativ verlaufen und auch im Gefolge nichtvaskulitischer systemischer Autoimmunerkrankungen auftreten können.

  • Die Abgrenzung zur primären Vaskulitis ist wichtig, weil die Ausschaltung des auslösenden Agens die wichtigste therapeutische Maßnahme bei der sekundären Vaskulitis darstellt.