Dieser Beitrag soll eine kurze Zusammenfassung der aktuellen Entwicklungen bezüglich der Pathogenese, Diagnostik und Therapie des Morbus Behçet geben. Berücksichtigt wurden Publikationen von 2010 bis Juli 2012, inklusive der EULAR Abstracts von 2012. Generell neu und erfreulich ist, dass der Morbus Behçet als Systemerkrankung mit dem histopathologischen Korrelat einer leukozytoklastischen Vaskulitis in der neuen Chapel-Hill-Klassifikation in der Rubrik „Vaskulitis variabler Gefäße“ Erwähnung finden wird [40].

Pathogenese

Nach wie vor besteht Konsens, dass es sich beim Morbus Behçet (MB) um eine Erkrankung des angeborenen Immunsystems und keine klassische Autoimmunerkrankung handelt. Die Assoziation mit HLA-B51 ist ebenfalls eindeutig, wenn auch in verschiedenen Ländern unterschiedlich stark (zwischen 30 und 70%), die Odds Ratio (OR) liegt bei 5–7. Zusätzlich besteht eine Assoziation mit HLA-A26 mit einer OR von ca. 2. Im Jahr 2011 wurden die Ergebnisse mehrerer genomweiter Analysen veröffentlicht, die eine Assoziation mit IL10- und IL23R-IL12RB2-Genregionen ergaben, hier liegt die OR bei 1,45 [14, 22, 28, 33, 41, 45]. Auch verschiedene Polymorphismen im TNF-α-Gen scheinen mit dem MB assoziiert zu sein [47].

Neuere Publikationen zeigen eine Infiltration des betroffenen Gewebes mit IL-17/Th17-Zellen, wobei sowohl CD4-positive T-Zellen, die IL-17 produzieren, beschrieben wurden, als auch IL-17-produzierende γδ-T-Zellen. Sowohl IFN-α als auch TNF-Antagonisten und Cyclosporin A führen offenbar zu einer Verminderung der primär gesteigerten IL-17-Produktion bei MB [6, 13, 17, 23, 29, 44, 46].

Es wird diskutiert, ob der MB zu den autoinflammatorischen Erkrankungen gehört bzw. in einen Überschneidungsbereich zwischen polygenen autoinflammatorischen Erkrankungen und polygenen Autoimmunerkrankungen eingeordnet werden sollte [32]. Indirekte Hinweise hierfür sind die Effektivität von Colchicin und IL-1-Antagonisten (s. unten) sowie die Assoziation von IL-18 und S100 A12 [18, 35] im Serum mit der Krankheitsaktivität.

Diagnostik, Klassifikation und Epidemiologie

Nach wie vor sind die ISG (International Study Group for Behçet’s Disease)-Kriterien für die Klassifikation im Rahmen von Studien gültig, wobei für die Diagnosestellung andere Kriterien herangezogen werden wie die Mason- und Barnes-, Dilsen-, O’Duffy- oder Japanischen Kriterien. Ein Vergleich zwischen den Japanischen Kriterien und der ISG-Klassifikation ergab, dass diese gut miteinander korrelieren, auch beim Vergleich zwischen US-amerikanischen und japanischen Patienten mit MB ([24], Tab. 1, Tab. 2). In letzter Zeit werden zunehmend Assoziationen zwischen den vaskulären Manifestationen des MB und dem männlichen Geschlecht beschrieben [8, 25, 30] sowie eine Assoziation der Augenbeteiligung mit HLA-B51 [25, 26, 30]. Insgesamt scheint die Schwere des MB in den letzten Jahren abgenommen zu haben, so ist der MB in Japan nicht mehr wie früher die häufigste Ursache einer Uveitis, sondern wurde von der Sarkoidose und dem Vogt-Koyanagi-Harada-Syndrom abgelöst [37]. Auch die Häufigkeit der Positivität des Pathergietests scheint im Laufe der Jahre abgenommen zu haben [7]. Als mögliche Ursache wird eine verbesserte Mundhygiene diskutiert [12]. Bereits 2008 wurde eine Assoziation zwischen Akne und Arthritis/Enthesitis als Erkrankungscluster beschrieben [19].

Die Schwere des MB scheint in den letzten Jahren abgenommen zu haben

Tab. 1 Klassifikationskriterien der International Study Group for Behcet’s disease (ISBD) 1990. (Adaptiert nach [1])
Tab. 2 Dilsen-, Mason- und Barnes-, O’Duffy- und Japanische Kriterien

Therapie

Hier gelten nach wie vor die EULAR-Empfehlungen von 2008 ([20], Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

Therapiealgorithmus des Morbus Behçet gemäß den EULAR-Empfehlungen

Neben einer Metaanalyse zu den TNF-Antagonisten [2] und mehreren positiven Fallserien zur Effektivität von Adalimumab [27, 38, 39] sind hier vor allem die ersten Fallberichte und Pilotstudien zur Wirksamkeit von IL-1-Antagonisten wie Anakinra [3, 4], Gevokizumab, einem rekombinanten humanisierten Anti-IL-1β-Antikörper [15], oder Canakinumab [5, 48], die allesamt auch bei therapierefraktärer Augenbeteiligung wirksam waren, zu erwähnen. Ebenfalls positive Einzelfallberichte gibt es zu Tocilizumab [21, 43] und eine kleine Pilotstudie aus dem Iran zu Rituximab [9].

Für Interferon (IFN)-α konnte gezeigt werden, dass es bei einem Großteil der Patienten ohne Rezidiv nach Remissionsinduktion bei schwerer Uveitis/retinaler Vaskulitis abgesetzt werden kann [10] – im Gegensatz zu den TNF-Antagonisten [49].

Prognose

Daten zur Sterblichkeit bei MB zeigen, dass nach einer medianen Nachbeobachtung von 7,7 Jahren 5,5% der Patienten verstorben sind, Ungünstige prognostische Faktoren waren männliches Geschlecht, arterielle Beteiligung und die Anzahl der Schübe [42].

Männliche Patienten mit jungem Ersterkrankungsalter haben die schwersten Krankheitsverläufe

In allen entsprechenden Untersuchungen scheinen männliche Patienten mit jungem Ersterkrankungsalter die schwersten Krankheitsverläufe zu haben [16]. Dies ist offensichtlich unabhängig vom Fehlen schwerer Organmanifestationen zu Beginn der Erkrankung und von primär gutem Ansprechen auf zunächst gering aggressive Therapiemodalitäten wie Colchicin.

Fazit für die Praxis

  • Insgesamt ist eine erfreuliche Zunahme qualitativ hochwertiger experimenteller und epidemiologischer, aber auch von Therapiestudien zum Morbus Behçet zu verzeichnen.

  • Insbesondere die Erforschung der Pathogenese und daraus folgende therapeutische Konsequenzen („from bench to bedside“) machen große Fortschritte.