Zusammenfassung
Der Morbus Behçet hat inzwischen in die neue „Vaskulitis-Nomenklatur“ aus Chapel Hill Eingang gefunden, er wird als „Vaskulitis variabler Gefäße“ klassifiziert. Pathogenetisch wird neu eine Zugehörigkeit als „gemischte Erkrankung“ zwischen den polygenen autoinflammatorischen und autoimmunen Erkrankungen diskutiert. Die genetische Assoziation zu HLA-B51 ist unbestritten, neu beschrieben wurde eine Assoziation mit HLA-A26, Polymorphismen im IL-10-Gen und im IL23R-IL12RB2-Gen. Zunehmend wird eine Beteiligung von IL-17 in der Pathogenese der Erkrankung beschrieben. Therapeutisch gelten unverändert die EULAR-Empfehlungen von 2008, Interferon-α kann auch bei schwerer Augenbeteiligung in Remission ohne Rezidive abgesetzt werden, Adalimumab kommt als Alternative zu Infliximab infrage, neu wurden Fallberichte und Fallserien zur Effektivität von IL-1-Antagonisten, Tocilizumab und Rituximab publiziert.
Abstract
Behçet’s disease (BD) is now mentioned in the latest Chapel Hill nomenclature of vasculitides and is classified under the variable vessel vasculitides (VVV). Pathogenetically, a new classification among the so-called mixed-pattern diseases between classical polygenic autoinflammatory disorders and autoimmune diseases is being discussed. The genetic association with HLA-B51 is undisputed and an association with HLA-A26 as well as with polymorphisms in the IL-10 and IL23R-IL12RB2 genes have recently been described. Increasingly, a participation of IL-17 in the pathogenesis of BD is assumed. Therapeutically, the EULAR recommendations are still applicable. Interferon-alpha can be discontinued for severe ocular BD in remission without further relapses. Infliximab can be switched to adalimumab effectively and recent case series show an efficacy of IL-1 antagonists, tocilizumab and rituximab for BD.
Avoid common mistakes on your manuscript.
Dieser Beitrag soll eine kurze Zusammenfassung der aktuellen Entwicklungen bezüglich der Pathogenese, Diagnostik und Therapie des Morbus Behçet geben. Berücksichtigt wurden Publikationen von 2010 bis Juli 2012, inklusive der EULAR Abstracts von 2012. Generell neu und erfreulich ist, dass der Morbus Behçet als Systemerkrankung mit dem histopathologischen Korrelat einer leukozytoklastischen Vaskulitis in der neuen Chapel-Hill-Klassifikation in der Rubrik „Vaskulitis variabler Gefäße“ Erwähnung finden wird [40].
Pathogenese
Nach wie vor besteht Konsens, dass es sich beim Morbus Behçet (MB) um eine Erkrankung des angeborenen Immunsystems und keine klassische Autoimmunerkrankung handelt. Die Assoziation mit HLA-B51 ist ebenfalls eindeutig, wenn auch in verschiedenen Ländern unterschiedlich stark (zwischen 30 und 70%), die Odds Ratio (OR) liegt bei 5–7. Zusätzlich besteht eine Assoziation mit HLA-A26 mit einer OR von ca. 2. Im Jahr 2011 wurden die Ergebnisse mehrerer genomweiter Analysen veröffentlicht, die eine Assoziation mit IL10- und IL23R-IL12RB2-Genregionen ergaben, hier liegt die OR bei 1,45 [14, 22, 28, 33, 41, 45]. Auch verschiedene Polymorphismen im TNF-α-Gen scheinen mit dem MB assoziiert zu sein [47].
Neuere Publikationen zeigen eine Infiltration des betroffenen Gewebes mit IL-17/Th17-Zellen, wobei sowohl CD4-positive T-Zellen, die IL-17 produzieren, beschrieben wurden, als auch IL-17-produzierende γδ-T-Zellen. Sowohl IFN-α als auch TNF-Antagonisten und Cyclosporin A führen offenbar zu einer Verminderung der primär gesteigerten IL-17-Produktion bei MB [6, 13, 17, 23, 29, 44, 46].
Es wird diskutiert, ob der MB zu den autoinflammatorischen Erkrankungen gehört bzw. in einen Überschneidungsbereich zwischen polygenen autoinflammatorischen Erkrankungen und polygenen Autoimmunerkrankungen eingeordnet werden sollte [32]. Indirekte Hinweise hierfür sind die Effektivität von Colchicin und IL-1-Antagonisten (s. unten) sowie die Assoziation von IL-18 und S100 A12 [18, 35] im Serum mit der Krankheitsaktivität.
Diagnostik, Klassifikation und Epidemiologie
Nach wie vor sind die ISG (International Study Group for Behçet’s Disease)-Kriterien für die Klassifikation im Rahmen von Studien gültig, wobei für die Diagnosestellung andere Kriterien herangezogen werden wie die Mason- und Barnes-, Dilsen-, O’Duffy- oder Japanischen Kriterien. Ein Vergleich zwischen den Japanischen Kriterien und der ISG-Klassifikation ergab, dass diese gut miteinander korrelieren, auch beim Vergleich zwischen US-amerikanischen und japanischen Patienten mit MB ([24], Tab. 1, Tab. 2). In letzter Zeit werden zunehmend Assoziationen zwischen den vaskulären Manifestationen des MB und dem männlichen Geschlecht beschrieben [8, 25, 30] sowie eine Assoziation der Augenbeteiligung mit HLA-B51 [25, 26, 30]. Insgesamt scheint die Schwere des MB in den letzten Jahren abgenommen zu haben, so ist der MB in Japan nicht mehr wie früher die häufigste Ursache einer Uveitis, sondern wurde von der Sarkoidose und dem Vogt-Koyanagi-Harada-Syndrom abgelöst [37]. Auch die Häufigkeit der Positivität des Pathergietests scheint im Laufe der Jahre abgenommen zu haben [7]. Als mögliche Ursache wird eine verbesserte Mundhygiene diskutiert [12]. Bereits 2008 wurde eine Assoziation zwischen Akne und Arthritis/Enthesitis als Erkrankungscluster beschrieben [19].
Die Schwere des MB scheint in den letzten Jahren abgenommen zu haben
Therapie
Hier gelten nach wie vor die EULAR-Empfehlungen von 2008 ([20], Abb. 1).
Neben einer Metaanalyse zu den TNF-Antagonisten [2] und mehreren positiven Fallserien zur Effektivität von Adalimumab [27, 38, 39] sind hier vor allem die ersten Fallberichte und Pilotstudien zur Wirksamkeit von IL-1-Antagonisten wie Anakinra [3, 4], Gevokizumab, einem rekombinanten humanisierten Anti-IL-1β-Antikörper [15], oder Canakinumab [5, 48], die allesamt auch bei therapierefraktärer Augenbeteiligung wirksam waren, zu erwähnen. Ebenfalls positive Einzelfallberichte gibt es zu Tocilizumab [21, 43] und eine kleine Pilotstudie aus dem Iran zu Rituximab [9].
Für Interferon (IFN)-α konnte gezeigt werden, dass es bei einem Großteil der Patienten ohne Rezidiv nach Remissionsinduktion bei schwerer Uveitis/retinaler Vaskulitis abgesetzt werden kann [10] – im Gegensatz zu den TNF-Antagonisten [49].
Prognose
Daten zur Sterblichkeit bei MB zeigen, dass nach einer medianen Nachbeobachtung von 7,7 Jahren 5,5% der Patienten verstorben sind, Ungünstige prognostische Faktoren waren männliches Geschlecht, arterielle Beteiligung und die Anzahl der Schübe [42].
Männliche Patienten mit jungem Ersterkrankungsalter haben die schwersten Krankheitsverläufe
In allen entsprechenden Untersuchungen scheinen männliche Patienten mit jungem Ersterkrankungsalter die schwersten Krankheitsverläufe zu haben [16]. Dies ist offensichtlich unabhängig vom Fehlen schwerer Organmanifestationen zu Beginn der Erkrankung und von primär gutem Ansprechen auf zunächst gering aggressive Therapiemodalitäten wie Colchicin.
Fazit für die Praxis
-
Insgesamt ist eine erfreuliche Zunahme qualitativ hochwertiger experimenteller und epidemiologischer, aber auch von Therapiestudien zum Morbus Behçet zu verzeichnen.
-
Insbesondere die Erforschung der Pathogenese und daraus folgende therapeutische Konsequenzen („from bench to bedside“) machen große Fortschritte.
Literatur
International Study Group for Behcet’s Disease (1990) Criteria for diagnosis of Behcet’s disease. Lancet 335:1078–1080
Arida A, Fragiadaki K, Giavri E et al (2011) Anti-TNF agents for Behcet’s disease: analysis of published data on 369 Patients. Semin Arthritis Rheum 41(1):61–70
Bilginer Y, Ayaz NA, Ozen S (2010) Anti-IL-1 treatment for secondary amyloidosis in an adolescent with FMF and Behcet’s disease. Clin Rheumatol 29:209–210
Botsios C, Sfriso P, Furlan A et al (2008) Resistant Behcet disease responsive to anakinra. Ann Intern Med 149:284–286
Cantarini L, Vitale A, Borri M et al (2012) Successful use of canakinumab in a patient with resistant Behcet’s disease. Clin Exp Rheumatol [Epub ahead of print]
Chi W, Yang P, Zhu X et al (2010) Production of interleukin-17 in Behcet’s disease is inhibited by cyclosporin A. Mol Vis 16:880–886
Davatchi F, Chams-Davatchi C, Ghodsi Z et al (2011) Diagnostic value of pathergy test in Behcet’s disease according to the change of incidence over the time. Clin Rheumatol 30:1151–1155
Davatchi F, Shahram F, Shams H et al (2011) Gender influence on ocular manifestations and their outcome in Behcet’s disease. A long-term follow-up of up to 20 years. Clin Rheumatol 30:541–547
Davatchi F, Shams H, Rezaipoor M et al (2010) Rituximab in intractable ocular lesions of Behcet’s disease; randomized single-blind control study (pilot study). Int J Rheum Dis 13:246–252
Deuter CM, Zierhut M, Mohle A et al (2010) Long-term remission after cessation of interferon-alpha treatment in patients with severe uveitis due to Behcet’s disease. Arthritis Rheum 62:2796–2805
Dilsen N, Konice M, Aral O (1985) Our diagnostic criteria of Behcet’s disease—an overview. In: Lehner T, Barnes CG (Hrsg) Recent advances in Behcet’s disease. Royal Society of Medicine Services, London, S 177–180
Direskeneli H, Mumcu G (2010) A possible decline in the incidence and severity of Behcet’s disease: implications for an infectious etiology and oral health. Clin Exp Rheumatol 28:86–90
Ekinci NS, Alpsoy E, Karakas AA et al (2010) IL-17A has an important role in the acute attacks of Behcet’s disease. J Invest Dermatol 130:2136–2138
Gul A (2011) Genome-wide association studies in Behcet’s disease: expectations and promises. Clin Exp Rheumatol 29:3–5
Gul A, Tugal-Tutkun I, Dinarello CA et al (2012) Interleukin-1beta-regulating antibody XOMA 052 (gevokizumab) in the treatment of acute exacerbations of resistant uveitis of Behcet’s disease: an open-label pilot study. Ann Rheum Dis 71:563–566
Hamuryudan V, Hatemi G, Tascilar K et al (2010) Prognosis of Behcet’s syndrome among men with mucocutaneous involvement at disease onset: long-term outcome of patients enrolled in a controlled trial. Rheumatology (Oxford) 49:173–177
Hamzaoui K (2011) Th17 cells in Behcet’s disease: a new immunoregulatory axis. Clin Exp Rheumatol 29:71–76
Han EC, Cho SB, Ahn KJ et al (2011) Expression of pro-inflammatory protein S100A12 (EN-RAGE) in Behcet’s disease and its association with disease activity: a pilot study. Ann Dermatol 23:313–320
Hatemi G, Fresko I, Tascilar K et al (2008) Increased enthesopathy among Behcet’s syndrome patients with acne and arthritis: an ultrasonography study. Arthritis Rheum 58:1539–1545
Hatemi G, Silman A, Bang D et al (2008) EULAR recommendations for the management of Behcet disease. Ann Rheum Dis 67:1656–1662
Hirano T, Ohguro N, Hohki S et al (2012) A case of Behcet’s disease treated with a humanized anti-interleukin-6 receptor antibody, tocilizumab. Mod Rheumatol 22:298–302
Horie Y, Meguro A, Kitaichi N et al (2012) Replication of a microsatellite genome-wide association study of Behcet’s disease in a Korean population. Rheumatology (Oxford) 51:983–986
Kim J, Park JA, Lee EY et al (2010) Imbalance of Th17 to Th1 cells in Behcet’s disease. Clin Exp Rheumatol 28:16–19
Kobayashi T, Kishimoto M, Swearingen CJ et al (2012) Differences in clinical manifestations, treatment, and concordance rates with two major sets of criteria for Behcet’s syndrome for patients in the US and Japan: data from a large, three-center cohort study. Mod Rheumatol [Epub ahead of print]
Kötter I, Nast-Kolb B, Riewerts F et al (2012) Behcet’s disease in Germany: differences and similarities in patients of German and Turkish origin – a single center experience. Ann Rheum Dis 71:117
Krause L, Kohler AK, Altenburg A et al (2009) Ocular involvement is associated with HLA-B51 in Adamantiades-Behcet’s disease. Eye 23:1182–1186
Leccese P, Latanza L, D’angelo S et al (2011) Efficacy of switching to adalimumab in a patient with refractory uveitis of Behcet’s disease to infliximab. Clin Exp Rheumatol 29:93
Lee YH, Choi SJ, Ji JD et al (2011) Genome-wide pathway analysis of a genome-wide association study on psoriasis and Behcet’s disease. Mol Biol Rep 39:5953–5959
Liu X, Yang P, Wang C et al (2011) IFN-alpha blocks IL-17 production by peripheral blood mononuclear cells in Behcet’s disease. Rheumatology (Oxford) 50:293–298
Maldini C, Lavalley MP, Cheminant M et al (2012) Relationships of HLA-B51 or B5 genotype with Behcet’s disease clinical characteristics: systematic review and meta-analyses of observational studies. Rheumatology (Oxford) 51:887–900
Mason RM, Barnes CG (1969) Behcet’s syndrome with arthritis. Ann Rheum Dis 28:95–103
Mcgonagle D, Aziz A, Dickie LJ et al (2009) An integrated classification of pediatric inflammatory diseases, based on the concepts of autoinflammation and the immunological disease continuum. Pediatr Res 65:38R–45R
Mizuki N, Meguro A, Ota M et al (2010) Genome-wide association studies identify IL23R-IL12RB2 and IL10 as Behcet’s disease susceptibility loci. Nat Genet 42:703–706
Mizushima Y (1988) Revised diagnostic criteria for Behcet’s disease in 1987. Ryumachi 28:66–70
Musabak U, Pay S, Erdem H et al (2006) Serum interleukin-18 levels in patients with Behcet’s disease. Is its expression associated with disease activity or clinical presentations? Rheumatol Int 26:545–550
O’Duffy JD (1974) Critères proposés pour le diagnostic de la maladie de Behcet. Rev Med 36:2371–2379
Ohguro N, Sonoda KH, Takeuchi M et al (2012) The 2009 prospective multi-center epidemiologic survey of uveitis in Japan. Jpn J Ophthalmol 56(5):432–435
Olivieri I, Leccese P, D’angelo S et al (2011) Efficacy of adalimumab in patients with Behcet’s disease unsuccessfully treated with infliximab. Clin Exp Rheumatol 29:54–57
Perra D, Alba MA, Callejas JL et al (2012) Adalimumab for the treatment of Behcet’s disease: experience in 19 patients. Rheumatology (Oxford) 51(10):1825–1831
Rasmussen N (2012) The 2012 revised international Chapel Hill consensus nomenclature of the vasculitides. Ann Rheum Dis 71:16
Remmers EF, Cosan F, Kirino Y et al (2010) Genome-wide association study identifies variants in the MHC class I, IL10, and IL23R-IL12RB2 regions associated with Behcet’s disease. Nat Genet 42:698–702
Saadoun D, Wechsler B, Desseaux K et al (2010) Mortality in Behcet’s disease. Arthritis Rheum 62:2806–2812
Shapiro LS, Farrell J, Haghighi AB (2012) Tocilizumab treatment for neuro-Behcet’s disease, the first report. Clin Neurol Neurosurg 114:297–298
Shimizu J, Takai K, Fujiwara N et al (2012) Excessive CD4+ T cells co-expressing interleukin-17 and interferon-gamma in patients with Behcet’s disease. Clin Exp Immunol 168:68–74
Song YW, Kang EH (2012) Behcet’s disease and genes within the major histocompatibility complex region. Mod Rheumatol 22:178–185
Sugita S, Kawazoe Y, Imai A et al (2012) Inhibition of Th17 differentiation by anti-TNF-alpha therapy in uveitis patients with Behcet’s disease. Arthritis Res Ther 14:R99
Touma Z, Farra C, Hamdan A et al (2010) TNF polymorphisms in patients with Behcet disease: a meta-analysis. Arch Med Res 41:142–146
Ugurlu S, Ucar D, Seyahi E et al (2012) Canakinumab in a patient with juvenile Behcet’s syndrome with refractory eye disease. Ann Rheum Dis 71(9):1589–1591
Yamada Y, Sugita S, Tanaka H et al (2011) Timing of recurrent uveitis in patients with Behcet’s disease receiving infliximab treatment. Br J Ophthalmol 95:205–208
Interessenkonflikt
Der korrespondierende Autor gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Author information
Authors and Affiliations
Corresponding author
Rights and permissions
About this article
Cite this article
Kötter, I. Update Morbus Behçet. Z. Rheumatol. 71, 760–764 (2012). https://doi.org/10.1007/s00393-012-0984-x
Published:
Issue Date:
DOI: https://doi.org/10.1007/s00393-012-0984-x