Der Begriff „Krebs“ wird im Allgemeinen Hippokrates zugeschrieben ebenso wie ein medizinisches Axiom, das namentlich den onkologisch tätigen Ärzten zu denken gibt, nämlich „primum non nocere“. Mittlerweile stehen auch Rheumatologen vor der Frage, ob bestimmte Therapien Krebs auslösen können. Es geht um die sehr effektive biologische Substanzklasse der TNF-Antagonisten, die nach aktuellen Daten mit der Auslösung von Krebs bei Patienten mit rheumatoider Arthritis (RA) in Verbindung gebracht werden. Im vorliegenden Artikel wird das Basiskrebsrisiko bei Patienten mit RA erörtert. Ferner wird zusammengestellt, was über das Zusatzrisiko durch diese Therapien bekannt ist, und diskutiert, ob der Einsatz des Heilmittels folgenschwerer ist als die Krankheit selbst.

EBV-Infektion bei Patienten mit rheumatoider Arthritis

Es ist offensichtlich, dass Arthritispatienten eine Reihe von Immundefekten aufweisen, die eine Prädisposition für Krebs darstellen können [31]. Bei vielen Patienten mit gesicherter Diagnose einer systemischen Kollagenose bestehen Auffälligkeiten in der Reaktion ihres Immunsystems auf eine Infektion mit dem Epstein-Barr-Virus (EBV; [12]), der ein wichtiger Cofaktor für die Entstehung eines Lymphoms sein kann. Non-Hodgkin- (NHL) und Hodgkin-Lymphome sind die wichtigsten Tumorerkrankungen bei Rheumapatienten, und bei RA ist der Zusammenhang mit EBV besonders gut erforscht. Die chronische EBV-Infektion ist weltweit bei Erwachsenen weit verbreitet.

Im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung haben RA-Patienten höhere EBV-Antikörpertiter, signifikant höhere Mengen an zirkulierendem Virus und eine größere Zahl an zirkulierenden EBV-infizierten B-Lymphozyten.

Die Immunantwort auf EBV ist bei RA-Patienten erheblich verändert [4, 29, 34]. Daher ist die Fähigkeit, die virale Replikation von EBV zu kontrollieren, bei RA-Patienten signifikant eingeschränkt.

Obwohl EBV erwiesenermaßen an der Genese mehrerer Malignome beteiligt ist, setzt die Tumorgenese bei rheumatischen Erkrankungen eindeutig mehr als nur die schwache Immunreaktion auf EBV voraus. Im Vergleich zu Lymphomen bei erworbener (HIV- oder transplantationsbedingter) oder erblicher Immunschwäche sind Lymphome bei Patienten mit Autoimmunerkrankungen seltener EBV-infiziert. EBV könnte bei bis zu einem Drittel der RA-bedingten Lymphome beteiligt sein [2, 29], was von der Inzidenz her zwischen dem sporadischen Auftreten in der Allgemeinbevölkerung (etwa 5%) und dem Auftreten bei HIV-bedingten diffusen großen B-Zell-Tumoren (80%) oder Transplantationspatienten (bis zu 95%) liegt. Der Hauptunterschied scheint in der signifikant höheren Inzidenz von T-Zell-Lymphomen zu liegen, die bei RA-Patienten EBV-infiziert sind [29]. In denjenigen Fällen, in denen Tumore bei Rheumapatienten Hinweise auf eine EBV-Infektion aufweisen, zeigen sie mit viel höherer Wahrscheinlichkeit ein EBV-Genexpressionsmuster (das Latenz-2-Muster von EBNA-1 und LMP-1), welches beim M. Hodgkin vorliegt, als das Muster, das bei NHL bei Transplantierten festgestellt wird (das Latenz-3-Muster, das zusätzlich EBNA-2 exprimiert; [19]).

Weitere Entzündungen als Auslöser einer Malignomentstehung

Eine unkontrollierte Entzündung an sich wurde bereits bei mehreren chronischen Infektionserkrankungen mit der Entstehung von Malignomen in Verbindung gebracht, z. B. Magenlymphome in Verbindung mit einer Helicobacter-pylori-Infektion des Magens oder hepatozelluläre Karzinome mit der Hepatitis-B-Virus-Infektion. Interessanterweise entstehen aber Lymphome und andere Karzinome bei RA-Patienten selten am Ort der aktiven Entzündung also z. B. in den Gelenken. Obwohl Tumoren durchaus in Synovialgewebe entstehen können, sind sie weder bei der RA noch bei anderen Arthritiden häufig. Synoviale Sarkome, synoviale Chrondrosarkome und pigmentierte villonoduläre Synovitiden treten häufiger im Synovium der Sehnenscheide und nur selten innerhalb der Gelenke selbst auf.

Die Synoviozyten verfügen möglicherweise über eine „biologische Bremse“, die ihren neoplastischen Umbau weitgehend verhindert. Vielleicht kann dieses Gewebe gar nicht „maligner“ betroffen werden als durch die rheumatoide Synovialistransformation selbst, bei der es zu einer erosiven Invasion des benachbarten Knochens kommt.

Erhöhtes Risiko für Malignomentstehung bei rheumatoider Arthritis

Histologische Veränderungen

Die erste histologische Veränderung im rheumatoiden Gelenk ist die gestörte Angiogenese, gefolgt von inflammatorischen Infiltraten, reaktiven Hyperplasien der synovialen Lining-Zellschicht mit Knocheninvasion, Pannusbildung und schließlich Narbenbildung und knöcherner Destruktion des umgebenden Gewebes [14]. Die rheumatoide Gelenkinnenhaut trägt einige Züge eines Weichteiltumors, z. B. unreguliertes Wachstum, lokalisierte Invasion und Dysregulation einer Reihe von Protoonkogenen. Das betroffene Synovialgewebe überexprimiert Protoonkogene, z. B. solche, die die G-Proteine rac (wie beim oralen Plattenzellkarzinom) und ras (bei fast einem Drittel aller humanen Karzinome aktiviert) kodieren. Auch bei p53 und anderen Tumorsuppressorgenen sind selektive Mutationen festgestellt worden [15].

Allgemeine Risikofaktoren

Es wurden keine eindeutigen vererbten Risikofaktoren festgestellt, die RA-Patienten für ein Lymphom prädisponieren. Verwandte ersten Grades von RA-Patienten haben dasselbe Lymphomrisiko wie die Allgemeinbevölkerung mit der möglichen Ausnahme eines erhöhten Hodgkin-Lymphom-Risikos bei den <15-jährigen Kindern einiger Patienten (Standard-Inzidenz-Quotient/SIR 3,18, 95%-CI 1,03–7,42; [13]). Wie auch bei vielen soliden Tumoren ist das Vorliegen einer schweren RA-Erkrankung ein Prädiktor für eine signifikant verminderte Lebenserwartung. Die RA ist zwar eine systemische Erkrankung, es gibt aber keinerlei Hinweise darauf, dass Synoviozyten in Richtung anderer Gelenke oder Gewebearten „metastasieren“.

Extraartikuläre Tumoren

Obwohl die RA eine systemische Erkrankung ist, haben die Betroffenen anscheinend kein unabhängiges erhöhtes Risiko für das Auftreten extraartikulärer solider Tumoren. Eine Studie mit 20.700 dänischen Patienten, die 10 Jahre nachbeobachtet wurden, zeigte ein relatives Risiko solider Tumoren von nur 1,08 (95%-CI 1,03–1,13) im Vergleich zu gleichaltrigen Gesunden [24]. Nur beim Lungenkrebs ergab sich eine erhöhte standardisierte Inzidenz-Ratio. Da aber das Rauchen ein signifikanter Risikofaktor für die Entstehung der RA [21] ist, gilt die unabhängige Anfälligkeit für Lungenkrebs als nicht eindeutig nachgewiesen. Eine Reihe von Berichten wurden über Karposi-Sarkome bei RA-Patienten veröffentlicht, die fast alle im Zusammenhang mit der Gabe von Prednison stehen. Die meisten Patienten hatten Kaposi-Läsionen an den Gliedmaßen, aber bei fast einem Viertel waren auch die inneren Organe beteiligt [22]. Viele reagierten positiv auf eine Dosisminderung ihrer Immunsuppressiva.

Lymphome

Im Gegensatz zu soliden Tumoren treten sowohl NHL als auch Hodgkin-Lymphome mit höherer altersbereinigter Frequenz bei RA-Patienten auf als bei der Allgemeinbevölkerung [18, 24]. Sicca-Symptome sind bei RA-Patienten häufig, und da das Lymphomrisiko bei Patienten mit primärem Sjögren-Syndrom bekanntermaßen hoch ist, hätte man ein sekundäres Sjögren-Syndrom als signifikante Komponente des erhöhten Lymphomrisikos bei RA erwarten können. Aber in einer retrospektiven Studie mit 940 ungarischen Patienten mit Lymphom, in der bei mehr als einem Drittel der Patienten mit NHL und Rheuma ein Sjögren-Syndrom festgestellt wurde [30], entwickelte sich bei keinem einzigen Sjögren-Patienten eine RA (László Váróczy, persönliche Mitteilung). RA und das Sjögren-Syndrom sind offenbar unabhängige und nichtüberlappende Risikofaktoren für ein Lymphom.

Auch Myelome und Leukämie können mit erhöhter Prävalenz auftreten [18]. Wie die soliden synovialen Tumoren sind auch synoviale Lymphome bei rheumatischen Erkrankungen sehr selten. Auch hier scheint also die lokale Entzündung nicht der auslösende Faktor zu sein. Wichtiger scheint die Beobachtung, dass RA-Patienten bekanntermaßen für eine Reihe von hämatologischen Problemen suszeptibel sind [7] und dass eine veränderte Hämatopoese bei diesen Patienten die wesentliche Ursache einer Lymphomagenese sein könnte.

Veränderte Hämatopoese und Krankheitsaktivität beeinflussen die Lymphomentstehung

Die erste große Analyse von malignen Tumorerkrankungen bei RA-Patienten wurde über einen Zeitraum von 14 Jahren in Birmingham (UK) konsekutiv bei 489 Patienten mit RA durchgeführt [26]. Hämatopoetische Malignome traten mit einem relativen Risiko von 8,7 auf und waren unabhängig von der RA-Dauer oder dem Einsatz zytotoxischer oder anderer immunosuppressiver Medikamente. Die Geschlechterverteilung war sehr eindeutig: Das relative Risiko lag bei 31,8 bei Männern und 18,8 bei Frauen. Noch eindrücklicher war, dass Männer ein relatives Risiko von 28,6 für ein Hodgkin-Lymphom hatten, während bei Frauen überhaupt kein erhöhtes Risiko bestand. Dieser Geschlechterunterschied beim Hodgkin-Lymphom wurde auch bei einer anderen Studie beobachtet [18], in der eine offenbar verminderte Inzidenz von Leukämie bei Frauen mit RA zu dem Schluss führte, dass bei Frauen das Risiko lymphoproliferativer Störungen überhaupt nicht erhöht sei.

Seitdem haben größere populationsbasierte Studien insgesamt ein auf das Zweifache erhöhtes Risiko lymphoproliferativer Erkrankungen bei RA-Patienten im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung nachgewiesen [13, 16, 33]. Im Gegensatz zum Fehlen eines offensichtlichen direkten Effekts der Synovitis auf eine maligne Transformation weisen neue Daten auf einen starken Einfluss der Erkrankungsaktivität auf die Entstehung eines Lymphoms hin [3]. 378 schwedische RA-Patienten, bei denen es später zu einem malignen Lymphom kam, wurden in einer Fall-Kontroll-Studie über 30 Jahre hinweg rekrutiert. Aufgrund von seriellen Untersuchungen (Zahl der schmerzempfindlichen und geschwollenen Gelenke), Gesamtbeurteilung der Krankheitsaktivität durch den Arzt und Blutsenkungsrate wurde ein kumulativer Punktwert für die Krankheitsaktivität ermittelt:

  • Bis zum 70. Perzentil bestand kein erhöhtes Risiko für die Entstehung eines Lymphoms.

  • Oberhalb des 80. Perzentils jedoch hatten die Patienten eine Odds-Ratio (OR) von 9,4 (95%-CI 3,1–28,0).

  • Diejenigen im obersten Zehntel hatten eine OR von 61,6 (95%-CI 21,0–181).

Der Einsatz von krankheitsmodifizierenden Mitteln einschließlich Methotrexat erhöhte das Lymphomrisiko nicht.

Häufige Kortikosteroidinjektionen in die betroffenen Gelenke waren mit einem verminderten Lymphomrisiko assoziiert (OR 0,4, 95%-CI 0,3–0,6), der systemische Einsatz von Kortikosteroiden ebenso, allerdings in vermindertem Umfang.

Ist es denkbar, dass intraartikuläre Steroide eine primäre Lymphomagenese in den Gelenken unterdrücken und so die anschließende Migration und Progression der Erkrankung in nodale oder extraartikuläre nichtnodale Lokalisationen unterbinden können?

RA-Patienten, die an einem NHL erkranken, haben offenbar ein geringeres Risiko einer lymphombedingten Mortalität, einer Tumorprogression oder eines Rezidivs als andere NHL-Patienten [25]. Ihre Gesamtmortalität ist aber nicht günstiger als die von NHL-Patienten in der Allgemeinbevölkerung – möglicherweise aufgrund des zusätzlichen Mortalitätsrisikos durch den erhöhten Schweregrad der zugrundeliegenden RA.

Um die Besonderheiten RA-assoziierter Lymphome genauer zu erforschen, untersuchte eine retrospektive Studie der japanischen Literatur und eines Zentrums 22 Patienten mit RA und einer lymphoproliferativen Erkrankung. Zehn Lymphome waren nodal und 11 extranodal [19]. Der mittlere Erkrankungsbeginn lag bei 66 Jahren, und die Überlebensrate nach einem Jahr betrug 84%. Die mittlere Zeitdauer vom Beginn der RA-Symptome bis zum Lymphom lag bei 13,5 Jahren, und vor 24 Monaten traten keine Lymphome auf (d. h. keine Patienten stellten sich mit einem Lymphom als initialer Manifestation von RA vor). Bei der klinischen Stadieneinteilung nach der Ann-Arbor-Klassifikation wurden Lymphome aller Krankheitsstadien gefunden, wobei 9 dem Stadium I (lokalisiert) oder II (2 oder mehr Lokalisationen auf derselben Seite des Zwerchfells) und 11 dem Stadium III oder IV (disseminierte Erkrankung) zugeordnet wurden. Von den 22 Patienten hatten 13 diffuse große B-Zell-Lymphome (DLBCL), 3 T-Zell-Lymphome und einer ein Hodgkin-Lymphom. Durch In-situ-Hybridisierung des „EBER-1-open-reading-frame“ wurden alle T-Zell-Lymphome von RA-Patienten positiv auf EBV getestet. RA-Patienten mit Lymphom hatten eine signifikant bessere Prognose als ähnliche Patienten mit anderen Autoimmunerkrankungen. Eine schwedische Studie [2] stellte eine vergleichbar erhöhte Inzidenz von DLBCL fest (67 gegenüber 31% in der Allgemeinbevölkerung).

Im Vergleich zu anderen NHL haben DLBCL eine ungünstige Prognose, denn ohne Behandlung tritt eine schnelle klinische Progression ein. Die Prävalenz dieser Tumorart bei RA könnte von besonderer Bedeutung sein, weil bisher der einzige validierte Risikofaktor für DLBCL die kongenitale oder erworbene Immunsuppression war [32]. Man ist versucht, zu spekulieren, dass bestimmte Patienten mit RA unabhängig von ihrer medikamentösen Therapie eine bestimmte Art von Immundysfunktion haben, die diese Anfälligkeit für DLBCL erklären könnte, welche RA-Patienten mit anderen immunsupprimierten Patienten gemein haben.

Obwohl Lymphome bei RA-Patienten eine relativ geringe Inzidenz von EBV-Infektionen aufweisen (z. B. im Vergleich zu Transplantierten mit höheren Dosen einer ähnlichen Medikation) könnte die Dysregulation der EBV-Infektion außerhalb des Tumors eine wichtige Rolle bei der erhöhten Lymphomanfälligkeit spielen. Jahrelang standen T-Zellen im Verdacht, Hauptverursacher der RA zu sein, und zwar hauptsächlich aufgrund der genetischen RA-Anfälligkeit, die durch ein „shared epitope“ gegeben ist, das in bestimmten Allelen des HLA-DR-Locus des „major histocompatibility complex“ kodiert wird. Man ging allgemein davon aus, dass die fraglichen DR-Allele HLA-DRB1*0404 und DRB1*0401 die RA-Anfälligkeit beeinflussen, indem sie autoreaktive T-Zellen aktivieren, die wiederum den Zyklus der Gelenkzerstörung anstoßen.

Neuere Arbeiten deuten aber darauf hin, dass DR-Allele mit dem Shared epitope in ihrer Fähigkeit, den T-Zellen EBV-Peptide zu präsentieren, signifikant beeinträchtigt sind, insbesondere, wenn die EBV-Infektion innerhalb des Gelenks vorliegt [29]. Dadurch ist denkbar, dass die durch das gemeinsame Epitop verursachte Anfälligkeit eine Lücke im T-Zell-Repertoire darstellt (nämlich gegen EBV) und nicht etwa einen Faktor, der direkt die durch T-Zell-Aktivierung induzierte Gelenkzerstörung vorantreibt. Diese erhöhte Anfälligkeit der RA-Patienten für eine schlechte Kontrolle der EBV-Infektion könnte wiederum ein Faktor bei der erhöhten Lymphomagenese bei diesen Patienten sein [9].

Behandlungsbedingtes Lymphomrisiko

Verursachen die üblichen RA-Therapien lymphomproliferative Störungen? Bis vor kurzem gab es zahlreiche Fallberichte, in denen dieser Verdacht zum Ausdruck kam, aber keine Validierung durch großangelegte Studien. Für Cyclophosphamid und Chlorambucil wurde ein erhöhtes Risiko nachgewiesen, aber durch ihren seltenen Einsatz im Zeitalter von Methotrexat und den biologischen Wirkstoffen sind diese Bedenken sicherlich in den Hintergrund getreten.

Methotrexat

Durch den Einsatz von Methotrexat in der Behandlung so vieler rheumatischer Krankheiten wurden Fragen nach dem tatsächlichen damit verbundenen Lymphomrisiko aufgeworfen. Ist der Einsatz von Methotrexat ein Marker für diejenigen RA-Patienten, die am schwersten betroffen sind und damit auch möglicherweise das höchste Risiko eines krankheitsbedingten Lymphoms haben?

Ein überzeugender Beleg für die Ursache-Wirkungs-Beziehung ist durch den Nachweis der Tumorregression nach Absetzen des Methotrexats erbracht worden. Möglich ist, dass Methotrexat einen bestimmten Aspekt des Immunschutzes supprimiert, der normalerweise die spontane Entstehung dieser Lymphome verhindert, die vielleicht viral oder durch andere Umweltfaktoren bedingt sind. In einem Review [27] wurde festgestellt, dass bei 62% der Patienten, bei denen zum Zeitpunkt des Absetzens von Methotrexat ein Lymphom diagnostiziert wurde, danach ohne weitere Therapie eine vollständige oder teilweise Remission eintrat. Von diesen 9 untersuchten Respondern gab es bei 8 Anzeichen einer EBV-Infektion im Tumor. Nur einer von 6 Patienten ohne Hinweise auf EBV reagierte positiv auf das Absetzen von Methotrexat.

Remission bei EBV-infizierten Tumoren nach Absetzen von Methotrexat

In jüngerer Vergangenheit wurden im Rahmen einer prospektiven Studie über eine Zeit von 3 Jahren alle französischen RA-Patienten ermittelt, die unter Methotrexat ein Lymphom entwickelten [23]. Die geschätzte jährliche Inzidenz von NHL lag bei 33,3/100.000 männlichen RA-Patienten, die mit Methotrexat behandelt wurden, und bei 16,7/100.000 für Frauen. Der standardisierte Mortalitätsquotient auf Basis der alters- und geschlechtsbereinigten NHL-Inzidenz in der französischen Allgemeinbevölkerung lag bei 1,07, was auf kein erhöhtes Risiko von NHL bei diesen RA-Patienten hindeutet. Dagegen betrug der standardisierte Mortalitätsquotient für das Hodgkin-Lymphom 7,4 bei 27,8 Fällen/100.000 behandelten männlichen Patienten (2,8/100.000 Frauen), wobei die Zahl der Fälle auch viel höher war als dies aufgrund der Inzidenz von Hodgkin-Lymphomen in der US-Bevölkerung zu erwarten gewesen wäre. Über diesen Zusammenhang zwischen der Methotrexat-Therapie und dem Hodgkin-Lymphom war zuvor nicht berichtet worden.

Unterdrückt Methotrexat die Entwicklung einiger Lymphome durch Bekämpfung der systemischen Entzündung bei RA, während es gleichzeitig ein leicht erhöhtes Risiko eines EBV-induzierten Hodgkin-Lymphoms und eines NHL mit sich bringt? In vitro induziert Methotrexat die Aktivierung der EBV-Replikation bei latent infizierten Zelllinien. Polymyositis- und RA-Patienten unter Methotrexat haben eine 6- bis 8-fach erhöhte EBV-Viruslast im peripheren Blut, während die ähnlich behandelten Wegener-Patienten sich offenbar nicht von Kontrollprobanden unterscheiden. Insgesamt könnte Methotrexat 2 unterschiedliche Auswirkungen auf das Lymphomrisiko haben:

  • einen protektiven Effekt durch die Senkung der Gesamt-RA-Aktivität sowie

  • ein intrinsisches Risiko für die Entstehung anderer Lymphome.

Dabei heben sich diese beiden Faktoren möglicherweise im Fall des NHL gegenseitig auf. Eine allgemein anerkannte Studie ergab, dass die Gesamtmortalität und insbesondere die kardial bedingte Sterblichkeit bei RA-Patienten unter Methotrexat signifikant vermindert ist [11].

TNF-α-Hemmer

Durch die Entwicklung der Therapie mit biologischen Wirkstoffen, die TNF α blockieren, ergibt sich die Frage, ob diese Präparate mit dem Risiko einer hämatologischen Malignität behaftet sind. Die MedWatch-Postmarketing-Beobachtung von Nebenwirkungen bei Patienten mit RA oder M. Crohn ermittelte insgesamt 26 Fälle von lymphoproliferativen Erkrankungen nach Behandlung mit TNF-Antagonisten (Etanercept: 18 Fälle; Infliximab: 8 Fälle). Ein drittes Medikament, Adalimumab, wurde erst vor kurzem (Dezember 2002) von der FDA zugelassen und ebenfalls bereits mit einem erhöhten Risiko in Zusammenhang gebracht [33]. 81% dieser Fälle waren NHL vor allem vom Phänotyp der DGBCL.

Lymphombezogene Symptome entwickelten sich normalerweise im Mittel 8 Wochen nach Beginn der Etanercept-Therapie bzw. 6 Wochen nach Beginn der Infliximab-Behandlung. In 2 Fällen, und zwar bei jedem Präparat jeweils in einem, kam es ohne spezifische Lymphomtherapie zur Lymphomregression nach Absetzen der Anti-TNF-Therapie (ähnlich wie bei Methotrexat). Bei den 16 Etanercept-behandelten Patienten mit NHL trat jeweils ein Fall von Thymom und Hodgkin-Lymphom auf. Die Analyse wurde dadurch kompliziert, dass 72% der Patienten zuvor oder gleichzeitig mit Methotrexat behandelt wurden. Bei den Infliximab-Patienten, die zumeist wegen M. Crohn behandelt wurden, kam es 5-mal zu einem NHL und 3-mal zu einem Hodgkin-Lymphom.

Im Jahr nach der Veröffentlichung dieses Berichts zählten die Autoren 68 weitere Fallberichte, wobei 54 Lymphome als wahrscheinlich medikamentenbedingt (Infliximab: 29, Etanercept: 25) und 14 als möglicherweise medikamentenbedingt eingestuft wurden (Infliximab: 10, Etanercept: 4; [8]).

Vor kurzem wurden in einer weiteren Studie die Akten von 18.572 RA-Patienten aus einer US-Datenbank für rheumatische Erkrankungen analysiert, wobei etwa ein Drittel der Lymphomfälle prospektiv aufgezeichnet wurden. Der SIR für ein Lymphom betrug insgesamt 1,9 (95%-CI, 1,3–2,7) für Patienten, die entweder Methotrexat oder biologische Wirkstoffe bekamen. Der Lymphom-SIR für Etanercept war 3,8 (95%-CI 0,9–3,2). Die Dauer der RA hatte keinen Einfluss auf das Lymphomrisiko. Die bei diesen Patienten für ein Lymphom prädisponierenden Faktoren waren im Wesentlichen höheres Lebensalter (OR 1,7 pro 10 Jahre) und männliches Geschlecht (OR 2,6; [33]).

Diese Ergebnisse scheinen sich in der ersten Analyse von 800 Anti-TNF-behandelten Patienten in Schweden zu bestätigen, bei der ein relatives Risiko von 4,9 (95%-CI 0,9–26,2) auf Basis von 5 Lymphomen ermittelt wurde, die in der Behandlungsgruppe festgestellt wurden [17].

Im Mai 2006 veröffentlichten Bongartz et al. [6] eine Metaanalyse von 9 randomisierten placebokontrollierten Studien zu Adalimumab oder Infliximab. Die Verfasser untersuchten das Risiko aller Karzinome in der 3- bis 12-monatigen Behandlungszeit jeder Studie und errechneten eine gepooltes OR von 3,3-(95% CI 1,2–9,1) für alle Anti-TNF-behandelten Patienten. Insgesamt wurden bei 3500 behandelten Patienten 10 Lymphome diagnostiziert, während bei den 1500 Placebopatienten kein Lymphom auftrat. Die anderen 25 mit der Behandlung assoziierten Karzinome (im Vergleich zu 3 Fällen in der Placebogruppe), die bei diesen Patienten die Mehrzahl der Karzinome bildeten, waren sehr vielfältig. 10 der 25 Fälle waren Hautkarzinome. Insbesondere das Risiko unter Infliximab schien fast ausschließlich mit Dosen verbunden zu sein, die 4- bis 6-mal höher waren als bei RA-Patienten üblich (3 mg/kg alle 8 Wochen bei Erhaltungstherapie).

Die vielleicht größte Einschränkung bei diesen Daten liegt in der Kürze der Beobachtungsdauer bei den behandelten Patienten. Demgegenüber stellten neue Untersuchungen einer populationsbasierten Kohortenstudie in Schweden, bei der 4160 Anti-TNF-behandelte RA-Patienten 5 Jahre lang beobachtet wurden und auch das schwedische Krebsregister einbezogen wurde, weder für solide Tumore noch für hämatopoetische Malignome ein erhöhtes Risiko unter Anti-TNF-Behandlung fest [1]. Durch diese widersprüchlichen Ergebnisse erscheint es denkbar, dass die Exposition gegenüber Anti-TNF-Mitteln lediglich die Progression zugrundeliegender maligner Prozesse, die bei RA-Patienten im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung bereits in erhöhtem Maße im Gange sind, beschleunigt. Allerdings wurde in mehreren Studien kein Zusammenhang zwischen lange bestehender RA und Entstehung eines Lymphoms gefunden.

Das einzige nichthämatologische Karzinom, das bisher mit Anti-TNF-Wirkstoffen in Verbindung gebracht wurde, ist der Nicht-Melanom-Hautkrebs [10]. Aus selbst von fast 16.000 amerikanischen RA-Patienten gemeldeten Daten ergab sich eine erhöhte Hazard-Ratio (HR) von 1,19, das bei Prednison- oder Anti-TNF-behandelten Patienten leicht anstieg. Das höchste Risiko hatten Patienten, die sowohl Methotrexat als auch TNF-Antagonisten erhielten (HR 1,97). Ein wichtiger Vorbehalt bei dieser Studie ist jedoch, dass auch Osteoarthritis- (Arthrose-) Patienten ein ähnlich erhöhtes Ausgangsrisiko für Nicht-Melanom-Hautkrebs hatten.

Es gibt eine plausible biologische Erklärung für einen Zusammenhang zwischen TNF-Inhibition und Tumorentwicklung. TNF-knockout-Mäuse, die hinsichtlich eines B-Zell-Differenzierungsfaktors (BAFF) transgen sind, haben eine signifikant erhöhte Inzidenz von Lymphomen im Vergleich zu transgenen Kontrollmäusen.

In vorläufigen Studien zur Sicherheit erwies sich der IL-1-Rezeptor-Antagonist Anakinra als nicht mit einem erhöhten Malignitätsrisiko assoziiert [28]. Aber hier gilt es, weiterführende Untersuchungen dieser Substanz abzuwarten, bevor endgültige Schlüsse gezogen werden können.

Ausblick

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Patienten mit RA im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung ein verdoppeltes Lymphomrisiko haben. Patienten mit der höchsten RA-Aktivität haben offenbar mit Abstand das höchste Risiko, an einem Lymphom zu erkranken, wobei ein Karzinom selten innerhalb von 10 Jahren nach der RA-Diagnose festgestellt wird. Daher könnte es sein, dass die aggressive Behandlung der entzündlichen Erkrankung den Prozess der Lymphomentstehung unterbrechen kann, aber dies muss noch prospektiv untersucht werden.

Eine Abwägung des Lymphomrisikos mit dem therapeutischen Nutzen von Methotrexat bei RA-Patienten fällt eindeutig zugunsten der Methotrexat-Behandlung aus, besonders im Lichte der damit verbundenen dramatischen Senkung der Mortalität.

Wie beim Methotrexat stellt die Behandlungsindikation für den Einsatz der biologischen Wirkstoffe einen Surrogatmarker für die Schwere der Erkrankung dar, was teilweise die ersten Ergebnisse erklären kann, wonach mit Anti-TNF-Präparaten ein erhöhtes Krebsrisiko einhergeht. Es ist schwierig, das behandlungsbezogene Krebsrisiko vom erhöhten Risiko aufgrund der zugrundeliegenden Erkrankung zu trennen.

Da eine recht hohe EBV-Infektionsrate bei RA-bedingten Lymphomen besteht [3], hat eine Gruppe vorgeschlagen, die EBV-Last bei Anti-TNF-behandelten Patienten zu beobachten, um so vorhersagen zu können, wer später vielleicht an einem Hodgkin-Lymphom, einem T-Zell-NHL oder einer Unterart des B-Zell-NHL erkranken wird. Es ist möglich, dass der Einsatz von TNF-Antagonisten einen geringen unabhängigen Risikofaktor für ein Lymphom darstellt. Da diese Tumoren aber relativ selten sind, relativ gut auf Behandlung ansprechen und die Effektivität der Medikamente zur Behandlung der Arthritis so hoch ist [3], haben die meisten Ärzte keine Bedenken, dieses mögliche Risiko in Kauf zu nehmen und biologische Wirkstoffe für viele oder die meisten mäßig bis stark betroffenen RA-Patienten zu verschreiben.