Der systemische Lupus erythematodes (SLE) ist eine komplexe Multisystemerkrankung, die durch Produktion von Autoantikörpern, wie z. B. Anti-dsDNA-Antikörpern, gekennzeichnet ist. Interessante pathogenetische Aspekte hat in den letzten Jahren die Apoptoseforschung geliefert. Apoptose (programmierter Zelltod), die physiologische Form des Zelltods, ist erforderlich für die Zell-, Gewebe- bzw. Organhomöostase (Übersicht bei [4]). Aktuelle Befunde deuten daraufhin, dass Störungen der Apoptose bei Autoimmunerkrankungen wie dem SLE sowie dem Sjögren-Syndrom eine zentrale pathogenetische Rolle spielen könnten [1, 2, 30, 33]. Es gibt Hinweise, dass Autoantikörper apoptotisches Zellmaterial nicht nur erkennen können, sondern sich von zirkulierenden, nichtphagozytierten apoptotischen Fragmenten (z. B. Nukleosomen) herleiten lassen [18, 30, 33]. Apoptotisches Zellmaterial, das aufgrund einer gleichzeitig bestehenden verminderten oder defekten phagozytotischen Abräumarbeit persistiert [29], scheint eine wesentliche Quelle für Autoantigene und damit für eine Autoantikörperproduktion zu sein [33]. Insbesondere ist das PARP-Enzym (s. unten) von Interesse, das zum Verständnis der kausalen Verknüpfung von Apoptose und Autoantikörperproduktion beitragen könnte.

Ziel der vorliegenden Übersicht ist die Darstellung der Schnittstelle von Apoptose und Autoantikörpern anhand eines nukleären Apoptosemarkers: des PARP-Enzyms beim SLE.

Das PARP-Enzym

Ein wesentlicher Faktor der nukleären Apoptose ist die Poly-(ADP-Ribose-) Polymerase (PARP; EC 2.4.2.30). Sie liegt als nukleäres Protein Chromatin-assoziiert vor. Funktion des Enzyms ist die kovalente Bindung und Elongation von Homopolymeren der Poly-(ADP-Ribose) an verschiedene nukleäre Proteine. Nikotin-Adenin-Dinukleotid (NAD) dient als Substrat. Das komplette PARP-Molekül hat eine Molekularmasse von 113 kD und besitzt 2 Zinkfingermotive (F1 und F2). Diese finden sich im 29 kD N-terminalen, 162 Aminosäure- (AS-) Reste umfassenden Fragment und gestatten es dem Enzym, an DNA-Doppel- oder Einzelstrangbrüche zu binden.

Die Zinkfinger-DNA-bindende Domäne von PARP erkennt spezifisch DNA-Strangbrüche, die durch DNA-schädigende (genotoxische) Einflüsse bei Eukaryonten entstanden sind. Es konnte gezeigt werden, dass die Aktivierung durch Einzelstrangbrüche beide Zinkfinger benötigt, während Doppelstrangbrüche nur den ersten, dem N-Terminus direkt benachbarten Zinkfinger aktivieren [13].

Der Aufbau des PARP-Moleküls zeigt Modulcharakter. Der C-terminale Abschnitt ist mit dem N-terminalen über eine kurze Zentralregion verbunden, die zahlreiche Glutamatreste für die Auto-Poly-(ADP-Ribosyl)ierung bzw. Automodifikation enthält. Mit Hilfe von Zellkultursystemen wurden zahlreiche biologische Funktionen aufgezeigt, an denen PARP beteiligt ist. Diesen ist allen gemeinsam, dass sie mit dem Bruch bzw. der daraufhin initiierten Reparatur der DNA zusammenhängen [13, 37]. PARP wird proportional zur Zahl der Strangbrüche in der DNA aktiviert. Die unmodifizierte Form der Polymerase bindet fest an DNA-Strangbrüche, daraufhin erfolgt die Auto-Poly-(ADP-Ribosyl)ierung des Enzyms (modifizierte Form), die die Ablösung von der DNA gestattet und damit den Reparaturprozess ermöglicht [37].

PARP-Spaltung im Rahmen der Apoptose

Die Integrität des PARP-Enzyms verhindert die Degradation der genomischen DNA. Eines der frühesten Apoptosestadien ist gekennzeichnet durch die Aktivierung der PARP, Addition von Poly-(ADP-Ribose) an nukleäre Proteine [36] und DNA-Reparatur. Ist die DNA-Reparatur nicht in der Lage, den entstandenen Schaden zu beheben, wird die irreversible Phase der Apoptose eingeleitet [4]. Die spezifische Proteolyse des PARP-Enzyms kennzeichnet den irreversibler Punkt der Apoptose und ist gleichzeitig ein Charakteristikum der Apoptose.

Erstmals wurde diese proteolytische Spaltung von PARP bei der Chemotherapie-induzierten Apoptose nachgewiesen [20]. Dabei spaltet die Caspase 3 PARP während der Exekutionsphase der Apoptose in 2 stabile Fragmente:

  • in die N-terminale 24 kD DNA-bindende Domäne (DBD) und

  • in das 85 kD C-terminale Fragment mit der katalytischen und Automodifikationsdomäne.

Dadurch verliert PARP seine katalytische Aktivität. Zusätzlich wird die DNA-Reparatur durch eine irreversible Bindung von DBD an die zahlreichen während der Apoptose entstehenden DNA-Strangbrüche gebunden [35]. Dies steht im Einklang mit der Tatsache, dass die Expression der DBD in lebenden Zellen mit der DNA-Repair-Funktion der endogenen PARP interferiert [25].

Da dieser Prozess charakteristisch für die Apoptose ist, konnte darauf basierend ein hochsensitives Nachweisverfahren zur Detektion von DNA-Brüchen etabliert werden [35]. Durch Verwendung eines rekombinanten biotinylierten Peptids, das die DBD der PARP enthält, kann die Detektion in Kombination mit einem Streptavidin-konjugierten Fluorochrom flowzytometrisch bzw. fluoreszenzmikroskopisch erfolgen. Diese Methode ist ebenso sensitiv wie die TUNEL-Reaktion, benötigt jedoch weniger Arbeitsschritte. Außerdem lässt sich das enzymatische 85 kDa PARP-Spaltprodukt durch Fluorochrom-markierte Antikörper nachweisen.

Welche Bedeutung hat PARP für den Lupus erythematodes?

SLE-Patienten besitzen eine verminderte DNA-Repair-Kapazität und eine erhöhte Rate an DNA-Strangbrüchen [23, 24, 34, 41]. Diese Befunde im Zusammenhang mit einer gesteigerten Apoptoserate [1, 2, 3, 11] weisen darauf hin, dass die PARP-Aktivität gestört sein könnte. In der Tat weisen SLE-Patienten eine um 70% reduzierte Poly-ADP-Ribose-Synthese auf [39]. Diese Verminderung blieb auch nach Zufügen von Histonen oder DNase zum In-vitro-System bestehen.

Die Untersuchung der PARP-Aktivität anhand des Einbaus von 32P-NAD in Poly-ADP-Ribose in periphere mononukleäre Blutzellen haben gezeigt, dass SLE-Patienten einen durchschnittlichen Wert von 225±147 pmol ADP-Ribose pro 106 Zellen in 10 min aufweisen [6]. Messungen in der Kontrollpopulation ergaben dagegen einen Wert von 418±91 pmol ADP-Ribose pro 106 Zellen in 10 min.

Western-blot-Analysen von Enzymproteinlevel, Kinetikstudien der PARP-Aktivität und Analysen der Polymergrößenverteilung lassen vermuten, dass der Mechanismus der Poly-ADP-Ribose-Synthese in SLE-Zellen nicht gestört ist, dass aber die Zahl aktiver PARP-Moleküle reduziert ist [6]. Die Ursache dieses Phänomens ist unklar. Möglicherweise spielen Anti-PAR-bzw. Anti-PARP-Antikörper eine Rolle (s. unten).

Außerdem sei darauf hingewiesen, dass von einigen Arbeitsgruppen eine Assoziation mit bestimmten PARP-Allelen beim SLE nachgewiesen werden konnte [10, 12, 27, 43], während andere Wissenschaftler diese Assoziation nicht fanden [7].

PARP-Spaltung, Antikörperprofil und Leukozytopenie

Autoantikörperproduktion und Leukozytopenie scheinen bei LE-Patienten kausal miteinander verbunden zu sein [2]. Unklar ist die Fähigkeit verschiedener Autoantikörperspezies zur Apoptoseinduktion und zum Zellverlust. Absolute Zahlen peripherer Leukozyten, Lymphozyten, T-Zellen, CD3+CD4+ und CD3+CD8+ Zellen sind bei LE-Patienten im Vergleich zu gesunden Kontrollpersonen signifikant vermindert [3]. In der Gegenwart von antinukleären (p=1,2×10−14 bis p<0.0008) oder Anti-dsDNA-Antikörpern (p=2,9×10−12 bis p<0.007) sind die o. g. Zellpopulationen signifikant vermindert [3]. Anti-La/SSB-Antikörper waren dagegen mit signifikant erhöhten Leukozytenzahlen verbunden (p<0.02).

Das PARP-Spaltprodukt (85 kDa) fand sich vorzugsweise in Zellkernen von PBMC solcher Patienten, die antinukleäre bzw. Anti-dsDNA-Autoantikörper im Serum aufwiesen [3]. Diese Befunde deuten darauf hin, dass gegen nukleäre Epitope gerichtete Autoantikörper zur Apoptose mittels PARP-Spaltung führen und zum Verlust von peripheren weißen Blutzellzahlen führen, während gegen Ro/SSA bzw. gegen La/SSB gerichtete Autoantikörper diese Aktivität nicht im gleichen Maße zu besitzen scheinen [3].

Anti-PAR- und Anti-PARP-Antikörper

Da zu Beginn der Apoptose PARP aktiviert wird, entstehen unter dem Einfluss dieses Enzyms im Kern Poly-(ADP-Ribosyl)ierte Proteine, die nach dem apoptotischen Zerfall der Zelle als Antigene fungieren können. Außerdem führt die Spaltung von PARP zur Entfernung der regulatorischen Domäne und initiiert eine unregulierte ADP-Ribosylierungsaktivität [38]. Anti-Poly-(ADP-Ribose-) Antikörper (Anti-PAR-Antikörper) sind schon längere Zeit bekannt. 1977 berichtete Kanai erstmals über natürlich entstandene Anti-PAR-Antikörper bei SLE-Patienten [17]. Wenig später fand eine andere Arbeitsgruppe Anti-PAR-Antikörper fast ausschließlich bei Patienten mit SLE und vertrat daher die Auffassung, dass diese spezifischer für die Diagnose eines SLE sind als Anti-dsDNA-Antikörper [32].

Untersuchungen, die später durchgeführt wurden, zeigen, dass 73% der SLE-Patienten und 58% der Patienten mit erhöhter dsDNA-Bindungskapazität Anti-PAR-Antikörper aufweisen [26]. Schließlich zeigte sich, dass Antikörper gegen PAR nicht krankheitsspezifisch sind und außer bei SLE-Patienten auch bei anderen Autoimmunerkrankungen sowie infektiösen Krankheiten auftreten können [21].

Die Immunisierung von C57/black-Mäusen mit PAR führt zur Bildung von spezifischen Anti-PAR-Antikörpern, interessanterweise aber auch von Anti-DNA-Autoantikörpern [40]. Die Kreuzreaktivität von Anti-PAR-Antikörpern mit ssDNA wurde zeitgleich von anderen Autoren beschrieben [42]. Oligo-(ADP-Ribose) assoziiert mit Histonen scheint das natürliche Antigen zu sein, das bei Patienten mit SLE Anlass zur Bildung von Anti-PAR-Antikörpern gibt [17]. Außerdem lassen sie sich medikamentös durch Phenobarbital, Phenytoin, Valproinsäure und Procainnamid induzieren.

Der Titer ändert sich parallel zur Krankheitsaktivität [21]. Anti-PAR-Antikörper reflektieren die Krankheitsaktivität besser als Anti-dsDNA-Antikörper [26]. Parallel zu Antigen-Antikörper-Komplexen der dsDNA-Antikörper fanden sich auch Poly-(ADP-Ribose-)Anti-Poly-(ADP-Ribose-)Immunkomplexe [32]. Außerdem haben sie bei Schwangeren eine wesentliche diagnostische Bedeutung. Zunächst konnte diese Bedeutung am Tiermodell aufgezeigt werden. Bei graviden MRL/Mp-lpr/lpr-Mäusen mit zahlreichen Feten wurde ein niedriger Titer an Anti-PAR-Antikörpern ähnlich wie bei nichtgraviden Mäusen gefunden, während Tiere mit wenigen Feten hohe Titer dieser Autoantikörper aufwiesen [14]. Diese Befunde entsprechen denen schwangerer SLE-Patientinnen: Die Anwesenheit dieses Antikörpers ist ein Zeichen für ein Abortrisiko bzw. ein mütterliches Risiko [14]. Anti-PAR-Antikörper sind ein Indikator für Komplikationen bei Schwangeren mit SLE: Abort oder „fetal distress“ [19].

Fast 20 Jahre später wurden Anti-PARP-Antikörper entdeckt [28]. Anti-PARP-Antikörper konnten bei SLE, rheumatoider Arthritis (RA), progressiver systemischer Sklerodermie (PSS), Sjögren-Syndrom (SS), Sarkoidose und kryptogener fibrosierender Alveolitis nachgewiesen werden [9, 15, 31]. Sie finden sich bei etwa 35% der SLE-Patienten, 42% der Patienten mit primärem Sjögren-Syndrom und 56% der Patienten mit sekundärem Sjögren-Syndrom [28]. Andere Untersucher fanden Anti-PARP-Antikörper in 26/68 Seren von SLE-Patienten [22]. Insgesamt waren diese Autoantikörper signifikant häufiger beim SLE als bei gesunden Spendern anzutreffen (0/76; 38,2% vs. 0%, p<0,00001).

Anti-PARP-Antikörper ließen sich selten in Seren von Patienten mit RA nachweisen (1/50) [22]. Bei anderen Autoimmunerkrankungen, wie z. B. Sjögren-Syndrom, Polymyositis/Myositis war diese Autoantikörperspezies nicht vorhanden. Statistische Analysen zeigten, dass die Anwesenheit von Autoantikörpern gegen PARP invers mit einer Pleuritis korrelierte [22]. Anti-PARP-Antikörper produzieren auf HEp2-Zellen ein spezifisches Fluoreszenzmuster: Sie reagieren intensiv mit Nukleoli und Metaphasechromosomen und diffus mit der übrigen Kernstruktur [44].

Die Zinkfingermotive F1 und F2 repräsentieren die Epitope, die von IgG-Anti-PARP-Antikörpern bei Patienten mit SLE und anderen Autoimmunerkrankungen erkannt werden [8, 9].

Anti-PAR- bzw. Anti-PARP-Antikörper inhibieren die Funktion des Enzyms [6, 39] und können zur verminderten DNA-Repair-Kapazität beitragen. Insbesondere unter genotoxischen Einflüssen (z. B. UV-Strahlung) treten beim SLE im Vergleich zu gesunden Kontrollpersonen vermehrt apoptotische Zellen und folglich apoptotisch bedingte Antigene auf [24, 33, 34, 41]. Diese Antigene persistieren aufgrund einer eingeschränkten Phagozytosekapazität und induzieren wiederum die Autoantikörperproduktion [29, 33]. Auf diese Weise wird sehr wahrscheinlich ein Circulus vitiosus aufrechterhalten, der letztendlich den Prozess der Autoimmunität ausmachen dürfte [33].

Zusätzlich zur Beeinträchtigung der Enzymaktivität gibt es Hinweise dafür, dass Anti-PARP-Antikörper die Apoptose sowohl in positivem als auch in negativem Sinne zu beeinflussen vermögen. Gegen PARP F2 gerichtete Autoantikörper inhibieren effizient die Caspase-3-mediierte PARP-Spaltung in vitro und verlängern damit das Überleben apoptotischer Zellen [9]. Andererseits sind Anti-PARP-Antikörper in der Lage, eine PARP-Spaltung zu induzieren. An unbehandelten Maus-LTA-Zellen konnte gezeigt werden, dass während der Erforschung von Immunoblots mit C-2–10 monoklonalen Anti-PARP-Antikörpern Fragmente von 89 kD nachweisbar waren [5].

Bislang wurden Anti-PARP- bzw. Anti-PAR-Antikörper nur vereinzelt im Rahmen spezieller Studien bei Patienten mit SLE und anderen Autoimmunerkrankugen analysiert. Aufgrund ihrer Bedeutung als mögliche Indikatoren der Krankheitsaktivität einerseits und als Apoptoseinhibitoren bzw. -promotoren andererseits, ist es von Interesse, diese Autoantikörperspezies routinemäßig bei SLE-Patienten zu bestimmen.