Einleitung

1977 wurde erstmals von McKenna et al. eine lympho-proliferative Erkrankung mit auffälliger Vermehrung von „large granular lymphocytes“ im peripheren Blut in Verbindung mit einer Neutropenie als klinische Entität beschrieben [27]. Loughran und Mitarbeiter konnten zeigen, dass es sich um eine klonale Erkrankung handelt, die entweder von zytotoxischen T-Zellen oder NK-Zellen ausgeht [22]. Entsprechend der Zellherkunft und der immunphänotypischen Befunde haben sich die Bezeichnungen NK-LGL-Leukämie bzw. T-LGL-Leukämie durchgesetzt [18, 21].

Beide Entitäten unterscheiden sich auch unter klinischen Gesichtspunkten erheblich [Übersicht bei 16, 34]. Gegenstand dieser Übersicht ist nur die T-LGL-Leukämie, die ca. 85% der LGL-Leukämien ausmacht und meist durch einen weniger aggressiven Krankheitsverlauf charakterisiert ist.

Klinik

Das klinische Bild ist durch die Folgen einer Neutropenie, also Fieber und rezidivierende bakterielle Infektionen, insbesondere der oberen Atemwege und der Haut gekennzeichnet. Virusinfektionen kommen wie bei allen T-lymphoproliferativen Erkrankungen ebenfalls gehäuft vor. In etwa der Hälfte der Fälle liegt auch eine Anämie vor, die ebenfalls zu klinischen Symptomen führen kann. Selten besteht eine typische B-Symptomatik, eine Splenomegalie tritt in der Hälfte der Fälle auf. Bei etwa einem Drittel der Patienten handelt es sich um eine Zufallsdiagnose im Rahmen von Blutbildbestimmungen anderer Veranlassung [Übersicht bei 16, 34].

Für den Rheumatolgen ist diese Erkrankung von Bedeutung, da bei bis zu 40% der Patienten Arthritiden bestehen. Oft ist auch das Vollbild einer seropositiven Rheumatoiden Arthritis (RA) nachweisbar. Somit kann die Differentialdiagnose zum Felty-Syndrom, das ja ebenfalls durch Neutropenie und Splenomegalie bei RA gekennzeichnet ist, schwierig sein. Es ist zu vermuten, dass bei Patienten mit der Diagnose Felty-Syndrom häufiger als bisher angenommen tatsächlich eine T-LGL-Leukämie vorliegt. Möglich, aber noch umstritten, ist es auch, dass beide Erkrankungen unterschiedliche Ausprägungen einer Entität vor einem gemeinsamen immungenetischen Hintergrund darstellen.

Neben dieser häufigsten Assoziation ist die T-LGL-Leukämie mit einer Reihe weiterer maligner und autoimmuner Erkrankungen vergesellschaftet, wie z.B. der aplastischen Anämie, den myelodysplastischen Syndromen, der „pure red cell aplasia“, dem Sjögren-Syndrom und dem Systemischen Lupus erythématodes [34].

Laborbefunde und Immunphänotyp

In der Labordiagnostik lässt sich eine Vermehrung der LGL-Zellen im peripheren Blut nachweisen, die normalerweise unter 6% der mononukleären Zellen ausmachen (absolut 10 bis 250 LGL-Zellen/µl). Bei Diagnosestellung werden oft Werte von mehr als 2000 LGL-Zellen/µl erreicht. Diese Zellen sind zytologisch charakterisiert durch ein reifes Kernchromatin und azurophile zytoplasmatische Granula, die zum Teil sehr fein sind (Abb. 1). Eine Neutropenie mit Werten von <1500 Neutrophile/µl findet sich in 80% der Fälle, in 45% liegen die Werte unter 500 Neutrophile/µl. Eine immunologisch vermittelte Anämie mit Hb-Werten unter 11 g/dl ist in der Hälfte der Fälle vorhanden. Thrombopenien sind seltener, kommen aber auch gelegentlich vor.

Abb. 1
figure 1

Large granular lymphocyte. LGL-Zellen sind durch ein reifes Kernchromatin und azurophile zytoplasmatische Granula, die zum Teil sehr fein sind, charakterisiert

Serologisch fällt in bis 60% der Fälle ein positiver Rheumafaktor und in bis zu 40% der Fälle ein positiver Test für ANA auf. Neben einer polyklonalen Hypergammaglobulinämie wurden auch monoklonale Gammopathien bei der T-LGL-Leukämie beschrieben [Übersicht bei 16, 18, 34].

Die T-LGL-Leukämie besitzt keinen diagnostisch beweisenden einheitlichen Immunphänotyp. Die immunphänotypische Abgrenzung zu expandierten Memory-Effektor-T-Zell-Populationen, die insbesondere bei der schwer verlaufenden RA mit extraartikulären Manifestationen [25], aber auch bei anderen Autoimmunerkrankungen, wie der Wegener’schen Granulomatose [13] auftreten, kann sehr schwierig, teilweise unmöglich sein. Bei letzteren handelt es sich um oligoklonale Vermehrung von CD28-T-Zellen, wobei, anders als bei der T-LGL-Leukämie, zumeist sowohl das CD4+- als auch das CD8+-T-Zellkompartiment betroffen sind. Wie bei der T-LGL-Leukämie sind diese T-Zellen CD27 und CD57+ und exprimieren HLA-DR. Darüber hinaus exprimieren sie „killing inhibitory receptors“ (KIRs), die sich bei der T-LGL-Leukämie in ca. 50% der Fälle ebenfalls nachweisen lassen [30, 31]. T-LGL-Zellen exprimieren überwiegend eine CD45-Isoform (B220), die durch eine ungewöhnliche Glykosilierung gekennzeichent ist [3]. Ob dieses Merkmal zur Differenzierung geeignet ist, ist nicht bekannt.

Zusammenfassend findet sich in der überwiegenden Mehrzahl der T-LGL-Fälle also folgender Immunphänotyp:

CD3+CD4CD8+CD16+CD27CD45RO+CD56CD57+ CD94+ und αβTCR+. In sehr seltenen Fällen auch γδTCR+. Einzelne Fälle mit CD4+CD8+, CD4CD8 und CD8αα+ sind beschrieben [34]. αβTCR+CD4+ T-LGL-Vermehrungen werden von einigen Autoren als eigenständige Entität angesehen [14]. CD26+-Fälle zeigen einen klinisch aggressiveren Verlauf [6].

Ätiologie und Pathogenese

Die Ätiologie der T-LGL-Leukämie ist nicht geklärt. Die Zellen zeigen Eigenschaften, die auf eine Antigenaktivierung von T-Zellen schließen lassen. Das restringierte TCR-V-β-Repertoire legt einen Antigen-gesteuerten Prozess nahe [18]. Es gibt Hinweise, dass retrovirale Antigene hierbei eine Rolle spielen. So konnten Sokol et al. Antikörper gegen HTLV-Epitope bei etwa 30% der Patienten nachweisen [35]. Die Persistenz der T-LGL-Zellen wird durch Apoptoseresistenz begünstigt. So wird die o.g. Expression der CD45-Isoform B220 als eine Eigenschaft von T-Zellen angesehen, die in den Prozess der Apoptose eintreten. Deren Überexpression bei T-LGL-Leukämie deutet auf einen Apoptosestop hin [3]. Tatsächlich konnte eine Resistenz der T-LGL-Zellen gegenüber der Fas/Fas-Ligand induzierten Apoptose nachgewiesen werden [17], die wahrscheinlich aber an Serumfaktoren gebunden und nicht auf eine zelluläre Störung an sich zurückzuführen ist [20, 28]. Ein solcher Serumfaktor könnte der lösliche Fas-Ligand sein, der sich bei T-LGL-Leukämie in erhöhten Konzentrationen im Serum nachweisen lässt [19].

Wie weiter oben diskutiert lassen sich die T-LGL-Leukämie-Zellen phänotypisch nicht eindeutig von Memory-Effektor-T-Zellen unterscheiden. Auch funktionell weisen sie Eigenschaften dieser Zellen auf. Es konnte gezeigt werden, dass die monoklonale Population bei T-LGL-Leukämie sowohl CD57+ als auch CD57-Zellen umfasst, und dass durch Aktivierung eine CD57-Expression induziert werden kann [29]. Eine ausgeprägte Expansion solcher Memory-Effektor-T-Zellen wurde bei einer Vielzahl von Erkrankungen beschrieben. Sie kommt sowohl bei Autoimmunerkrankungen, als auch bei Virusinfektionen vor und kann quantitativ durchaus die Dimension wie bei T-LGL-Leukämie erreichen [24]. Vor diesem Hintergrund wird von einigen Autoren der maligne Charakter der T-LGL-Leukämie in Frage gestellt [2, 29]. Diese gehen davon aus, dass sich im Rahmen intensiver Immunreaktionen ein immundominanter T-Zellklon aus dem Hintergrund der oligoklonalen Proliferation heraushebt und somit die T-LGL-Leukämie lediglich eine extreme Form derartiger Immunreaktionen darstellt. Für eine solche Sicht spricht auch, dass sich monoklonale T-Zellpopulationen auch bei Gesunden nachweisen lassen. Für einen malignen Charakter andererseits spricht neben der Monoklonalität, das z.T. infiltrierende Wachstum mit Organomegalie [32] sowie in einigen Fällen chromosomale Aberration [39]. Letztlich handelt es sich möglicherweise um ein Kontinuum von Manifestationen analog der monoklonalen Gammopathien [33].

Die Ursachen der Zytopenien bei T-LGL-Leukämie sind ebenfalls nicht geklärt. CD8+CD57+-T-Zellen gesunder Individuen inhibieren die Entwicklung neutrophiler Granulozyten in vivo [5]. Ob ein solcher Effekt auch von T-LGL-Leukämiezellen ausgeht, ist umstritten [5, 9]. Gegen diese Annahme spricht, dass es unter immunsuppressiver Therapie oftmals zu einer Normalisierung der Zellzahl kommt, ohne dass die T-LGL-Zellpopulation hierunter verkleinert würde [36].

Liu et al. konnten nachweisen, dass Serum von Patienten mit aktiver T-LGL-Leukämie Apoptose Neutrophiler Granulozyten über den Fas-Fas-Ligand-Weg induziert und so evtl. auch in vivo zur Entstehung der Neutropenie beiträgt [19].

Jüngste Arbeiten von Nowakowski et al. zeigen einen weiteren sehr interessanten Erklärungsansatz auf: KIRs werden in etwa der Hälfte der T-LGL-Leukämie Fälle exprimiert. Physiologisch führt die Interaktion von HLA-I-Molekülen mit den korrespondierenden KIR-Isoformen zu Selbsttolleranz. Da auf T-LGL-Leukämie-Zellen oft nur eine Isoform (CD158 a, b oder e) vorkommt, ist ein HLA-I/KIR „mismatch“ mögllich, der in o.g. Arbeit auch nachgewiesen werden konnte. In dieser Studie zeigten nur Patienten mit einem solchen „mismatch“ eine ausgeprägte Zytopenie [31]. Die Bedeutung dieser Untersuchung muss allerdings noch an einem größeren Kollektiv nachvollzogen werden.

Bezüglich der vielfältigen Assoziationen mit Autoimmunerkrankungen, insbesondere aber mit der RA, ist die Beobachtung von Interesse, dass T-LGL-Leukämie-Patienten mit RA ebenso häufig HLA DR4 positiv sind wie Patienten mit Felty-Syndrom, während bei den übrigen T-LGL-Leukämie-Patienten HLA-DR4 in gleicher Frequenz vorkommt wie in der Normalbevölkerung [37]. Es kann vermutet werden, dass die T-LGL-Leukämie zu Autoimmunerkrankungen im Allgemeinen prädisponiert und der jeweilige HLA Hintergrund wesentlich zur Entstehung einer spezifischen Erkrankung beiträgt. Diese Sichtweise wird unterstützt durch die Beobachtung, dass HLA-DR4für das Ansprechen auf eine immunsuppresive Therapie mit Ciclosporin A ein positiver prädiktiver Marker ist [1].

Diagnose

Die Differenzialdiagnose der T-LGL-Leukämie wird dadurch erschwert, dass es keine einheitlich akzeptierten Diagnosekriterien gibt. Im Rahmen von Therapiestudien haben sich folgende Kriterien durchgesetzt:

  • Mehr als 500 LGL-Zellen/µl im peripheren Blut.

  • Mehr als 500 Zellen mit CD3/CD8/CD57 Koexpression/µl im peripheren Blut (FACS).

  • Nachweis eines klonalen TCR-β- oder TCR-γ-Rearrangements.

Aufgrund der weiter oben diskutierten Schwierigkeit der immunphänotypischen Abgrenzung kommt hierbei dem Nachweis der Monoklonalität mittels PCR (alternativ auch Southern-Blot) die entscheidende Bedeutung zu. Der durchflusszytometrische Befund reicht nicht aus und wird in der Regel als „mit der Diagnose einer T-LGL-Leukämie vereinbar“ beschrieben. Dies gilt auch dann, wenn durchflusszytometrisch die präferentielle Nutzung eines TCR-Vβ-Gens nachweisbar ist, da dies nur als auf Monoklonalität hinweisend gewertet werden kann [11, 15].

Zusätzlich zu den genannten Kriterien sind andere Ursachen einer LGL-Zellvermehrung, insbesondere Virusinfektionen, auszuschließen (Tab. 1).

Tabelle 1

Auf die besonderen Schwierigkeiten der Abgrenzung der T-LGL-Leukämiezellen von expandierten Effektor-Memory-T-Zellen, wie sie insbesondere auch bei Felty-Syndrom vorkommen, wurde bereits hingewiesen. Obwohl manche Autoren die T-LGL-Leukämie mit seropositiver RA und das Felty-Syndrom als eine Krankheitsentität betrachten und diese sicherlich auch eng verwandte Erkrankungen darstellen, ist nach unserer Auffassung eine Differenzierung möglich und sinnvoll. Die Hauptunterscheidungsmerkmale hierfür sind in Tabelle 2 dargestellt. Es ist zu erwarten, dass etwa bei einem Drittel der Patienten mit seropositiver RA, Neutropenie und Splenomegalie eine T-LGL-Leukämie zugrunde liegt [4].

Tabelle 2

Prognose

Die Prognose ist mit einem medianen Überleben von mehr als 10 Jahren als günstig einzustufen. Sie wird im Wesentlichen durch Infektionen in Folge der Neutropenie bestimmt. Allerdings werden 70% der Patienten im Verlauf ihrer Erkrankung behandlungsbedürftig [18].

Therapie

Wichtigste Indikationen für den Beginn einer Therapie der T-LGL-Leukämie sind eine Neutropenie mit Neutrophilenzahlen von unter 500/µl oder unter 1000/µl mit zusätzlich nachweisbarer Infektneigung, oder eine symptomatische bzw. transfusionspflichtige Anämie. Eine seltenere Therapieindikation ist eine symptomatische Splenomegalie.

Darüber hinaus kann die Therapieindikation natürlich auch durch eine begleitende rheumatische Erkrankung, zumeist eine RA gegeben sein. Diese wäre dann auch nach rheumatologischen Therapiegrundsätzen zu behandeln.

Ergebnisse aus kontrollierten Studien zur Behandlung der T-LGL-Leukämie liegen nicht vor, somit ist eine Standardtherapie nicht etabliert. Aufgrund der bisher veröffentlichten Daten von Fallserien kann eine niedrig-dosierte Methotrexat-Therapie (10 mg/m2 KO 1×/Woche) als Therapie der ersten Wahl angesehen werden [23]. Für die Zweitlinientherapie bei Therapieversagen oder Alternativtherapien bei Kontraindikationen für Methotrexat ist die Datenlage bereits sehr viel schwächer. Es liegen positive Fallberichte und kleine Fallserien zum Einsatz von Ciclosporin A, Cyclophosphamid und Fludarabin vor [1, 8, 12, 26, 38].

Der Stellenwert einer Behandlung mit Wachstumsfaktoren (G-CSF oder GM-CSF) kann aufgrund der unzureichenden Datenlage, ebenso wie die Bedeutung einer Glukokortikoidtherapie nicht beurteilt werden.

Im Rahmen einer Studie der Deutschen CLL-Studiengruppe (DCLLSG) soll die Voraussetzung zur Verbesserung der Therapie dieser seltenen Entität geschaffen werden. Hierzu ist zunächst vorgesehen, multizentrisch die Ansprechrate auf eine parenterale Methotrexat-Therapie zu ermitteln. Als Zweitlinientherapie sieht das Protokoll den Einsatz von Fludarabin vor. Für dieses Vorgehen sprechen Einzelfallberichte, die nicht nur die Wirksamkeit von Fludarabin aufzeigen, sondern auch anhaltende Remissionen beschreiben. Das Protokoll ist auf der Homepage der Deutschen CLL-Studiengruppe abrufbar: www.dcllsg.de.

Die Teilnahme an diesem Protokoll steht selbstverständlich auch Nicht-Mitgliedern der DCLLSG frei und ist wegen der Seltenheit der Erkrankung und ihrem interdisziplinären Charakter besonders wünschenswert.