Zusammenfassung
Hintergrund
Das Vorliegen einer Frailty erhöht beim älteren Patienten das Risiko für ungünstige Gesundheitsereignisse und den Verlust der Selbstständigkeit. Maßnahmen zur Prävention dieses geriatrischen Syndroms sollten in die allgemeine Gesundheitsversorgung integriert werden.
Fragestellung
Welche Interventionen versprechen Wirksamkeit in der Prävention einer Frailty, und wie lässt sich eine erfolgreiche Implementation präventiver Strategien gestalten?
Methode
Narrative Übersichtsarbeit.
Ergebnisse
Frailty ist als Konzept multidimensional, sodass sich Ansatzpunkte für eine Prävention von Frailty auf unterschiedlichen Ebenen (z. B. Ebenen der körperlichen Aktivität und Ernährung, psychosoziale Ebene) finden. Aus epidemiologischen Analysen konnten Faktoren identifiziert werden, die das Risiko für die Ausbildung einer Frailty erhöhen oder verringern. Die Evidenz aus randomisierten kontrollierten Studien, die die Wirksamkeit spezifischer Interventionen in der Prävention einer Frailty untersucht haben, ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt begrenzt. Ausgehend von den derzeit vorliegenden Daten scheinen Interventionen, die auf körperlichem Training basieren, in der Prävention von Frailty wirksam zu sein. Der Frailty-Status des älteren Patienten wird in Deutschland bislang nicht routinemäßig in der Primärversorgung erfasst, was die Identifikation der Risikogruppe (Patienten mit Pre-Frailty) und zielgerichtete Präventionsmaßnahmen erschwert. Einen Ansatz, um Frailty vorzubeugen und „Healthy Ageing“ innerhalb der Bevölkerung zu fördern, bietet das Konzept Integrated Care for Older People (ICOPE) der Weltgesundheitsorganisation.
Schlussfolgerungen
Die Prävention einer Frailty ist möglich und sinnvoll. Bislang fehlt eine flächendeckende Implementation zielgerichteter Präventionsstrategien.
Abstract
Background
The presence of frailty in older patients increases the risk for adverse health events and for a loss of independence. Measures for the prevention of this geriatric syndrome should be incorporated into routine healthcare.
Objective
What types of interventions could be effective in the prevention of frailty and how can preventive strategies be successfully implemented?
Method
Narrative review article.
Results
The concept of frailty is multidimensional and potential starting points for a prevention of frailty can be found within different dimensions (e.g., dimensions of physical activity and nutrition, psychosocial dimension). Epidemiological analyses have identified factors that increase or decrease the risk for becoming frail. Evidence from randomized controlled trials that examined the effectiveness of specific interventions in the prevention of frailty is still limited. Based on the available data, interventions using physical exercise appear to be effective in preventing frailty. In primary care in Germany the frailty status of older patients is not yet routinely recorded, which impedes the identification of patients at risk (patients with pre-frailty) and the implementation of targeted preventive strategies. The Integrated Care for Older People (ICOPE) concept of the World Health Organization offers a potential approach to prevent frailty and to promote healthy ageing within the population.
Conclusion
The prevention of frailty is possible and reasonable. Comprehensive and targeted preventive strategies are yet to be implemented.
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Frailty ist mit zahlreichen negativen Gesundheitsereignissen assoziiert und beeinträchtigt die Lebensqualität des älteren Patienten. Bislang fehlt es an etablierten Interventionen, um der Entstehung einer Frailty präventiv entgegenzuwirken. Dieser Beitrag gibt einen Überblick über den theoretischen Hintergrund einer Frailty-Prävention, zeigt den derzeitigen Stand der Evidenz zu diesem Thema auf und unterbreitet erste Vorschläge dazu, wie Maßnahmen zur Frailty-Prävention in die medizinische Versorgung älterer Patienten implementiert werden könnten.
Das Konzept der Frailty hat sich in den vergangenen 2 Jahrzehnten zu einem der zentralen Orientierungspunkte in der klinischen wie auch akademischen Geriatrie entwickelt. Weitere medizinische Fachdisziplinen wie die Onkologie, Kardiologie oder Chirurgie haben die Bedeutung des Frailty-Konzeptes für die Versorgung älterer Patienten erkannt und in teilweise adaptierter Form aufgegriffen [1, 16, 27].
Charakteristisch für eine Frailty ist ein Erschöpfen der homöostatischen Reservekapazität, sodass sich bei Patienten mit Frailty auch nach Konfrontation mit einem vergleichsweise milden Stressor (z. B. einer leichten Infektion) oft eine überproportionale Verschlechterung des Gesundheitszustands zeigt [3]. Folge dieser verstärkten Vulnerabilität sind ungünstige Behandlungsverläufe mit einem erhöhten Risiko für Einbußen in der Selbstversorgungskapazität, dem Auftreten von Komplikationen (z. B. eines Delirs) und schließlich eine gesteigerte Mortalität [3]. Durch spezifische Maßnahmen lässt sich der Frailty-Status eines älteren Patienten verbessern, wobei v. a. ein körperliches Training wirksam zu sein scheint [32]. Das Thema der Frailty-Prävention ist bislang weniger ausführlich erforscht als der Bereich der Frailty-Therapie. Ausgehend von bekannten, potenziell modifizierbaren Risikofaktoren für die Entstehung einer Frailty und erster Evidenz aus randomisierten kontrollierten Studien (RCTs) lassen sich jedoch mögliche Ansatzpunkte für eine zielgerichtete Prävention dieses wichtigen geriatrischen Syndroms identifizieren. Diese Übersichtsarbeit fokussiert die Fragestellung, wie der Entstehung einer Frailty bei robusten (Primärprävention) und pre-frailen (Sekundärprävention) älteren Erwachsenen vorgebeugt werden kann. Der Bereich der Tertiärprävention bei älteren Erwachsenen mit bereits ausgebildeter Frailty wird an dieser Stelle nicht diskutiert.
Theoretische Überlegungen
Multidimensionalität des Frailty-Konzepts
Im internationalen Frailty-Konsensus aus dem Jahr 2013 wird Frailty u. a. als „medical syndrome with multiple causes and contributors“ vorgestellt [23]. Inouye et al. verorteten Frailty als ein übergeordnetes geriatrisches Syndrom, in das auf der einen Seite andere geriatrische Syndrome (z. B. Inkontinenz, Stürze) münden, das auf der anderen Seite diese vorgeschalteten geriatrischen Syndrome gleichermaßen weiterunterhält [18]. Frailty ist als Konzept multidimensional [4]. Etablierte Frailty-Instrumente wie der physische Frailty-Phänotyp [10], der Frailty-Index [20], die FRAIL Scale (fatigue, resistance, ambulation, illnesses & loss off weight) [22] oder die Edmonton Frail Scale [29] spiegeln in ihrer Gesamtheit die Vielfalt des Frailty-Konstrukts wider und greifen dabei jeweils eine unterschiedliche Anzahl an Dimensionen auf, um Frailty zu messen. Unter den erhobenen Variablen finden sich wiederholt:
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aktiv ermittelte körperliche Funktionstests (z. B. Handkraft, Gehgeschwindigkeit [10]) oder erfragte körperliche Funktionalität (z. B. mögliche Gehleistung, Treppensteigen [22]),
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Selbstständigkeit in den Aktivitäten des täglichen Lebens [20],
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Ernährungsstatus (z. B. ungewollter Gewichtsverlust [10]),
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pharmakologische Aspekte (Anzahl der regelmäßig eingenommenen Medikamente bzw. Polypharmazie [29]) und
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psychosoziale Parameter (z. B. Erschöpfung [10], soziale Unterstützung [29]).
Damit reflektiert das Frailty-Konzept die verschiedenen Themenkomplexe des umfassenden geriatrischen Assessments (Comprehensive Geriatric Assessment, CGA).
Risikofaktoren und protektive Faktoren
Im Rahmen epidemiologischer Analysen konnten bislang verschiedene Risiko- und auch protektive Faktoren hinsichtlich der Ausbildung einer Frailty identifiziert werden; diese bilden wiederum unterschiedliche Dimensionen des Frailty-Konzepts ab (u. a. körperliche Aktivität, Ernährung, psychosoziale Ebene) [9, 12, 15, 30]. Dabei zeigen sich Überschneidungen zu Lebensstilfaktoren, die auch im Rahmen der Entstehung zahlreicher chronischer Erkrankungen eine Rolle spielen (z. B. sedentärer Lebensstil, Zigarettenrauchen). Das internationale Frailty Epidemiology Research Network (EPI-FRAIL) hat eine aktuelle Zusammenstellung möglicher Risikofaktoren für die Ausbildung einer Frailty erarbeitet [5].
Ausgehend von den Risikofaktoren bzw. protektiven Faktoren, die individuell beeinflussbar erscheinen, lassen sich mögliche Maßnahmen zur Prävention einer Frailty beschreiben (Tab. 1). Die denkbaren Maßnahmen berühren die Bereiche der individuellen, ärztlichen und gesellschaftlichen Verantwortung.
Frailty-Prävention: Stand der Evidenz
Die Datenlage zur Wirksamkeit verschiedener Interventionen in der Frailty-Prävention ist bislang begrenzt [7]. In einem systematischen Review mit Netzwerk-Metaanalyse senkte die Interventionskomponente „körperliches Training“ die Frailty-Inzidenz gemäß physischem Frailty-Phänotyp signifikant [7]. Die Mehrheit der eingeschlossenen RCTs analysierte ausschließlich Teilnehmer mit Pre-Frailty, und nur eine kleine Anzahl der Studien in der Analyse berücksichtigte auch robuste Teilnehmer [7]. Für die Interventionskomponente „Ernährung“ konnte kein signifikanter Effekt auf die Frailty-Inzidenz gefunden werden, wobei nur wenige der in die Netzwerk-Metaanalyse eingeschlossenen RCTs diese Interventionsart verwendeten [7]. Auch weitere, kürzlich veröffentlichte RCTs zur Frailty-Prävention untersuchten vornehmlich Interventionen, die auf körperlichem Training oder ernährungsbezogenen Maßnahmen basieren. In der DO-HEALTH-Studie senkte die Kombination aus Vitamin D, Omega-3-Fettsäuren und einem einfachen Heimtrainingsprogramm bei robusten Teilnehmern das Risiko, innerhalb des 3‑jährigen Follow-up-Zeitraums eine Pre-Frailty (physischer Phänotyp) zu entwickeln [11]. Für die einzelnen Interventionskomponenten konnte kein signifikanter präventiver Effekt gefunden werden [11]. Dun et al. erforschten, ob mittels eines aus mehreren Komponenten bestehenden 3‑monatigen körperlichen Trainingsprogramms eine Pre-Frailty (physischer Phänotyp) bei älteren Erwachsenen ≥ 65 Jahren rückgängig gemacht werden kann [6]. Nach Abschluss der 3‑monatigen Interventionsphase hatten noch 14 % der Teilnehmer in der Interventionsgruppe im Vergleich zu 95 % der Teilnehmer in der Kontrollgruppe eine Pre-Frailty [6].
Einzelne Studien untersuchten die Wirksamkeit pharmakologischer Interventionen in der Frailty-Prävention. In einer Analyse der Studie Aspirin in reducing events in the elderly (ASPREE) zeigte die tägliche Gabe von 100 mg Aspirin bei älteren Erwachsenen ohne kardiovaskuläre Vorerkrankungen im Vergleich mit Placebo keinen Effekt auf die Frailty-Inzidenz, gemessen mittels des physischen Phänotyp und des Frailty-Index [8].
Bislang gibt es nur wenige Daten zu möglichen präventiven Langzeiteffekten einzelner Interventionen. In der Pre-Frail-80-Studie erhielten ältere Erwachsene ≥ 80 Jahre mit Pre-Frailty (physischer Phänotyp) eine 6‑monatige Mehrkomponentenintervention (Medikationsreview mittels der STOPP-START-Kriterien bei Polypharmazie, individuelle Ernährungsempfehlungen, körperliches Training, Sozialassessment) [14]. Auswertungen der Daten zum 36-Monats-Follow-up-Zeitpunkt ergaben, dass die Frailty-Inzidenz in der Interventionsgruppe auch zweieinhalb Jahre nach Abschluss der Intervention noch signifikant niedriger war als in der Kontrollgruppe [14].
In einer Teilauswertung mit mehr als 25.000 Teilnehmern des Vitamin D and Omega‑3 Trial (VITAL; mittleres Alter 67,2 Jahre bei Baseline) zeigte eine Gabe von 2000 IE Vitamin D3/Tag und/oder von 1 g Omega-3-Fettsäuren/Tag bei einem medianen Follow-up von 5 Jahren keinen signifikanten Effekt auf die Frailty-Inzidenz im Vergleich mit einer Placebokontrollgruppe [26]. Die Ergebnisse unterschieden sich nicht wesentlich bei Verwendung eines Frailty-Index oder des physischen Frailty-Phänotyps [26].
Implementation präventiver Maßnahmen
Frailty-Prävention in der Routineversorgung
Angesichts der großen Zahl älterer Erwachsener ohne Frailty, die potenziell von Frailty-präventiven Maßnahmen profitieren könnten, stellt sich die Frage, in welcher Form und in welchem Umfang gezielte Präventionsmaßnahmen innerhalb der allgemeinen Gesundheitsversorgung implementiert werden sollten. Hervorzuheben ist an dieser Stelle, dass neben den negativen Folgen und der Abnahme der Lebensqualität, die auf Ebene des individuellen Patienten verhindert werden könnten, eine Frailty-Prävention auch von gesundheitsökonomischer Relevanz ist. Analysen aus unterschiedlichen europäischen Gesundheitssystemen konnten zeigen, dass die Inanspruchnahme des Gesundheitssystems und die Gesundheitsausgaben mit ansteigendem Frailty-Status zunehmen [13, 17].
Denkbar erscheint es, präventive Maßnahmen gestaffelt und ausgehend vom jeweiligen Risikostatus, die der ältere Patient für die Ausbildung einer Frailty aufweist, vorzunehmen. Als Beispiel für ein derartiges, risikostratifizierendes Vorgehen in Prävention und Management eines geriatrischen Syndroms soll auf den Algorithmus der „World guidelines for falls prevention and management for older adults“ verwiesen werden [21]. Vor diesem Hintergrund könnten sich – im Sinne einer Sekundärprävention – umfassende präventive Angebote (mehrdimensionales Assessment/CGA, individualisierte Intervention) auf die unmittelbare Risikogruppe der Patienten mit Pre-Frailty konzentrieren. Als problematisch in diesem Zusammenhang ist anzusehen, dass im deutschen Gesundheitssystem kein einheitliches und verbindliches Screening älterer Patienten durch die primärversorgenden Ärzte auf Frailty bzw. Pre-Frailty vorgesehen ist. Zur Orientierung könnte der National Health Service (NHS) England dienen, der ein Routinescreening aller Patienten ≥ 65 Jahre auf eine Frailty verpflichtend für die an der hausärztlichen Versorgung teilnehmenden Praxen vorschreibt [24]. Als Ausgangspunkt kann dort der sog. electronic Frailty Index verwendet werden, der ausgehend von routinemäßig erhobenen Gesundheitsdaten einen Frailty-Index für den individuellen Patienten ausgibt [24]. Die Bestätigung einer Frailty-Diagnose sollte im Anschluss mittels eines einfachen, aktiv zu erhebenden Frailty-Assessment erfolgen, z. B. durch Ermittlung der Gehgeschwindigkeit, Durchführung des Timed Up and Go Test oder Befragung mittels des Program on research for integrating services for the maintenance of autonomy (PRISMA)-7 Frageinstruments [24]. Einschränkend ist zu erwähnen, dass für den deutschen Raum bislang kein validiertes Frailty-Instrument vorliegt, das ein automatisiertes, auf routinemäßig kodierten Krankenkassendaten basierendes Frailty-Screening ausgibt.
Um erfolgreich Frailty-präventive Maßnahmen zu implementieren, müssen neben der standardisierten Erfassung des Frailty-Status in der Routineversorgung weitere Voraussetzungen geschaffen werden (Abb. 1). Zu diesen gehört zum einen die ärztliche Weiterbildung hinsichtlich des Frailty-Konzeptes und der möglichen ärztlichen Maßnahmen zur Prävention einer Frailty bei älteren Erwachsenen (Tab. 1). Des Weiteren ist die Entwicklung laiengerechter Informationsmaterialien zum Frailty-Konzept und zu den verhaltensbezogenen Maßnahmen, die eigenverantwortlich durch den älteren Menschen umgesetzt werden können, zu nennen. Auch an dieser Stelle sei beispielhaft auf die Ressourcen des NHS England verwiesen, die zur Frailty-Prävention bereitgestellt werden [25]. Letztendlich gilt es, mögliche Präventionskurse unter Berücksichtigung der Besonderheiten und Möglichkeiten der Zielpopulation zu implementieren. Bislang gibt es noch keine umfassende Evidenz dazu, in welcher Frequenz und Dauer ein körperliches Training durchzuführen ist, um in der Frailty-Prävention wirksam zu sein und auch langfristige präventive Effekte zu erzielen [7]. Einen möglichen Orientierungspunkt könnten an dieser Stelle Daten zum körperlichen Training im Rahmen der Sturzprävention bieten [21], die angesichts der Verwandtschaft beider geriatrischer Syndrome auch eine gewisse Relevanz in der Prävention einer Frailty aufweisen sollten.
Im Zusammenhang mit der Implementation Frailty-präventiver Maßnahmen soll zudem auf die Arbeiten der „Joint Action on the prevention of frailty“ (ADVANTAGE JA) verwiesen werden [28]. Im Rahmen dieses durch die Europäische Union (EU) geförderten Konsortiums wurde durch Vertreter von 22 EU-Mitgliedsstaaten von 2017 bis 2019 u. a. ein „Frailty Prevention Approach“ entwickelt, der ein europäisches Rahmenwerk für strategische Maßnahmen zum Themenbereich Frailty darstellt [19]. Dieses Rahmenwerk geht über die eigentliche Frailty-Prävention hinaus und hält innerhalb von 10 Domänen grundlegende allgemeine Handlungsempfehlungen für das Management von Frailty fest [19]. Vier Domänen des „Frailty Prevention Approach“ sind beispielhaft in Abb. 1 dargestellt. Darüber hinaus verdeutlichen die im „Frailty Prevention Approach“ formulierten Empfehlungen die Relevanz eines gesundheitsförderlichen Ansatzes im Sinne eines gesunden Alterns („Healthy Ageing“) [19].
Healthy Ageing und Integrated Care for Older People
Eine weitere Möglichkeit, sich dem Thema der Frailty-Prävention zu nähern, bietet das Konzept des „Healthy Ageing“ der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Im Jahr 2015 veröffentlichte die WHO den Weltbericht über Altern und Gesundheit, in dem sie einen Rahmen für Public-Health-Maßnahmen für ein gesundes Altern skizziert [36]. Zentral für das Konzept des „Healthy Ageing“ ist die funktionale Fähigkeit des älteren Menschen, die sich aus der Wechselbeziehung zwischen der sog. intrinsischen Kapazität des Individuums und den aus seinem Lebensumfeld gewonnenen Ressourcen bzw. Hindernissen ergibt [36]. Die intrinsische Kapazität wird definiert als die Gesamtheit aller körperlichen und geistigen (einschließlich psychosozialen) Kapazitäten, auf die eine Person zurückgreifen kann [36]. In der weiteren Operationalisierung werden 5 Domänen der intrinsischen Kapazität beschrieben: Fortbewegung, Vitalität, sensorische Funktionen (einschließlich Sehen und Hören), Kognition und psychologische Faktoren (einschließlich Stimmung und Sozialverhalten) [2].
Durch den Fokus auf die Begriffe der intrinsischen Kapazität und der funktionalen Fähigkeit des älteren Menschen verfolgt die WHO bei ihren Bemühungen um ein gesundes Altern einen methodischen Ansatz jenseits des Frailty-Konzepts. Dabei integriert das Modell der intrinsischen Kapazität jedoch verschiedene Aspekte aus unterschiedlichen theoretischen Überlegungen zur Operationalisierung von Frailty, z. B. dem Modell der Defizitakkumulation von Rockwood und Mitnitski [2].
An das Konzept des Healthy Ageing anknüpfend entwickelte die WHO das Modell der Integrated Care for Older People (ICOPE) [34]. Der ICOPE-Ansatz zielt darauf ab, die intrinsische Kapazität und funktionale Fähigkeit älterer Menschen zu verbessern, um ein gesundes Altern zu unterstützen [34]. Damit soll auch der Entstehung einer Frailty präventiv entgegnet werden [34]. Der ICOPE-Ansatz umfasst 5 Schritte [34]: Schritt 1 ist das Screening älterer Menschen auf mögliche Beeinträchtigungen in einem oder mehreren Bereichen der intrinsischen Kapazität. Schritt 2 ist eine detaillierte Beurteilung der Personen, bei denen während des Screenings Defizite in der intrinsischen Kapazität festgestellt wurden. Im Sinne eines personenzentrierten Ansatzes werden die gesundheitlichen und sozialen Bedürfnisse älterer Menschen evaluiert. Dazu gehören ein vertieftes Verständnis der Lebensumstände, der Werte, Prioritäten und Präferenzen der Menschen, ihrer gesundheitlichen Entwicklung sowie eine Beurteilung und Behandlung von Zuständen, die mit dem Verlust von intrinsischer Kapazität einhergehen. In Schritt 3 werden patientenzentrierte Ziele festgelegt und, darauf aufbauend, ein Versorgungsplan entwickelt. Ein regelmäßiges Monitoring und die Einbeziehung weiterer Gesundheits- und Sozialdienstleister in Schritt 4 sollen dazu dienen, eine Verschlechterung der Selbstständigkeit frühzeitig zu erkennen und Gegenmaßnahmen einzuleiten. Schritt 5 ist ein übergreifender Schritt, der u. a. die Unterstützung möglicher Pflegepersonen vorsieht. Die WHO hat verschiedene Materialien publiziert, die die praktische Implementierung des ICOPE-Ansatzes innerhalb des Versorgungsalltages unterstützen sollen [35]. Das „ICOPE Handbook“ steht auch in Form einer App zur Verfügung [35].
Seit der Veröffentlichung des ICOPE-Konzepts wird dieses weltweit in Studien untersucht [31]. Die Machbarkeit einer breit angelegten Implementation von ICOPE in die Primärversorgung von Patienten ≥ 60 Jahre wurde kürzlich im Rahmen einer französischen Studie gezeigt [33]. Dabei gelang es, mehr als 10.000 Teilnehmer in diese Studie einzuschließen [33]. Zudem erhielten rund 70 % der infrage kommenden Teilnehmer nach 6 Monaten die empfohlene Wiederholung der Screeninguntersuchung (Schritt 1 des ICOPE-Ansatzes) [33].
Resümee
Das Konzept der Frailty ist multidimensional. Mögliche Risiko- und protektive Faktoren hinsichtlich der Ausbildung einer Frailty sind in den unterschiedlichen Dimensionen von Frailty zu finden (u. a. Ebene der körperlichen Aktivität und Mobilität, Ernährungsebene, psychosoziale Ebene, pharmakologische Ebene).
Die umfassendste Evidenz aus RCTs liegt bislang für die präventive Wirksamkeit eines körperlichen Trainings vor. Ausgehend von epidemiologischen Analysen ist anzunehmen, dass u. a. auch einer optimierten Ernährung (z. B. mediterrane Ernährung) eine präventive Wirksamkeit zukommt.
Maßnahmen im Rahmen der ärztlichen Betreuung älterer Patienten für eine patientenbezogene Frailty-Prävention umfassen u. a. die Beratung des Patienten hinsichtlich lebensstilbezogener Präventionsmaßnahmen, das Erkennen und Behandeln bestimmter alterstypischer Risikophänomene (z. B. Risiko für Protein-Energie-Malnutrition) und die Vermeidung iatrogener Risikofaktoren (z. B. potenziell inadäquate Medikation).
Für eine erfolgreiche Implementation Frailty-präventiver Maßnahmen im Rahmen der allgemeinen Gesundheitsversorgung älterer Menschen müssen spezifische Voraussetzungen erfüllt sein. Dazu gehören die Etablierung eines routinemäßigen, automatisierten Screenings älterer Patienten hinsichtlich ihres Frailty-Status (Identifikation der Risikopopulation mit Pre-Frailty), die flächendeckende ärztliche Weiterbildung zum Frailty-Konzept, die Entwicklung laiengerechter Informationen und Beratungsmaterialien zum Frailty-Konzept sowie die Zugänglichkeit von Präventionskursen. Auch der Ansatz der Integrated Care for Older People (ICOPE) der WHO bietet die Möglichkeit, über eine Förderung von „Healthy Ageing“ Frailty-Prävention zu betreiben.
Fazit für die Praxis
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Das Konzept der Frailty ist multidimensional. Ansatzpunkte für eine Prävention ergeben sich z. B. auf der Ebene der körperlichen Aktivität und Mobilität, der Ernährungs-, psychosozialen und pharmakologischen Ebene.
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Auf körperlichem Training basierende Interventionen scheinen in der Frailty-Prävention wirksam zu sein. Anzunehmen ist, dass auch einer optimierten Ernährung eine präventive Wirksamkeit zukommt.
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Maßnahmen im Rahmen der ärztlichen Betreuung älterer Patienten umfassen u. a. die Beratung hinsichtlich lebensstilbezogener Präventionsmaßnahmen, das Erkennen und Behandeln bestimmter alterstypischer Risikophänomene (z. B. Risiko für Protein-Energie-Malnutrition) und die Vermeidung iatrogener Risikofaktoren (z. B. potenziell inadäquate Medikation).
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Eine der Voraussetzungen für die erfolgreiche Implementation Frailty-präventiver Maßnahmen ist die Etablierung eines routinemäßigen, automatisierten Screenings älterer Patienten hinsichtlich ihres Frailty-Status.
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Eidam, A., Bauer, J.M. & Benzinger, P. Prävention der Frailty. Z Gerontol Geriat (2024). https://doi.org/10.1007/s00391-024-02353-w
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