Hintergrund

Altenhilfe ist gesetzlich im § 71 SGB XII verankert und als eine Aufgabe im Bereich der kommunalen Daseinsvorsorge einzuordnen, wenngleich hierfür ein breiter Ermessensspielraum besteht [1]. Die sog. Altenhilfe soll dazu beitragen, Schwierigkeiten, die in der Lebensphase Alter entstehen können, zu verhüten, zu überwinden oder zu mildern und alten Menschen die Möglichkeit bieten, selbstbestimmt am Leben in der Gemeinschaft teilzunehmen und ihre Fähigkeit zur Selbsthilfe zu stärken. Neben diesen Zielen werden einzelne Leistungen der sog. Altenhilfe exemplarisch im § 71 Abs. 2 SGB XII aufgeführt. Allerdings geben die weit gefassten Formulierungen keine eindeutige rechtliche Orientierung für die vielfältigen Bedarfe und Aufgaben der Sozialen Altenarbeit – vielmehr bleiben sie in Bezug auf konkrete Leistungen unscharf und sehr vage. Vor allem wird in der gegenwärtigen Form der Differenziertheit und Diversität von Lebenslagen und -entwürfen alter Menschen zu wenig Rechnung getragen. Und es werden bislang „so relevante Bereiche wie Prävention und Bildung nur unzureichend gesetzlich abgesichert“ [3].

Wenn die Kommunen jedoch dafür zu sorgen haben, wie in einem jüngeren Rechtsgutachten betont wird, „dass die Vorkehrungen und Einrichtungen gegeben sind, die nötig sind, damit die altenhilferechtlichen Leistungen jedenfalls auf einem Mindeststandard wirksam erbracht werden können“ [6], stehen sie letztlich vor der Frage, welche Leistungen, die im oben genannten Verständnis als sinnvoll und notwendig eingeordnet werden, vorgehalten werden müssen.

Dazu ist grundlegend anzumerken, dass es für die Bearbeitung sozialer Fragen und Bedarfe in der länger werdenden Lebensphase Alter noch immer keine einheitliche gesetzliche Grundlage gibt, die mit dem SGB VIII, also der Kinder- und Jugendhilfe, vergleichbar wäre. Vielmehr sind die rechtlichen und finanziellen Ansprüche alter Menschen insgesamt unterschiedlichen Sozialgesetzbüchern (SGB V, SGB VI, SGB IX, SGB XI, SGB XII) und Verwaltungsvorschriften zugeordnet, damit stark zersplittert und ohne einheitliche Logik.

Diese Erkenntnis ist nicht neu und hat in einschlägigen gerontologischen Fachdebatten immer wieder zur Forderung nach einem einheitlichen Altenhilfestrukturgesetz geführt, bisher allerdings ohne erkennbaren Fortschritt [2]. Solange § 71 SGB XII bundesgesetzlich nicht reformiert wird, können nur landesgesetzliche Regelungen die Leistungen der Altenhilfe für die Kommunen gegenständlicher fassen und damit zur sog. Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse im Alter beitragen. Als erstes Bundesland stellt sich nun Berlin dieser Aufgabe. Angestoßen wurde dieser Prozess durch den dortigen Landesseniorenbeirat, der 2019 beschlossen hat, ein Berliner Altenhilfestrukturgesetz auf den Weg zu bringen. Diese Zielsetzung wurde in der Koalitionsvereinbarung des aktuellen Berliner Senats aufgegriffen. Für die Entwicklung eines Gesetzesvorschlags wurde vom Landesseniorenbeirat ein Dialogprozess initiiert, an dem eine Redaktionsgruppe aus Expert*innen und eine Steuerungsgruppe (unter Beteiligung der für die Altenhilfe zuständigen Senatsverwaltung und der im Berliner Abgeordnetenhaus vertretenen Fraktionen) beteiligt waren [7]. Vor diesem Hintergrund hat das Land Berlin das gerontologische Gutachten in Auftrag gegeben; dieses steht im Fokus des vorliegenden Beitrags.

Das erstellte gerontologische Gutachten zu fachlich begründeten Einzelleistungen nach § 71 SGB XII soll folglich mit dazu beitragen, die offenkundigen Unschärfen zu beseitigen. Es bildet ein bedeutsames Element für die Ausgestaltung eines Berliner Altenhilfestrukturgesetzes auf Grundlage des § 71 SGB XII. Explizit als gerontologisch fundiertes Gutachten gefordert und zu verstehen, ordnet es die relevanten Fragen in die aktuellen Fachdiskurse der Gerontologie, mit dem Schwerpunkt auf der fachlichen Orientierungen der Sozialen Gerontologie, ein.

Zentrale Zielsetzungen des Gutachtens

Im betreffenden Gutachten ging es um die Beschreibung möglicher Einzelleistungen, die durch einschlägige Literaturrecherchen und auf Empirie gestützt, konkrete Zugänge und Gegenstände darlegen sollten. Zentral wurde die Frage beleuchtet, was es braucht, um Leistungen der sog. Altenhilfe „neu zu denken“. Die damit verbundenen Aufgabenstellungen lassen sich in folgende drei Bereiche bündeln:

  • Adressat*innen: Kategorisierung von Personengruppen mit Bedarf an Einzelleistungen nach § 71 SGB XII, inklusive einer Abschätzung möglicher Alterskategorien und -grenzen.

  • Einzelleistungen: Analyse und Beschreibung von für die Entwicklung von Einzelleistungen nach § 71 SGB XII zu berücksichtigenden Kriterien und Parameter, die den aktuellen Kenntnisstand sowie neuere Entwicklungen und diverse Bedarfslagen verschiedener Adressat*innengruppen im Alter umfassen und damit auch über die bislang in § 71 Abs. 2 SGB XII benannten Leistungen hinausgehen.

  • Berliner Bedarfe: Beschreibung der aktuellen Situation, absehbar künftiger Entwicklungen von Bedarfen sowie der ungefähren Zahl der Personen mit potenziellem Anspruch auf Leistungen nach § 71 SGB XII in den Berliner Bezirken.

Theoretische und methodische Zugänge

Zur Bearbeitung der skizzierten Aufgaben des Gutachtens bedurfte es gerontologischer Grundlagen, auf deren Basis die Ausdifferenzierungen zur Lebensphase Alter begründet werden können. Hierzu war es aus Sicht der Gutachter*innen nicht ausreichend, die in der Gerontologie bekannten Diskussionszusammenhänge zu Altersdefinitionen und -kategorien deskriptiv wiederzugeben. Vielmehr sollten diese auch kritisch für die Zielsetzungen des vorliegenden Gutachtens in einen Fachdiskurs eingeordnet werden. Daher wurde ein kritisches Literaturreview gewählt, das die vorhandene Literatur selektiv und kritisch, mit Blick auf Kontroversen und Lücken analysiert. Im Gegensatz zu einer systematischen Übersichtsarbeit hat dieses Vorgehen jedoch nicht den Anspruch, den gesamten Literaturstand repräsentativ zu erfassen und unter Bewertung der Studienqualität auszuwerten [13]. Dafür wurden spezifische gerontologische ebenso wie allgemeine sozialwissenschaftliche Datenbanken genutzt und die Ergebnisse durch eine händische Recherche ergänzt.

Darauf aufbauend erfolgte ein selektives Literaturreview, das altersspezifische Ausprägungen von Lebenslagen und sozialer Ungleichheit fokussiert, um diverse Bedarfslagen von älteren Adressat*innen zu erfassen und damit nicht nur die Personengruppen differenzierter zu umschreiben, sondern zugleich Hinweise auf Kriterien und Parameter zu Einzelleistungen aus gerontologischer Perspektive generieren zu können. Dieses selektive Literaturreview wurde mit dem Ziel durchgeführt, vergleichsweise kurzfristig einen breiten Überblick in Bezug auf den Literatur- und Forschungsstand zu diesen Themenkomplexen zu gewinnen [15]. Zur Sicherung der methodischen Qualität wurden bei dieser Recherche die typischen Berichtselemente eines systematischen Literaturreviews genutzt, indem das Vorgehen anhand eines Flussdiagramms gemäß den „Preferred Reporting Items for Systematic Reviews and Meta-Analyses“ (PRISMA) dokumentiert wurde (Ein- und Ausschlusskriterien, Datenbanken und Suchverlauf, Screening und Prüfung auf Eignung).

Um jüngere Entwicklungen und spezifische Bedarfslagen von Adressat*innengruppen im Alter auch qualitativ auf Basis von aktuellem Spezialwissen berücksichtigen zu können, wurden zudem gezielt die ergänzenden Einschätzungen von drei Expert*innen erhoben: zu älteren Adressat*innengruppen, denen in der Literatur ein Bedeutungszuwachs zugeschrieben wird („lesbian, gay, bisexual, transsexual/transgender, intersexual, queer [LGBTIQ*] communities“ und Menschen mit Migrationsgeschichte) sowie zu Rahmenbedingungen, die das Alter zunehmend prägen (Technikentwicklung und Digitalisierung).

Für die weitergehende Identifizierung und Einordnung von Einzelleistungen der sog. Altenhilfe erfolgten auf Grundlage bislang vorhandener kommunaler Regelungen Dokumentenanalysen sowie weitere Expert*inneninterviews. Da die in § 71 Abs. 2 Nrn. 1–6 SGB XII aufgeführten Leistungen der Altenhilfe zwar gewisse Konkretisierungen vornehmen, aber inhaltlich immer noch sehr offen beschrieben sind und eine „beispielhafte, nicht abschließende Aufzählung“ [1] darstellen, bestand das zentrale Ziel darin, konkrete Beispiele aus bereits existierenden Regelungen zu Einzelleistungen sowie Erfahrungen in der konzeptionellen Entwicklung und praktischen Gewährung zu erheben.

Die qualitative Dokumentenanalyse [5] erfolgte auf Basis einer schlagwortgebundenen Internetrecherche zur Identifizierung und zur Auswahl von Regelungen zum § 71 SGB XII auf kommunaler Ebene. Der Recherchefokus lag auf ausdifferenzierten Regelungen, die Einzelleistungen näher beschreiben. Im zweiten Schritt wurde stichprobenartig in Bezug auf ausgewählte größere Kommunen recherchiert, welche Regelungen dort zur Altenhilfe im Internet dokumentiert sind. Die identifizierten Internetseiten und Dokumente wurden hinsichtlich der Einzelleistungen inhaltsanalytisch induktiv ausgewertet.

Die Expert*inneninterviews adressierten im Sampling Personen in leitenden Funktionen der kommunalen Verwaltung aus Behörden für Soziales/Sozialämtern und Fachbereichen/Abteilungen der Altenhilfe (im weiten Sinne), die – in Anlehnung an Meuser und Nagel [12] – „Kontextwissen“ zu Leistungen nach § 71 SGB XII sowie „Betriebswissen“ zu Hintergründen, Inhalten und Praxen in Bezug auf den Leistungskatalog der eigenen Kommune besitzen. Die Auswahl erfolgte im Anschluss an die Dokumentenanalyse einerseits nach Kommunen, die einen für das Gutachten interessierenden Leistungskatalog aufweisen, sodass damit insbesondere Zugänge zu Betriebswissen über bestehenden Regelungen geschaffen wurden. Andererseits wurden Personen gewählt, die (auch) über Kontextwissen zu Leistungen nach § 71 SGB XII verfügen, da sie nicht nur leitend in kommunalen Abteilungen zur Altenhilfe, sondern auch an überregionalen Gremien und Fachveranstaltungen im Bereich der Altenhilfe mitwirken. Ferner wurde ein Interview geführt mit einer*m juristischen Expert*in aus der Wissenschaft, der*die über juristisches Kontextwissen zum § 71 SGB XII verfügt und an der Entwicklung des Berliner Gesetzesentwurfes beteiligt war.

Die Interviews (n = 5) wurden vollständig, in leicht geglätteter Sprache transkribiert und im Sinne der inhaltlich strukturierenden Inhaltsanalyse [10] ausgewertet.

Das gesamte methodische Vorgehen sowie dessen schrittweiser Aufbau und inhärente Logik ergeben sich aus der Übersicht in Abb. 1.

Abb. 1
figure 1

Aufbau des gerontologischen Gutachtens zu Einzelleistungen nach § 71 SGB XII. (Aus Engler et al. [4, S. 9])

Ergebnisse und deren Diskussion

Als Ergebnis des kritischen Literaturreviews in Bezug auf mögliche Kategorisierungen von Personengruppen konnte die Problematik differenziert ausgeführt werden, dass Alterskategorisierungen stets kontextabhängig sind und – je nach Bezugsgröße – mit unterschiedlichen Schlussfolgerungen verbunden werden können und müssen [14]. Insgesamt besteht Einigkeit darüber, dass sich Personen im gleichen kalendarischen Alter in Abhängigkeit von individuellen Dispositionen und Umweltbedingungen erheblich unterscheiden können [14], und dass biologische, psychische oder soziale Dimensionen nicht in unmittelbare Beziehung zum kalendarischen Alter gesetzt werden können. Soziale Alterskategorien können in diesem Kontext aber eine Orientierung bieten, die sich über alterstypische Lebensereignisse sowie Entwicklungsaufgaben definieren und auch Hinweise auf mögliche Beratungsthemen und -anliegen in unterschiedlichen Altersphasen anbieten (s. Beitrag 3 dieses Themenschwerpunkts [9]). Die Systematik der sog. Sozialen Alterskategorien versteht sich, unabhängig vom kalendarischen Alter, als eine neue Periodisierung des Lebenslaufs, orientiert an den sozialen Bedingungen. Dieser veränderte Blick auf das Alter ist verbunden mit sich ausdifferenzierenden Perspektiven auf biografische Prägungen sowie auf daraus entstehende Lebensmuster und Lebenslagen [8].

Auch wenn das kalendarische Alter als (alleiniger) Indikator für eine Adressierung durch die sog. Altenhilfe im Gutachten als unzureichend markiert wurde, kann dieses nicht in Gänze ausgeblendet werden. Denn für das Verwaltungshandeln in Bezug auf den § 71 SGB XII haben Orientierungen an Altersgrenzen durchaus Relevanz. Deshalb waren im Rahmen des Gutachtens zwangsläufig auch kalendarische Altersdimensionen erforderlich, da Abschätzungen von Altersgrenzen und Quantifizierungen der Personengruppen für die Berliner Bezirke explizit gewünscht waren. Als kalendarische Altersgrenzen, verbunden mit den genannten Einschränkungen, wurde deshalb im Gutachten unterschieden zwischen Personen im Alter von 65 bis 74 Jahren, einer Kategorie der 75- bis 84-Jährigen und einer dritten Gruppe der Menschen ab 85 Jahren – auch weil sich relevante Studien an dieser Unterscheidung orientieren.

Im zentralen Ergebnis des selektiven Literaturreviews in Bezug auf Lebenslagen und soziale Ungleichheiten in der Lebensphase Alter wird deutlich erkennbar, dass Einschränkungen bzw. Benachteiligungen ebenso wie Ressourcen häufig mit den spezifischen Lebenslagen im Prozess des Alterns zusammenhängen. In ihren Ausprägungen sind sie aber wiederum sehr heterogen, vielschichtig und nicht monokausal zu denken. Zudem sind sie immer eng verwoben mit vorherigen Lebensabschnitten und auch den Handlungsspielräumen, die sich dort zeigen und die dort genutzt werden konnten – oder aufgrund sozialstruktureller Benachteiligungen eben auch nicht [11].

In Bezug auf die Frage nach Kriterien für die Entwicklung von Einzelleistungen nach § 71 SGB XII ist aber auch festzustellen, dass die Lebenslagen spezifischer Adressat*innengruppen (z. B. der LGBTIQ Community) inhaltlich nicht zu besonderen Dimensionen an Bedarfen führen. Diese sind vielmehr inhaltlich jeweils identifizierbar in den Handlungsspielräumen, die sich beispielsweise auf Beratungen zur finanziellen Situation, zur Wohnsituation, zu Angeboten der sozialen Teilhabe sowie Bildung und Kultur, Möglichkeiten der Beteiligung oder Unterstützungsleistungen im Vor- und im Umfeld von Pflege beziehen können. In der Beratung zu Angeboten und Leistungen der sog. Altenhilfe ist allerdings zu beachten, dass die Lebenslagen spezifischer Adressat*innengruppen in diesen inhaltlichen Bereichen zu unterschiedlichen Voraussetzungen und Bedingungen für individuelle Bedarfe und Ressourcen führen. Damit ist auch zu bedenken, dass verschiedene Merkmale der Differenz v. a. strukturell zu sozialer Ungleichheit, die in der individuellen Analyse der Bedarfslage zu berücksichtigen sind, führen. Insgesamt geht es bei der Feststellung von Bedarfen im Sinne des § 71 SGB XII also darum, diversitätssensibel zu reagieren und das Verwaltungshandeln danach auszurichten. Und genau dafür müssen die zuständigen Mitarbeiter*innen in den Verwaltungen entsprechend geschult werden.

Zusammenfassend ist als Ergebnis der Internetrecherche und Dokumentenanalyse zum aktuellen Stand kommunaler Regelungen festzuhalten, dass die Mehrzahl der Kommunen lediglich über allgemein gehaltene Hinweise auf Leistungen der Altenhilfe nach § 71 SGB XII, die in unterschiedlichen Varianten etwa Ziele und/oder Leistungen der Altenhilfe benennen, verfügt. Nur bei einer Minderheit von Kommunen existieren konkrete Richtlinien, Fachanweisungen bzw. Arbeitshilfen und Leistungskataloge zum § 71 SGB XII. Nähere Hinweise auf Ansätze und Formen der Beratung im Rahmen der Altenhilfe sind hierbei wiederum nur vereinzelt öffentlich zu finden und beziehen sich auf aufsuchende Beratungsformen, die einerseits insbesondere als Hausbesuch, auch präventiv, sowie andererseits in digitaler Form durchgeführt werden können. An die Beratung anschließende Ansätze reichen von der Kontaktvermittlung über – bei komplexen Beratungssituationen – Case Management bis hin zur Krisenintervention. Es ist dabei davon auszugehen, dass Ausgangspunkt stets ein beratender Erstkontakt ist. Konkrete Hinweise auf mögliche Geld- und Sachleistungen nach § 71 Abs. 2 SGB XII liegen ebenfalls nur bei einzelnen Kommunen, die über eine Art Leistungskatalog hierzu verfügen, vor. Auch wenn manche Einzelleistungen in verschiedenen Leistungskatalogen analog zu finden, bleiben diese in Inhalt und Umfang der Leistungen durchaus heterogen.

Die entsprechenden Expert*inneninterviews mit Repräsentant*innen der kommunalen Ebene haben aber auch deutlich gemacht, dass die Auseinandersetzung mit dem § 71 SGB XII in der kommunalen Politik und Verwaltung in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen hat. Übergeordneter Anlass zur Entwicklung bzw. zur Planung einer kommunalen Regelung zum § 71 SGB XII ist der deutlicher werdende Bedarf, auf die mit der demografischen Alterung verbundenen Aufgaben konkret auf kommunaler Ebene zu reagieren. Die Entwicklung entsprechender Regelungen zum § 71 SGB XII, insbesondere von den hier für Einzelleistungen relevanten Leistungskatalogen, erfolgt v. a. auf Basis von Erfahrungen in der Beratungspraxis der Altenhilfe und Gewährungspraxis zu Geld- und Sachleistungen sowie über die Abgrenzung zu anderen Sozialleistungen und die Orientierung an den Regelungen anderer Kommunen. Von zentralem Interesse für das Gutachten war auch, dass noch kein einheitliches bzw. zumindest analoges Verständnis zum Begriff der Einzelleistungen zu existieren scheint. Zugleich erscheint unklar, was neben der Beratung unter dem in § 71 Abs. 2 SGB XII mehrmals damit verbunden benannten Aspekt der „Unterstützung“ gemeint ist. In den Kommunen existieren ferner unterschiedliche Altersgrenzen, die der Orientierung dienen, bei entsprechenden Bedarfen aber wiederum in Einzelfallentscheidungen unterschritten werden können.

Auf Grundlage der skizzierten Analyseergebnisse erfolgte im Rahmen des Gutachtens eine zusammenführende gerontologische Begründung von Einzelleistungen gemäß § 71 SGB XII. Diese wurde eingeordnet in den Gesamtkontext der sog. Altenhilfe gemäß § 71 SGB XII, um auch auf wesentliche Voraussetzungen zur Entwicklung und zur Umsetzung von Einzelleistungen hinzuweisen. Dem Aufbau der Abb. 2 folgend wurden dafür zunächst Ziele, Personengruppen und Infrastrukturen für Einzelleistungen ausgehend von Inhalten des § 71 SGB XII – wiederum aus gerontologischer Sicht – skizziert, um dann relevante Einzelleistungen im Sinne des § 71 SGB XII näher auszuführen und zu begründen.

Abb. 2
figure 2

Gerontologisch fundierte Begründung für Einzelleistungen nach § 71 SGB XII. (Aus Engler et al. [4, S. 180])

Im letzten Schritt wurden auf Basis dieser gerontologischen Zugänge und Begründungen in einer Übersichtsmatrix erkennbar notwendige Einzelleistungen als mögliche Themen der Beratung sowie gleichzeitig als Gegenstände von Geld- und Sachleistungen dargestellt (Tab. 1).

Tab. 1 Beratungsthemen sowie Geld- und Sachleistungen gemäß § 71 SGB XII, differenziert nach Alterskategorien und Lebenslagen

Dieses zentrale Ergebnis ist ausführlich im Zusatzmaterial online nachvollziehbar, während der vorliegende Beitrag selbst die wissenschaftliche Fundierung und den Begründungweg des gerontologischen Gutachtens für das Land Berlin erörtert hat.

Abschließend sei in Adressierung der Politik hervorzuheben, dass es wünschenswert wäre, wenn andere Bundesländer dem Vorbild von Berlin auf dem Weg zu einem Altenhilfestrukturgesetz folgen, um letztlich eine Umsetzung des vagen § 71 SGB XII im Sinne einer konsistenten und konsequenten Förderung der Autonomie, Selbstbestimmung und Teilhabe von älteren und alten Menschen zu gewährleisten.

Fazit für die Praxis

Altenhilfe neu denken, bedeutet im Sinne des skizzierten Gutachtens:

  • Einzelleistungen nach §  1 SGB XII nicht nur als Vermittlung einkommens- und vermögensabhängiger Geld- und Sachleistungen in den Blick zu nehmen, sondern diesen auch verstärkt auf die einkommensunabhängige Beratung zu Angeboten und Leistungen – inklusive damit verbundener Formen der diversitätssensiblen Information, Vermittlung, Koordination und Intervention – zu weiten. Hier sind insbesondere Fachkräfte der Profession Soziale Arbeit mit ihrem Kompetenzprofil gefragt.

  • Die Einbettung von Angeboten und Leistungen in entsprechende Infrastrukturen sowie deren bedarfsgerechte und partizipative Planung.

  • Die Etablierung einer neuen Betrachtungslogik, Leistungen der sog. Altenhilfe, die in § 71 Abs. 1 SGB XII als „Schwierigkeiten, die durch das Alter entstehen“ charakterisiert werden, einerseits gerontologisch zu begründen und andererseits im Sinne von Befähigung auf die Ermöglichung Sozialer Teilhabe zu orientieren.

  • Statt fixierter Altersgrenzen eignen sich Soziale Alterskategorien besser zur Bewertung des individuellen Bedarfs. Ausgehend von jeweils alterstypischen Lebensereignissen und Entwicklungsaufgaben sowie dazu quer liegenden Lebenslagendimensionen lassen sich die Leistungen nach § 71 SGB XII gerontologisch fundiert begründen.