Hintergrund und Fragestellung

Auswirkungen des demografischen Wandels auf den Arbeitsmarkt und die Rentenpolitik

Der demografische Wandel gilt als eine große Herausforderung für den Arbeitsmarkt, die Wirtschaft und das System der sozialen Sicherung in Deutschland [6]. Eine Forcierung wird für die Zeit erwartet, wenn die geburtenstarken Jahrgänge der Mitte der 1950er- bis Mitte der 1960er-Jahre Geborenen in das Ruhestandsalter kommen. Ihr Ausstieg aus dem Erwerbsleben wird zu einem Verlust an qualifizierten Arbeitskräften und Beitragszahlern in ungewöhnlich hoher Zahl führen. Zugleich wird die Anzahl der Rentenempfänger deutlich steigen. Die Politik hat daher verschiedene Reformmaßnahmen eingeführt, die diese Entwicklung abmildern und einen längeren Verbleib im Erwerbsleben fördern sollen. Ein zentraler Ansatzpunkt dafür war die Rentenpolitik. Unter anderem wurde das Rentenanspruchsalter schrittweise angehoben, vorgezogene Altersrenten und die Berufsunfähigkeitsrente wurden abgeschafft, die Voraussetzungen des Zugangs in die Erwerbsminderungsrente verschärft, Rentenabschläge bei vorzeitigem Rentenbezug eingeführt und die Rentenanpassungsformel so geändert, dass das Rentenniveau sinkt. Ergänzt wurde dies durch arbeitsmarktpolitische Maßnahmen, die eine längere Beschäftigung älterer Arbeitskräfte unterstützen sollen. Eine mit den Reformmaßnahmen verbundene Hoffnung war und ist, die Bereitschaft und die Fähigkeit der älteren Beschäftigten zu einem möglichst langen Verbleib in der Erwerbstätigkeit zu erhöhen, idealerweise bis zum Erreichen der (angehobenen) Regelaltersgrenze und darüber hinaus. Allerdings wurden zuletzt mit der Einführung des abschlagsfreien Bezugs der vorgezogenen Altersrente für besonders langjährig Versicherte auch Anreize gesetzt, die dem Ziel des längeren Verbleibs im Arbeitsleben eher entgegenwirken.

Kongruenz zwischen geplantem und tatsächlichem Übergangsalter in den Ruhestand

Rentenaltersgrenzen bieten einen wichtigen Orientierungspunkt für die individuelle Ruhestandsplanung [22]. Zwar hat die Forschung zahlreiche Einflüsse auf das geplante Ausstiegsalter aufgedeckt (für einen Überblick: [13, 28, 32]), Ländervergleiche belegen aber, dass die institutionellen Rahmenbedingungen des Rentensystems jeweils einen hohen Einfluss auf die Übergangspläne haben [12, 18, 20]. Für Deutschland konnte gezeigt werden, dass die individuellen Ausstiegspläne nur verzögert und nicht vollständig den Anhebungen der Rentenaltersgrenzen folgen [11]. Das frei gewünschte oder bevorzugte Ausstiegsalter liegt im Durchschnitt nochmals deutlich unter dem geplanten oder erwarteten Übergangsalter in den Ruhestand [17].

Um beurteilen zu können, wie sehr aktuell beobachtbare Veränderungen in den Ausstiegsplänen älterer Beschäftigter entsprechende Veränderungen im tatsächlichen Ausstiegsverhalten nach sich ziehen werden, müssen Erkenntnisse dazu vorhanden sein, wie gut ein individuell geplantes Ausstiegsalter mit dem tatsächlich erfolgten Ausstiegsalter übereinstimmt. Es gibt allerdings erst wenige Befunde zur Kongruenz zwischen geplantem und tatsächlichem Übergangsalter in den Ruhestand bzw. zur Vorhersagekraft der Ausstiegspläne älterer Erwerbstätiger auf das Ausstiegsverhalten. Zudem beruhen die Ergebnisse bisweilen nur auf Querschnittsdaten mit Retrospektivangaben nach erfolgtem Ausstieg zur Übereinstimmung mit früheren Plänen, mit denen keine Wirkungszusammenhänge untersucht werden können und die zur Vermeidung kognitiver Dissonanzen nicht unbedingt den zuvor tatsächlich gehegten Plänen entsprechen müssen. Und gelegentlich wird nicht das realitätsnähere geplante oder erwartete Übergangsalter als Prädiktor oder Vergleichsgröße verwendet, sondern das von äußeren Rahmenbedingungen und Restriktionen stärker losgelöste Wunschalter. Auf der Grundlage retrospektiver Angaben 50- bis 85-jähriger Personen im Ruhestand, die im Rahmen des European Social Survey 2010/2011 zu ihrem tatsächlichen und ihrem gewünschten Austrittsalter befragt wurden, stellten Steiber und Kohli [28] für Deutschland nur eine geringe Übereinstimmung zwischen Wunsch und Wirklichkeit fest: Es hätten 11,1 % der Männer (Frauen: 13,5 %) gerne früher aufgehört, 46,9 % hätten gerne länger gearbeitet (Frauen: 33,6 %). Nur in Griechenland und Ungarn waren demnach die Diskrepanzen zwischen praktiziertem und gewünschtem Austrittsalter größer. In einer vom Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung durchgeführten Befragung [27] waren die Diskrepanzen geringer: Für 58 % der zwischen 2013 und 2016 in den Ruhestand Gewechselten entsprach der Zeitpunkt ihren Wünschen. Aber auch in dieser Studie gab es mehr Menschen, die gerne länger gearbeitet hätten (26 %) als Menschen, die lieber schon früher in Rente gegangen wären (16 %). Wegen des querschnittlichen Charakters dieser Befunde lassen sich daraus keine Rückschlüsse ziehen, wie gut das geplante Ausstiegsalter ein späteres Verhalten vorhersagt bzw. mit diesem übereinstimmt. Prospektive Längsschnittstudien dazu liegen für Deutschland, soweit ersichtlich, bislang nicht vor. Befunde internationaler Längsschnittstudien stärken die Annahme, dass Angaben älterer Erwerbstätiger zum geplanten oder zum erwarteten Alter des Ausstiegs aus ihrer Berufstätigkeit und des Übergangs in den Ruhestand eine realistische Einschätzung und insgesamt ein guter Prädiktor für das tatsächliche Übergangsalter sind [2, 7, 15, 25]. Zugleich lassen sie erkennen, dass die Chancen, die eigenen zeitlichen Ausstiegspläne in die Tat umzusetzen, sozial ungleich verteilt sind und durch ungeplante Ereignisse beeinträchtigt werden können. So erhöhen gesundheitliche Verschlechterungen die Wahrscheinlichkeit, früher als geplant auszuscheiden [8]. Auch familiäre Ereignisse – z. B. eine Scheidung oder der vorzeitige Ruhestandsbeginn des Ehepartners – führen zu Änderungen im Ausstiegsverhalten [4, 7, 8]. Ebenso bedeutsam sind betriebliche Veränderungen, insbesondere wenn personalpolitische Maßnahmen zu Kündigungen und Vorruhestandsangeboten führen [23]. Gemäß vorliegender Befundlage haben Selbstständige, Beschäftigte mit kontinuierlicher Erwerbsbiografie, Höhergebildete und finanziell Bessergestellte überdurchschnittliche Wahrscheinlichkeiten, ihr geplantes Ausstiegsalter zu realisieren [7, 8, 26]. Es bestehen demnach erhebliche soziale Ungleichheiten in den Möglichkeiten, die eigenen zeitlichen Pläne des Übergangs in den Ruhestand erfolgreich umzusetzen.

Soziale Unterschiede in der Umsetzung von Ausstiegs- oder Weiterarbeitsplänen

Zur Erwartung von sozialen Unterschieden in der zeitlichen Übereinstimmung von geplantem und realisiertem Ausstieg aus der Berufstätigkeit von älteren Arbeitskräften existieren unterschiedliche Ansätze. Theoretische Ansätze, die den Altersübergang primär als eine Ausstiegsentscheidung des Individuums im Zusammenspiel von individuellen Präferenzen, Ressourcen und Umweltanreizen sehen, lassen grundsätzlich eine hohe Übereinstimmung von Plan, Entscheidung und Handlung erwarten [29]. Diskrepanzen zwischen früherem Plan und späterer Handlung entstehen aus dieser Perspektive, die von relativ stabilen Präferenzen ausgeht, durch Veränderungen der Anreize und Ressourcen ([14] für einen Überblick zu wohlfahrtsstaatlichen Anreizen). Beispielsweise können finanziell attraktive Vorruhestandsangebote die Anreize für einen früher als geplanten Ausstieg erhöhen, während gesundheitliche Verschlechterungen das individuelle Arbeitsvermögen beeinträchtigen. Häufig werden die umweltbezogenen Einflüsse auf die Entscheidungen und Handlungen der Individuen in „Push“- und „Pull“-Faktoren unterschieden [5]. Während beim Altersübergang Push-Faktoren den Verbleib im aktuellen Status der Berufstätigkeit erschweren und ein Herausdrängen bewirken, erhöhen Pull-Faktoren die Attraktivität des Alternativstatus Ruhestand und setzen Anreize, in diesen zu wechseln. Soziale Unterschiede in der Umsetzung von Ausstiegs- oder Weiterarbeitsplänen lassen sich bei diesen Handlungsansätzen durch sozial differente Veränderungen in den Push- und Pull-Faktoren erwarten, wenn beispielsweise gruppenspezifische Veränderungen bei Rentenzugangsoptionen eintreten oder sich in sozial strukturierten Berufen oder Branchen Arbeitsbedingungen und Arbeitsplatzsicherheiten verändern, die eine Revision der Pläne der älteren Arbeitskräfte nach sich ziehen. Auch ist davon auszugehen, dass die Pläne und Entscheidungen der Individuen nicht immer oder eher selten rational auf der Grundlage zutreffender und vollständiger Informationen erfolgen [30]. Beispielsweise konnte gezeigt werden, dass die jährliche Renteninformation der gesetzlichen Rentenversicherung nicht von allen Empfängern gelesen und verstanden wird; überdurchschnittlich betraf dies Geringqualifizierte und Frauen [16]. So kann es vorkommen, dass die zu erwartenden Rentenanwartschaften als zu hoch eingeschätzt werden [19]. Kommen die Individuen später zu einer realistischeren Einschätzung, kann dies Änderungen an ihren Ausstiegsplänen zur Folge haben.

„Employability“ der älteren Erwerbstätigen

Im Gegensatz zu individualistischen Ansätzen des Arbeitsangebots betonen strukturelle Ansätze den Einfluss institutionalisierter Regelungen und arbeitsmarktpolitischer Programme, sozialstruktureller Unterschiede in der Ausstattung mit Ressourcen und Rechten und arbeitsnachfragebezogener Einflüsse auf die Erwerbsteilhabe [9, 33]. Der Übergangsprozess in den Ruhestand folgt in diesen Ansätzen nicht nur individuellen Entscheidungen, sondern erscheint in hohem Maß vorstrukturiert und durch äußere Faktoren beeinflusst. Daher lassen strukturelle und arbeitsnachfrageorientierte Ansätze durchaus Abweichungen des tatsächlichen Ausstiegsverhaltens von den individuellen Plänen erwarten, beispielsweise aufgrund veränderter institutioneller Regelungen des Rentenzugangs oder der Arbeitsmarktpolitik – wie etwa eine Verlagerung zu aktiven, auf die Beschäftigungsfähigkeit zielenden Arbeitsmarktprogrammen – sowie vorzeitiger Ausgliederungen durch den Arbeitgeber oder umgekehrt der Verweigerung von Vorruhestandsangeboten je nach unternehmerischer Situation. Aus dieser Perspektive lässt sich erwarten, dass die „employability“ (Beschäftigungsfähigkeit) der älteren Erwerbstätigen einen hohen Einfluss auf die Umsetzung ihrer Weiterarbeits- und Ausstiegspläne hat [9, 31]. Neben der physischen und psychischen Arbeitsfähigkeit berücksichtigt diese auch Arbeitskraftmerkmale, die die Arbeitsnachfrage der Betriebe beeinflussen (z. B. Kompetenzen, Qualifikation, Flexibilität). So ist zu erwarten, dass Höherqualifizierte ein geringeres Risiko als Geringqualifizierte haben, entgegen ihrer Pläne vorzeitig ausgegliedert zu werden. Ebenso lässt sich erwarten, dass Selbstständige und Beschäftigte im Öffentlichen Dienst bessere Chancen haben, ihre Weiterarbeits- und Ausstiegspläne zeitlich passend umsetzen zu können, da sie entweder weitgehend selbstbestimmt darüber entscheiden können (Selbstständige) oder ein sehr geringes Entlassungsrisiko haben (Beamtinnen und Beamte).

Ziel der Arbeit

Vor diesem Hintergrund widmet sich der vorliegende Beitrag zwei Fragekomplexen:

  1. 1.

    Wie sehr stimmt das spätere Ausstiegsverhalten älterer Arbeitskräfte in Deutschland mit ihren zuvor geäußerten Plänen überein?

  2. 2.

    Welche sozialen Unterschiede bestehen in den Realisierungschancen der Ausstiegspläne? Wer hat eine erhöhte Wahrscheinlichkeit, früher oder später als geplant aus dem Erwerbsleben auszuscheiden?

Auf Grundlage der theoretischen Ausführungen, vorliegender internationaler Befunde sowie unter Berücksichtigung von Merkmalen des deutschen Arbeitsmarkts und den zuvor benannten Veränderungen institutioneller Regelungen der gesetzlichen Altersrente orientiert sich die Untersuchung sozialer Unterschiede an folgenden Hypothesen:

H1.

Frauen haben eine höhere Wahrscheinlichkeit, länger als geplant zu arbeiten. Begründet wird dies damit, dass ausschließlich sie von der Altersgrenzenanhebung und dem Wegfall der nur Frauen zugänglichen vorgezogenen Altersrente für Frauen betroffen sindFootnote 1 und sie seltener als Männer die Voraussetzungen für einen vorzeiten Zugang in die Rente für langjährig Versicherte erfüllen. Wegen durchschnittlich geringerer Rentenanwartschaften und niedrigerem ÄquivalenzeinkommenFootnote 2 sind Frauen zudem stärker der Notwendigkeit oder dem Anreiz ausgesetzt, aus finanziellen Gründen länger zu arbeiten. Beides zusammen genommen, erhöht für Frauen der untersuchten Jahrgänge die Wahrscheinlichkeit, dass ihre Ausstiegspläne häufiger als bei Männern von unrealistischen Annahmen über die Möglichkeiten und Konditionen eines frühen Ausstiegs und der zu erwartenden Rentenhöhe beeinflusst werden und im weiteren Verlauf korrigiert werden müssen [16, 19].

H2.

Gesundheitlich Beeinträchtigten gelingt seltener als anderen ein Weiterarbeiten bis zum geplanten Ausstiegsalter. Begründet wird dies mit einem erhöhten Risiko, vorzeitig ausgegliedert zu werden oder sich den Anforderungen nicht mehr ausreichend gewachsen zu sehen.

H3.

Geringqualifizierte können ihre zeitlichen Ausstiegspläne seltener realisieren als höher Qualifizierte. Einerseits haben Geringqualifizierte ein erhöhtes Risiko des Arbeitsplatzverlusts; andererseits wird erwartet, dass sie aus finanziellen Gründen häufiger als Höherqualifizierte länger im Erwerbsprozess bleiben als geplant.

H4.

Selbstständige und Verbeamtete haben bessere Chancen als abhängig Beschäftigte, bis zu ihrem geplanten Ausstiegsalter berufstätig zu bleiben. Selbstständige unterliegen nicht dem Risiko und den Anreizen personalpolitischer Maßnahmen eines Arbeitgebers. Sie bestimmen selbst über Dauer und Umfang ihres Arbeitseinsatzes. Beamtinnen und Beamte haben faktisch eine Beschäftigungsgarantie und damit ein sehr niedriges Risiko, gegen ihren Willen vorzeitig in den Ruhestand verabschiedet zu werden.

H5.

Ostdeutsche haben aufgrund des erhöhten Risikos des Arbeitsplatzverlusts und der Arbeitslosigkeit in den neuen Bundesländern geringere Chancen auf ein Weiterarbeiten bis zum geplanten Übergang in den Ruhestand.

Daten und Methodik

Empirische Grundlage ist der Deutsche Alterssurvey (DEAS), eine seit 1996 im 3‑ bis 6‑jährigen Abstand durchgeführte, bundesweit repräsentative Quer- und Längsschnittbefragung zu sozialer, wirtschaftlicher und gesundheitlicher Lebenssituation der Bevölkerung in der zweiten Lebenshälfte. Der DEAS wird aus Mitteln des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) gefördert und vom Deutschen Zentrum für Altersfragen (DZA) durchgeführt. Personen ab 40 Jahren werden im DEAS jeweils umfassend zu ihren objektiven und subjektiven Lebensumständen, Sichtweisen und Lebensplänen befragt. Für nähere Informationen zum Stichproben- und Erhebungsdesign: [21].

In die vorliegende Untersuchung wurden alle Studienteilnehmer einbezogen, die bei der Erhebung im Jahr 2008 (t1) 55 bis 64 Jahre alt (monatsgenaues Alter zum Interviewzeitpunkt) und aktiv erwerbstätig waren, noch keine Altersrente oder Pension erhielten und jahresbezogene Angaben zu ihrem geplanten Ausstiegsalter aus der Erwerbstätigkeit gemacht haben. Die Auswahl der Altersgruppe fokussiert auf jene älteren Erwerbstätigen, die sich zwar schon im rentennahen Alter befinden, aber noch nicht die Regelaltersgrenze erreicht haben. Die Nähe zum Rentenalter lässt erwarten, dass ihre zeitlichen Ausstiegspläne realitätsnäher und mit einer größeren Entschlossenheit zur Umsetzung versehen sind, als dies bei den noch unter 55-jährigen, rentenferneren Jahrgängen der Fall ist. Die entsprechende Interviewfrage lautete: Mit welchem Alter planen Sie, Ihre Erwerbstätigkeit zu beenden? Mit der Konzentration auf die Umsetzung von Ausstiegsplänen und der darauf zugeschnittenen Altersauswahl wird in Kauf genommen, dass Beschäftigte, die aus gesundheitlichen oder Arbeitsmarktgründen bereits sehr früh ausscheiden, hier untererfasst sind. Dies äußert sich u. a. im relativ niedrigen Anteil Geringqualifizierter unter den 55- bis 64-jährigen Erwerbstätigen (Tab. 1). Die zu t1 nicht mehr Erwerbstätigen dieses Alters hatten ihre Berufstätigkeit im Durchschnitt bereits mit 51,6 Jahren beendet, bei niedriger Qualifikation (International Standard Classification of Education [ISCED] 0–2) bereits mit durchschnittlich 44,7 Jahren. Da sich der vorliegende Beitrag nicht mit dem sehr frühzeitigen Ausscheiden aus der Erwerbstätigkeit, sondern dem Ausstieg im rentennahen oder Rentenalter beschäftigt, werden die unter 55-Jährigen und die oft schon im Alter von Mitte 40 bis Mitte 50 ausgeschiedenen Nichterwerbstätigen in diese Untersuchung nicht einbezogen.

Tab. 1 Stichprobenmerkmale der 55- bis 64-Jährigen (2008). (Quelle: Deutscher Alterssurvey [DEAS])

Von den 870 erwerbstätigen 55- bis 64-jährigen Befragten des Jahres 2008 konnten im Jahr 2014 (t2) 512 Teilnehmer (58,9 %) erneut interviewt werden, davon machten 506 Angaben zur Entwicklung ihres Erwerbsstatus und – im Fall einer zwischenzeitlich erfolgten Erwerbsbeendigung – zu ihrem tatsächlichen Ausstiegsalter. Bei der Befragung im Jahr 2008 waren die 506 Studienteilnehmer im Mittel 58,0 Jahre alt und planten, mit durchschnittlich 63,7 Jahren ihre Erwerbstätigkeit zu beenden. Die gleichen Werte ergeben sich auch für die Gesamtheit aller 870 Befragten des Ausgangssamples. Auch sonst unterscheiden sich die Untersuchungsteilnehmer mit Angaben zu beiden Messzeitpunkten (Sample 2008–2014) nur wenig vom Ausgangssample (Sample 2008). Auffällig sind nur die Unterschiede im Bildungsniveau und beim Arbeiteranteil, die eine qualifikationsspezifische Selektivität der Panelmortalität zwischen t1 und t2 anzeigen (Tab. 1). Um diese zu kontrollieren, wurde für das Ausgangssample mittels logistischer Regression eine Selektivitätsanalyse der Teilnahmewahrscheinlichkeit an der erneuten Befragung im Jahr 2014 durchgeführt und eine darauf beruhende Panelgewichtung vorgenommen (als Kehrwert der vorhergesagten Teilnahmewahrscheinlichkeit, fallzahlnormiert auf die Stichprobengröße zu t2). Zum Ausgleich der selektiven Panelmortalität werden die Befunde im Ergebnisteil als gewichtete Ergebnisse ausgewiesen.

Bei ihrer erneuten Befragung im Jahr 2014 wurden von den mittlerweile 61- bis 70-Jährigen wieder der Erwerbsstatus sowie – im Fall des inzwischen erfolgten Übergangs in den Ruhestand oder einer anderweitigen Erwerbsbeendigung – Monat und Jahr des Ausstiegs festgehalten. Damit lässt sich untersuchen, in welchem Maß der zum Interviewzeitpunkt im Jahr 2014 bestehende Erwerbsstatus und das tatsächliche Ausstiegsalter mit den im Jahr 2008 geäußerten Plänen übereinstimmen oder davon abweichen.

Im ersten Schritt wurde ermittelt, ob der zum Interviewzeitpunkt im Jahr 2014 bestehende Status (Erwerbsausstieg erfolgt oder nichterfolgt) übereinstimmt mit dem Status, der sich aus dem im Jahr 2008 geplanten Ausstiegsalter zum Interviewzeitpunkt des Jahres 2014 ergeben müsste.Footnote 3 Im zweiten Schritt wurde eine empirische Klassifikation zur Übereinstimmung zwischen Plan und Wirklichkeit gebildet, die auch die zeitliche Differenz zwischen dem geplanten und dem realisierten Ausstiegszeitpunkt berücksichtigt. Verglichen wird der tatsächliche monatsgenaue Zeitpunkt der Erwerbsbeendigung mit dem ursprünglich geplanten Ausstiegszeitpunkt. Unterschieden werden die folgenden 4 empirischen Typen:

  • Typ 1: Ausstieg erfolgte wie geplant.

    Diesem Typ zugeordnet werden Personen, die bei der Befragung im Jahr 2014 nicht mehr hauptberuflich erwerbstätig sind und deren tatsächliches Ausstiegsalter mit dem vormals geplanten Beendigungsalter annähernd übereinstimmt (±6 Monate).Footnote 4

  • Typ 2: vorzeitig erfolgter Ausstieg.

    Dieser Typ umfasst Personen, die ihre Erwerbstätigkeit mehr als 6 Monate früher als geplant beendet haben.

  • Typ 3: Weiterarbeitend wie geplant

    Personen, die im Jahr 2014 aktiv erwerbstätig und noch nicht im Ruhestand sind, werden diesem Typ zugeordnet, wenn dies auch ihren im Jahr 2008 geäußerten Plänen entspricht.

  • Typ 4: Länger gearbeitet oder arbeitend als geplant

    Diesem Typ zugeordnet werden Personen, die entweder noch hauptberuflich erwerbstätig sind, obwohl sie geplant hatten, nicht mehr erwerbstätig zu sein, oder wenn sie zwar inzwischen nicht mehr erwerbstätig sind, aber mindestens 7 Monate länger als geplant weitergearbeitet hatten.

Die empirischen Typen 1 und 3 stehen für eine erfolgreiche Umsetzung der Ausstiegs- bzw. Weiterarbeitspläne; die Typen 2 und 4 sind dadurch gekennzeichnet, dass das tatsächliche Verhalten der Betroffenen von ihren ursprünglichen Plänen abweicht.

Alle unabhängigen Variablen beruhen auf Angaben der Befragten im mündlichen Interview des Jahres 2008 [24]. Grundlage des Ausbildungsniveaus sind detaillierte Informationen zum höchsten allgemeinbildenden Schulabschluss und zur höchsten abgeschlossenen beruflichen Ausbildung, die entsprechend der internationalen Bildungsklassifikation ISCED-97 kategorisiert und zu 3 Bildungsgruppen zusammengefasst wurden. Die Kategorie „niedrig“ umfasst Personen ohne abgeschlossene Ausbildung. Die mittlere Gruppe sind Personen mit abgeschlossener betrieblicher oder berufsbildend-schulischer Ausbildung, einschließlich Personen mit höherem allgemeinbildendem Schulabschluss ohne abgeschlossene Berufsausbildung. Die Kategorie „hoch“ beinhaltet Personen mit abgeschlossener Aufstiegsfortbildung (Meister, Techniker, Berufsakademie etc.) oder abgeschlossenem Studium. Die subjektive Arbeitsbelastung wurde als empfundener Belastungsgrad (mit 5 Graden von „überhaupt nicht“ bis „sehr belastet“) in 4 Arbeitsbereichen gemessen. Die Bereiche sind: anstrengende oder einseitige körperliche Aktivitäten, erschwerte Umweltbedingungen am Arbeitsplatz (Lärm, Hitze, Staub etc.), Stress (nervliche Anspannungen, Arbeits‑/Termindruck) und viele neue Anforderungen. Für die Analyse wurde eine Dichotomisierung in der Weise vorgenommen, dass Personen, die für mindestens einen Bereich angaben, ziemlich oder sehr belastet zu sein, der Beschäftigtengruppe mit subjektiv hoher Arbeitsbelastung zugeordnet werden. Die subjektive Gesundheit wurde als Selbsteinstufung des Gesundheitszustands auf einer 5‑stufigen Skala erhoben. Für diese Untersuchung wurden die beiden niedrigsten Stufen (schlecht, sehr schlecht) und die 3 höheren Stufen (mittel, gut, sehr gut) jeweils zu einer Kategorie zusammengefasst.

Zunächst werden mit deskriptiver Tabellenanalyse soziale und regionale Unterschiede in der Verteilung auf die 4 empirischen Typen dargestellt. Betrachtet werden Verteilungsunterschiede nach den in Tab. 1 aufgeführten Merkmalen. Mittels logistischer Regressionen werden anschließend die aufgestellten Hypothesen empirisch überprüft.

Ergebnisse

Deskriptive Befunde

Von den älteren Erwerbstätigen des Jahres 2008 haben bis zum Jahr 2014 65,1 % ihre Erwerbstätigkeit beendet. Die Mehrheit der Ausgeschiedenen befindet sich im Ruhestand (81,1 %). Der Anteil der nicht mehr Erwerbstätigen liegt um 2,7 Prozentpunkte über dem Wert, der sich bei vollständiger zeitlicher Umsetzung der zuvor geäußerten Pläne ergeben hätte. Die Hälfte (49,8 %) der älteren Arbeitskräfte verwirklichte ihre zeitlichen Ausstiegs- oder Weiterarbeitspläne ziemlich genau, indem sie entweder im geplanten Alter ausgestiegen ist oder, wie geplant, weiterarbeitet (Tab. 2). Die andere Hälfte hat ihre ursprünglichen Pläne nicht zeitgenau in die Tat umgesetzt. Es haben 22,9 % länger gearbeitet als geplant, 27,3 % sind mindestens 7 Monate früher als geplant ausgeschieden, und zwar im Durchschnitt mehr als 3 Jahre früher. Schneller als beabsichtigt auszuscheiden, kommt damit etwas häufiger vor als das länger als ursprünglich geplante Weiterarbeiten. Bei einer vorzeitigen Beendigung der Erwerbstätigkeit war der Ausstieg mit 61,2 % deutlich seltener mit einem direkten Wechsel aus der Erwerbstätigkeit in die Altersrente verbunden als bei Ausstiegen, die zeitnah zum geplanten Zeitpunkt erfolgten (82,1 %). Jeder vierte vorzeitige Ausstieg (23,7 %) erfolgte über einen Wechsel in die Arbeitslosigkeit oder den Vorruhestand, bei 15,1 % erfolgte der vorzeitige indirekte Ausstieg aufgrund längerer Krankheit, Erwerbsminderung oder über einen anderen Ausstiegspfad (ohne tabellarische Darstellung). Die bei der Wiederbefragung 2014 nicht mehr aktiv Erwerbstätigen ohne Altersrentenbezug sind im Durchschnitt 62,5 Jahre alt. Mehr als 80 % von ihnen befinden sich in einem Status (Vorruhestand, Arbeitslosigkeit, Freistellungsphase, Erwerbsminderung), der vor dem anstehenden Beginn der Altersrente keine Rückkehr mehr in die Erwerbstätigkeit erwarten lässt.

Tab. 2 Realisierung des geplanten Ausstiegsalters (in Prozent). (Quelle: DEAS-Panel 2008–2014)

Soziale Unterschiede der Planumsetzung

Die deskriptiven Befunde zu den sozialen Unterschieden im Umsetzungsgrad der Pläne entsprechen weitgehend den aufgestellten Hypothesen. Frauen gelang es in signifikant geringerem Maß als Männern, ihre Pläne in die Tat umzusetzen, da sie häufiger länger als geplant arbeiteten (27,9 vs. 18,4 %). Gesundheitlich Beeinträchtigte schieden oft noch früher aus, als sie es ohnehin schon geplant hatten: Dies erlebten 46,7 % derer mit subjektiv schlechter Gesundheit im Vergleich zu nur 26,1 % derjenigen mit guter Gesundheit. Auch beim Ausbildungsniveau ergeben sich im bivariaten Vergleich signifikante Unterschiede in der Übereinstimmung zwischen den ursprünglichen Plänen und dem späteren Verhalten. Je niedriger das Qualifikationsniveau, desto geringer ist die Umsetzungsquote der zeitlichen Ausstiegs- oder Weiterarbeitspläne. Die Abweichung von den ursprünglichen Plänen kommt bei den Personen mit niedrigem bis mittlerem Ausbildungsniveau v. a. dadurch zustande, dass sie länger erwerbstätig bleiben als geplant; vorzeitige Ausstiege sind bei ihnen nur leicht überdurchschnittlich. Auch die seltenere Übereinstimmung zwischen geplantem und tatsächlichem Ausstiegszeitpunkt bei hoher Arbeitsbelastung beruht darauf, dass die sich stärker belastet Fühlenden häufig länger erwerbstätig bleiben, als sie es ursprünglich geplant hatten. Dies geht bei dieser Gruppe besonders oft einher mit einer Verringerung der Wochenarbeitszeit (78,9 % gegenüber einem Gesamtdurchschnitt von 40 %).

Auffällig ist die signifikant hohe Umsetzungsquote von 61 % bei Beamtinnen und Beamten, die v. a. durch die Realisierung des Ausstiegs zum geplanten Zeitpunkt zustande kommt (Tab. 2). Für Selbstständige wurde eine überdurchschnittliche Umsetzungsquote erwartet, da sie häufig planen, länger erwerbstätig zu bleiben, und sie dies im eigenen Betrieb auch können. Tatsächlich ist Typ 3 (weiterarbeitend wie geplant) bei Selbstständigen am höchsten besetzt (42,6 %), wodurch sich bei ihnen die Verteilung auf die Typen signifikant von den restlichen beruflichen Stellungsgruppen unterscheidet (χ2 21,41; p < 0,001). Insgesamt ist die Quote erfolgreicher Planumsetzung bei Selbstständigen jedoch nicht erhöht.

Wie erwartet gelingt ostdeutschen älteren Arbeitskräften seltener als westdeutschen ein Weiterarbeiten bis zum geplanten Ausstiegszeitpunkt. Ostdeutsche Arbeitskräfte beenden ihre Erwerbstätigkeit häufig früher als geplant. Die Ost-West-Unterschiede sind jedoch statistisch nicht signifikant.

Multivariate Befunde

Die Tab. 3 enthält die „average marginal effects (AME)“Footnote 5 logistischer Regressionsmodelle zu gelungener oder nichtgelungener Umsetzung der Ausstiegs- und Weiterarbeitspläne. Die erste Zahlenspalte zeigt die Effekte, früher als geplant auszusteigen (Typ 2) im Vergleich zum Ausscheiden oder Weiterarbeiten wie geplant (Typen 1 und 3). Es bestätigt sich der Befund, dass ein subjektiv schlechter Gesundheitszustand die Wahrscheinlichkeit erhöht, früher als ursprünglich geplant aus dem Erwerbsleben auszuscheiden. Auch ein niedriges Ausbildungsniveau begünstigt ein vorzeitiges Ausscheiden. Dieses Merkmal verliert allerdings seine statistische Signifikanz, wenn zusätzlich die berufliche Stellung in das Modell aufgenommen wird. Dann bestätigt sich erneut, dass Beamtinnen und Beamte kaum Gefahr laufen, früher als geplant ihre Erwerbstätigkeit zu beenden. Die erhöhten Wahrscheinlichkeiten für eine Erwerbsbeendigung vor dem ursprünglich geplanten Zeitpunkt bei Frauen und Ostdeutschen sind statistisch nicht signifikant.

Tab. 3 Prädiktoren der gelungenen und nichtgelungenen Umsetzung der Ausstiegspläne (logistische Regression, „average marginal effects“). (Quelle: DEAS Panel 2008–2014)

Die zweite Tabellenspalte enthält die AME für einen später als geplant erfolgenden Ausstieg (Typ 4) im Vergleich zum Ausscheiden oder Weiterarbeiten wie geplant (Typen 1 und 3). Die multivariate Analyse bestätigt die eingangs aufgestellte Vermutung, dass Frauen eine erhöhte Wahrscheinlichkeit haben, später als zuvor geplant in den Ruhestand zu gehen. Im Vergleich zu höher Qualifizierten haben auch Personen mit niedrigem und mittlerem Ausbildungsniveau eine erhöhte Wahrscheinlichkeit, länger als geplant in der Berufstätigkeit zu bleiben.

Die dritte Zahlenreihe in Tab. 3 enthält die AME für die erfolgreiche zeitliche Umsetzung der Ausstiegs- oder Weiterarbeitspläne (Typen 1 und 3 im Vergleich zu den Typen 2 und 4). Eine insgesamt verringerte Wahrscheinlichkeit für die Übereinstimmung des Erwerbsverhaltens mit den zuvor im Jahr 2008 geäußerten Ausstiegs- und Weiterarbeitsplänen haben Frauen, Ostdeutsche, Personen mit schlechter Gesundheit sowie ältere Arbeitskräfte mit niedrigem und mittlerem Ausbildungsniveau. Höhere Chancen für einen Ausstieg oder ein Weiterarbeiten wie geplant haben Beschäftigte mit Beamtenstatus. Statistisch ausreichend signifikant sind allerdings nur der Geschlechts- und Qualifikationseffekt.

Diskussion

Im Mittelpunkt der Untersuchung standen zwei Fragen: (1) Wie gut stimmen die zeitlichen Ausstiegspläne älterer Arbeitskräfte aus der Berufstätigkeit mit ihrem nachfolgenden Ausstiegsverhalten überein? (2) Gibt es markante soziale Unterschiede in den Realisierungschancen der Ausstiegspläne? Beeinflussen das Geschlecht, der gesundheitliche Status, das Ausbildungsniveau, die berufliche Stellung und die Zugehörigkeit zu ost- oder westdeutschem Arbeitsmarkt die Wahrscheinlichkeit, früher oder später als geplant aus dem Berufsleben auszuscheiden? Die Ergebnisse des Vergleichs zwischen den im Jahr 2008 geäußerten Ausstiegsplänen älterer Arbeitskräfte und ihrem Erwerbs- und Ausstiegsverhalten in den darauffolgenden Jahren bis 2014 lassen erste Antworten auf diese beiden Fragen zu.

Allgemeine Übereinstimmung zwischen zeitlichen Ausstiegsplänen und Ausstiegsverhalten

Zur Frage der allgemeinen Übereinstimmung zwischen den zeitlichen Ausstiegsplänen und dem Ausstiegsverhalten geben die Befunde keine eindeutige Antwort. Die Hälfte der Befragten hat ihre Pläne in den 6 Folgejahren in die Tat umgesetzt, indem sie ziemlich genau zum geplanten Zeitpunkt (±6 Monate) ausgeschieden oder wie geplant auch im Jahr 2014 weiter erwerbstätig war. Die andere Hälfte konnte ihre zeitlichen Übergangspläne allerdings nicht passend umsetzen, weil sie früher als beabsichtigt ausgeschieden ist oder länger als geplant gearbeitet hat. Offen ist zudem, ob die im bisherigen Beobachtungszeitraum erfolgreich Weiterarbeitenden ihren für nach 2014 geplanten Übergang in den Ruhestand zum geplanten Alter vollziehen werden. Dies kann erst mit den Daten der zukünftigen DEAS-Befragungswellen untersucht werden.

Die Befunde bestätigen die Annahme, dass die Umsetzungswahrscheinlichkeit der eigenen zeitlichen Pläne für den Ruhestandsbeginn sozial und regional unterschiedlich verteilt ist. Ein wesentlicher Faktor ist das Qualifikationsniveau. Je geringer dieses ist, desto seltener entspricht das realisierte Ausstiegsalter den zuvor geäußerten Plänen.

Geringqualifizierte

Erwartet worden war, dass Geringqualifizierte einerseits wegen geringerer Arbeitsplatzsicherheit und erhöhter Arbeitslosigkeitsrisiken häufiger vorzeitig ausscheiden, andererseits aber aus finanziellen Gründen auch häufiger länger als geplant im Arbeitsprozess bleiben. Zwar weisen die Untersuchungsergebnisse darauf hin, dass die seltenere Planumsetzung der Beschäftigten mit niedrigem Ausbildungsniveau tatsächlich auf einer Kumulation der verfrühten und verspäteten Erwerbsbeendigungen beruht. Eine gesicherte empirische Bestätigung dafür konnte wegen der niedrigen Anzahl Geringqualifizierter im Auswahlsample jedoch nicht erbracht werden. Ältere Beschäftigte mit mittlerem Ausbildungsniveau planten im Durchschnitt einen deutlich früheren Ausstieg als Höherqualifizierte, haben dann aber häufiger länger gearbeitet als geplant. Insofern sind die Ausstiegspläne der beiden Gruppen unterschiedlicher als ihr tatsächliches Verhalten. Die Gründe dafür können vielfältig sein. Möglicherweise unterschätzen die Mittelqualifizierten zunächst ihr Potenzial und ihre Chancen für ein längeres Arbeiten oder sie wägen die finanziellen Folgen eines frühen oder später erfolgenden Ausstiegs neu ab. Bei der Analyse des Einflusses der beruflichen Stellung auf die Umsetzung der Verbleibs- und Ausstiegspläne bestätigte sich die Erwartung, dass Selbstständige entsprechend ihrer längeren Verbleibspläne auch als 61- bis 70-Jährige häufiger noch wie geplant weiterarbeiten, als dies vormals abhängig Beschäftigte machen (hierzu auch [10]). Beschäftigte mit Beamtenstatus stechen dadurch hervor, dass sie ihre Ausstiegspläne in einem besonders hohen Maß zeitlich ziemlich genau umsetzen. Das fehlende Arbeitslosigkeitsrisiko schützt sie vor einer vorzeitigen Ausgliederung, und ihre am Erhalt des Lebensstandards bemessene Altersversorgung macht es für Beamtinnen und Beamte im Allgemeinen nicht notwendig, aus finanziellen Gründen länger als geplant zu arbeiten. Zudem ist ein Verbleiben im aktiven Dienst über die jeweilige gesetzliche Altersgrenze hinaus an beamtenrechtliche Bedingungen geknüpft und daher nur eingeschränkt möglich.

Frauen

Eine hohe Wahrscheinlichkeit, länger zu arbeiten als geplant war, haben Frauen. Dies entspricht der eingangs aufgestellten Erwartung. Diese ging davon aus, dass ein Teil der Frauen bei ihren im Jahr 2008 gehegten Ausstiegsplänen noch nicht vollständig das schrittweise Schließen des Zugangs in die vorgezogene Altersrente für Frauen berücksichtigt hat. Möglicherweise gibt es aber noch andere Gründe, die Frauen zu einem Weiterarbeiten über das geplante Ausstiegsalter veranlassen, z. B. die Erkenntnis, dass die zu erwartende Rentenhöhe kleiner ausfällt als gedacht oder als Reaktion auf einen Aufschub des Rentenbeginns des Ehepartners. Hier bedarf es einer genaueren Erforschung der Gründe des Aufschiebens der Erwerbsbeendigung vieler Frauen über das ursprünglich geplante Alter hinaus. Die älteren erwerbstätigen Frauen hatten keine signifikant höhere Wahrscheinlichkeit eines früher als geplant erfolgenden Ausstiegs. Dies mag überraschen, da besonders von Frauen erwartet wird, dass sie im Fall kurzfristig eintretender familiärer Versorgungspflichten – wie etwa der Angehörigenpflege – ihre Erwerbstätigkeit unterbrechen. Möglicherweise weisen die Ergebnisse auf das Bemühen der Frauen hin, auch bei Übernahme von familiären Sorgetätigkeiten im fortgeschrittenen Erwerbsalter ihre Erwerbstätigkeit nicht vollständig zu unterbrechen oder aufzugeben.

Gesundheit

Die Gesundheit älterer Arbeitskräfte beeinflusst nicht nur die Ausstiegspläne, sondern auch die Wahrscheinlichkeit diese umzusetzen. Obwohl gesundheitlich Beeinträchtige im Mittel ohnehin planen, früher als andere ihre Erwerbstätigkeit zu beenden, sehen sie sich überdurchschnittlich oft damit konfrontiert, bereits vor dem geplanten Alter auszuscheiden. Möglicherweise tragen weitere Gesundheitsverschlechterungen dazu bei, die Pläne zu revidieren und den Ausstiegszeitpunkt nochmals vorverlegen zu müssen. Die Diskrepanz zwischen Plan und Wirklichkeit zeigt, dass gesundheitlich Beeinträchtigte oft gerne länger arbeiten würden, als es ihnen möglich ist.

Regionaler Unterschied

Als regionaler Unterschied war eine geringere Übereinstimmung zwischen geplantem und realisiertem Ausstiegsalter in Ostdeutschland erwartet worden. Denn die schlechtere Arbeitsmarktlage in den neuen Bundesländern führt dazu, dass ostdeutsche Beschäftigte vor dem Ruhestand häufiger als westdeutsche Beschäftigte arbeitslos werden [3, 11]. Die Untersuchungsergebnisse ergeben keine belastbare empirische Unterstützung dieser Erwartung. Es zeigt sich zwar deskriptiv eine erhöhte Quote des vorzeitigen Ausstiegs in Ostdeutschland, die in der multivariaten Analyse jedoch nicht ausreichend statistisch abgesichert werden konnte. Möglicherweise kalkulieren ostdeutsche Beschäftigte Ausgliederungsrisiken bereits gut in ihren Ausstiegsplänen und -erwartungen ein.

Soziale Ungleichheit

Insgesamt zeigt sich, dass die Chancen zur erfolgreichen Umsetzung der individuellen Ausstiegspläne sozial ungleich verteilt sind. Soziale Benachteiligungen entstehen durch Abweichungen zwischen Plan und Tat in beide Richtungen, dem ungeplanten vorzeitigen Ausstieg und dem späteren Ruhestandsbeginn als geplant.

Zeitlicher Übereinstimmungsgrad

Der zeitliche Übereinstimmungsgrad zwischen dem geplanten und realisierten Ausstiegsalter hängt nicht unwesentlich von der getroffenen Operationalisierung ab. In der vorliegenden Untersuchung wurde als Übereinstimmungskriterium ein zeitlich enger Korridor von ± 6 Monaten gewählt. Ein zur Sensitivitätsprüfung durchgeführter Vergleich mit einem zeitlich weiter gefassten Korridor (±12 Monate) führte zwar insgesamt zu einer höheren Übereinstimmungsquote zwischen geplantem und realisiertem Ausstiegsalter, die sozialen und regionalen Unterschiede blieben aber weitgehend erhalten. Die Untersuchung konzentrierte sich auf die Umsetzung der Ausstiegs- und Weiterarbeitspläne von älteren Erwerbstätigen ab 55 Jahren und damit auf eine Erwerbsbeendigung im rentennahen oder Rentenalter. Sie liefert daher keine Erkenntnisse zu Beschäftigten, die aus verschiedenen Gründen bereits vor diesem Alter ihre Erwerbstätigkeit beenden.

Schlussfolgerung und Fazit für die Praxis

Die Ergebnisse lassen den Schluss zu, dass das geplante Ausstiegsalter ein brauchbarer Frühindikator des späteren Handelns ist. Die Ausstiegspläne älterer Arbeitskräfte sind keine unrealistischen Wunschvorstellungen, sondern durchaus realistische und handlungsrelevante Äußerungen. Insofern ist zu erwarten, dass sich der beobachtbare Wandel in den Ausstiegsplänen weg vom frühen Ruhestand, hin zu einem geplanten Weiterarbeiten bis zum Alter Mitte 60 und darüber hinaus in den kommenden Jahren auch im Verhalten zeigen wird. Der begonnene Trend zum längeren Verbleib im Erwerbsleben wird sich voraussichtlich fortsetzen und ein wachsender Anteil älterer Arbeitskräfte wird bis zum Erreichen der (steigenden) Regelaltersgrenze erwerbstätig bleiben. Allerdings plant derzeit die Mehrheit immer noch einen Ausstieg vor Erreichen der Regelaltersgrenze [11]. Außerdem liegt die Umsetzung der Pläne nicht allein im Ermessen der Beschäftigten, und es können Entwicklungen auftreten, die eine Abkehr vom ursprünglichen Plan notwendig machen. Möglicherweise nimmt die Spreizung des Ausstiegsalters und der Umsetzungschancen entlang der sozial ungleich verteilten Gesundheits- und Arbeitsmarktrisiken sowie der finanziellen Altersvorsorge für den Ruhestand weiter zu. Rentenpolitische Überlegungen, die Regelaltersgrenze dynamisch an die Entwicklung der allgemeinen Lebenserwartung zu koppeln, ignorieren diese sozialen Unterschiede der gesundheitlichen und der beruflichen Chancen, bis zum Erreichen dieser Altersgrenzen berufstätig bleiben zu können, die sich realistisch auch in den unterschiedlichen Ausstiegsplänen und -erwartungen zeigt. Und sie ignorieren die erheblichen sozialen Unterschiede der Restlebenserwartung älterer Menschen. Es wird daher darauf ankommen, auch denen ein auskömmliches Leben im Ruhestand zu ermöglichen, die zwar gerne länger arbeiten würden, es jedoch aus gesundheitlichen oder Arbeitsmarktgründen nicht können.