Zusammenfassung
Hintergrund
Es gibt noch wenig aktuelle deutsche Daten, die beschreiben, wie die Standardtherapie der neovaskulären altersabhängigen Makuladegeneration (nAMD), die intravitreale operative Medikamentengabe (IVOM) von Vascular-endothelial-growth-factor (VEGF)-Inhibitoren, im klinischen Alltag umgesetzt wird.
Patienten und Methoden
Im Rahmen einer internationalen retrospektiven Studie wurden nAMD-Patienten rekrutiert, die erstmals zwischen dem 01.01.2009 und 31.08.2009 mit mindestens einer Gabe Ranibizumab behandelt worden waren. Die Patienten wurden bis zum 31.08.2011 nachbeobachtet. Der primäre Endpunkt war die Veränderung der Sehschärfe am Ende des ersten und zweiten Jahres der Behandlung unter Ranibizumab. Sekundäre Endpunkte waren die Ermittlung der angewandten Therapieschemata sowie das Monitoring der Krankheitsaktivität in der klinischen Praxis.
Ergebnisse
Von den insgesamt 2227 Patienten wurden 420 für die deutsche Kohorte rekrutiert. Nach 1 Jahr wurde eine mittlere Veränderung der Sehschärfe von 1,1 ± 15,7 Buchstaben und nach 2 Jahren von − 0,8 ± 17,2 beobachtet. Eine durchschnittliche Verbesserung des Visus wurde bis etwa Tag 90 beobachtet. Danach trat eine zunehmende Visusreduktion auf. Die Ergebnisse zeigen einen deutlichen Zusammenhang der Visusänderung mit der Anzahl der verabreichten IVOMs. Patienten erhielten während des ersten Jahres mehr IVOMs (4,3 ± 1,9) als im zweiten Jahr (1,3 ± 2,2). Die Mehrzahl der Visiten (> 98,6 %) erfolgte sehr unregelmäßig. Der durchschnittliche Abstand zwischen den Visiten betrug 47,7 ± 36,7 Tage.
Diskussion
Die Behandlungsintensität von Patienten mit nAMD in Deutschland war zum Zeitpunkt der Studie nicht ausreichend, um den initialen Visusgewinn aufrechtzuerhalten. Die ernüchternde Realität in Deutschland war in Bezug auf Anzahl der Injektionen und den Visusverlauf schlechter als in den meisten anderen an der AURA-Studie beteiligten Ländern. In der klinischen Praxis sind häufige und regelmäßige Kontrollen und Behandlungen notwendig, um das „pro re nata“ (PRN)-Schema für die Therapie der nAMD zu optimieren.
Abstract
Background
Neovascular (wet) age-related macular degeneration (wAMD) is a progressive and degenerative retinal disease. This study reports the real-life use in Germany of the standard anti-vascular endothelial growth factor (VEGF) therapy for wAMD as an intravitreal operative drug application.
Patients and methods
Within the framework of an international retrospective study the medical records of patients with wAMD who were first treated with ranibizumab between 1 January and 31 August 2009 were evaluated. Data were collected until the end of treatment and/or monitoring or until 31 August 2011. The primary objective was to evaluate changes in visual acuity after the start of anti-VEGF therapy. Secondary outcomes included determining real-life anti-VEGF treatment regimens and disease-monitoring practices.
Results
Out of 2227 patients who received ≥ 1 anti-VEGF injection with a baseline visual acuity assessment and ≥ 1 post-baseline visual acuity assessment for the treated eye, 420 were included in the German cohort. Visual acuity improved until about day 90 but these gains in visual acuity were not maintained. The mean changes in visual acuity scores from baseline to years 1 and 2 were 1.1 ± 15.7 and − 0.8 ± 17.2 letters, respectively. Patients received a mean of 4.3 ± 1.9 and 1.3 ± 2.2 injections in years 1 and 2, respectively. The majority of visits ( 98.6 %) were conducted irregularly and outside the time frame recommended at the time of the study, with an average of 47.7 ± 36.7 days between visits. More frequent visits and injections were associated with greater improvements in visual acuity.
Conclusion
Treatment intensity was not sufficient to maintain the initial improvement in visual acuity by ranibizumab treatment. Real-life results for visual acuity and injection frequency in the German cohort were worse at that time than in other countries. Regular follow-up visits as well as timely retreatment in the presence of signs of disease activity are required to achieve optimal results in wAMD when applying a pro re nata-based strategy.
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Die neovaskuläre altersabhängige Makuladegeneration (nAMD) führt für betroffene Patienten unbehandelt zu einer dramatischen Verschlechterung der Lebensqualität. Durch die veränderte Altersstruktur einer immer älter werdenden Bevölkerung hat der Anteil der Patienten mit nAMD zugenommen und wird auch weiterhin ansteigen. Der aktuelle Therapiestandard zur Behandlung der nAMD umfasst die intravitreale operative Medikamentengabe (IVOM) von Vascular-endothelial-growth-factor (VEGF)-Inhibitoren, die eine Stabilisierung oder auch Verbesserung der Sehschärfe ermöglichen können. Für die Auswertung der deutschen Kohorte wurden die Daten der multizentrischen, internationalen, retrospektiven AURAFootnote 1-Studie herangezogen, um die Versorgungsrealität in den Jahren 2009 bis 2011 darzustellen.
Die nAMD ist eine progressive chronische Erkrankung der Makula [6, 17]. Die Prävalenz liegt bei Patienten über 65 Jahren nach Angaben der EUR*EYE-StudieFootnote 2 bei 3,32 % [1]. Die Übertragung entsprechender Stichproben von England auf Deutschland lässt erwarten, dass es pro Jahr über 96.000 neue Patienten geben dürfte, für die eine intravitreale Medikamentenapplikation infrage kommt [13]. Als Standardtherapie hat sich die intravitreale Injektion von VEGF-Inhibitoren etabliert. Ranibizumab – ein VEGF-Antikörperfragment – war eine der ersten pharmakologischen Substanzen mit nachgewiesener Wirksamkeit [7].
In den Zulassungsstudien wurde unter monatlicher Behandlung eine Verbesserung der Sehschärfe erreicht, die über 24 Monate anhielt [2, 18]: In der MARINA-StudieFootnote 3 [n = 716 Patienten, minimal klassische/okkulte choroidale Neovaskularisation (CNV)] wurde eine mittlere Verbesserung um 7,2 Buchstaben nach 12 Monaten beobachtet [18]. In der ANCHOR-StudieFootnote 4 lag bei 423 Patienten mit vorwiegend klassischer CNV der Gewinn bei 11,3 ± 14,6 Buchstaben nach 12 Monaten; ein Anstieg um 8,1 ± 10,7 Buchstaben wurde über 24 Monate berichtet [2].
Studien mit längeren Therapieintervallen – vierteljährliche Gabe von Ranibizumab – lieferten schlechtere Ergebnisse. In den Head-to-Head-Studien CATTFootnote 5 und IVANFootnote 6 wurden meist monatliche Verlaufskontrollen in den „pro re nata“ (PRN)-Behandlungsarmen eingehalten [3, 15]. In der CATT-Studie schnitt die PRN-Behandlung über 2 Jahre trotzdem etwas schlechter ab als die monatliche Dauertherapie – vermutlich auch, weil nach Einschätzung des Auswertezentrums 31,5 % der notwendigen Wiederbehandlungen nicht adäquat erschienen [15]. Unter konsequenter Einhaltung der monatlichen Kontrollen konnte in der IVAN-Studie ein ähnliches Visusergebnis mittels PRN-Behandlung erreicht werden wie mit 4-wöchentlicher Anti-VEGF-Therapie [3].
Die Zulassung zum Zeitpunkt der AURA-Studie (2009–2011) sowie die aktuelle Fachinformation von Ranibizumab in Europa entsprachen nicht dem Dosierungsschema der klinischen Studien. Gemäß der Fachinformation von Ranibizumab war eine Wiederaufnahme der Therapie nach den initialen 3 Injektionen (Loading-Phase) im monatlichen Abstand nur dann indiziert, wenn der Patient einen erneuten Visusverlust erleidet [11, 14].
Häufige Kontrollen und Behandlungen stellen eine Belastung und ein mögliches Hindernis für Patienten und Ärzte im klinischen Alltag dar. Daher wurden die Anwendung der Anti-VEGF-Therapie mit Ranibizumab im Behandlungsalltag, die dabei angewandten Behandlungsregime sowie die Auswirkungen auf die Sehschärfe in der internationalen retrospektiven AURA-Studie untersucht. Über die vergleichende Darstellung der anderen beteiligten Länder wurde bereits berichtet. Ziel der vorliegenden Studie war es, die Ergebnisse der deutschen Kohorte der AURA-Studie im Detail zu beschreiben.
Methodik
Im Rahmen der retrospektiven AURA-Studie wurden die Daten von Patienten ausgewertet, bei denen zwischen dem 01.01.2009 und 31.08.2009 erstmals eine nAMD mit Ranibizumab behandelt worden war. Die Studie wurde nach identischem Protokoll auch in Kanada, Frankreich, Irland, Italien, den Niederlanden, Großbritannien und Venezuela durchgeführt. Die Patienten wurden bis zum 31.08.2011 nachbeobachtet. Dabei lautete die bis September 2011 gültige Dosierungsempfehlung für Ranibizumab nach der Fachinformation wie folgt: monatliche Injektionen während der ersten 3 Monate; monatliche Visuskontrollen in der nachfolgenden Erhaltungsphase; bei Sehverlust von > 5 Buchstaben [Early Treatment Diabetic Retinopathy Study (ETDRS) oder äquivalent 1 Snellen-Linie] erneute Verabreichung von Ranibizumab [11].
Als primärer Endpunkt galt die Veränderung der Sehschärfe am Ende der ersten beiden Behandlungsjahre. Aufgrund der im klinischen Alltag benutzten unterschiedlichen Teste wurden die dokumentierten Visuswerte in Buchstaben umgewandelt, um diese statistisch analysieren zu können. Dies erfolgte nach der bei Holz et al. [8] beschriebenen Methode. Sekundäre Endpunkte waren die Ermittlung der angewandten Behandlungsintervalle sowie die Erfassung der durchgeführten Untersuchungen der Patienten in der klinischen Praxis.
Für den Fall fehlender Werte wurden die Angaben mittels der LOCF („last observation carried forward“)-Methode ergänzt, wobei der zuletzt ermittelte Wert auch als letzter Studienwert verwendet wurde. Aufgrund des explorativen Charakters der Studie sind alle Analysen deskriptiver Natur.
Studienpopulation
In die globale AURA-Studie [8] wurden 2671 Patienten einbezogen, in der deutschen Studie waren es 454 Patienten. Als Stichprobe wurden die Patienten ausgewertet, die ≥ 1 Behandlung mit Ranibizumab erhalten hatten (global: 2609, in Deutschland: 454). Die Untergruppe zur Analyse der Wirksamkeit („effectiveness analysis set“, EFF) bestand aus Patienten, die zusätzlich ≥ 1 Verlaufskontrolle mit erfasster Sehschärfe durchliefen (d. h. Patienten mit ≥ 1 Sehschärfetest vor Behandlungsbeginn und ≥ 1 Sehschärfetest nach Behandlungsbeginn). Global handelte es sich dabei um 2227 Patienten, in Deutschland um 420 Patienten. Patienten in der EFF-Gruppe, über die Daten über ≥ 1 oder ≥ 2 Jahre nach der ersten IVOM zur Verfügung standen, wurden jeweils als „Completer“ für das erste und zweite Jahr einer entsprechenden Analysegruppe zugeordnet (EFF1J bzw. EFF2J).
Ergebnisse
Standorte und Patienten
In Deutschland nahmen 28 ophthalmologische Zentren an der Studie teil. Darunter waren 6 Universitätskliniken, 7 städtische Krankenhäuser und 15 niedergelassene Augenarztpraxen. Insgesamt wurden 420 Patienten in die Analyse einbezogen (EFF-Gruppe). Davon hatten 232 Patienten mindestens 1 Nachuntersuchung nach 1 Jahr (EFF1J) und 136 Patienten nach 2 Jahren (EFF2J; Abb. 1). Die Baseline-Charakteristika der Patienten in der Studie sind in Tab. 1 dargestellt.
Visusverlauf
Es wurde eine durchschnittliche Verbesserung des Visus bis Tag 90 beobachtet (Abb. 2 a). Danach trat eine kontinuierliche Visusverschlechterung ein. Nach 1 Jahr wurde in der EFF-Gruppe eine mittlere Veränderung der Sehschärfe („visual acuity final score“, VAFS) im Vergleich zu den Baseline-Werten von 1,1 ± 15,7 Buchstaben, nach 2 Jahren von − 0,8 ± 17,2 beobachtet. In der EFF1J-Gruppe wurde eine VAFS-Differenz im Vergleich zu den Baseline-Werten von 0,6 ± 16,2 Buchstaben im ersten Jahr und − 3,0 ± 18,6 im zweiten Jahr beobachtet. In der EFF2J-Gruppe lag diese VAFS-Differenz bei 3,0 ± 14,8 Buchstaben im ersten Jahr und − 1,9 ± 17,9 im zweiten Jahr. Patienten, die eine vollständige Loading-Dosis erhalten hatten (n = 396), also in den ersten 3 Therapiemonaten je 1 Injektion pro Monat, erzielten größere Verbesserungen der Sehschärfe im Vergleich zu denen, die initial keine vollständige 3er-Loading-Dosis erhalten hatten (n = 24; Abb. 2 b).
Anzahl der Visiten, Sehtests und optischen Kohärenztomographien
Die mittlere Anzahl der Visiten war im ersten Jahr noch deutlich höher als im zweiten Jahr (EFF-Gruppe: 7,8 vs. 3,1; EFF1J: 9,0 vs. 5,5; EFF2J: 9,1 vs. 6,4). Die große Mehrheit der EFF-Patienten hatte sowohl im ersten als auch im zweiten Jahr weniger als 10 Visiten pro Jahr, im zweiten Jahr sogar weniger als 7 (erstes Jahr: 77,4 % < 10 Visiten, 39,3 % < 7 Visiten; zweites Jahr: 90,0 % < 10 Visiten, 79,3 % < 7 Visiten).
Diese Ergebnisse spiegeln sich in der Anzahl der durchgeführten Visus- und OCT (optische Kohärenztomographie)-Untersuchungen wider. Es bestand ein Zusammenhang zwischen der Anzahl der Visiten und der durchgeführten diagnostischen Untersuchungen im ersten und im zweiten Jahr (Tab. 2). Die Anzahl der Arztbesuche und der durchgeführten diagnostischen Untersuchungen nahm vom ersten zum zweiten Jahr hin ab (Abb. 3). Dabei entsprachen weder die Anzahl der Visiten noch die Häufigkeit der diagnostischen Untersuchungen den damals gültigen Empfehlungen: Bis Dezember 2010 waren noch 4- bis 6-wöchentliche Verlaufskontrollen, danach monatliche Kontrollen von den Fachgesellschaften empfohlen worden [9, 10].
Intravitreale Anti-VEGF-Injektionen
Die meisten Patienten in der EFF-Gruppe wurden während der Studiendauer durchgehend mit Ranibizumab behandelt (n = 215 mit ≥ 3 Ranibizumab IVOMs). Eine Minderheit der Patienten erhielt auch eine spätere Behandlung mit Bevacizumab (n = 42), kein Patient erhielt Pegaptanib, Kortikosteroide oder eine photodynamische Therapie. Über den gesamten Zeitraum von 2 Jahren erhielten die Patienten in der EFF-Gruppe im Mittel 5,6 ± 3,5 IVOMs. Bei Patienten der EFF1J- bzw. EFF2J-Gruppen lag die Anzahl der IVOMs bei durchschnittlich 7,3 ± 3,9 bzw. 7,8 ± 4,0.
Im ersten Jahr erhielten Patienten der EFF-Gruppe mehr IVOMs als im zweiten Jahr (4,3 ± 1,9 vs. 1,3 ± 2,2). Ähnliche Ergebnisse wurden sowohl bei der EFF1J-Gruppe (5,0 ± 2,0 vs. 2,4 ± 2,5) als auch bei der EFF2J-Gruppe (5,0 ± 2,0 vs. 2,9 ± 2,6) beobachtet.
Gründe für die Beendigung der Studie
Eine letzte Visite vor dem 31.08.2011 wurde für 48,3 % der EFF-Gruppe dokumentiert. In den meisten Fällen erfolgte der Abbruch während der Beobachtungsphase (n = 163, 37,6 %). Gründe für die Beendigung der Studie waren ein Wechsel des behandelnden Arztes (6,4 %), die Entziehung der Zustimmung zur Studienteilnahme (1,4 %), fehlende Nachuntersuchungen (3,6 %), andere nicht definierte Gründe (2,4 %) oder fehlende Angaben (0,2 %).
Nach Auskunft der behandelnden Ärzte waren die Hauptgründe für eine Therapieunterbrechung oder einen kompletten Therapieabbruch eine Krankheitsstabilisierung (30,4 %), Fibrose/Atrophie/Narbenbildung (14,6 %) oder eine erfolglose Behandlung (11,4 %). Andere Ursachen waren die Patientenentscheidung (6,3 %), unerwünschte Ereignisse am Auge (5,1 %), Probleme wegen Kosten/Erstattung (1,3 %) oder andere nicht dokumentierte Gründe (5,7 %). In 25,3 % der Fälle fehlten diesbezügliche Angaben.
Subanalysen
Verlaufskontrollen
Innerhalb der EFF-Gruppe wurden die Auswirkungen der klinischen Anwendung von Ranibizumab sowie mögliche Zusammenhänge zwischen der Anzahl der Arztbesuche, diagnostischer Untersuchungen und den klinischen Ergebnissen untersucht. Die Regelmäßigkeit der Verlaufskontrollen war definiert als Verlaufskontrollen in Abständen von 30 ± 7 Tagen, 30 ± 14 Tagen, oder 37 ± 14 Tagen für alle 3 untersuchten Zeiträume (Tab. 3). Nur wenige Patienten wurden gemäß den analysierten Zeitintervallen regelmäßig untersucht. Die Mehrzahl der Visiten (> 98,6 %) erfolgte – für jedes untersuchte Zeitfenster – unregelmäßig (Tab. 3). Der durchschnittliche Abstand (± Standardabweichung) zwischen den Visiten lag bei 47,7 ± 36,7 Tage (min. 1,0 und max. 279,3 Tage). Sowohl die Anzahl als auch die Regelmäßigkeit der Besuche wiesen einen Zusammenhang mit den Visusergebnissen auf: Der Visus der regelmäßig untersuchten Patienten war besser als mit unregelmäßigen Visiten (Abb. 4). Dies korrelierte entsprechend mit der Häufigkeit von diagnostischen Untersuchungen und Behandlungen (Tab. 3).
Anzahl der Injektionen
Die Mehrheit der Patienten der EFF-Gruppe (65 %) erhielt im ersten Jahr weniger als 5 IVOMs. Die niedrige Behandlungshäufigkeit war im zweiten Jahr (90 %) noch ausgeprägter. Nur 7,6 % der Patienten erhielten mehr als 7 IVOMs im ersten Jahr. Im zweiten Jahr lag die Zahl der Patienten, die über 7 IVOMs erhielten, mit 2,1 % noch niedriger. Dabei war ein Zusammenhang zwischen der Anzahl der IVOMs und der Sehschärfe erkennbar. Mit 5 bis 7 IVOMs im ersten Jahr wurde eine höhere VAFS-Differenz beobachtet als mit < 5 IVOMs (1,8 vs. − 1,3). Über 7 IVOMs lag die VAFS-Differenz bei 1,4.
Es bestand auch ein Zusammenhang zwischen der Anzahl der IVOMs im ersten und zweiten Jahr und dem Therapieerfolg gemessen als absoluter Buchstabengewinn. Insgesamt betrug die Sehverbesserung (> 0 Buchstabengewinn) im ersten Jahr 22 % und im zweiten Jahr 13 %. Mit mehr als 7 IVOMs war im ersten Jahr eine Sehverbesserung bei 62,5 % der Patienten eingetreten, mit 5 bis 7 IVOMs bei 44,7 % und mit < 5 IVOMs bei 44,9 %. Im zweiten Jahr war dies bei 75,0, 50,0 bzw. 32,4 % der Patienten der Fall. Eine deutliche Sehverbesserung (≥ 15 Buchstabengewinn) hatten 8 % im ersten Jahr und 6 % im zweiten Jahr. Mit über 7 IVOMs wurde eine deutliche Sehverbesserung häufiger beobachtet als mit weniger als 5 IVOMs (Tab. 4). Hierzu ist jedoch zu betonen, dass im zweiten Jahr 67 % der Daten fehlten („missing data“).
Versicherungsstatus
Die Auswertungen nach Versicherungsstatus zeigen einen Unterschied zwischen gesetzlich und privat versicherten Patienten hinsichtlich der Sehverbesserung. Für die gesetzlich Versicherten (n = 341) lag die mittlere Baseline-VAFS bei 52,5 ± 17,3 Buchstaben, für privat versicherte Patienten (n = 71) bei 54,6 ± 17,9. Nach 1 Jahr betrug die mittlere VAFS 54,7 ± 21,1 bzw. 60,7 ± 13,3 (VAFS-Differenz: 2,2 Buchstaben für gesetzlich Versicherte; 6,1 für Privatversicherte); nach 2 Jahren lag der Visus bei 55,7 ± 18,1 für gesetzlich Versicherte bzw. bei 57,7 ± 19,9 für privat Versicherte (VAFS-Differenz: 3,2 Buchstaben für gesetzlich Versicherte; 3,1 für privat Versicherte).
Diskussion
In dieser retrospektiven Untersuchung der Versorgungsrealität und der Wirksamkeit der nAMD-Therapie mit Ranibizumab in Deutschland zwischen 2009 und 2011 wurde beobachtet, dass die durchschnittliche Sehschärfe nur während der ersten 3 Monate verbessert werden konnte. Die anfängliche Verbesserung konnte allerdings im weiteren Verlauf nicht beibehalten werden. Die Daten deuten darauf hin, dass die Verschlechterung der Sehschärfe bei denjenigen Patienten schneller voranschritt, die keine Loading-Dosis erhalten hatten. Diese klinischen Ergebnisse waren mit einer niedrigeren Anzahl an Arztbesuchen und unregelmäßigen Verlaufskontrollen sowie Behandlungen verbunden. Verlaufskontrollen und Diagnostik wurden dabei im ersten Jahr häufiger durchgeführt als im zweiten Jahr. Ein Zusammenhang zwischen der Anzahl der Visiten und den diagnostischen Untersuchungen war erkennbar. Wie erwartet war die Anzahl der Untersuchungen umso niedriger, je seltener Verlaufskontrollen stattgefunden hatten.
Bei den Ergebnissen aus der deutschen Kohorte der AURA-Studie ist eine Reihe potenzieller Einflussfaktoren zu berücksichtigen. Die Empfehlungen der deutschen Fachgesellschaften zur Behandlung der nAMD wurden nach Beginn dieser Studie modifiziert. Beispielsweise wurden in der damals aktuellen Stellungnahme der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft, des Berufsverbandes der Augenärzte und der Retinologischen Gesellschaft (Stand März 2009) noch Kontrollintervalle von „4 bis 6 Wochen“ während der ersten 6 Monate empfohlen. Für das OCT wurde angemerkt, dass es bei der Verlaufsbeobachtung zur Beurteilung einer eventuellen Krankheitsprogredienz „zusätzlich hilfreich“ sein könne [9]. Noch innerhalb des Beobachtungszeitraums der AURA-Studie kam es zu einer Ergänzung der Stellungnahme, in der monatliche Verlaufskontrollen empfohlen und morphologische Wiederbehandlungskriterien definiert wurden. Diese Stellungnahme schlägt auch vor, dass die morphologischen Kriterien am sensitivsten sind und daher die Befundkontrolle eine OCT-Untersuchung beinhalten sollte [10]. Im Beobachtungszeitraum der AURA-Studie beschrieb die Fachinformation für Ranibizumab ausschließlich visusbasierte Wiederbehandlungskriterien.
Zum Zeitpunkt der Datenerhebung im Rahmen der AURA-Studie war die IVOM noch nicht Bestandteil des Gebührenkatalogs der Krankenversicherungen; die Aufnahme erfolgte erst zum 01.10.2014 [12]. Die daraus resultierenden Erstattungsprobleme für eine IVOM-Therapie können so zu Verzögerungen geführt haben [16], was zu einer großen Heterogenität bei den Wiederbehandlungskriterien und vermutlich zu den schlechten Therapieergebnissen der AURA-Studie beigetragen hat. Da das Patientenkollektiv aus meist älteren und immobilen Menschen bestand, war nicht selten eine Begleitung zu Arztterminen erforderlich. Transport und Zeitaufwand sind eine enorme Belastung für die Betroffenen und ihre Angehörigen. Diese Faktoren können sich möglicherweise ebenfalls auf die Regelmäßigkeit der Kontrollen im Therapieverlauf ausgewirkt haben.
Andere Beobachtungsstudien zu Ranibizumab haben in der klinischen Praxis ähnliche Ergebnisse gezeigt. In der LUMIERE-StudieFootnote 7 betrug die mittlere Änderung der Sehschärfe über 12 Monate 3,2 ± 14,8 Buchstaben. Patienten erhielten hier durchschnittlich 5,1 IVOMs [4], wobei nur 4,4 % der Patienten (n = 24) zu regelmäßigen Untersuchungsterminen erschienen [17].
Ähnliche Ergebnisse wie in der hier dargestellten Studie wurden bereits in der zuvor publizierten WAVE-BeobachtungsstudieFootnote 8 für Deutschland berichtet. Die darin beschriebenen Patienten erhielten im Mittel 4,34 Ranibizumab-IVOMs in 12 Monaten, und die mittlere Veränderung der Sehschärfe gegenüber dem Ausgangswert bis Monat 12 betrug + 0,02 logMAR [5].
Unter der seltenen Ranibizumab-Gabe im Zeitraum von 2009 bis 2011 zeigt unsere Studie nach kurzfristiger initialer Besserung eine kontinuierliche Verschlechterung der Sehschärfe auf den Ausgangswert nach 1 Jahr und eine weitere Verschlechterung nach 2 Jahren. Die Subgruppenanalysen zeigen, dass die Ergebnisse mit der Anzahl der verabreichten IVOMs korrelieren. Abgesehen von der Loading-Phase weisen die Ergebnisse darauf hin, dass Patienten mit nAMD in Deutschland weder entsprechend der damals gültigen Fachinformation für Ranibizumab noch nach der damals aktuellen Therapieempfehlung der Fachgesellschaften kontrolliert und behandelt wurden. Über Gründe für die wenig standardisierte Vorgehensweise und kontinuierliche Abnahme der Arztbesuche kann angesichts der retrospektiv erhobenen Daten im Einzelfall nur spekuliert werden.
Vermutlich haben mehrere Gründe zu den schlechten Ergebnissen im Rahmen der AURA-Studie beigetragen. In den Tagen der damals noch jungen Therapie muss an die geringen Vorerfahrungen, die schlecht geregelte Kostenübernahme und eine schlechte Patientenadhärenz gedacht werden.
Limitationen
Bei der Beurteilung der Ergebnisse sind mehrere Einschränkungen zu berücksichtigen. Es handelt sich um eine retrospektive Beobachtungsstudie ohne Kontrollgruppe. Darüber hinaus standen für das zweite Jahr insgesamt wesentlich weniger Daten zur Verfügung als für das erste Jahr. Die hier beobachtete initiale Visusverbesserung nach 3 IVOMs ist geringer als in den zur Zulassung führenden Phase-III-Studien, was auf ein heterogenes Krankheitsbild der nAMD deutet. Zudem wiesen einzelne Subgruppen nur sehr geringe Fallzahlen auf.
Ausblick
Hier dargestellte Real-Life-Daten zeigen, dass die Behandlung von Patienten mit nAMD in Deutschland zum Zeitpunkt der Datenerhebung der AURA-Studie verbesserungswürdig war. Das Potenzial der Anti-VEGF-Therapie im Rahmen einer Bedarfsbehandlung (PRN-Schema) wurde nicht ausgeschöpft. Inzwischen hat sich die Evidenz verdichtet, dass – entsprechend den Empfehlungen der Fachgesellschaften – regelmäßige monatliche Kontrollen mit OCT für ein PRN-Schema in der klinischen Praxis zur Therapieoptimierung erforderlich sind. Strategien, den Behandlungserfolg zu verbessern, sollten sowohl medizinische, logistische und kostenerstattungsbezogene Faktoren berücksichtigen als auch die Adhärenz stärken.
Fazit für die Praxis
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Die Ergebnisse der AURA-Studie weisen auf ein suboptimales Behandlungsergebnis in der Real-Life-Anwendung der Anti-VEGF-Therapie bei Patienten mit nAMD hin.
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Hierfür sind offensichtlich vor allem zu geringe Injektionsfrequenzen und zu seltene Monitoringvisiten mit OCT-Kontrollen verantwortlich.
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Um optimale Ergebnisse durch ein bedarfsabhängiges Schema mit VEGF-Inhibitoren zu erreichen, sollten Patienten mit nAMD langfristig regelmäßig in 4-wöchentlichen Intervallen kontrolliert werden.
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Weil eine Unterbehandlung im klinischen Versorgungsalltag zu einem unwiederbringlichen Visusverlust bei den Patienten führen kann, ging den Betroffenen in Deutschland ein Teil des potenziellen Therapienutzens verloren.
Notes
Study to Assess the Effectiveness of Existing Anti-Vascular Endothelial Growth Factor in Patients with Wet Age-related Macular Degeneration.
European Eye study.
Minimally Classic/Occult Trial of the Anti-VEGF Antibody Ranibizumab in the Treatment of Neovascular Age-Related Macular Degeneration.
Anti-VEGF Antibody for the Treatment of Predominantly Classic Choroidal Neovascularization in Age-Related Macular Degeneration study.
Comparison of AMD Treatment Trial.
Inhibit VEGF in Age-Related Choroidal Neovascularisation study.
Changes in Visual Acuity in Patients with Wet Age-Related Macular Degeneration Treated with Intravitreal Ranibizumab in Daily Clinical Practice study.
Impact of Anti-Vascular Endothelial Growth Factor Treatment in Routine Medical Practice on Vision-Related Quality of Life in Neovascular Age-Related Macular Degeneration study.
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Einhaltung ethischer Richtlinien
Interessenkonflikt. S. Bopp: Unterstützung klinischer Studien: Bayer, Novartis. N. Eter: Unterstützung von Forschungsprojekten und klinischen Studien: Alcon, Alimera, Allergan, Bayer, Boehringer-Ingelheim, Novartis, Roche, Pfizer; Beratung, Honorare, Reisekosten: Allergan, Bayer, Bausch & Lomb, Heidelberg Engineering, Novartis, Sanofi-Aventis. S. Fauser: Unterstützung von Forschungsprojekten und klinischen Studien: Bayer, Novartis; Beratung, Honorare, Reisekosten: Bayer, Novartis. Z. Hasanbasic: Angestellter bei Bayer HealthCare Deutschland, Medizinische Abteilung für Ophthalmologie. F.G. Holz: Unterstützung von Forschungsprojekten und klinischen Studien: Acucela, Alcon, Alimera, Allergan, Bayer, Genentech, Novartis, Thrombogenics; Beratung, Honorare, Reisekosten: Acucela, Alcon, Allergan, Bayer, Boehringer-Ingelheim, Genentech, Novartis, Roche. M. Radermacher: Beratung, Honorare, Reisekosten: Bayer, Novartis. F. Ziemssen: Unterstützung von Forschungsprojekten und klinischen Studien: Acucela, Alcon, Alimera, Allergan, Bayer, Biogen, Novartis, pSivida; Beratung, Honorare, Reisekosten: Acucela, Alcon, Alimera, Allergan, Bayer, Novartis.
Alle Patienten, die über Bildmaterial oder anderweitige Angaben innerhalb des Manuskripts zu identifizieren sind, haben hierzu ihre schriftliche Einwilligung gegeben. Im Falle von nicht mündigen Patienten liegt die Einwilligung eines Erziehungsberechtigten oder des gesetzlich bestellten Betreuers vor.
Alle im vorliegenden Manuskript beschriebenen Untersuchungen am Menschen wurden mit Zustimmung der zuständigen Ethik-Kommission, im Einklang mit nationalem Recht sowie gemäß der Deklaration von Helsinki von 1975 (in der aktuellen, überarbeiteten Fassung) durchgeführt. Von allen beteiligten Patienten liegt eine Einverständniserklärung vor.
Author information
Authors and Affiliations
Consortia
Corresponding author
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___Aura-Prüfärzte (Deutschland)_____
Prof. Dr. med. K.U. Bartz-Schmidt, Universitätsklinikum Tübingen, Abteilung für Augenheilkunde, Tübingen; PD Dr. med. S. Bopp, Klinikum Universitätsallee, Bremen; PD Dr. med. S. Dinslage, Augenarzt Bad Tölz, Bad Tölz; Prof. Dr. P. Esser, St. Elisabeth Krankenhaus, Köln; Prof. Dr. med. N. Eter, Universitäts-Augenklinik Münster, Münster; Dr. med. B. Faßbender, Augenklinik Detmold; Detmold; PD Dr. S. Fauser, Klinikum der Universität zu Köln, Zentrum für Augenheilkunde, Netzhaut- und Glaskörperchirurgie, Köln; Dr. med. D. Fromberg, Gemeinschaftspraxis, St. Wendel; Dr. med. U. Heuer, Medical Eye Care Center Farmsen, Hamburg; Prof. Dr. med. H. Höh, Dietrich Bonhoeffer Klinikum, Abteilung Klinik für Augenheilkunde, Neubrandenburg; Prof. Dr. F. Holz, Universität Bonn, Augenklinik, Bonn; Dr. med. P. Kaupke, Augenarztpraxis Blankenese, Hamburg-Blankenese; Prof. Dr. B. Kirchhof, Klinikum der Universität zu Köln, Zentrum für Augenheilkunde, Netzhaut- und Glaskörperchirurgie, Köln; Dr. med. W. Lange, Chiemsee Augen Tagesklinik, Prien; PD Dr. T. Laube, Zentrum Augenheilkunde, Düsseldorf; Prof. Dr. W. Lieb, St. Vicentus Kliniken gAG, Augenklinik, Karlsruhe; Dr. med. H. Machemer, Augen Praxisklinik Lübeck, Lübeck; Dr. med. A. Mohr, Augenklinik St.-Joseph Stift Bremen, Bremen; PD Dr. med. M. Pache, Die Augenärzte am Jahnplatz, Bielefeld; Dr. med. M. Radermacher, Augenarzt Gemeinschaftspraxis Waldbröl, Waldbröl; Dr. med. G. Scharioth, Überörtliche Gemeinschaftspraxis Dr. Scharioth und Dr. de Ortueta, Recklinghausen; Dr. med. S. Schmickler, Augen-Zentrum-Nordwest, Ahaus; Prof. Dr. N. Schrage, Augenklinik Köln-Merheim, Köln; Dr. med. A. Schumacher, Augenärztliche Gemeinschaftspraxis, Karlsruhe; Prof. Dr. med. P. Szurman, Knappschaftskrankenhaus Sulzbach, Augenklinik, Sulzbach; Dr. med. U. Thelen, Augenärzte Klosterstraße, Gemeinschaftspraxis Dr. med. Ulrich Thelen, Münster; Prof. Dr. P. Walter, Universitäts-Augenklinik Aachen, Aachen; Prof. Dr. med. P. Wiedemann, Universitätsklinikum Leipzig, Leipzig; Prof. Dr. Dr. med. W. Wiegand, Asklepios Klinikum Nord, Hamburg.
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Ziemssen, F., Eter, N., Fauser, S. et al. Retrospektive Untersuchung der Anti-VEGF-Behandlungsrealität und Wirksamkeit bei Patienten mit neovaskulärer altersabhängiger Makuladegeneration (nAMD) in Deutschland. Ophthalmologe 112, 246–254 (2015). https://doi.org/10.1007/s00347-014-3217-7
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DOI: https://doi.org/10.1007/s00347-014-3217-7