Die neovaskuläre altersabhängige Makuladegeneration (nAMD) führt für betroffene Patienten unbehandelt zu einer dramatischen Verschlechterung der Lebensqualität. Durch die veränderte Altersstruktur einer immer älter werdenden Bevölkerung hat der Anteil der Patienten mit nAMD zugenommen und wird auch weiterhin ansteigen. Der aktuelle Therapiestandard zur Behandlung der nAMD umfasst die intravitreale operative Medikamentengabe (IVOM) von Vascular-endothelial-growth-factor (VEGF)-Inhibitoren, die eine Stabilisierung oder auch Verbesserung der Sehschärfe ermöglichen können. Für die Auswertung der deutschen Kohorte wurden die Daten der multizentrischen, internationalen, retrospektiven AURAFootnote 1-Studie herangezogen, um die Versorgungsrealität in den Jahren 2009 bis 2011 darzustellen.

Die nAMD ist eine progressive chronische Erkrankung der Makula [6, 17]. Die Prävalenz liegt bei Patienten über 65 Jahren nach Angaben der EUR*EYE-StudieFootnote 2 bei 3,32 % [1]. Die Übertragung entsprechender Stichproben von England auf Deutschland lässt erwarten, dass es pro Jahr über 96.000 neue Patienten geben dürfte, für die eine intravitreale Medikamentenapplikation infrage kommt [13]. Als Standardtherapie hat sich die intravitreale Injektion von VEGF-Inhibitoren etabliert. Ranibizumab – ein VEGF-Antikörperfragment – war eine der ersten pharmakologischen Substanzen mit nachgewiesener Wirksamkeit [7].

In den Zulassungsstudien wurde unter monatlicher Behandlung eine Verbesserung der Sehschärfe erreicht, die über 24 Monate anhielt [2, 18]: In der MARINA-StudieFootnote 3 [n = 716 Patienten, minimal klassische/okkulte choroidale Neovaskularisation (CNV)] wurde eine mittlere Verbesserung um 7,2 Buchstaben nach 12 Monaten beobachtet [18]. In der ANCHOR-StudieFootnote 4 lag bei 423 Patienten mit vorwiegend klassischer CNV der Gewinn bei 11,3 ± 14,6 Buchstaben nach 12 Monaten; ein Anstieg um 8,1 ± 10,7 Buchstaben wurde über 24 Monate berichtet [2].

Studien mit längeren Therapieintervallen – vierteljährliche Gabe von Ranibizumab – lieferten schlechtere Ergebnisse. In den Head-to-Head-Studien CATTFootnote 5 und IVANFootnote 6 wurden meist monatliche Verlaufskontrollen in den „pro re nata“ (PRN)-Behandlungsarmen eingehalten [3, 15]. In der CATT-Studie schnitt die PRN-Behandlung über 2 Jahre trotzdem etwas schlechter ab als die monatliche Dauertherapie – vermutlich auch, weil nach Einschätzung des Auswertezentrums 31,5 % der notwendigen Wiederbehandlungen nicht adäquat erschienen [15]. Unter konsequenter Einhaltung der monatlichen Kontrollen konnte in der IVAN-Studie ein ähnliches Visusergebnis mittels PRN-Behandlung erreicht werden wie mit 4-wöchentlicher Anti-VEGF-Therapie [3].

Die Zulassung zum Zeitpunkt der AURA-Studie (2009–2011) sowie die aktuelle Fachinformation von Ranibizumab in Europa entsprachen nicht dem Dosierungsschema der klinischen Studien. Gemäß der Fachinformation von Ranibizumab war eine Wiederaufnahme der Therapie nach den initialen 3 Injektionen (Loading-Phase) im monatlichen Abstand nur dann indiziert, wenn der Patient einen erneuten Visusverlust erleidet [11, 14].

Häufige Kontrollen und Behandlungen stellen eine Belastung und ein mögliches Hindernis für Patienten und Ärzte im klinischen Alltag dar. Daher wurden die Anwendung der Anti-VEGF-Therapie mit Ranibizumab im Behandlungsalltag, die dabei angewandten Behandlungsregime sowie die Auswirkungen auf die Sehschärfe in der internationalen retrospektiven AURA-Studie untersucht. Über die vergleichende Darstellung der anderen beteiligten Länder wurde bereits berichtet. Ziel der vorliegenden Studie war es, die Ergebnisse der deutschen Kohorte der AURA-Studie im Detail zu beschreiben.

Methodik

Im Rahmen der retrospektiven AURA-Studie wurden die Daten von Patienten ausgewertet, bei denen zwischen dem 01.01.2009 und 31.08.2009 erstmals eine nAMD mit Ranibizumab behandelt worden war. Die Studie wurde nach identischem Protokoll auch in Kanada, Frankreich, Irland, Italien, den Niederlanden, Großbritannien und Venezuela durchgeführt. Die Patienten wurden bis zum 31.08.2011 nachbeobachtet. Dabei lautete die bis September 2011 gültige Dosierungsempfehlung für Ranibizumab nach der Fachinformation wie folgt: monatliche Injektionen während der ersten 3 Monate; monatliche Visuskontrollen in der nachfolgenden Erhaltungsphase; bei Sehverlust von > 5 Buchstaben [Early Treatment Diabetic Retinopathy Study (ETDRS) oder äquivalent 1 Snellen-Linie] erneute Verabreichung von Ranibizumab [11].

Als primärer Endpunkt galt die Veränderung der Sehschärfe am Ende der ersten beiden Behandlungsjahre. Aufgrund der im klinischen Alltag benutzten unterschiedlichen Teste wurden die dokumentierten Visuswerte in Buchstaben umgewandelt, um diese statistisch analysieren zu können. Dies erfolgte nach der bei Holz et al. [8] beschriebenen Methode. Sekundäre Endpunkte waren die Ermittlung der angewandten Behandlungsintervalle sowie die Erfassung der durchgeführten Untersuchungen der Patienten in der klinischen Praxis.

Für den Fall fehlender Werte wurden die Angaben mittels der LOCF („last observation carried forward“)-Methode ergänzt, wobei der zuletzt ermittelte Wert auch als letzter Studienwert verwendet wurde. Aufgrund des explorativen Charakters der Studie sind alle Analysen deskriptiver Natur.

Studienpopulation

In die globale AURA-Studie [8] wurden 2671 Patienten einbezogen, in der deutschen Studie waren es 454 Patienten. Als Stichprobe wurden die Patienten ausgewertet, die ≥ 1 Behandlung mit Ranibizumab erhalten hatten (global: 2609, in Deutschland: 454). Die Untergruppe zur Analyse der Wirksamkeit („effectiveness analysis set“, EFF) bestand aus Patienten, die zusätzlich ≥ 1 Verlaufskontrolle mit erfasster Sehschärfe durchliefen (d. h. Patienten mit ≥ 1 Sehschärfetest vor Behandlungsbeginn und ≥ 1 Sehschärfetest nach Behandlungsbeginn). Global handelte es sich dabei um 2227 Patienten, in Deutschland um 420 Patienten. Patienten in der EFF-Gruppe, über die Daten über ≥ 1 oder ≥ 2 Jahre nach der ersten IVOM zur Verfügung standen, wurden jeweils als „Completer“ für das erste und zweite Jahr einer entsprechenden Analysegruppe zugeordnet (EFF1J bzw. EFF2J).

Ergebnisse

Standorte und Patienten

In Deutschland nahmen 28 ophthalmologische Zentren an der Studie teil. Darunter waren 6 Universitätskliniken, 7 städtische Krankenhäuser und 15 niedergelassene Augenarztpraxen. Insgesamt wurden 420 Patienten in die Analyse einbezogen (EFF-Gruppe). Davon hatten 232 Patienten mindestens 1 Nachuntersuchung nach 1 Jahr (EFF1J) und 136 Patienten nach 2 Jahren (EFF2J; Abb. 1). Die Baseline-Charakteristika der Patienten in der Studie sind in Tab. 1 dargestellt.

Abb. 1
figure 1

Patientenflussdiagramm. Die EFF („effectiveness analysis set“)-Gruppe war definiert als Patienten mit ≥ 1 Sehschärfetest für das behandelte Auge vor Behandlungsbeginn und ≥ 1 Sehschärfetest für das behandelte Auge nach Behandlungsbeginn

Tab. 1 Baseline-Charakteristika

Visusverlauf

Es wurde eine durchschnittliche Verbesserung des Visus bis Tag 90 beobachtet (Abb. 2 a). Danach trat eine kontinuierliche Visusverschlechterung ein. Nach 1 Jahr wurde in der EFF-Gruppe eine mittlere Veränderung der Sehschärfe („visual acuity final score“, VAFS) im Vergleich zu den Baseline-Werten von 1,1 ± 15,7 Buchstaben, nach 2 Jahren von − 0,8 ± 17,2 beobachtet. In der EFF1J-Gruppe wurde eine VAFS-Differenz im Vergleich zu den Baseline-Werten von 0,6 ± 16,2 Buchstaben im ersten Jahr und − 3,0 ± 18,6 im zweiten Jahr beobachtet. In der EFF2J-Gruppe lag diese VAFS-Differenz bei 3,0 ± 14,8 Buchstaben im ersten Jahr und − 1,9 ± 17,9 im zweiten Jahr. Patienten, die eine vollständige Loading-Dosis erhalten hatten (n = 396), also in den ersten 3 Therapiemonaten je 1 Injektion pro Monat, erzielten größere Verbesserungen der Sehschärfe im Vergleich zu denen, die initial keine vollständige 3er-Loading-Dosis erhalten hatten (n = 24; Abb. 2 b).

Abb. 2
figure 2

a Veränderung der Sehschärfe: EFF („effectiveness analysis set“)-Gruppe. b Differenzierte Darstellung der Patienten der EFF-Gruppe, die eine Loading-Dosis von 3 intravitrealen operativen Medikamentengaben (IVOMs) in annähernd monatlichem Abstand erhalten hatten (Linie), und bei Patienten, die keine Loading-Dosis erhalten hatten, LOCF („last observation carried forward“)-Analyse (Strichlinie)

Anzahl der Visiten, Sehtests und optischen Kohärenztomographien

Die mittlere Anzahl der Visiten war im ersten Jahr noch deutlich höher als im zweiten Jahr (EFF-Gruppe: 7,8 vs. 3,1; EFF1J: 9,0 vs. 5,5; EFF2J: 9,1 vs. 6,4). Die große Mehrheit der EFF-Patienten hatte sowohl im ersten als auch im zweiten Jahr weniger als 10 Visiten pro Jahr, im zweiten Jahr sogar weniger als 7 (erstes Jahr: 77,4 % < 10 Visiten, 39,3 % < 7 Visiten; zweites Jahr: 90,0 % < 10 Visiten, 79,3 % < 7 Visiten).

Diese Ergebnisse spiegeln sich in der Anzahl der durchgeführten Visus- und OCT (optische Kohärenztomographie)-Untersuchungen wider. Es bestand ein Zusammenhang zwischen der Anzahl der Visiten und der durchgeführten diagnostischen Untersuchungen im ersten und im zweiten Jahr (Tab. 2). Die Anzahl der Arztbesuche und der durchgeführten diagnostischen Untersuchungen nahm vom ersten zum zweiten Jahr hin ab (Abb. 3). Dabei entsprachen weder die Anzahl der Visiten noch die Häufigkeit der diagnostischen Untersuchungen den damals gültigen Empfehlungen: Bis Dezember 2010 waren noch 4- bis 6-wöchentliche Verlaufskontrollen, danach monatliche Kontrollen von den Fachgesellschaften empfohlen worden [9, 10].

Tab. 2 Durchschnittliche Anzahl der Untersuchungen/IVOMs nach Anzahl der Visiten
Abb. 3
figure 3

Durchschnittliche Anzahl der Arztbesuche und der diagnostischen Untersuchungen (mit Standardabweichung) in der EFF („effectiveness analysis set“)-Gruppe. OCT optische Kohärenztomographie, IVOM intravitreale operative Medikamentengabe

Intravitreale Anti-VEGF-Injektionen

Die meisten Patienten in der EFF-Gruppe wurden während der Studiendauer durchgehend mit Ranibizumab behandelt (n = 215 mit ≥ 3 Ranibizumab IVOMs). Eine Minderheit der Patienten erhielt auch eine spätere Behandlung mit Bevacizumab (n = 42), kein Patient erhielt Pegaptanib, Kortikosteroide oder eine photodynamische Therapie. Über den gesamten Zeitraum von 2 Jahren erhielten die Patienten in der EFF-Gruppe im Mittel 5,6 ± 3,5 IVOMs. Bei Patienten der EFF1J- bzw. EFF2J-Gruppen lag die Anzahl der IVOMs bei durchschnittlich 7,3 ± 3,9 bzw. 7,8 ± 4,0.

Im ersten Jahr erhielten Patienten der EFF-Gruppe mehr IVOMs als im zweiten Jahr (4,3 ± 1,9 vs. 1,3 ± 2,2). Ähnliche Ergebnisse wurden sowohl bei der EFF1J-Gruppe (5,0 ± 2,0 vs. 2,4 ± 2,5) als auch bei der EFF2J-Gruppe (5,0 ± 2,0 vs. 2,9 ± 2,6) beobachtet.

Gründe für die Beendigung der Studie

Eine letzte Visite vor dem 31.08.2011 wurde für 48,3 % der EFF-Gruppe dokumentiert. In den meisten Fällen erfolgte der Abbruch während der Beobachtungsphase (n = 163, 37,6 %). Gründe für die Beendigung der Studie waren ein Wechsel des behandelnden Arztes (6,4 %), die Entziehung der Zustimmung zur Studienteilnahme (1,4 %), fehlende Nachuntersuchungen (3,6 %), andere nicht definierte Gründe (2,4 %) oder fehlende Angaben (0,2 %).

Nach Auskunft der behandelnden Ärzte waren die Hauptgründe für eine Therapieunterbrechung oder einen kompletten Therapieabbruch eine Krankheitsstabilisierung (30,4 %), Fibrose/Atrophie/Narbenbildung (14,6 %) oder eine erfolglose Behandlung (11,4 %). Andere Ursachen waren die Patientenentscheidung (6,3 %), unerwünschte Ereignisse am Auge (5,1 %), Probleme wegen Kosten/Erstattung (1,3 %) oder andere nicht dokumentierte Gründe (5,7 %). In 25,3 % der Fälle fehlten diesbezügliche Angaben.

Subanalysen

Verlaufskontrollen

Innerhalb der EFF-Gruppe wurden die Auswirkungen der klinischen Anwendung von Ranibizumab sowie mögliche Zusammenhänge zwischen der Anzahl der Arztbesuche, diagnostischer Untersuchungen und den klinischen Ergebnissen untersucht. Die Regelmäßigkeit der Verlaufskontrollen war definiert als Verlaufskontrollen in Abständen von 30 ± 7 Tagen, 30 ± 14 Tagen, oder 37 ± 14 Tagen für alle 3 untersuchten Zeiträume (Tab. 3). Nur wenige Patienten wurden gemäß den analysierten Zeitintervallen regelmäßig untersucht. Die Mehrzahl der Visiten (> 98,6 %) erfolgte – für jedes untersuchte Zeitfenster – unregelmäßig (Tab. 3). Der durchschnittliche Abstand (± Standardabweichung) zwischen den Visiten lag bei 47,7 ± 36,7 Tage (min. 1,0 und max. 279,3 Tage). Sowohl die Anzahl als auch die Regelmäßigkeit der Besuche wiesen einen Zusammenhang mit den Visusergebnissen auf: Der Visus der regelmäßig untersuchten Patienten war besser als mit unregelmäßigen Visiten (Abb. 4). Dies korrelierte entsprechend mit der Häufigkeit von diagnostischen Untersuchungen und Behandlungen (Tab. 3).

Tab. 3 VAFS-Differenz zu Baseline, Sehschärfeergebnis und diagnostischen Untersuchungen sowie Behandlungen nach Regelmäßigkeit der Visiten und der analysierten Zeiträumen in der EFF-Gruppe
Abb. 4
figure 4

Sehschärfe (VAFS-Differenz zu Baseline in Buchstaben) der EFF („effectiveness analysis set“)-Gruppe nach Regelmäßigkeit der Visiten und der analysierten Zeiträume. VAFS „visual acuity final score“ (Sehschärfeendwert)

Anzahl der Injektionen

Die Mehrheit der Patienten der EFF-Gruppe (65 %) erhielt im ersten Jahr weniger als 5 IVOMs. Die niedrige Behandlungshäufigkeit war im zweiten Jahr (90 %) noch ausgeprägter. Nur 7,6 % der Patienten erhielten mehr als 7 IVOMs im ersten Jahr. Im zweiten Jahr lag die Zahl der Patienten, die über 7 IVOMs erhielten, mit 2,1 % noch niedriger. Dabei war ein Zusammenhang zwischen der Anzahl der IVOMs und der Sehschärfe erkennbar. Mit 5 bis 7 IVOMs im ersten Jahr wurde eine höhere VAFS-Differenz beobachtet als mit < 5 IVOMs (1,8 vs. − 1,3). Über 7 IVOMs lag die VAFS-Differenz bei 1,4.

Es bestand auch ein Zusammenhang zwischen der Anzahl der IVOMs im ersten und zweiten Jahr und dem Therapieerfolg gemessen als absoluter Buchstabengewinn. Insgesamt betrug die Sehverbesserung (> 0 Buchstabengewinn) im ersten Jahr 22 % und im zweiten Jahr 13 %. Mit mehr als 7 IVOMs war im ersten Jahr eine Sehverbesserung bei 62,5 % der Patienten eingetreten, mit 5 bis 7 IVOMs bei 44,7 % und mit < 5 IVOMs bei 44,9 %. Im zweiten Jahr war dies bei 75,0, 50,0 bzw. 32,4 % der Patienten der Fall. Eine deutliche Sehverbesserung (≥ 15 Buchstabengewinn) hatten 8 % im ersten Jahr und 6 % im zweiten Jahr. Mit über 7 IVOMs wurde eine deutliche Sehverbesserung häufiger beobachtet als mit weniger als 5 IVOMs (Tab. 4). Hierzu ist jedoch zu betonen, dass im zweiten Jahr 67 % der Daten fehlten („missing data“).

Tab. 4 Sehverbesserung (≥ 15 Buchstabengewinn) in Abhängigkeit von der Anzahl der intravitrealen operativen Medikamentengabe (IVOMs) in der EFF („effectiveness analysis set“)-Gruppe

Versicherungsstatus

Die Auswertungen nach Versicherungsstatus zeigen einen Unterschied zwischen gesetzlich und privat versicherten Patienten hinsichtlich der Sehverbesserung. Für die gesetzlich Versicherten (n = 341) lag die mittlere Baseline-VAFS bei 52,5 ± 17,3 Buchstaben, für privat versicherte Patienten (n = 71) bei 54,6 ± 17,9. Nach 1 Jahr betrug die mittlere VAFS 54,7 ± 21,1 bzw. 60,7 ± 13,3 (VAFS-Differenz: 2,2 Buchstaben für gesetzlich Versicherte; 6,1 für Privatversicherte); nach 2 Jahren lag der Visus bei 55,7 ± 18,1 für gesetzlich Versicherte bzw. bei 57,7 ± 19,9 für privat Versicherte (VAFS-Differenz: 3,2 Buchstaben für gesetzlich Versicherte; 3,1 für privat Versicherte).

Diskussion

In dieser retrospektiven Untersuchung der Versorgungsrealität und der Wirksamkeit der nAMD-Therapie mit Ranibizumab in Deutschland zwischen 2009 und 2011 wurde beobachtet, dass die durchschnittliche Sehschärfe nur während der ersten 3 Monate verbessert werden konnte. Die anfängliche Verbesserung konnte allerdings im weiteren Verlauf nicht beibehalten werden. Die Daten deuten darauf hin, dass die Verschlechterung der Sehschärfe bei denjenigen Patienten schneller voranschritt, die keine Loading-Dosis erhalten hatten. Diese klinischen Ergebnisse waren mit einer niedrigeren Anzahl an Arztbesuchen und unregelmäßigen Verlaufskontrollen sowie Behandlungen verbunden. Verlaufskontrollen und Diagnostik wurden dabei im ersten Jahr häufiger durchgeführt als im zweiten Jahr. Ein Zusammenhang zwischen der Anzahl der Visiten und den diagnostischen Untersuchungen war erkennbar. Wie erwartet war die Anzahl der Untersuchungen umso niedriger, je seltener Verlaufskontrollen stattgefunden hatten.

Bei den Ergebnissen aus der deutschen Kohorte der AURA-Studie ist eine Reihe potenzieller Einflussfaktoren zu berücksichtigen. Die Empfehlungen der deutschen Fachgesellschaften zur Behandlung der nAMD wurden nach Beginn dieser Studie modifiziert. Beispielsweise wurden in der damals aktuellen Stellungnahme der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft, des Berufsverbandes der Augenärzte und der Retinologischen Gesellschaft (Stand März 2009) noch Kontrollintervalle von „4 bis 6 Wochen“ während der ersten 6 Monate empfohlen. Für das OCT wurde angemerkt, dass es bei der Verlaufsbeobachtung zur Beurteilung einer eventuellen Krankheitsprogredienz „zusätzlich hilfreich“ sein könne [9]. Noch innerhalb des Beobachtungszeitraums der AURA-Studie kam es zu einer Ergänzung der Stellungnahme, in der monatliche Verlaufskontrollen empfohlen und morphologische Wiederbehandlungskriterien definiert wurden. Diese Stellungnahme schlägt auch vor, dass die morphologischen Kriterien am sensitivsten sind und daher die Befundkontrolle eine OCT-Untersuchung beinhalten sollte [10]. Im Beobachtungszeitraum der AURA-Studie beschrieb die Fachinformation für Ranibizumab ausschließlich visusbasierte Wiederbehandlungskriterien.

Zum Zeitpunkt der Datenerhebung im Rahmen der AURA-Studie war die IVOM noch nicht Bestandteil des Gebührenkatalogs der Krankenversicherungen; die Aufnahme erfolgte erst zum 01.10.2014 [12]. Die daraus resultierenden Erstattungsprobleme für eine IVOM-Therapie können so zu Verzögerungen geführt haben [16], was zu einer großen Heterogenität bei den Wiederbehandlungskriterien und vermutlich zu den schlechten Therapieergebnissen der AURA-Studie beigetragen hat. Da das Patientenkollektiv aus meist älteren und immobilen Menschen bestand, war nicht selten eine Begleitung zu Arztterminen erforderlich. Transport und Zeitaufwand sind eine enorme Belastung für die Betroffenen und ihre Angehörigen. Diese Faktoren können sich möglicherweise ebenfalls auf die Regelmäßigkeit der Kontrollen im Therapieverlauf ausgewirkt haben.

Andere Beobachtungsstudien zu Ranibizumab haben in der klinischen Praxis ähnliche Ergebnisse gezeigt. In der LUMIERE-StudieFootnote 7 betrug die mittlere Änderung der Sehschärfe über 12 Monate 3,2 ± 14,8 Buchstaben. Patienten erhielten hier durchschnittlich 5,1 IVOMs [4], wobei nur 4,4 % der Patienten (n = 24) zu regelmäßigen Untersuchungsterminen erschienen [17].

Ähnliche Ergebnisse wie in der hier dargestellten Studie wurden bereits in der zuvor publizierten WAVE-BeobachtungsstudieFootnote 8 für Deutschland berichtet. Die darin beschriebenen Patienten erhielten im Mittel 4,34 Ranibizumab-IVOMs in 12 Monaten, und die mittlere Veränderung der Sehschärfe gegenüber dem Ausgangswert bis Monat 12 betrug + 0,02 logMAR [5].

Unter der seltenen Ranibizumab-Gabe im Zeitraum von 2009 bis 2011 zeigt unsere Studie nach kurzfristiger initialer Besserung eine kontinuierliche Verschlechterung der Sehschärfe auf den Ausgangswert nach 1 Jahr und eine weitere Verschlechterung nach 2 Jahren. Die Subgruppenanalysen zeigen, dass die Ergebnisse mit der Anzahl der verabreichten IVOMs korrelieren. Abgesehen von der Loading-Phase weisen die Ergebnisse darauf hin, dass Patienten mit nAMD in Deutschland weder entsprechend der damals gültigen Fachinformation für Ranibizumab noch nach der damals aktuellen Therapieempfehlung der Fachgesellschaften kontrolliert und behandelt wurden. Über Gründe für die wenig standardisierte Vorgehensweise und kontinuierliche Abnahme der Arztbesuche kann angesichts der retrospektiv erhobenen Daten im Einzelfall nur spekuliert werden.

Vermutlich haben mehrere Gründe zu den schlechten Ergebnissen im Rahmen der AURA-Studie beigetragen. In den Tagen der damals noch jungen Therapie muss an die geringen Vorerfahrungen, die schlecht geregelte Kostenübernahme und eine schlechte Patientenadhärenz gedacht werden.

Limitationen

Bei der Beurteilung der Ergebnisse sind mehrere Einschränkungen zu berücksichtigen. Es handelt sich um eine retrospektive Beobachtungsstudie ohne Kontrollgruppe. Darüber hinaus standen für das zweite Jahr insgesamt wesentlich weniger Daten zur Verfügung als für das erste Jahr. Die hier beobachtete initiale Visusverbesserung nach 3 IVOMs ist geringer als in den zur Zulassung führenden Phase-III-Studien, was auf ein heterogenes Krankheitsbild der nAMD deutet. Zudem wiesen einzelne Subgruppen nur sehr geringe Fallzahlen auf.

Ausblick

Hier dargestellte Real-Life-Daten zeigen, dass die Behandlung von Patienten mit nAMD in Deutschland zum Zeitpunkt der Datenerhebung der AURA-Studie verbesserungswürdig war. Das Potenzial der Anti-VEGF-Therapie im Rahmen einer Bedarfsbehandlung (PRN-Schema) wurde nicht ausgeschöpft. Inzwischen hat sich die Evidenz verdichtet, dass – entsprechend den Empfehlungen der Fachgesellschaften – regelmäßige monatliche Kontrollen mit OCT für ein PRN-Schema in der klinischen Praxis zur Therapieoptimierung erforderlich sind. Strategien, den Behandlungserfolg zu verbessern, sollten sowohl medizinische, logistische und kostenerstattungsbezogene Faktoren berücksichtigen als auch die Adhärenz stärken.

Fazit für die Praxis

  • Die Ergebnisse der AURA-Studie weisen auf ein suboptimales Behandlungsergebnis in der Real-Life-Anwendung der Anti-VEGF-Therapie bei Patienten mit nAMD hin.

  • Hierfür sind offensichtlich vor allem zu geringe Injektionsfrequenzen und zu seltene Monitoringvisiten mit OCT-Kontrollen verantwortlich.

  • Um optimale Ergebnisse durch ein bedarfsabhängiges Schema mit VEGF-Inhibitoren zu erreichen, sollten Patienten mit nAMD langfristig regelmäßig in 4-wöchentlichen Intervallen kontrolliert werden.

  • Weil eine Unterbehandlung im klinischen Versorgungsalltag zu einem unwiederbringlichen Visusverlust bei den Patienten führen kann, ging den Betroffenen in Deutschland ein Teil des potenziellen Therapienutzens verloren.