Hintergrund

Die Musikmedizin als Teil der Arbeitsmedizin hat mit ihrer Spezialisierung auf die Funktionsstörungen und -erkrankungen bei Instrumentalisten, SängernFootnote 1 und Tänzern eine ähnlich große Aufgabe wie die Sportmedizin zu erledigen. Jedoch ist sie dafür in Deutschland erheblich personell und strukturell unterbesetzt und reicht an die fast optimale Versorgung der Leistungssporttreibenden bei weitem nicht heran. So ist eine Flächendeckung bisher nicht erreicht und ebenso fehlt der interdisziplinäre Ansatz in den wenigen Versorgungsbereichen.

Ebenso wie in der Sportmedizin (Musikermedizin ist in diesem Kontext nicht der korrekte Begriff) sind Kenntnisse und Fähigkeiten in der Musikphysiologie die Grundvoraussetzung für eine optimale Betreuung, ähnlich der Arbeitsphysiologie am Arbeitsplatz. Es reicht in der Musikmedizin nicht, bei einem oder 2 Instrumenten die arbeitsspezifischen Belastungen zu kennen. Es muss für die Betreuung und Versorgung der Instrumentalisten (z. B. Orchestern) und Sängern die Gesamtpalette an spezifischen zu realisierenden Funktionen einbezogen werden. Dies bedeutet, bestens über die leistungsphysiologischen Anforderungen der einzelnen Instrumente informiert zu sein, aber ebenso die Grundlagen der Leistungsphysiologie und die Bedeutung der konditionellen Fähigkeiten zu beherrschen. Ein guter Musikmediziner sollte die Inhalte der medizinischen Leistungsphysiologie ebenso beherrschen wie die funktionelle Anatomie und manuelle Medizin [1, 2].

Ein guter Musikmediziner sollte die Inhalte der medizinischen Leistungsphysiologie beherrschen

Hinzu kommen die Kenntnisse und Erfahrungen bezüglich der Anpassungen an spezifische instrumentaltechnische Anforderungen im Sinne einer Spezialnorm [3, 4]. Am häufigsten fehlt im Gegensatz zur Sportmedizin (Trainingsplanung) eine Planung des Übeprozesses im Sinne eines Übeplans. Dieser optimiert nicht nur die Belastungsplanung, sondern auch die Wiederherstellungsprozesse. Aus seiner Spezialambulanz hat der Autor in den letzten 30 Jahren nur etwa 5 % an Musikern ermitteln können, die solche Rahmenpläne für sich gestaltet haben.

Neben den konditionellen Fähigkeiten sind die Anforderungen sowohl hinsichtlich der motorischen Funktonen als auch der psychosomatischen Belastungen zu beachten (Abb. 4). Nach interner Aufbereitung der Sprechstundendaten des Autors liegen bei über 70 % der Beschwerdebilder und chronischen Belastungssyndromen bei Instrumentalisten konditionelle Defizite vor bzw. die Übezeit wird nicht an die vorhandenen konditionellen Fähigkeiten bei vorzeitiger Ermüdung angepasst (zu lange Übezeiten ohne Pause, Üben in die Ermüdungsprozesse hinein).

Problematik

Das professionelle Spiel eines Instruments bedeutet die Realisierung bestimmter Funktionen am Instrument, die im Wesentlichen keine Vergleichsbewegungen im Alltag besitzen.

Das wiederholte Instrumentalspiel in die Ermüdung hinein führt langfristig zu einer Funktionsstörung

Dabei wird die Haltearbeit (z. B. der linke Arm bei der Posaune) von der dynamischen Arbeit z. B. am Bogen oder der Bedienung von Klappen (z. B. Oboe) und der Kompression der Saiten (z. B. Cello) unterschieden. Für das tägliche Übepensum ist hierfür die dynamische Kraftausdauer von besonderer Bedeutung.

Das Instrumentalspiel in die Ermüdung hinein führt langfristig über die Realisierung der Normalfunktion zu Funktionsstörungen. Bestehen diese lange genug und werden diese nicht diagnostiziert bzw. wahrgenommen (weder vom Instrumentallehrer noch vom Instrumentalisten), führen diese Funktionsstörungen zu einer Funktionskrankheit. Häufig findet sich dabei kein pathologisches Korrelat in der Bildgebung und in der Labordiagnostik. Oft kommt es dann zur Fehldiagnose einer psychosomatischen Erkrankung und bei Schmerzchronifizierung zum Einsatz von Psychopharmaka, obwohl diese infolge ihres Nebenwirkungsprofils insbesondere bei Instrumentalisten den Circulus vitiosus verstärken (Nebenwirkungsprofile: KoordinationsstörungenFootnote 2; Footnote 3). Diese Nebenwirkungen zeigen deutlich, dass es für Instrumentalisten zu einer starken Beeinflussung des Instrumentalspiels infolge der Medikation kommen kann, die die Problemlage sogar noch verstärkt.

Dabei wird von üblichen Übezeiten bei Instrumentalisten von täglich 4–6 h ausgegangen. Bei sehr ehrgeizigen und perfektionistischen Instrumentalisten können daraus schnell 10–12 h täglicher Übezeit werden (Abb. 1). Phasen der Wiederherstellung finden sich in solchen Übephasen nicht.

Abb. 1
figure 1

Übeplan einer Pianistin der Hochschule für Musik Franz Liszt Weimar: 10,5 h Übezeit am Klavier neben der Hochschulausbildung (Studium Klavier 1. Semester). (Mit freundlicher Genehmigung des Autors)

Instrumentaltechnische Konditionierung als zentraler präventiver Schwerpunkt

Die konditionellen Fähigkeiten von Jugendlichen (n = 20.000; 10–14 Jahre) verschlechtern sich derzeit über die Messdekaden deutlich. So verlieren Mädchen −26 % und Jungen −20 % der konditionellen Fähigkeiten [5,6,7]. Die körperliche Belastbarkeit im Alltag reduziert sich zunehmend erheblich (Gehstrecke im Jahr 1954 15–20 km; heute < 5 km).

Die Untersuchungen des Autors zeigten vor allem bei Instrumentalistinnen große Defizite der konditionellen Fähigkeiten im Bereich der oberen Extremitäten und des Schultergürtels.

Die Abb. 2 und 3 zeigen einfache Untersuchungstechniken der dynamischen Kraftausdauer im Bereich des Schultergürtels (Schulterblattfixatoren) bei Musikerinnen und Musikern und deren Defizite zur Vergleichsgruppe.

Abb. 2
figure 2

Anzahl der Liegestütze zwischen Musikerinnen (Musik/w) und Musikern (Musik/m) gegenüber einer adäquaten Vergleichsgruppe (VG). [6]

Abb. 3
figure 3

Armabduktion bei Musikerinnen (Musik/w) und Musikern (Musik/m) gegenüber einer adäquaten Vergleichsgruppe (VG). [6]

Bezüglich der Nomenklatur der konditionellen Fähigkeiten herrscht oft erhebliche Unkenntnis

Bei der Abduktion war die dynamische Kraftausdauer der Instrumentalisten deutlich schlechter als in der Vergleichsgruppe (Abb. 3). Diese Befundkonstellation findet sich bei Streichern (sowohl hohe als auch tiefe Streicher) häufig. Die Schulterblattfixatoren haben deutliche Defizite im Bereich der dynamischen Kraftausdauer, ebenso die Außenrotatoren und Abduktoren beider Arme. Hinweise für eine Spezialnorm ergeben sich bei den Untersuchungen der Musikstudenten nicht.

Unter Ärzten und Therapeuten herrscht bezüglich der Nomenklatur der konditionellen Fähigkeiten oft erhebliche Unkenntnis. Oft werden diese nur auf muskuläre Faktoren bezogen und die weiteren Grundfunktionen (Abb. 4) dabei völlig vergessen. So werden psychosomatische und psychische Kontextfaktoren oft als außerhalb der konditionellen Fähigkeiten liegend betrachtet und besprochen, obwohl sie integrativer Bestandteil der konditionellen und koordinativen Fähigkeiten sind.

Abb. 4
figure 4

Grundlagen der Absicherung von Bewegung und Haltung. (Quelle: Arbeitsgemeinschaft Funktionsmedizin der Ärztevereinigung für Manuelle Medizin Berlin®)

Insbesondere bei Instrumentalisten spielen Auftrittsangst/Lampenfieber und psychischer Stress bei häufig perfektionistischer Persönlichkeitsausprägung wichtige in die Diagnostik einzubeziehende Rollen.

Insgesamt zeigen die Untersuchungen des Autors folgende Ergebnisse:

  • Insbesondere im Bereich der „dynamischen Kraftausdauer“ und der „statischen Kraftausdauer“ zeigten sich Defizite.

  • Die ermittelten Werte für Musikstudenten/innen erreichen nicht die erforderlichen, für ein ermüdungsfreies Spiel als notwendig zu betrachtenden Werte in den Bereichen dynamische und statische Kraftausdauer.

  • Hier liegt ein erhebliches Potenzial für ein studienbegleitendes Präventionsangebot, das nicht nur auf die Fähigkeitsbereiche Koordination und Körperwahrnehmung (Sensorik) reduziert werden kann.

  • Diese Angebote müssen zeitlich bereits vor dem Studium vorgehalten (Musikgymnasien) und als lebenslanger Bestandteil der Musikerkarriere begriffen werden (siehe Leistungssport)

Besonders hervorzuheben ist, dass an den Instrumenten unterschiedliche Belastungs- und Beanspruchungsprofile zu beachten sind. Es kann und darf keine allgemeinen Hinweise auf unspezifische Übungen geben.

Dies wird bei einer Analyse der Seitenzuordnungen von Funktionsstörungen der oberen Extremität bei Instrumentalisten deutlich. Die inadäquate Haltearbeit ist dabei ein prädiktiver Faktor für die Entstehung von Funktionsstörungen (Abb. 5).

Abb. 5
figure 5

Seitenzuordnung von Funktionsstörungen der oberen Extremität bei Musikern. HK Herz-Kreislauf-Funktion. (Aus [8])

Die exakte und über lange Zeit korrekte Haltearbeit des Instruments (Geige z. B. etwa 550 g; Fagott 3–4 kg; Gitarre 2,7–4,5 kg, Posaune 1,4–2 kg) ist für die korrekte Spieltechnik von entscheidender Bedeutung. Ein Verlust an korrekter Haltearbeit (Eintritt der Ermüdung mit Absinken des Arms) führt zum Einsatz von Hilfsmuskulatur und Hochziehen des Schulterblatts (Beispiel: Geige). Hierfür können exakte konditionelle Fähigkeiten und biomechanische Voraussetzungen definiert werden. Werden diese unterschritten, kommt es zwangsläufig zu Funktionsstörungen und Problemen der instrumentaltechnischen Realisierung der Übeaufgaben.

Diese Problematik des weiteren Instrumentalspiels trotz Ermüdung führt zu sekundären Funktionsstörungen (siehe auch [9]). Es entsteht ein ermüdungsbedingtes, multifaktorielles Dekonditionierungssyndrom mit vielfältigen Symptomen. Als Einstieg zum Kontextfaktor (kF) Ermüdung kann folgende Definition genutzt werden:

Muskuläre Ermüdung tritt infolge zentraler und peripherer Ermüdung auf. Zeichen der Ermüdung sind nachlassende Muskelleistung bzw. Aufrechterhaltung einer Leistung nur unter Einsatz von zusätzlichen Leistungsreserven, Veränderungen des motorischen Programms, Abnahme der Koordination, Konzentration und Aufmerksamkeit [10].

Um die Entstehung von Funktionsstörungen besser zu verstehen, muss auf die auslösenden Kontextfaktoren bei Instrumentalisten eingegangen werden. Folgende Aspekte können eine lokale, regionale, globale oder zentrale Ermüdung im Alltag verursachen:

  • mangelhafte ergonomische Arbeitsmittel;

  • mangelhafte Hilfseinrichtungen;

  • ungenügende arbeitsbezogene Konstitution/Kondition;

  • ungenügende allgemeine Konstitution/Kondition;

  • unangepasste Arbeitstechnik;

  • zu langes Arbeiten, keine oder zu kurze Pausen;

  • zu schwierige Aufgaben;

  • starke emotionale Beanspruchung;

  • physischer und psychischer Stress;

  • mangelhafte Arbeitsbedingungen (Schichtwechsel, Umwelt);

  • Unlust.

Die zur lokalen, regionalen, globalen oder zentralen Ermüdung führenden Faktoren haben eine Abnahme der Rekrutierungsfähigkeit und der Summationsfähigkeit des Muskels zur Folge. Haltung, Bewegung und Präzision der Bewegung verschlechtern sich. Die Qualität der Bewegung/Funktionen nimmt ab, es erfolgt eine Antwort in 2 Richtungen:

  • Steigerung der Innervation des Muskels und

  • die Innervation von (unspezifischen) Hilfsmuskeln.

Beides führt zu

  • einer Stoffwechselbelastung der Muskulatur,

  • einer zunehmenden zentralen Belastungen und

  • einer zusätzlichen Belastung des Stoffwechsels.

Es folgt

  • das „Erlernen“ unzweckmäßiger Innervationsmuster (Bewegungsplankopien) mit den unspezifischen Hilfsmuskeln und

  • eine (unökonomische) Verschlechterung der Funktion/Bewegung.

Dadurch werden diese unzweckmäßige Innervationsmuster fixiert/gespeichert, was wiederum zu einer geweblichen Fehlbeanspruchung aller beteiligten Organsysteme führen kann. Als Folge der Ermüdung infolge fehlender Adaptationen entstehen Funktionsstörungen. Am sichtbarsten im klinischen Alltag ist dies anhand der Mitinnervation von Hilfsmuskeln bei der Überprüfung von Stereotypen und Funktionsketten. Bei Instrumentalisten führen häufig auch „grimassierende“ Bewegungen zu diesem Effekt. Aber auch alltagsrelevante Tätigkeiten können durch Ermüdungsprozesse (z. B. Muskelkatersyndrom [11]) bei anschließenden Übephasen zu Funktionsstörungen und der Gefahr einer Entwicklung von Funktionskrankheiten führen. Häufige vom Instrumentalspiel unabhängige Kontextfaktoren für die Entstehung von Funktionsstörungen am Instrument sind in der Musikerambulanz (Abb. 6):

  • alltagsrelevante Tätigkeiten: Heckenschneiden (über 2 h), Holzverarbeitung (sägen, spalten, hacken);

  • Handyhaltung mit Haltearbeit durch Finger III–V und gleichzeitiger Einfingerbedienung (Daumen) über 1,5 h/Tag;

  • PC/BAP-Arbeit vorrangig am Laptop über 1,5 h täglich.

Abb. 6
figure 6

Übergang Funktion – Dysbalance – Funktionsstörung

Ein weiterer wesentlicher Kontextfaktor (oder in der Funktionsmedizin: Kippfaktor) für die Entstehung von Funktionsstörungen gemäß der publizierten Forschungen aus der manueller Medizin und der interdisziplinären Optometrie ist die Blickrichtung des Instrumentalisten ebenso wie die optimale Brillenversorgung des Musikers [3, 12, 13].

Der Blick nach rechts verstärkt den Tonus der Muskulatur der Kopfwender

Wie bekannt ist, verstärkt z. B. der Blick nach rechts (z. B. Dirigentenblick beim Geiger) den Tonus der Muskulatur der Kopfwender. Erfolgt keine Bewegung des Kopfs nach rechts (da der Geiger über den Kinnhalter und die Schulterstütze die Geige mit Seitneige und Linksrotation in der optimalen Position hält), kommt es zu rezidivierenden Innervationen dieser „Blick“-Muskulatur mit langfristigen Tonuserhöhungen. Wenn diese noch mit einem erhöhten Psychotonus der Muskulatur (Stress, Anspannung, Lampenfieber, Auftrittsangst) gekoppelt wird, wird dies für den Musiker als erhebliche Verspannung der HWS-/Nacken‑/Schultergürtelmuskulatur erlebbarFootnote 4 [3, 4, 14]. Dies gilt für alle Blickbewegungen und insbesondere für korrigierende Blickbewegungen (weil die Brillenversorgung nicht den Anforderungen am Instrument entspricht) – so wird z. B. der Kopf in den Nacken genommen, um das Nahsehen zu verbessern (Klavier–Notenständer).

Bei keinem Instrument zeigen Instrumentalisten natürliche Blickbewegungen und Blickfolgen

Bei keinem Instrument zeigen Instrumentalisten natürliche Blickbewegungen und -folgen. Dies ist der Instrumentaltechnik am jeweiligen Instrument geschuldet. Die nachfolgende Abb. 789 und 10 geben Beispiele über den Blick zum Instrument (Nahbereich), zur Notenvorlage (mittlerer Bereich von 70–140 cm) und zum Dirigentenblick (Fernblick). Typische Nahentfernungen (Notenständer) sind bei Instrumentalisten:

  • Flöte, Klarinette, Oboe, Fagott: 70–85 cm;

  • Violine, Viola, Trompete, Posaune, Waldhorn: 85–100 cm;

  • Violoncello, Kontrabass: > 100 cm.

Abb. 7
figure 7

Querflötistin mit einer Kopfdrehung von 24° zum Notentext [15]. (Mit freundlicher Genehmigung des Kaden-Verlags)

Abb. 8
figure 8

Querflötistin mit einer Kopfdrehung von nur 10° zum Notentext. ([15] mit freundlicher Genehmigung des Kaden-Verlags)

Abb. 9
figure 9

Querflötistin mit großer Kopfneigung und Kopfrotation und hierdurch Entlastung beider Schultergelenke. (Mit freundlicher Genehmigung des Autors)

Abb. 10
figure 10

Querflötistin mit geringer Kopfrotation und ohne Seitneige der Halswirbelsäule mit entsprechend hoher Belastung des Schultergürtels und der Schultergelenke. (Mit freundlicher Genehmigung des Autors)

Hieraus wird bereits deutlich, dass die typische Lesebrille (Lesenabstand 30–40 cm) für Instrumentalisten nicht einsetzbar ist. Ähnliche Effekte entstehen auch am Bildschirmarbeitsplatz mit durchschnittlichen Sehentfernungen von 70–80 cm zum Monitor/Display.

Die folgende Abb. 789 und 10 von Querflöstistinnen zeigen, dass auch innerhalb einer Instrumentalgruppe unterschiedliche Sehanforderungen mit unterschiedlicher Instrumentaltechnik gekoppelt werden und bei der Beurteilung von Funktion, Funktionsstörung und Funktionserkrankung herangezogen werden müssen. Schon die unterschiedliche Haltung im Bezug zum Notenständer ist differenzialdiagnostisch zu beachten.

Schon die unterschiedliche Haltung zum Notenständer hin ist differenzialdiagnostisch zu beachten

Auch die hochgradig individualisierten Instrumentaltechniken führen zu einer unterschiedlichen Beanspruchung. Die optimale Brillenversorgung hat hier Vorrang vor einer Therapie der sekundär auftretenden muskulären Funktionsstörungen. Erst wenn diese Korrektur erfolgt ist (beispielhaft kann hier auch der Bildschirmarbeitsplatz herangezogen werden), sollten die muskulären Funktionsstörungen therapiert werden. Für den Einsatz von Medikamenten besteht absolut keine Indikation. Dies gilt für die Musikmedizin wie für die Sportmedizin [11, 16].

Für die Herstellung einer Musikerbrille/Orchesterbrille muss unbedingt hinsichtlich der Anforderungen an den Arbeitsplatz ein kundiger Musikmediziner, ein Augenarzt und ein spezialisierter Optiker hinzugezogen werden. [3, 12].

Fazit für die Praxis

  • Funktionsstörungen und Funktionserkrankungen sind bei Musikern häufig multifaktoriell und bedürfen damit hinsichtlich der Diagnostik und Therapie auch eines differenzierten Vorgehens. Neben den konditionellen Fähigkeiten spielen Kontextfaktoren eine große Rolle und müssen mit einbezogen werden. Oft ist dies der entscheidende Schlüssel für die erfolgreiche Therapie dieser Funktionsstörungen bei Musikern.

  • Der alleinige Ansatz einer manuellen oder medikamentösen Therapie wird diesem Anliegen nicht gerecht. Die Konditionierung von Musikern ist weder mit komplementärmedizinischen Konzepten noch mit manueller Therapie möglich. Hier müssen die modernen Therapiemethoden der medizinischen Trainingstherapie im Kontext zur Berufsorientierung greifen.

  • Die Einbeziehung von komplementärmedizinischem Vorgehen sollte in Anbetracht der zur Verfügung stehenden evidenzbasierten medizinischen Möglichkeiten unterlassen werden. Häufig blockieren derartige Ansätze die notwendige, korrekte Therapie und führen in eine Sackgasse.