Die Achillessehne ist eine durch den aufrechten Gang des Menschen bereits im Alltag hoch belastete Struktur. Wenn man bedenkt, dass ein aktiver Mensch, z. B. ein Kellner, Verkäufer oder Krankenpfleger, über 120.000 km in seinem Leben zu Fuß zurücklegt und der menschliche Fuß etwa 1000 t Belastung standhält, kann man sich die Auswirkungen einer Lotverschiebung mit den Auswirkungen einer entsprechenden Hebelwirkung vorstellen [1]. Allerdings wird diese in der konservativen (nichtoperativen) Orthopädie wenig beachtet. Über die Auswirkungen von Lasten, die über die großen Gelenke der unteren Extremitäten im Sinne mechanischer funktioneller Verknüpfungen umgeleitet werden, gibt es bisher wenig Berichte, obwohl sich diese über Fehlhaltungen statisch und über veränderte Bewegung dynamisch auf die Achillessehne und den Fuß auswirken.

Die Autoren postulieren, dass über eine einfache Strategie funktionelle Beschwerdebilder behandelt oder vermieden werden können, wenn es gelingt, durch eine Einstellung der Körpermitte bzw. des Körperlots über das Becken die funktionelle Verkettung und damit auch die Belastungssituation an der Achillessehne und am Rückfuß zu ändern [2, 3]. Dazu scheint aus Sicht der Autoren das Erreichen einer belastungsminimierenden Körperhaltung notwendig zu sein, die anhand der bisherigen biomechanischen und sportwissenschaftlichen Kenntnisse über den Gangstil und über belastungsminimierende Trainingsmaßnahmen sowohl die Leistungsfähigkeit steigern als auch die Verletzungsanfälligkeit senken könnte. Hierzu wird ein therapeutischer Ansatz vorgestellt, der über die Beeinflussung des Nervensystems durch Ausübung von Reizen und bestimmte Übungen eine Änderung der Körperhaltung sowie muskulärer Fähigkeiten anstrebt.

Risiken für Achillessehnenbeschwerden sind aus den Lehrbüchern bekannt. Bislang nicht genügend untersucht sind die Auswirkungen von Überlastungsschäden durch muskuläre Dysbalancen. Diese werden in der uns bekannten Literatur erwähnt, aber nicht hinreichend in Verbindung mit Haltungsschwächen [4] bzw. Fehlhaltungen des Körpers gebracht, obwohl sich gerade diese Störungen häufig in der orthopädischen Praxis zeigen [5]. Die Behandlung dieser Dysbalancen ist fest in den orthopädischen, manualmedizinischen bzw. sportmedizinischen Alltag integriert, u. a. nach Tilscher [6] durch Schuherhöhungen, Mobilisationen, dreidimensionale Traktionsmobilisation, Mobilisation und Manipulation, Bindegewebemassage, Querfriktion, Dehnungsbehandlung, Muskel-Energie-Technik, postisometrische Relaxation etc. Insgesamt größere Aufmerksamkeit wurde bisher der „Bottom-up-Regulation“ gewidmet [7], die Veränderung der Körperhaltung durch verschiedene Formen der Schuheinlagenversorgung sind seit Längerem in den Alltag in der konservativen Orthopädie integriert – viele Patienten zeigen sich mit orthopädischen Schuheinlagen (über-?)versorgt [8, 9].

Körperhaltung und Gang

Körperhaltung ist, statisch betrachtet, die Auflagerung der Lendenwirbelsäule auf einer Wippe, die auf den Oberschenkelknochen ruht und über Unterschenkel und Fuß Kontakt zum Boden aufnimmt. Das labile Gleichgewicht im Beckengürtel wird durch Muskelspannung der verschiedenen Muskelgruppen (Gesäß‑, Bauch‑, Hüftbeuge-, ischiokruralen und autochthonen Rückenmuskulatur) reguliert. Das muskuläre Zusammenspiel zwischen vorderer und hinterer Funktionskette zeigt sich dann im Ausmaß der Abweichung des Körperlots und der Fersenlinie. Das Körperlot wird hauptsächlich über den Beckenvorschub reguliert [10].

Die im Laufe der Evolution des Gangs damit einhergehende Verschiebung des Schwerpunkts – von Brustbereich ins Becken bei Verkippung desselben auf die uns aus den Lehrbüchern bekannte Stellung – bedingt eine im Vergleich zu den Menschenaffen erhöhte Belastung des Achsenorganes. Die Anpassung des muskuloskeletalen Systems auf einen großteils in sitzender Position verbrachten Alltags und die damit einhergehende Störung der Spannungsregulierung einzelner Muskelgruppen ohne Anpassungen der antagonisierenden Muskulatur können für eine Verschiebung des Körperlots in der Sagittalebene sorgen. Diese Verschiebungen und die damit assoziierte vermehrte Belastung der unteren Extremitäten, besonders der Achillessehne, und die Möglichkeit, sie über den Beckengürtel zu regulieren, bleiben weitgehend unbeachtet.

Das Körperlot wird hauptsächlich über die Stellung des Beckens reguliert

Aus der Literatur der konservativen Orthopädie seien 2 Zitate zur Körperhaltung angeführt. Die Frage „Was ist ‚Normalhaltung‘?“ wird so beantwortet: „… die auf die Vertikale bezogene Lage des Körpers, die mit der geringsten eben erforderlichen Muskelarbeit aufrechterhalten werden kann“ [11, 12]. An anderer Stelle findet sich die Anmerkung: „… statische Störfaktoren der übrigen Regionen des Achsenorganes sind lange nicht so bedeutungsvoll wie die eben aufgezeigten des LBH-Abschnittes [Lenden-Becken-Hüft-Region] und diesbezüglich zu erwähnen ist nur die Anteversion des Schädels bei entspannter Rumpfmuskulatur“ [13].

In einer Studie zu biomechanischen Parametern von Läufern mit Achillessehnenbeschwerden zeigte sich eine verminderte Aktivität im M. tibialis anterior, M. rectus femoris und M. glutaeus medius. Das Patientenkollektiv und die Kontrollgruppe bestanden aus Rückfußläufern und sind daher annähernd vergleichbar. Hier stellt nach Auffassung der Autoren die verminderte Aktivität dieser Muskeln einen Hinweis für eine Beckenfehlhaltung und eine entsprechende Überlastung dar [14, 15].

Körperfehlhaltung und manuelle Techniken

Deshalb funktionieren in diesem Zusammenhang auch bestimmte Techniken der manuellen Medizin, denn sie bewirken über zentralnervöse Rückkopplungen eine Veränderung des muskulären Zusammenspiels („motor pattern“) – und genau diese sollten aus Autorensicht aktiv beübt und trainiert werden. Die Literatur der konservativen Orthopädie geht zwar auf das Becken ein, so wird etwa von einer „Vorhaltung“ gesprochen, allerdings wird hier nicht in die Tiefe eingegangen und es lassen sich kaum Patientenübungen finden. Wir stimmen der Entwicklung zu: „Als Ursache chronischer Achillessehnenbeschwerden im Sport werden unterschiedliche Erklärungsansätze diskutiert. Wurde in zurückliegenden Arbeiten häufig eine vermehrte Belastung bei Skelettfehlstellungen, Trainingsfehler, inadäquates Schuhwerk sowie externe Einflüsse genannt, führen aktuelle Arbeiten eine zunehmende Bedeutung veränderter neuromuskulärer Steuerungs- und Regulationsmechanismen an“ [16].

Das Dogma einer muskulären „Verkürzung“ weicht zunehmend einer differenzierteren, neuromuskulär orientierten Sicht [17], die die Anpassungsfähigkeit und neurologische Regulationsvorgänge in den Mittelpunkt funktioneller Betrachtungen stellt. Gedankenmodelle einer „Top-down-Regulation“ – also „von zentral nach peripher wirkend“ wie das „neurozentrierte Training“ (NT) – haben in der Behandlung des Bewegungssystems bislang keinen größeren Stellenwert erlangen können. Die bisherigen „top-down“ regulierenden Therapien bestanden hauptsächlich in passiven Behandlungen wie z. B. Aufbissschienenversorgung, konservativ-orthopädischen Techniken zur Mobilisierung und Manipulation, Atlastherapie nach Arlen u. a. Der neurozentrierte Ansatz entspricht auch dem Dogma der funktionellen Reagibilität (der Geschwindigkeit des Ablaufs elementarer Zyklen in Nerv und Muskel) als Grundlage eines optimalen Bewegungsresultats; diese elementaren Zyklen lassen sich durch Training verbessern.

Die Einstellung, Kontrolle und Anpassung der Körperhaltung an unterschiedliche Anforderungen unterliegen der Kontrolle des ZNS. Die Bewegungsanforderungen werden in verschiedenen Gehirnarealen verarbeitet und danach entsprechend in Willkürbewegungen umgesetzt. Eine Beeinflussung der Beckenstellung über neuroregulatorische Beeinflussung, z. B. das NT, wirkt ebenso wie die am Beckengürtel ansetzenden Techniken der manuellen konservativ-orthopädischen Verfahren über Reflexbögen am ZNS [18]. So wäre es hypothetisch möglich, ähnlich der Beeinflussung des Stellkreises über die Atmung, die ebenfalls teilwillkürlichen Prozessen unterliegt, in den Haltungs‑, Koordinations- und Bewegungsprozess einzugreifen. Denn eine rein passive Behandlung ohne gezieltes Heranführen an und in die Bewegung sowie die Motivierung des Patienten zu Trainings- bzw. Lebensstiländerungen kann aus Sicht der Autoren keinen längerfristigen Therapieerfolg bringen. Auch in der modernen konservativen Orthopädie ist eine bestmögliche Intervention gefordert, um sekundären Verkettungen vorzubeugen [19]. Dies wäre durch die Versorgung eines Patienten mit Eigenübungen möglich.

Dem Training von Muskelfunktionen wird im Zusammenhang mit Achillessehnen- und Rückfußbeschwerden in der konservativ-orthopädischen Praxis wenig Beachtung geschenkt. In der entsprechenden Literatur gibt es nur wenige Einträge; sportmedizinische Lehrbücher sehen hier eher einen Zusammenhang [20]: „Bis zu einem gewissen Grad ist eine Vorbeugung möglich. Besonders unter der Beachtung bekannter Risikofaktoren (hier werden die o. g. Faktoren angesprochen) wie auch Muskeldysbalancen und chronische Infekte, Diabetes, Übergewicht u. a. kann man präventiv eingreifen“ [21]. In anderen Quellen [22,23,24,25] werden v. a. die Verstärkung der Pronation, Eversion, ein Rückfußvarus, muskuläre Dysbalancen, Fehlrotation der Hüfte etc. als Risikofaktoren für Verletzungen wie Achillessehnenrisse und Calcaneusstressfrakturen angeführt.

Die Anpassung der Körperhaltung an unterschiedliche Anforderungen unterliegt der Kontrolle durch das ZNS

Die Ursachen dafür könnten jedoch auch funktionell bedingt sein, z. B. durch eine Fehlhaltung im Becken. Eine funktionelle Behandlung wird nur vage beschrieben, denn: „Bisher sind keine klaren, evidenzbasierten Grundlagen für die Behandlung der Achillodynie erarbeitet worden“ [26].

Die physiotherapeutische Behandlung (z. B. funktionelle Beinachsenstabilisierung, Querfriktionen, Ultraschalltherapie) zeigt v. a. bei durchgeführtem intensiven exzentrischen Training eine erstaunlich positive Wirkung hinsichtlich Schmerzreduktion und Patientenzufriedenheit [27]. Von der reinen Dehnung der Wadenmuskulatur ist man aufgrund der Studienlage mittlerweile abgekommen, es zeigen sich keine positiven Ergebnisse außer eine Verbesserung der Beweglichkeit im Sinne einer gesteigerten Plantarflexion im oberen Sprunggelenk [28]. Darüber hinaus werden Bewegungs- und Sportkarenz, Schuheinlagen, hyperämisierende Maßnahmen und Infiltrationen des Paratenons empfohlen [29], u. a. plättchenreiches Plasma, Aprotinin, Proliferationstherapie, Glyzerintrinitrat. Weiterhin existieren Angaben zu Stoßwellentherapie, Lasertherapie und Operationen. Das NT fand bisher weder Eingang in die orthopädische Literatur noch in uns vorliegende Lehrbücher, lediglich der Einfluss der Körperwahrnehmung wird positiv diskutiert [30].

Neuroathletik- versus allgemeines Athletiktraining

Die Abgrenzung des Neuroathletiktrainings vom allgemeinen Athletiktraining kann durch die Unterscheidung der einzelnen Gebiete erklärt werden. So ist funktionelles Training eine alltagsrelevante und sportartübergreifende Trainingsform. Sie beinhaltet komplexe Bewegungsabläufe, die mehrere Gelenke und Muskelgruppen gleichzeitig beanspruchen.

Allgemeines Athletiktraining beinhaltet die konditionellen Eigenschaften des Menschen: Kraft, Ausdauer, Koordination, Schnelligkeit und Beweglichkeit. Spezifisches Athletiktraining hingegen beschäftigt sich eher mit dem Training der für die einzelne Sportart essenziellen athletischen Fähigkeiten und wird hier nicht weiter besprochen.

Neuroathletiktraining ist die Weiterentwicklung des allgemeinen Athletiktrainings unter Einbeziehung des Nervensystems als zentrales Element der Bewegungskontrolle und -regulation. Dabei handelt es sich also um das Training der angeborenen Fähigkeiten und erlernten Fertigkeiten zum Zweck der Wettkampfvorbereitung.

Neurozentriertes Training dient nicht der Wettkampfvorbereitung und Leistungsverbesserung, sondern zielt auf Regulation der Leistungsbefähigung. Ein Grundgedanke ist, dass Bewegung und Schmerzen im Gehirn entstehen. Hier setzt das Training dementsprechend an. Es verbindet u. a. Atmung, Gleichgewicht, Augen und Bewegung miteinander.

Der entscheidende Unterschied nach traditionellem Verständnis zwischen funktionellem und neurozentriertem Training ist die stärkere Ausrichtung auf Prozesse der Sensomotorik beim NT.

Neurozentriertes Training ist auf Prozesse der Sensorik und Motorik ausgerichtet

Die Grundlage des NT ist eine Analyse mit Fokus auf Gangbild und Körperhaltung, Atmung, Gleichgewichtssystem und visuelles System. Der menschliche Körper wird aus unterschiedlichen Perspektiven betrachtet. Die Gesamtheit der im Gehirn zu verarbeitenden Informationen wird dabei genau untersucht: Wie stabil sind die Augen in Hinsicht auf ihre Lage im Raum bei bestimmten motorische Aktivitäten? Wie stabil ist das Gleichgewichtssystem? Wie gezielt und genau können Gelenke bewegt werden? Wie synchron ist die Atmung bei Belastung? Welche Körperhaltung wird z. B. beim Aufstehen aus dem Sitz eingenommen? Eine strukturierte, ausführliche Erfassung der körperlichen Verfassung bildet die Grundlage der weiteren Handlungsempfehlungen.

Beispiel Achillessehnenproblematik

Das folgende Patientenbeispiel soll veranschaulichen, wie sich mithilfe der NT eine Achillessehnenproblematik angehen lässt.

Problem Achillessehne

Durch das häufige Tragen von Schuhen, viel Sitzen und verminderte Belastungs- und Bewegungsreize sind die Füße immer weniger in der Lage, Informationen aufzunehmen. Die Drucksensoren sind quasi dauerhaft aktiviert und büßen entsprechend an Differenzierungsfähigkeit (veränderte rezeptive Felder?) ein. Häufiges Umknicken oder einseitige Belastung in einem bewegungsreduzierten Alltag führt an den diversen Sensoren zu immer weniger Information. Vereinfacht dargestellt werden der sensorische und motorische „Homunkulus“ weniger klar abgebildet; man könnte auch sagen, die „Bottom-up-Regulation“ ist gestört.

Verbesserung der Propriozeption

Ein erstes Ziel wäre es, die Propriozeption in der betroffenen Region zu verbessern.

Um die unterschiedlichen Sensoren in das Training einzubeziehen, empfiehlt es sich, zunächst gezielten Input zu geben. Bei einer Verletzung der linken Achillessehne wird ipsilateral eine Aktivierung der Sensoren angestrebt:

  • Mechanosensoren durch taktile Reize, Gewebeverschiebung, Druck, Zug, Dehnung, Vibration

  • Thermorezeptoren durch Reize: warm, kalt, heiß

Die unterschiedlichen Bereiche der betroffenen Seite können effizient (2–3 Reize pro Einheit genügen) getestet werden.

Wie fühlt sich spitz oder stumpf an der rechten im Vergleich zur linken Seite an? Ist die Wahrnehmung der Achillessehne rechts anders als auf der linken Seite? Wie stark ist ein Vibrationsreiz im Seitenvergleich zu spüren?

Je mehr Informationen der Körper und damit das Nervensystem aus dieser Körperstelle bekommt, umso besser kann die Information interpretiert und ausgewertet werden, um dann im Ergebnis einen besseren Output zu liefern: mehr Kraft, mehr Stabilität, Schmerzreduktion. Bereits die sensorische Aktivierung unterschiedlicher Areale kann eine Verbesserung der Sensorik der betroffenen Stelle bewirken.

Aktivierung und Inputgebung durch die peripheren Nerven

Wurde auf Sensorenebene eine Aktivierung durchgeführt, folgt im nächsten Schritt die Aktivierung und Inputgebung durch die peripheren Nerven.

Bei einer Achillessehnentendinitis empfiehlt es sich, direkt auf der Ebene des peripheren Nerven zu arbeiten. Oftmals lässt sich hier bereits bei der Palpation distal der Fibula sowie lateral am Malleolus eine sensorische Überempfindlichkeit feststellen. Das Ziel ist zu testen, ob die Anspannungs- oder die Entspannungssequenz zu einer Verbesserung führt. Eine Verbesserung kann sensorisch auftreten, sodass sich die Hyperästhesie in diesem Bereich zu einer normalen Sensibilität entwickelt. Eine motorische Optimierung kann sich durch Krafterhöhung und/oder Verbesserung der Stabilität bzw. des Bewegungsumfangs zeigen.

Die nachfolgend dargestellten Übungen eignen sich, um die Mobilisation und Aktivierung des N. tibialis, N. suralis und N. femoralis in Kombination anzusprechen. Ziel ist es, die Gleitfähigkeit und Beweglichkeit der Nerven zu verbessern („neuroflossing“). In der Folge kann sich die Rekrutierung im Muskel verbessern und dies wiederum zur Schmerzreduktion und Verbesserung der Bewegungsmuster führen.

Am Beispiel der Patientin mit linksseitigen Achillessehnenproblemen sollte linksseitig gearbeitet werden.

Die Anspannungssequenz des N. suralis findet wie folgt statt: 1) Dorsalflexion, 2) Inversion des Sprunggelenks, 3) Hüftadduktion, 4) Hüftinnenrotation, 5) WS-Seitneigung und 6) WS-Flexion (Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

Anspannung des N. suralis

Die Entspannungssequenz des N. suralis kehrt die Bewegungen um: 1) Plantarflexion, 2) Eversion des Sprunggelenks, 3) Knieflexion, 4) Hüftabduktion, 5) Außenrotation der Hüfte und 6) WS-Extension (Abb. 2).

Abb. 2
figure 2

Entspannung des N. suralis,

Die Anspannungssequenz des N. tibialis findet wie folgt statt: 1) Dorsalflexion, 2) Eversion des Knöchels, 3) Zehenextension, 4) Knieextension, 5) Hüftadduktion, 6) Hüftinnenrotation, 7) WS-Seitneigung und 8) WS-Flexion (Abb. 3).

Abb. 3
figure 3

Anspannung des N. tibialis

Die Entspannungssequenz des N. tibialis kehrt die Bewegungen um: 1) Plantarflexion, 2) Inversion des Knöchels, 3) Knieflexion, 4) Hüftabduktion, 5) Hüftaußenrotation und 6) WS-Extension (Abb. 4).

Abb. 4
figure 4

Anspannung des N. tibialis,

Aufrichtung der Wirbelsäule

Um neben den peripheren Nerven auch Strukturen des Rückenmarks gezielt mit einzubinden, empfiehlt es sich, an der Aufrichtung der Wirbelsäule zu arbeiten.

Um die Fehlbelastung der unteren Kette auszubalancieren, ist die anteriore, posteriore und laterale Aufrichtung des Beckens (Abb. 5) bewusst anzusteuern. Entsprechend der Position verändern sich der Zug und Druck auf die Nerven und das umliegende Gewebe. In der neuromuskulären Kette werden die Muskeln sowohl in Anspannung als auch in Entspannung mobilisiert.

Abb. 5
figure 5

Aufrichtung des Beckens durch Beckenkreisen

Durch die Aufrichtung und die Bewegungskomponenten werden folgende Muskeln aktiviert: M. psoas major, M. iliacus, M. sartorius, M. vastus lateralis, M. vastus intermedius, M. vastus medialis, M. rectus femoris, M. popliteus, M. soleus, M. tibialis posterior, M. flexor digitorum, M. longus colli, M. flexor hallucis longus, M. abductor hallucis, M. abductor digiti minimi.

Durch sensorische Aktivierung in Form von Druck oder Zug, mit den Händen oder Widerstandsband kann die Übung erleichtert werden. Das Vorgeben der Bewegungsrichtung vereinfacht die Ausführung und gibt zusätzlich Input. Durch die aktive Integration der Iliosakralgelenke lässt sich die Übung ergänzen.

Durch die Verlagerung des Körperschwerpunkts auf die Zehenspitzen wird die vordere Kette, durch die Verlagerung des Gewichts auf die Fersen die hintere Kette aktiviert und durch das Ausbalancieren nach rechts und nach links wird die willkürliche Bewegung mit der reflexiven Stabilität kombiniert:

  • Gewicht auf Ferse und Ballen verlagern

  • Gewicht auf linkes und rechtes Bein verlagern

  • Austarieren und Körperschwerpunkt neu skalieren

Die Anpassung der Schrittkombinationen verändert die neuromuskuläre Ansteuerung. Durch das Kombinieren der unterschiedlichen Bewegungsvarianten wird die intra- und intermuskuläre Ansteuerung verbessert. Beispiele sind: Neutralstellung, Außen- und Innenrotation der Füße.

Aktivierung supraspinaler Mechanismen

Um auf neuronaler Ebene eine weitere Aktivierung vorzunehmen, gilt es im nächsten Schritt, auch supraspinale Mechanismen zu aktivieren. Dabei wird die unwillkürliche Motorik koordiniert sowie die Schmerzempfindung beeinflusst. Der Hirnstamm ist damit auch an der Aktivierung und Inhibierung von Motoneuronen des Rückenmarks beteiligt, mit Einfluss auf die Regulierung der Extensoren- und Flexorentätigkeit.

Von besonderer Relevanz erscheint in unserem Patientenbeispiel die Aktivierung der Medulla oblongata als Kreuzung auf Hirnstammebene. Die Hirnnervenkerne, die in der Medulla oblongata liegen, also die Hirnnerven 9, 10, 11 und 12, sollen hierbei gezielt aktiviert werden. Der Fokus liegt, wie oben ausgeführt, auf der Verbesserung (Erhöhung) der eingehenden Informationen und deren Integration in die entsprechenden neuronalen Funktionen.

Zungentraining

Bei der Patientin mit Achillessehnenproblematik kann also beispielsweise über die aktive Ansteuerung der Zunge eine Verbesserung erzielt werden. Die Zunge, innerviert von zwei Hirnnerven für die Zungenmotorik, ist direkt in die Körperhaltung und die Aufrichtung der Wirbelsäule integriert. Die Hirnnerven Trigeminus, Glossopharyngeus, Vagus und N. facialis liefern zusätzliche sensorische Informationen. Dementsprechend hoch ist die neuronale Aktivität, die über eine korrekte Zungenposition erreicht oder durch gezieltes Zungentraining (Abb. 6) angesteuert werden kann. Die optimale Zungenposition kann sich dann auch funktionell nicht nur auf die Nackenmuskulatur, sondern auch auf das Kiefergelenk auswirken. Durch die nervalen Verschaltungen wird zudem direkt auf die Zwerchfellspannung eingewirkt, was dann wiederum zur Rumpfstabilisierung führen kann.

Abb. 6
figure 6

Zungenkreisen

Die Zunge vor den Schneidezähnen einige Male in beide Richtungen zu kreisen und dabei den Kiefer entspannt zu lassen, sorgt also direkt für die Aktivierung der betroffenen Hirnnervenkerne und damit zur neuronalen Aktivierung der Medulla oblongata.

Eine Alternative sind gezielte Atemübungen, die ebenfalls vermehrte Aktivität in der Medulla provozieren, z. B. die Atemsequenz

  • einatmen – ausatmen – pausieren – einatmen.

Dehnung des Zwerchfells

Durch Dehnung des Zwerchfells (Abb. 7) ist eine direkte medulläre Aktivierung zu erreichen.

Abb. 7
figure 7

Zwerchfelldehnung

Anfangs sollte diese Übung in Rückenlage durchgeführt und dann im Laufe der Intensitätssteigerung auch im Sitzen geübt werden:

  1. 1.

    Schambein zum Bauchnabel ziehen

  2. 2.

    Einatmen durch die Nase und Arme ausgestreckt hinter dem Kopf ablegen

  3. 3.

    Arme bleiben gestreckt und durch geöffneten Mund maximal ausatmen

  4. 4.

    Ein paar entspannte Atemzüge durch die Nase nehmen und anschließend die Übung wiederholen

Augenübungen

Abschließend sollte auf kortikaler Ebene gearbeitet werden. Um den sensorischen Cortex und die assoziativen Zentren zu aktivieren, empfehlen sich Augenübungen.

„Smooth pursuits“, gezielte sanfte Augenfolgebewegungen (Abb. 8), sorgen für kontralaterale Cortexaktivierung.

Abb. 8
figure 8

Augenübung

Bei der Patientin, die Probleme mit der linken Achillessehne hat, soll also der kontralaterale rechte sensorische Cortex angesprochen werden. Dies geschieht über eine gezielte langsame Augenfolgebewegung nach rechts. Die Patientin kann dabei auf einen Stift schauen, führt mit der rechten Hand den Stift zur rechten Seite und folgt mit den Augen dem Stift zur rechten Seite. Dies wird mindestens 5‑mal langsam ausgeführt, besser wären 10 Wiederholungen.

Trainingsverlauf

Im Laufe der Trainingseinheit wird nach jeder Intervention getestet, wie sich das Schmerzempfinden, die Stabilität und auch die Bewegung verändern.

Schlussfolgerungen

Das Beispiel zeigt einige Übungen, die in der NT verwendet werden können, um Patienten mit Achillessehnenbeschwerden einen alternativen, selbst durchführbaren Lösungsansatz zu bieten, um ihre Beschwerden zu lindern. Es wird weiterer Untersuchungen bedürfen, ob dieses aus Sicht der Autoren einfache und mit wenigen Risikofaktoren behaftete Vorgehen den Maßstäben einer evidenzbasierten Medizin standhält.

Die Autoren wünschen sich, mit diesem Beitrag einen Anstoß zu geben, um Kolleginnen und Kollegen zu motivieren, ihre funktionellen Betrachtungs- und Behandlungsweisen neu zu beurteilen und die Neuroathletik bzw. das neurozentrierte Training anzuwenden und wissenschaftlich zu untersuchen.

Fazit für die Praxis

  • Aus Autorensicht ist die Einbeziehung des neurozentrierten Trainings zusätzlich zu den bisherigen konservativ-orthopädischen Techniken in den sportmedizinisch-orthopädischen Alltag wünschenswert.

  • Das NT stellt eine einfache, risikoarme, mit geringem Investitionsaufwand durchführbare Möglichkeit dar, Patienten mit funktionellen Schmerzsyndromen zu helfen.