In Österreich sind etwa 25 % der Bevölkerung von chronischen Schmerzen betroffen [7], womit Österreich im europäischen Vergleich im Durchschnitt liegt [1]. Dennoch ist eine flächendeckende medizinische Versorgung von chronischen Schmerzpatienten nicht gegeben. Ausgehend von einer medizinischen Grundversorgung sind eine zunehmende Spezialisierung und Komplexität bis hin zu immer multiprofessionelleren Strukturen mit spezifischen Krankheitsbildern in einem interdisziplinären bis hin zu multimodalen Setting erforderlich.

Psychologische Schmerztherapie

Im psychologischen Fach sind zusätzlich zur klinischen Psychologie schmerzpsychotherapeutische Einrichtungen als vertiefende psychologische Spezialisierung zu entwickeln [1]. Die Wirksamkeit der Einbeziehung psychologischer Faktoren in einem interdisziplinären Setting in der Behandlung von chronischen Schmerzen des Bewegungsapparats ist mittlerweile seit mehr als 15 Jahren evident [9].

Die Wirksamkeit psychologischer Faktoren in der Behandlung chronischer Schmerzen ist evident

In Deutschland wurde die achtsamkeitsbasierte Schmerztherapie (ABST) entwickelt, deren Ziel die Schmerzakzeptanz ist. Als theoretische Basis dafür wird die „acceptance commitment therapy (ACT) for chronic pain“ dargestellt, welche wissenschaftlich und konzeptuell gut belegt ist.

Im Fokus dieses Artikels steht die Übung: „Aktives Nicht-Tun und Ruhe entstehen lassen“. Diese beschreibt sehr anschaulich ein akzeptanzbasiertes, schmerzpsychotherapeutisches Vorgehen und soll zu einem tieferen Verständnis von Schmerzpsychotherapie und einer spezifischeren Konzeptentwicklung im multimodalen Feld beitragen. Die ABST wird um syndromspezifische, spezielle Empfehlungen für den orthopädischen Kontext ergänzt, mit der Zielsetzung, effektive Schnittstellen v. a. zwischen psychologischen und physiotherapeutischen Disziplinen zu entwickeln.

Schmerzakzeptanz und psychische Flexibilität

Mit einer erstaunlichen Geschwindigkeit hat sich in England die „acceptance commitment therapy (ACT) for chronic pain“ – ursprünglich aus der Verhaltenstherapie der 1950er-Jahre entstanden – entwickelt. Die ACT bietet ein schmerzspezifisches psychologisches Konzept in einem interdisziplinären Setting. Die enge Zusammenarbeit zwischen der Pain Management Speciality/Royal Hospital for Rheumatic Diseases und dem Department of Psychology, Pain Management, University of Bath ist ein weiterer Vorteil dieser Therapierichtung, da eine fortlaufende Überprüfung und wissenschaftliche Untersuchung der klinischen Arbeit stattfindet, wobei einige Forscher ihren Weg im praktischen, klinischen Feld begonnen haben.

Die ACT fordert vor der Aufnahme der Patienten in das interdisziplinäre 3‑wöchige Setting deren „willingness“, die Bereitschaft zu einer aktiven Schmerzexposition und die Aufgabe von Schmerzvermeidung, was wiederum Schmerzakzeptanz voraussetzt. Ziel ist es, mit dem Schmerz ein sinnerfülltes Leben, den eigenen Werten entsprechend, zu führen. Diese bewusste Verpflichtung zur „committed action“ bedeutet auch, Selbstverantwortung für das eigene Leben zu übernehmen [4]. Durch eine flexible und achtsame Akzeptanz soll immer wieder neu zwischen Veränderbarem und Nichtveränderbarem unterschieden werden. Die psychische Flexibilität steht in enger Verbindung zur Schmerzakzeptanz und bedeutet die Fähigkeit, effektiv und übereinstimmend nach aktuellen Werten und Zielen zu handeln, begleitet von aktuellen schmerzbezogenen Gedanken und Gefühlen. Die Fähigkeit, mit Schmerzen ein sinnvolles Leben führen zu können, und die körperliche Beeinträchtigung sind eher durch starke schmerzbezogene Gefühle und dysfunktionale Bewertungen behindert als durch die Schmerzstärke selbst. Die ACT zeigt sehr gute Effektstärken in der Schmerzakzeptanz und im 3‑Monats-Follow-up (1,6/1,4), es zeigen sich mittlere Effekte bei Schmerz (0,5/0,3) und körperlicher Beeinträchtigung (0,7/0,5) [4].

Die Ausrichtung des Aufmerksamkeitsfokus wird durch Achtsamkeit („mindfulness“) von der Schmerzvermeidung bewusst auf eine aktive Bewältigung gelenkt: Durch Konzentration auf den Körper, die Gedanken und Gefühle im gegenwärtigen Augenblick, ohne diese Wahrnehmungen zu bewerten, kann erlernt werden, die Aufmerksamkeit und damit das Erleben selbst zu steuern. Die Wirksamkeit von Achtsamkeit ist in vielen Bereichen, wie z. B. Depression oder Angst, gut untersucht und evident.

Infobox

Mehr Informationen und Reviews zum Thema Achtsamkeit unter: https://www.umassmed.edu/cfm/

Die ACT fordert von den Patienten die Bereitschaft zur aktiven Schmerzexposition

Ein Beispiel für ein psychoedukatives Behandlungselement ist der Vergleich menschlicher Gedanken mit einer Affenhorde, welche sich begeistert auf Negatives stürzt und sich chaotisch von Ast zu Ast bewegt, der „monkey mind“. Durch Konzentration und bewertungsfreie Beobachtung kann die Horde beruhigt werden (Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

„Monkey mind“ (© kosmos111/stock.adobe.com, all Rights reserved)

Schmerzpsychotherapie

Dennoch ergeben sich in neueren Übersichtsarbeiten diskrepante Wirksamkeitseffekte durch psychologische Interventionen, am besten untersucht bei Rückenschmerzpatienten [5].

„Der Akzeptanzprozess ist nicht nur gedanklich, sondern v. a. ein emotional tiefgreifender Vorgang. Starke Gefühle oder starre Gedanken können ein Hindernis für eine flexible achtsame Akzeptanz und damit für die Wirksamkeit einer Behandlung darstellen.“

Das Vorliegen von starken, unangenehmen Gefühlen und unbeweglichen, dysfunktionalen Bewertungen als Behandlungshindernis sind Gegenstand der Schmerzpsychotherapie. Häufig wird Akzeptanz mit der bloßen Einsicht, dass diese nötig ist, verwechselt, ohne zu verstehen, dass hier ein emotional tiefgreifender Prozess, der einer Trauer ähnelt, zu durchlaufen ist. Nicht mehr derselbe Mensch wie vor einer Erkrankung zu sein und Beeinträchtigungen zu erleben, kann mit Gefühlen wie Sehnsucht, Verzweiflung, Traurigkeit, Aggression oder Wut verbunden sein. Die Anwendung klinisch-psychologischer lösungsorientierter Schmerzbewältigungsstrategien kann erst wirken, wenn zuerst ein Umgang mit diesen starken Gefühlen erarbeitet werden konnte.

Auf körperlicher Ebene schließt sich durch innere Anspannung der muskuläre Teufelskreis

Auf körperlicher Ebene schließt sich durch innere Anspannung der muskuläre Teufelskreis, geprägt von einem dauerhaft erhöhten Muskeltonus, v. a. der großen, schnell feuernden Muskeln. Diese ermüden schneller, was bei zentraler Sensibilisierung mit einem Schmerzempfinden verbunden sein und zu neuerlicher Inaktivität führen kann [6].

Starke unangenehme Gefühle reduzieren die psychische Flexibilität: Erfahrungsgemäß zeigen sich bei Behandlungen häufig gute Anfangseffekte, die sehr schnell wieder abklingen, wenn sich die Lebensumstände, das Krankheitsgeschehen oder der Schmerzverlauf ändern. Patienten „fallen“ oft in alte Verhaltens- und Gedankenmuster zurück, anstatt diese neu und flexibel an die Umstände anzupassen. Psychische Flexibilität hängt stark mit Schmerzakzeptanz zusammen [4].

Starke unangenehme Gefühle reduzieren die psychische Flexibilität

Das Ausmaß der Beeinträchtigungen, beispielsweise in Beruf, Beziehungen, Sport oder Hobbys, spielt außerdem eine Rolle dabei, wie stark sich das Problem durch weitreichende Assoziationen neuronal verankert und konsolidiert. Die Konsequenzen für das Leben durch eine Erkrankung beeinflussen den Akzeptanzprozess. Schließlich können sich anders gelagerte, tiefliegende lebensgeschichtliche Belastungen mit dem aktuellen Problem verknüpfen. Beispielsweise kann Vernachlässigung im Leben mit einem Mangel an körperlicher Selbstfürsorge und starken Hilflosigkeitsgefühlen bei Schmerzen in Verbindung stehen und so die Schmerzakzeptanz beeinflussen. Die Aufgabe der Schmerzpsychotherapie sollte weniger eine „Aufarbeitung der Lebensgeschichte“ sein, sondern vielmehr sollte sie daran arbeiten, wie diese Themen eine Bewältigung des aktuellen Schmerzproblems behindern, d. h. stets in Verbindung mit der Erkrankung und dem körperlichen Erleben bleiben. Der Zusammenhang zwischen psychosozialen Belastungen und der Schmerzchronifizierung ist erwiesen [3].

Der Umkehrschluss, dass schwierige lebensgeschichtliche Themen immer mit dem aktuellen Gesundheitsproblem in Verbindung stehen, trifft jedoch nicht zu. Die Resilienzforschung hat gezeigt, dass psychische Traumen nicht automatisch psychische oder körperliche Erkrankungen mit bedingen müssen, sondern weitere pathogene Bedingungen benötigen. Es müssen nicht immer psychodynamische Prozesse in Verbindung mit dem aktuellen Schmerzgeschehen stehen: Manchmal ist ein gebrochener Zeh einfach ein gebrochener Zeh.

Ein schmerzpsychotherapeutischer Zugang setzt Kenntnisse zu psychologischen und somatischen Mechanismen der Chronifizierung von Schmerzen voraus sowie spezifische psychotherapeutische Fertigkeiten. Darüber hinaus ist ein Verständnis für medizinische Krankheitsbilder, deren schmerzbedingte Beeinträchtigungen und syndromspezifische Behandlungsmöglichkeiten notwendig [2]. Eine interdisziplinäre Diagnostik auf der Grundlage eines biopsychosozialen Schmerzmodells stellt eine wichtige Grundlage für die Unterscheidung der Einflussfaktoren im Akzeptanzprozess und eine Auswahl der psychologischen Interventionen dar, um eine Passung zwischen Patientenbedarf und Methode zu erreichen und so deren Wirksamkeit zu optimieren.

Achtsamkeitsbasierte Schmerztherapie

Grundlagen

Im deutschen Sprachraum wurde die ABST entwickelt, ein störungsspezifischer Zugang für chronische Schmerzen mit dem Ziel: Schmerzakzeptanz [8]. Die ABST integriert Elemente der Psychoedukation, der Hypnotherapie, der Gestalttherapie, der humanistischen Psychotherapie und der kognitiv-behavioralen Therapie. In gezielten Übungen werden schmerzspezifische dysfunktionale Einstellungen und die Schmerzakzeptanz thematisiert.

Zu den Themen der ABST zählen u. a.:

  • das aktive Nicht-Tun und Ruhe entstehen lassen,

  • die Körperreise,

  • das Loslassen (von unrealistischen Erwartungen),

  • die Akzeptanz.

Im Unterschied zur „reinen“ Meditation ist die Konzentration und Hilfestellung durch den „inneren Beobachter“ oder die Vorgabe von „Ruheorten“ eine Vorstufe davon. Durch diese Hilfestellungen lernt der Schmerzpatient, sich mit seinen Körperempfindungen – und damit verbundenen Emotionen und Gedanken – auseinanderzusetzen. Hindernisse wie z. B. starke Gefühle und tiefsitzende Bewertungen können schmerzpsychotherapeutisch bearbeitet werden. Allein die Beobachtung- und das Benennen von schmerzbezogenen unangenehmen Gefühlen und das Erkennen von Zusammenhängen zum Körperempfinden, wie Erhöhung des Muskeltonus und der vegetativen Spannung, können bereits Veränderungsprozesse bewirken.

Die ABST fordert eine innere Konfrontation mit dem Schmerz oder mit damit in Verbindung stehenden Problemen. Durch die aktive Auseinandersetzung mit dem Schmerzproblem unterscheidet sich dieses Verfahren von einem expansiven unspezifischen Einsatz von Entspannungsmethoden, welche zu hinterfragen sind, da sie ein neuerliches Schmerzvermeidungsverhalten durch Ablenkung oder Dissoziation („wegdriften“) bewirken können.

In der ABST wird der Aufmerksamkeitsfokus von der Schmerzvermeidung auf eine aktive Bewältigung gelenkt

In sämtlichen Übungen der ABST wird der Aufmerksamkeitsfokus von der Schmerzvermeidung auf eine aktive Bewältigung gelenkt. Durch die Aufgabe des inneren Kampfes zwischen unrealistischen Erwartungen, Selbstvorwürfen und Gefühlen wie Angst, Verzweiflung oder Ärger kann Spannung und damit die körperliche Belastung reduziert werden.

Zu Beginn werden der Schmerz bzw. unangenehme Gefühle und das „Ich“ als Einheit empfunden, die völlige Identifikation. Der Schmerz bestimmt das Leben und wird als überwältigend empfunden, die damit verbundenen Verhaltensmuster und Gedanken kontrollieren die Lebensziele (Abb. 2a). In einem schrittweisen Distanzierungsprozess („cognitive defusion“) wird zu Beginn geübt, die Aufmerksamkeit zwischen der Position des inneren Beobachters, ausgehend von einem Ruheort, und dem Schmerz flexibel zu wechseln (Abb. 2b). Auf diese Weise kann die Wahrnehmungsfähigkeit von Lebensbereichen, die über den Schmerz hinausgehen, zurückgewonnen werden (Abb. 2c; [8]).

Abb. 2
figure 2

Grade der Disidentifikation, a Vollständige Identifikation mit dem unangenehmen Gefühl, b teilweise Identifikation mit dem unangenehmen Gefühl – „Pendeln“, c vollständige Identifikation mit dem inneren Beobachter. (Schematische Nachbildungen aus [8])

Im vorliegenden Artikel steht die Übung „Aktives Nicht-Tun und Ruhe entstehen lassen“ im Zentrum. Neben innerer Ruhe können hier auch ablehnende und schmerzverstärkende Emotionen wie Feindseligkeit, Gereiztheit oder Ängstlichkeit deutlich zutage treten, welche im klinischen Alltag hintergründig/subversiv die Interaktionen zwischen Patient und Behandler – wie Arzt oder Physio- bzw. Ergotherapeut – bestimmen können. Die Themen Loslassen und Akzeptanz können zu „Trauerreaktionen“ führen, Sehnsüchte, Verzweiflung und Traurigkeit können entstehen. Aus psychotherapeutischer Sicht wird so der Akzeptanzprozess unterstützt, und Beeinträchtigungen durch die Erkrankung können integriert werden. Gerade im Gruppensetting können diese Prozesse sehr effektiv verarbeitet werden, beispielsweise unterstützt das „sharing“, das Teilen von Gefühlen und Empathie durch andere Gruppenteilnehmer, die Integration unverarbeiteter Gefühle. Andere Teilnehmer werden gleichzeitig angeregt, sich ebenfalls mit ihren Gefühlen auseinanderzusetzen.

Anwendung in der Orthopädie

Bei Schmerzsyndromen in der Wirbelsäule – Lenden-Becken-Hüftregion – bieten sich spezielle Modifikationen und Möglichkeiten an, die sich eng mit der physikalischen Behandlung verknüpfen lassen. Eine klar definierte – und damit effiziente – interdisziplinäre Schnittstelle im orthopädischen Bereich ist das Thema adäquate Lagerung: Rücken‑, Schulter- und Hüftschmerzen fordern eine flexible Anpassung der Lagerung an die körperlichen Bedürfnisse. Länger in einer Position zu bleiben kann unangenehm werden und sich ungünstig auswirken, wenn sich dadurch die Muskelanspannung erhöht oder ein Schmerzanstieg die Konzentration behindert.

Die Patienten werden daher aufgefordert, sich einen angenehmen Platz mit unterschiedlichem Lagerungsmaterial zu schaffen, mit dem die Position verändert werden kann. Auch während des Übens werden die Patienten wiederholt darauf aufmerksam gemacht, sich bei Bedarf umzulagern und auch mit unterschiedlichem Lagerungsmaterial zu experimentieren. Durch ein flexibles Eingehen auf die körperlichen Empfindungen soll die Übernahme an Selbstverantwortung und Selbstfürsorge unterstützt werden. Auch werden die Patienten dazu aufgefordert, Empfehlungen für eine krankheitsadäquate Lagerung von medizinischen, Physio- sowie Ergotherapien anzuwenden. Als interdisziplinäre Schnittstelle kann diese psychologische Intervention die Umsetzung von Empfehlungen in anderen/weitreichenderen Situationen als jener der Behandlungssituation unterstützen und die Flexibilität erhöhen. Im Idealfall kann auch eine indirekte Rückkoppelung entstehen, und zwar dann, wenn Patienten beginnen, aktiv und selbstverantwortlich in der Physiotherapie und beim Arzt nach weiteren Lagerungsempfehlungen und Informationen zu fragen, diese ausprobieren und modifizieren. Diese direkte Umsetzung aus der Bewegungstherapie in der psychologischen Übung und umgekehrt erfolgt rasch und erfordert kaum interdisziplinäre Teamgespräche. Zeitliche Effizienz ist von praktischer Bedeutung, denn ein Problem im klinischen Alltag stellt auch die Anforderung von permanenten, zeitaufwendigen Kommunikationsprozessen dar [1].

Rücken‑, Schulter- und Hüftschmerzen fordern eine flexible Anpassung der Lagerung

Kleine Erfolgsschritte sind beispielsweise Äußerungen von Patienten wie die folgende: „Dieses Mal habe ich mich schon umgelagert, als es sich unangenehm angefühlt hat, und nicht erst bei starken Schmerzen.“ Auch die Flexibilität der Psychotherapeuten ist gefordert, so haben sie bei Beobachtung von muskulärer Anspannung, angehaltenem Atem usw. die Patienten darauf aufmerksam zu machen. Eine Kenntnis über syndromspezifische muskuläre Dysbalancen und Möglichkeiten, diese zu verändern, ist hilfreich. Veränderungsmöglichkeiten sollten angeboten und weniger angeordnet werden, sprachlich durch den Einsatz des Konjunktivs oder von Wörtern wie „vielleicht“, „möglicherweise“ usw., um anstelle von Widerstand die Selbstverantwortung zu mobilisieren.

Die Bodenlage erleichtert einen körperlichen Entspannungszustand

Da das aufrechte Sitzen auf den Sitzknochen hohe Anforderungen an die stabilisierenden, tiefen Rücken- und Bauchmuskeln stellt, wird die Bodenlage bevorzugt. Erfahrungsgemäß kippen chronische Schmerzpatienten das Becken bald nach vorne, wenn die Muskeln ermüden und schmerzen, was eine durchgehende Körperwahrnehmung stören kann. Die Bodenlage erleichtert einen körperlichen Entspannungszustand, Nachteile sind die Gefahren des „Abdriftens“ oder Einschlafens sowie der Aktivierung traumatischer Inhalte. Vermeiden kann man diese durch eine entsprechende Modifikation der Übung, so besteht die Möglichkeit, die Augen offen zu lassen sowie das unten beschriebene flexible Eingehen darauf durch den Psychotherapeuten.

Letztlich sollte die Entscheidung über die Lagerung beim Patienten bleiben. Häufig bevorzugen die Patienten zunächst eine Sitzposition, um dann mit zunehmendem Vertrauen durch Beobachtung der anderen Patienten, die sich häufig leichter körperlich entspannen können, schließlich die Bodenlage einzunehmen. Die Akzeptanz der Entscheidungen durch die Therapeuten kann so die Selbstverantwortung der Patienten fordern und stärken.

Der Nachbesprechung von inneren Erfahrungen sowie der Konsolidierung und Bearbeitung individueller Veränderungsmöglichkeiten kommt schließlich große Bedeutung zu.

Übungsbeispiel

Im „Aktiven Nicht-Tun und Ruhe entstehen lassen“ wird geübt, ein Problem/den Schmerz zu beobachten und sich zu stoppen, bevor dysfunktionale Gedankenkreise die Steuerung übernehmen. Durch das bewusste Nicht-Tun können automatisierte Verhaltensmuster und „Teufelskreise“ unterbrochen werden. Die Erarbeitung von persönlichen Ruheorten, zu denen die Aufmerksamkeit immer wieder gelenkt werden kann, ermöglicht eine aktive Auseinandersetzung mit einem Problem. Die Aufmerksamkeit „pendelt“ flexibel zwischen dem Ruheort und dem Problem. Es können Ruhe und ein genussvolles Nicht-Tun mit dem Schmerz entstehen. Die Menschen können körperliche Erleichterung, Schmerzreduktion und körperliches Wohlbefinden verspüren, was durch eine differenzierte und assoziative Exploration in der Nachbesprechung verankert werden sollte. Dankbarkeit über einen Raum für Emotionen und darüber, sich mit sich selbst beschäftigen zu können, sind weitere Reaktionen.

Durch das bewusste Nicht-Tun können automatisierte Verhaltensmuster unterbrochen werden

Die Aufgabe kann zunächst aber auch zu Spannungszuständen führen, abhängig vom Ausmaß der vorhergehenden Schmerzvermeidungsaktivität. Die innere Konfrontation mit einem Problem und „nicht zu tun“ kann sehr konzentriert viele „Geistesgifte“ oder „Widerstände“ freisetzen. Ein Problem nur zu beobachten und nicht zu versuchen, es zu lösen, ist in einer leistungsorientierten Gesellschaft ungewöhnlich und befremdlich. Generell verlangen diese Übungen Bereitschaft, Mut und Offenheit. Auf kognitiver Ebene können sich Denkweisen wie Ablehnung, d. h. negativ verzerrendes Denken oder Schuldzuschreibungen zeigen. Informationsvermittlung und Psychoedukation sind hier wichtige psychologische Interventionen.

Emotionalen Widerständen wie Feindseligkeit, Hoffnungslosigkeit, Resignation, Überängstlichkeit und Bagatellisierung sollten Psychotherapeuten fürsorglich, verständnisvoll und doch unbeirrbar und unbestechlich begegnen. Anstatt hintergründig das gesamte interdisziplinäre Setting destruktiv zu stören, können emotionale Probleme im Akzeptanzprozess bearbeitet werden. Interventionsmöglichkeiten wären das bereits erwähnte „sharing“ oder eine psychotherapeutische Einzelarbeit in der Gruppe. Zu weiteren langfristigen Behandlungszielen zählen die Konsolidierung positiver physiotherapeutischer und medizinischer Behandlungseffekte und eine flexible Umsetzung im Lebensalltag.

Für diese Aufgaben benötigen Schmerzpsychotherapeuten eine tiefenpsychologische Ausbildung mit vielseitigen Interventionsmöglichkeiten. Im klinischen Betrieb sind Akzeptanz, Anerkennung und die Unterstützung der Methode von den weiteren Disziplinen Voraussetzung, genauso wie Strukturen, die einen achtsamen Rahmen betreffend Zeit, Raum, Rauminventar und Hygiene ermöglichen.

Fazit für die Praxis

  • International haben sich vielversprechende multimodale Behandlungsmöglichkeiten in den letzten 20 Jahren entwickelt, u. a. die akzeptanz- und achtsamkeitsbasierte Schmerztherapie.

  • Es besteht Bedarf an interdisziplinärer Diagnostik und dementsprechend zugewiesenen Behandlungsstrukturen mit unterschiedlichen Spezialisierungsgraden für orthopädische Erkrankungen.

  • Spezialisierung und Vertiefung der psychologischen Schmerztherapie ermöglichen die Indikationsstellung für Schmerzpsychotherapie anhand des Diagnosekriteriums Schmerzakzeptanz.

  • In Österreich findet einerseits ein undifferenzierter, expansiver Einsatz von Entspannungsmethoden oder allgemeiner Psychotherapie im klinischen Alltag statt, andererseits erfolgt unter Berufung auf das Kostenargument die Schließung von Spezialambulanzen und keine Bereitstellung schmerzpsychotherapeutischer Einrichtungen [1].

  • Die Entwicklung dieser Diskrepanzen wird durch einen Mangel an Flexibilität, Mut und Offenheit gefördert.