Einseitige oder auch zu intensive Belastungen der Wirbelsäule können zu frühzeitiger Degeneration der Facettengelenke, Bandscheibenschädigungen und muskulären Dysbalancen führen. Entscheidend für die Betreuung von Patienten bzw. Sportlern ist das Wissen über die Belastungen, die in der jeweiligen Sportart auf die Wirbelsäule wirken. Aber auch eine körperliche Belastung unter 2,5 h pro Woche steigert das Risiko für Kreuzschmerzen.

Die bekannte Aussage von Winston Churchill „Sport ist Mord“ könnte auch auf die Wirbelsäule zutreffen. Interessanter Nebenaspekt ist dabei, dass diese Aussage niemals in der englischen Literatur zitiert wurde. Einseitige Belastungen oder auch zu intensive Belastungen der Wirbelsäule, insbesondere der jugendlichen Wirbelsäule, können beispielsweise zu frühzeitiger Degeneration der Facettengelenke, Bandscheibenschädigungen und muskulären Dysbalancen führen. In der Literatur wird dies v. a. für die Gruppe der Hochleistungssportler beschrieben. In der täglichen Praxis betreuen wir jedoch eher den ambitionierten Freizeitsportler. Unsere Aufgabe ist es u. a., unsere Patienten bzw. Sportler gut bei der Sportauswahl zu beraten und bei bereits ausgeübtem Sport über mögliche Über- bzw. Fehlbelastungen und entsprechende präventive Maßnahmen zu informieren. So sind das Wissen über die Biomechanik der Schlagbewegung oder des Schwungs ebenso wie die richtige Radeinstellung wichtige Faktoren für eine „gesunde“ Sportausübung. Aber nicht nur zu intensiver oder nicht korrekt durchgeführter Sport kann zu Wirbelsäulenbeschwerden führen. Auch eine körperliche Belastung unter 2,5 h pro Woche steigert das Risiko für Kreuzschmerzen [1]. Dass zum gesunden Lebensstil eine regelmäßige körperliche Aktivität gehört, wurde in vielen Studien belegt und spiegelt sich auch in den Empfehlungen der World Health Organization [2] und dem Fonds Gesundes Österreich [3] wider.

Ziel der Arbeit

Ziel war es, unterschiedliche Sportarten, die insbesondere im deutschsprachigen Raum häufig betrieben werden, hinsichtlich ihrer Belastungen und bezogen auf typische Erkrankungen der Wirbelsäule zu beleuchten. Daraus sollten mögliche präventive Maßnahmen abgeleitet bzw. Sportempfehlungen für die jeweiligen Wirbelsäulenerkrankungen präsentiert werden.

Material und Methoden

In der Literatur wurden Arbeiten über unterschiedliche Sportarten und deren Belastungen für die Wirbelsäule und damit evtl. verbundene Überlastungen und Beschwerden gesucht. Die Ergebnisse werden sowohl sportart- als auch krankheitsbezogen vorgestellt.

Sportartbezogene Ergebnisse

Beachvolleyball

In einer Studie von Külling werden eine erhöhte Prävalenz (79 %) von magnetresonanztomographisch (MRT) aufgedeckten Bandscheibendegenerationen und eine bis zu 3‑fache Erhöhung von Spondylolysen bei professionellen Beachvolleyball-Spielern im Vergleich zur Normalbevölkerung beschrieben [4]. Interessant ist jedoch dabei, dass die in der MRT aufgezeigten Veränderungen nicht mit Beschwerden im Bereich der Wirbelsäule korrelierten.

Radsport

Beim Radsport treten hauptsächlich Verspannungen im Nacken-Schultergürtel- und Lendenwirbelsäulen(LWS)-Bereich auf. Des Weiteren wird eine vermehrte Aktivität der paravertebralen Muskulatur im Bereich der Brustwirbelsäule (BWS) v. a. beim Bergauffahren mit dem Mountainbike beschrieben. Etwa 30–70 % der Radfahrer geben Kreuzschmerzen an [5]. Bei einem Umfang von über 160 km pro Woche erhöht sich das Risiko für Kreuzschmerzen auf das 3,6-Fache [6]. Eine minimale Änderung der Radeinstellung in Form einer Satteladaptierung um 10–15° Inklination nach vorne brachte nach 6 Monaten bei 72 % der Radfahrer Schmerzfreiheit [5]. An dieser Stelle sei auf eine Studie aus dem Jahre 2005 verwiesen, die sich mit der Radadaptierung bei unterschiedlichen Beschwerden näher beschäftigt [7].

Tennis

Beim Tennis treffen hohe Torsions‑, Hyperextensions- und Flexionskräfte v. a. auf die thorakolumbalen Segmente und den lumbosakralen Übergang. Diese Belastungen können zu muskulären Dysbalancen der Rumpfmuskulatur, degenerativen Veränderungen der Bandscheibe und Facettengelenke sowie zu einer wiederholten Belastung der Pars interarticularis des Wirbelbogens mit Stressfrakturen führen [8]. Hjelm beschrieb 2010 ein höheres Risiko für Kreuzschmerzen bei jugendlichen Tennisspielern gegenüber Gleichaltrigen [9]. Im Gegensatz dazu wird in einer neueren Studie Tennis als sicherer Sport ohne erhöhtes Risiko hinsichtlich Wirbelsäulendeformitäten und Kreuzschmerzen bei jugendlichen Tennisspielern dargestellt [10].

Golf

Etwa 18–54 % der Golfer leiden unter Kreuzschmerzen [11]. Dies lässt sich durch die Kräfte bei der Schlagbewegung erklären, die das 8‑Fache des Körpergewichts ausmachen. Dabei kommt es zu Belastungen der Muskeln, der Facettengelenke und der Bandscheibe v. a. im Bereich des thorakolumbalen Übergangs und der LWS. Auslöser ist oftmals eine Fehlhaltung im Rahmen des golfspezifischen Bewegungsablaufs. In der Literatur wurden auch fehlendes Aufwärmen sowie schlechte Flexibilität und Kraft im Stamm- und Hüftbereich der Golfer als auslösende Faktoren für Wirbelsäulenbeschwerden beschrieben. Einige Autoren beschäftigten sich intensiv mit der Rehabilitation von Golfern sowie Trainingsprogrammen zur Reduktion von Über- und Fehlbelastungen beim Golfschwung [11, 12].

Alpinsport

In einer Studie von Spörri gab über ein Drittel der 40 besten Weltranglisten-Slalomfahrer Kreuzschmerzen an [13]. Beim alpinen Skisport kommt es durch ein Vor- und Seitneigen gemeinsam mit einer Torsion der Wirbelsäule zur Belastung der Bandscheiben. Aufgrund des axialen Stresses auf den Nucleus pulposus tritt zusätzlich ein vermehrter Zug auf den Anulus fibrosus auf. Interessanterweise konnte derselbe Autor 2016 eine mögliche Beeinflussung dieser Belastungen durch eine Änderung in der Kurssetzung zeigen [14].

Klettern

Bei Kletterern werden Überlastungsschäden an der Halswirbelsäule (HWS), Blockaden der kleinen Wirbelgelenke beim Erklettern eines Überhangs durch das Weitergreifen bei fixiertem Rumpf und Rotations- und Hyperextensionsbewegungen im LWS- und BWS-Bereich sowie Bandscheibenläsionen beschrieben [15]. Die HWS-Beschwerden treten aufgrund der hohen Belastungen im Überhang und beim Sichern auf. Des Weiteren wird das Auftreten eines „climber’s back“ mit der sportartspezifischen Adaptierung der Haltung, d. h. Protrusionsstellung der Schultern, Hyperkyphose der BWS und Hyperlordose der LWS, insbesondere bei intensivem Klettern beobachtet.

Gewichtheben

Auch 15–41 % der Kraftsportler geben Wirbelsäulenbeschwerden an. Dabei werden v. a. Bandscheibenschädigungen, Spondylolisthesen und Myogelose beschrieben [16]. Als auslösende Übungen werden insbesondere das Kreuzheben und die tiefe Kniebeuge genannt. Bei guter Technik und gut ausgebildetem Muskelkorsett treten nur kurzfristige axiale Belastungen auf und die Wirbelsäule ist geschützt. Kontraindikationen für die Ausübung dieses Sports bestehen jedoch bei ausgeprägter Skoliose, ausgeprägtem Rundrücken, florider Scheuermann-Krankheit und Spondylolisthese [17].

Krankheitsbezogene Ergebnisse

Skoliose

Als Skoliose werden behandlungsbedürftige fixierte Verbiegungen mit einem Cobb-Winkel von über 15° bezeichnet. Das Auftreten von Skoliose im Sportkollektiv wird bei Freizeitsportlern mit 10 % bis deutlich höher bei Speerwerfern angegeben. Diskutiert wird ein möglicher Zusammenhang von einseitigen Belastungen bei langjährigem Training und einer fixierten Fehlhaltung. Hinsichtlich einer Sportausübung werden bei einer skoliotischen Fehlhaltung mit einem Cobb-Winkel über 10° keine einseitigen Belastungen empfohlen, bei einer Skoliose mit einem Cobb-Winkel über 25° wird vom Leistungssport abgeraten.

Scheuermann-Krankheit

Diese juvenile Osteochondrose der Wirbelsäule tritt bei bis zu 50 % der Leistungsturner auf. Im Vergleich dazu sind nur 0,3–8 % im Normalkollektiv betroffen. Über die Belastbarkeit der Wirbelsäule bei dieser Erkrankung gibt es kontroverse Ansichten. Eindeutig ist jedoch die Empfehlung, dass bei starker Ausprägung auf kyphosierende Sportarten mit hohen axialen Belastungen verzichtet werden soll. Sportarten mit Kompressions- und Torsionsbelastungen der Wirbelsäule, z. B. Stöße, Sprünge, Schläge, Stürze, wie bei Kampfsportarten (Judo, Ringen), Hallenballsportarten, Geräte- und Bodenturnen, Radfahren in Rennradhaltung und Laufsport auf harten Böden mit ungenügender Dämpfung, sowie Sportarten mit inklinierenden Übungen werden als ungeeignet beschrieben. Als geeignete Sportarten werden hingegen Rückenschwimmen, Kraftsport ohne stemmende und drückende Belastungen, Walking und Reiten angegeben.

Morbus Bechterew

Feldtkeller publizierte 2012 folgende Empfehlungen für die Sportausübungen bei Morbus Bechterew [18]:

  • Aktivitäten, die eine gute Haltung fördern (Nordic Walking, Wandern, Schwimmen, Langlaufen etc.) sind zu empfehlen.

  • Keine Sportarten mit langer Flexion in der Wirbelsäule (Golf, Bowling, Radfahren) ausüben.

  • Auf Sportarten mit großem Verletzungsrisiko (Boxen, Fußball, Schifahren etc.) sollte verzichtet werden.

Spondylolyse und -listhese

Bei 4–7 % der Normalbevölkerung werden diese Erkrankungen der Wirbelsäule beschrieben. Sie entwickeln sich meist im Schuleintrittsalter und betreffen häufig den 5. Lendenwirbel. Auslöser sind wiederholte Mikrotraumata der Pars interarticularis des Wirbelbogens durch repetitive Hyperlordosierung der LWS und damit erhöhte Scher- und Druckbelastungen für die untere LWS und den lumbosakralen Übergang. Als ungeeignete Sportarten werden Leichtathletik, Geräteturnen, Ringen, Judo, Delphinschwimmen, Gewichtheben und Trampolinspringen angesehen. Bei einseitiger Spondylolyse ohne klinische Symptomatik wird eine klinische und radiologische Kontrolle nach 1 Jahr empfohlen. Bei beidseitiger Spondylolyse oder klinischer Symptomatik sollte eine klinische und radiologische Kontrolle bereits nach 6 Monaten erfolgen. Die Sporttauglichkeit ist dabei nicht uneingeschränkt vorhanden und ein Wechsel der Sportart ist v. a. bei Persistenz anzuraten.

Prävention

Bei allen genannten Sportarten ist die einseitige Belastung durch nur eine und diese meist noch intensiv durchgeführte Sportart zu vermeiden und die Durchführung eines Ausgleichssports zu empfehlen. Der Ausgleich von muskulären Dysbalancen mit Dehnung der verkürzten Muskulatur und Kräftigung der abgeschwächten Muskeln ist eine entscheidende präventive Maßnahme. Eine kräftige Stammmuskulatur („core stability“), koordinative Übungen zur Verbesserung der Sensomotorik und korrekte Technik sind weitere wichtige Faktoren für eine „gesunde“ Sportausübung. Die Verwendung von Hilfsmitteln, wie z. B. eine Prismenbrille zum Sichern beim Klettern, und die richtige Radeinstellung (Radsport) können ebenfalls zur schmerzfreien Sportausübung beitragen.

Fazit für die Praxis

  • Sport kann zu Überlastungen der Facettengelenke und der Bandscheiben sowie zu sportartspezifischen muskulären Dysbalancen führen, aber „die Dosis macht das Gift“.

  • Jede Sportart kann unterschiedliche Abschnitte der Wirbelsäule belasten.

  • Fehlerhafte Technik und fehlender Ausgleichssport sind ausschlaggebende Faktoren für Wirbelsäulenbeschwerden im Sport.

  • Ein gutes Muskelkorsett und ausgeglichene Muskulatur schützen die Wirbelsäule und führen bei vielen Sportarten auch zu einer Verbesserung der sportspezifischen Bewegung (z. B. Schlag).

  • Aufbau einer guten Stammmuskulatur, Kräftigung abgeschwächter Muskulatur und Dehnung verkürzter Muskulatur zum Ausgleich von muskulären Dysbalancen stellen auch präventive Maßnahmen dar.

  • Von sportmedizinischer Seite ist bei der Sportlerbetreuung die Anamnese und Statuserhebung entscheidend.

  • Die manuelle Medizin hilft beim Auffinden von Auffälligkeiten und führt zur richtigen Beratung und Behandlung.