Zusammenfassung
Funktionsstörungen der Kopfgelenkregion als Ursache für Kopfschmerzen oder hochzervikale Nackenschmerzen sind häufig. Es treten vielfältige Symptome auf, die auch als „zervikozephales Syndrom“ zusammengefasst werden. Die neuroanatomischen Zusammenhänge im Hirnstammbereich erklären diese „bunte Symptomatik“ inklusive schwindelartiger Symptome im Zusammenhang mit der Kopfgelenkregion. Die exakte klinische manualmedizinische Untersuchung setzt eine genaue Kenntnis der besonderen Biomechanik der Region voraus. Mit ihr lassen sich die Funktionsstörungen den einzelnen Wirbelsäulensegmente C0/1 bis C2/3 oder den myofaszialen Strukturen zuordnen. Eine manuelle Therapie erweist sich bei Funktionsstörungen als wirksam. Zuvor müssen Strukturpathologien in der Region klinisch ausgeschlossen werden.
Abstract
Functional disorders of the craniocervical region are often the cause of headache or upper cervical neck pain. Many symptoms occur which are also collectively known as cervicocephalic syndrome. The neuroanatomical interrelationships in the brainstem region explain this varied symptomatic inclusive of vertigo-like symptoms in connection with the craniocervical region. An exact clinical manual medical examination requires precise knowledge of the special biomechanics of the region. With this knowledge the functional disorder can be assigned to the individual spinal segments C0/1–C2/3 or to myofascial structures. Manual therapy has proved to be effective for functional disorders but a structural pathology in this region must be clinically excluded beforehand.
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Lernziele
Nachdem Sie diese Lerneinheit absolviert haben,
- kennen Sie die biomechanischen und neuroanatomischen Grundlagen der Kopfgelenkregion.
- kennen Sie die Pathogenese des zervikozephalen Syndroms.
- kennen Sie die Diagnose der klinischen Funktionssyndrome der oberen Halswirbelsäulenregion und ihre Differenzialdiagnosen.
- kennen Sie die Optionen zur Behandlung von Schmerzquellen und Funktionsstörungen in dieser Region.
Definition obere Halswirbelsäule-/Kopfgelenkregion
Als obere Halswirbelsäule (HWS) bzw. als Kopfgelenke werden anatomisch das Okziput (C0), der Atlaswirbel (C1) und der Axiswirbel (C2) bezeichnet. Neuroanatomisch, funktionell und klinisch muss das Segment C2/3 zur oberen HWS gezählt werden, da die typischen Beschwerdebilder der oberen HWS aufgrund der unten beschriebenen zervikotrigeminalen Konvergenz am spinalen Trigeminuskern den Afferenzen der Wurzeln C1–3 sowie des Trigeminus und weiterer Hirnnerven entsprechen.
Kraniozervikaler Übergang
Anatomisch
Anatomisch gehören die Segmente C0/1 (Articulationes atlantooccipitales) und C1/2 (Articulationes atlantoaxiales laterales, atlantodentales Gelenk) zum kraniozervikalen Übergang (KZÜ).
Neuroanatomisch-funktionell
Neuroanatomisch-funktionell werden dem KZÜ die Segmente C0/1, C1/2 und C2/3 zugeordnet, mit einer gemeinsamen afferenten Projektion zum Nucleus spinalis nervi trigemini.
Die neuroanatomische Organisation führt zur Unterscheidung von 2 Syndromen an der HWS:
Oberes zervikogenes Schmerz- und Beschwerdesyndrom
Basis sind die Afferenzen aus den Wurzeln C1–3 gemeinsam mit den trigeminalen Afferenzen mit Verknüpfungen zu den spino- bzw. bulbospinalen Projektionen der WDR-Neuronen im spinalen Trigeminuskern [1, 2]. Klinisch gehören zu dieser Entität z. B. zervikogener Kopfschmerz, Dysfunktionen, Gleichgewichtsstörungen und myofasziale Befunde der oberen HWS mit dem individuell sehr variablen Symptomenkomplex, der als zervikozephales Syndrom bezeichnet wird.
Unteres zervikogenes Schmerz- und Beschwerdesyndrom
Basis sind die Afferenzen aus den segmentalen Wurzeln zervikal C3 bis ca. thorakal Th2, die in der ganzen Nacken-Schulter-Arm-Region artikuläre, myofasziale und neuromeningeale Schmerzen entwickeln können.
Das Segment C3/4 nimmt eine Zwischenposition ein, wobei die Facette C3/4 teilweise durch den Ramus medialis C3 versorgt wird, weshalb die Facette bzw. das Segment C3/4 auch an der zervikotrigeminalen Konvergenz beteiligt ist.
Anatomie und Biomechanik der Kopfgelenkregion
Articulationes atlantooccipitales (obere Kopfgelenke)
Die längsovalen, konvexen Gelenkflächen der beiden Okzipitalkondylen korrespondieren mit den konkav angelegten Facies articulares superiores des Atlas. Die Articulationes atlantooccipitales (C0/1) sind ovaläre Kugelgelenke (Abb. 1, [3]): Den Schädel kann man sich als Kugel vorstellen, die von den beiden konkaven Gelenkflächen des Atlas getragen wird. Dadurch ergeben nachfolgende beschriebene Beweglichkeiten.
Flexion/Extension – Roll-Gleit-Bewegung in der Transversalachse (X-Achse)
Diese Bewegungen sind beidseits gekoppelt. Es handelt sich um eine physiologisch aktive Bewegung (Nickbewegung), die muskulär durch die subokzipitale Muskulatur gesteuert wird und vorwiegend ossär begrenzt ist [4]. Da diese Bewegung physiologisch bzw. funktionell isoliert segmental erfolgt, wird sie in der manualmedizinischen Literatur als Inklination/Reklination bezeichnet in Abgrenzung zur Flexionsbewegung des folgenden Halswirbelsäulenabschnitts. Im Regelfall ist eine Inklination/Reklination von 24–30° möglich [5].
Lateralflexion – Gleitbewegung in der Sagittalachse (Y-Achse)
Durch die beidseitige Koppelung handelt es sich dabei vorwiegend um eine Gleitbewegung, was auch als „Kondylengleiten“ auf dem Atlas bezeichnet wird, d. h. als passive Begleitbewegung bei Lateralflexion des Kopfes [6]. Sie beträgt 5–10° einseitig.
Rotation – axiale Rotationsbewegung (Z-Achse)
Diese ist zwar möglich, kann aber aufgrund der beidseitigen Koppelung nur im Sinne einer endgradigen passiven Begleitbewegung (< 10°) stattfinden.
Atlas
Der Atlas (C1) zeigt von axial eine ovaläre Konfiguration. Am vorderen Atlasbogen liegt dorsal die Gelenkfläche (Fovea dentis) zum Dens axis. Der vordere Atlasbogen ist kurz zwischen den kräftigen Massae laterales atlantis, der hintere Atlasbogen ist breit angelegt. Er zeigt keinen Dornfortsatz und ist daher i.d.R. von dorsal nicht palpabel (Abb. 1). Der Querfortsatz des Atlas überragt nach lateral den Rest der folgenden HWS und führt zur quer-ovalären Anlage des Atlas. Der weit ausladende Querfortsatz ist in der Tiefe leicht kaudal und ventral des Processus mastoideus klinisch palpabel. Die Gelenkfläche nach kranial (Facies articularis superior) ist konkav angelegt, korrespondierend zu den konvexen Gelenkflächen der Okzipitalkondylen. Die kaudale Gelenkfläche (Facies articularis inferior) ist plan bis leicht konvex.
Axis
Der Axiswirbel (C2) hat einen kräftigen Wirbelkörper mit nach kranial ausgebildetem Dens axis . Embryologisch erfolgt die Verknöcherung des Dens zweizipflig von basal nach kranial [6, 8], was bei Kindern im Röntgenbild evtl. sichtbar ist. Der Dens ist im Wachstum lange durch eine bandscheibenartige subdentale Synchondrose vom Korpus des Axis getrennt. Im Magnetresonanztomogramm (MRT) sieht man gelegentlich Reste dieser Struktur, bei Kindern bis 5 Jahren ist der Nachweis einer solchen Spaltbildung normal [8].
Die ventral neben dem Dens liegenden kranialen Gelenkflächen des Axis (Facies articulares superiores) sind konvex. Der Dens trägt ventral die Facies articularis anterior zum vorderen Atlasbogen. Kaudal unter den ventralen Bogenanteilen findet sich der Processus articularis inferior zum Facettengelenk C2/3; der Axis ist quasi der „Schaltwirbel“ zum uniformen segmentalen Aufbau der unteren HWS.
Funktionell wichtige ligamentäre Strukturen der oberen HWS
Ligamentum transversum atlantis
Das Lig. transversum atlantis zieht von der Innenseite der Massa lateralis der einen Seite zur Massa lateralis der anderen Seite und liegt hinter dem Dens axis (Abb. 2). Es verhindert also die Dorsalverlagerung des Dens bzw. stabilisiert den Dens nach ventral im atlantoaxialen Segment. Es hat eine durchschnittliche Breite von 10 mm und eine Dicke von 2 mm [6, 9].
Ligamenta alaria
Die Angaben zur Anatomie der Ligg. alaria variieren. Eine systematische Untersuchung [10] ergab, dass die Ligamenta je von der seitlichen Rückfläche des Dens (also mit leicht rotierender Wirkung) nach lateral an die ventralen Anteile der Okzipitalkondylen ziehen (Abb. 2). Da die Densspitze meist höher liegt als die Okzipitalkondylen, ist der Verlauf horizontal [10]. Gelegentlich fehlt der wesentlich schwächere zweite Anteil zum Atlas vollständig.
Funktionen des Lig. transversum atlantis
Das Lig. transversum atlantis verhindert das Vorwärtsgleiten des vorderen Atlasbogens. Bei Insuffizienz des Lig. transversum (z. B. bei rheumatischer Polyarthritis) kommt es zur atlantodentalen bzw. -axialen Instabilität. Die ausgedehnte atlantoaxiale Rotation der Segmente C1/2 wird durch das Lig. transversum gesichert [3, 4, 9].
Funktionen der Ligg. alaria
Die Ligg. alaria stabilisieren und begrenzen die axiale Rotation des Atlas um den Axis. Eine Dislokation des Atlas tritt nicht auf, solange die Ligg. alaria intakt sind. Das zeigt die passive Funktion des Atlas auf: Die Ligg. alaria fixieren über den okzipitalen Anteil in erster Linie den Kopf an den Dens axis. Dadurch begrenzen sie sekundär auch die Bewegung des Atlas.
Aufgrund der bikonvexen Form des Gelenks C1/2 resultiert zwar eine hohe Beweglichkeit in den u. g. Freiheitsgraden, aber auch ein fehlender anatomischer „Formschluss“, der ligamentär stabilisiert werden muss.
Bedingt durch den dorsal liegenden Ansatz des Bandes am Dens führt eine Rotation z. B. nach links zu einer Anspannung des linken Lig. alare, das bei weiterer Rotation um den Dens aufgewickelt wird, und zu einer Lateralverschiebung des Okziput (Zwangsseitneigung des Okziputs und des Axis), bis auch das rechte Ligament angespannt ist und die Rotationsbewegung endgültig begrenzt wird [6, 11]. Dieser Effekt erklärt die Zwangslinksrotation des Axis bei einer Lateralflexion nach links.
Klinische Konsequenzen
In diesem Zusammenhang sind zwei wichtige klinische Situationen mit zervikozephalen Symptomen zu erwähnen (gelegentlich als „Dysfunktionen“ verkannt). Bei der ersten handelt es sich um eine rheumatische Polyarthritis mit progredienter Destruktion der Ligamente der Kopfgelenkregion im Rahmen der entzündlichen Aktivität (oft oligosymptomatisch). Die Insuffizienz verursacht (heute unter Biologika seltener) eine atlantodentale Instabilität, die als vergrößerter Abstand zwischen vorderem Atlasbogen und Dens im seitlichen Funktionsröntgen erkennbar ist. Als zweite Situation kann ein posttraumatischer Zustand mit evtl. partiellen ligamentären Läsionen auftreten (Abb. 3).
In solchen Fälle finden sich massiv irritierte segmentale Dysfunktionen C0/1 und C1/2 ohne freie Bewegungsrichtungen in der segmentalen Provokationsuntersuchung.
Articulationes atlantoaxiales (untere Kopfgelenke)
Das atlantodentale Gelenk wird auch als Articulatio atlantoaxialis mediana bezeichnet. Die beiden lateralen Gelenke sind die Articulationes atlantoaxiales laterales (C1/2). Letztere (Abb. 4) sind bikonvex. Der dadurch entstehende Leerraum wird durch die Gelenkkapsel ausgefüllt, was in Analogie zu den Facettengelenken der HWS als Meniskoide bezeichnet wurde [6, 12].
Bewegungen im atlantoaxialen Gelenk
Bedingt durch die große Neutralzone der atlantoaxialen Rotation C1/2 haben die Subokzipitalmuskeln, neben der passiven Stabilisation durch das Lig. transversum und die Ligg. alaria, eine wichtige bewegungsführende und stabilisierende Funktion.
Die Begrenzung der Rotation mit Begleitbewegungen (Lateralflexion) erfolgt vermittelt durch die Ligg. alaria (s. o.), ebenso die Begrenzung der Lateralflexion mit Begleitbewegungen (Rotation).
Bewegungsausmaße C1/2 [6, 9, 10]:
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Axiale Rotation C1/2: 38–43° (einseitig), funktionell dominierende Bewegung mit großer Neutralzone im Kraft-Weg-Diagramm
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Flexion/Extension C1/2: 22° (total)
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Seitneigung C1/2: 6° (einseitig)
Seitneigung zervikookzipital
Bei Seitneigung der HWS erfolgt eine Seitneigung der Okzipitalkondylen im Gelenk C0/1 als passive Gleitbewegung. Es gibt keine physiologische isolierte Bewegung im Gelenk C0/1, sondern die Bewegung findet bei Lateralflexion synchron mit der Bewegung von C1/2 und der darunter liegenden HWS statt. Dies wird auch als Kondylengleiten bezeichnet: In der Konkavität der Seitneigung nähert sich der Atlasquerfortsatz dem von lateral in der Tiefe vor der Spitze des Processus mastoideus palpierenden Finger relativ an durch das „In-die-Tiefe-Gleiten“ des Okziput. Die gleichzeitig auftretende Lateralflexion C1/2 bewirkt eine ipsilaterale Zwangsrotation des Atlas. Es handelt sich um eine komplexe kombinierte Bewegung der Kopfgelenke. Während der Seitneigung der HWS kommt es neben der Zwangsrotation des Atlas zu einem Lateralgleiten des Atlas zur Neigungsseite, was funktionsradiologisch einen vergrößerten Abstand zwischen Dens und Massa lateralis des Atlas bewirkt. Diese Atlasverschiebung wird durch das kontralaterale Lig. alare ausgelöst und kontrolliert [6].
Die unteren Segmente ab C2/3 vollziehen bei der Lateralflexion eine gleichsinnige gekoppelte Rotation (bei normaler Funktion am Dornfortsatz C2 palpabel).
Rotation zervikookzipital
Initiale und dominierende Bewegung ist die Rotation von C1/2 mit Führung der im Dens liegenden Rotationsachse durch das Lig. transversum atlantis. Die Begrenzung der Rotation erfolgt durch die Ligg. alaria, die durch den dorsal versetzten Ansatz endgradig eine begleitende Lateralflexion induzieren. Bei Fortsetzung einer aktiven Rotation erfolgt die Rotation an der unteren HWS ab C2/3 mit gekoppelter Lateralflexion.
Bei passiver Prüfung der Rotation C1/2 mit segmentaler Stabilisation sollte am Schluss eine leichte passive Rotation C0/1 stattfinden (sog. Schlussrotation [9]).
Neuroanatomische Grundlagen
Konvergenzen
Alle Afferenzen der Spinalnerven C2/3 (die nur tiefsomatischen Afferenzen C1 werden über eine Anastomose zur Wurzel C2 verschaltet) sind durch die sog. zervikotrigeminale Konvergenz im Nucleus spinalis nervi trigemini mit den Afferenzen aller drei Trigeminusäste V1–V3, des N. facialis, N. glossopharyngeus, N. vagus, N. accessorius (Fasern der Wurzeln C1–3) und N. hypoglossus verknüpft. Dadurch kann jede Schmerzquelle im Einzugsgebiet der erwähnten Nerven eine Schmerz- und Symptomprojektion wiederum im Gebiet dieser Nerven unterhalten, insbesondere bei peripherer Sensibilisierung . Der Nucleus spinalis nervi trigemini entspricht der WDR-Neuronen-Gruppe des kaudalen Spinalmarks als spinothalamisches Projektionsneuron und wird deswegen auch als medulläres Hinterhorn bezeichnet (Abb. 5, [3, 13]).
Weiterhin bestehen umfassende propriozeptive Projektionen C2/3 zu zerebellären und vor allem zu vestibulären Kerngebieten, was Symptome wie zervikogene Gleichgewichtsstörungen erklären kann [2, 3].
„Bunte Symptomatik“ des zervikozephalen Syndroms
Durch die vielfältigen Afferenzen erklärt sich die „bunte“ Symptomatik“ im Rahmen von Dysfunktionen und strukturellen Pathologien in der oberen HWS (zervikozephales Syndrom). Im Falle von peripheren und zentralen Sensibilisierungsphänomen geschieht dies noch ausgeprägter, wie am Beispiel von HWS-Trauma-Patienten beschrieben wurde [14]. Hochzervikale zervikotrigeminale und vestibuläre Konvergenzen führen zur Pathogenese des zervikozephalen Syndroms und sind die Schnittstelle zu myoarthropathischen Kieferproblemen (kraniomandibuläre Dysfunktionen ).
Alle somatosensorischen Afferenzen aus den Hinter- und Vorderwurzeln C2 und C3 (C4) mit extrem hoher Rezeptordichte der Ligamente, Kapseln und Muskeln, dem Trigeminus V1, V2 (Kiefergelenk) und V3 (Kiefermuskeln) einschließlich der meningealen Afferenzen aller drei Äste und den Hirnnerven VII, IX, XI, X, XII können Schmerz und Symptome unterhalten.
Dies geschieht in folgender Weise:
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Schmerzen treten als „referred pain“ auf, z. B. zervikogener Kopfschmerz, Gesichts-, Nacken-, Schultergürtel- und Kieferschmerz.
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Symptome äußern sich als „referred symptoms“, z. B. Globusgefühl, unspezifische Ohr- und Augensymptome, Gleichgewichtsstörungen, tinnitusartige Phänomene oder Dysphonie/Heiserkeit.
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Aus Wechselwirkungen zwischen Kieferregion und oberer HWS ergeben sich kraniomandibuläre Dysfunktionen.
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Afferenzen C2/3, der Hals-, Kau- und Augenmuskelpropriozeptoren zu zerebellären und vor allem zu vestibulären Kerngebieten führen zu Gleichgewichtsstörungen und Sehstörungen/Augensymptomen.
Die zervikotrigeminale Konvergenz führt bei Nozigeneration zu entsprechenden Wechselwirkungen von Schmerz- und Symptomempfindungen und zu muskulären reflektorischen Auswirkungen (Kiefer, HWS) mit entsprechenden sekundären Dysfunktionen.
Das Gesamtsystem reagiert grundsätzlich ursachenunspezifisch – jeder Nozigenerator und jede Dysfunktion kann ein projiziertes Symptom (nicht nur Schmerz) im konvergierenden System unterhalten.
Das zervikozephale Syndrom summiert die klinischen Bilder eines oder mehrerer Nozigeneratoren in der oberen HWS (Funktionsstörung oder strukturelle Pathologie). In Anlehnung an die übrigen Wirbelsäulenregionen schlägt der Autor vor, alternativ dafür auch den Begriff „oberes zervikogenes Beschwerdesyndrom“ (s. oben) zu verwenden. Spezielle Aspekte des gesamten Beschwerdekomplexes sind dabei:
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zervikogener Kopfschmerz,
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zervikogene Gleichgewichtsstörung und
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zervikozephales Syndrom nach HWS-Trauma.
Klinische Diagnostik artikulärer und muskulärer Dysfunktion
Anamnese
In der Anamnese werden die Schmerzen und Schmerzsymptome ermittelt. Befindet sich der Schmerz in der Region der oberen HWS, subokzipital, in der ganzen Kopf-Gesichts-Region oder handelt es sich um lokale muskuläre Schmerzsyndrome (Afferenzen aus C0–3, N. trigeminus) der entsprechend innervierten Muskeln? Symptome können in unterschiedlicher Kombination der o. g. afferent konvergent zusammenhängenden Systeme auftreten: Kopf-, Nacken- und Gesichtsschmerz, Ohrdruck- und -sensation, ophthalmische Symptome, Gleichgewichtsstörungen, Globusgefühl und andere unspezifische Symptome wie z. B. ein diffuses Druckgefühl im Kopf.
Manualmedizinische Untersuchungskriterien
Untersucht wird nach den manualdiagnostischen Kriterien [15]. Die Funktionsdiagnose hat nach der manuellen Untersuchung zwei Schlüsselfragen zu beantworten:
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1.
Ist es ein funktionelles (Funktionsstörung) oder ein strukturelles Problem (Dysfunktion bei struktureller Pathologie, keine freien Richtungen/Rezeptoren sensibilisiert) bzw. besteht ein funktioneller Anteil?
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2.
Wo entsteht der Schmerz? (Identifikation der Nozigeneratoren)
Schmerz- und Funktionsanalyse
Myofaszial
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Muskeln, die von C1–3 innerviert werden (Subokzipitalmuskeln, M. sternocleidomastoideus, M. trapezius, M. levator scapulae, M. splenius capitis) sowie Kiefermuskeln
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Triggerpunkte
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Störung der inter- und intramuskulären Gleitschichten inkl. Faszien
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Muskuläre Dysfunktion:
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Abschwächung
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Verkürzung
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koordinative Dysfunktion/Dysbalance
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Artikulär (artikuloligamentär und segmental-muskulär)
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Beteiligte Segmente: C0/1, C1/2, C2/3, C3/4
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Kiefergelenk untersuchen (kraniomandibuläre Komponente?)
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Die provozierende Segmentuntersuchung (segmentale nozizeptive Funktionsanalyse, MIP) hat die Schlüsselrolle bei der Diagnose von Kopfgelenksdysfunktionen. Sie beinhaltet:
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Prüfung der segmentalen Mobilität (M)
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Normal/eingeschränkt (Spannungszunahme)
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Welche Richtung/en (seitenvergleichend)
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Wie ist die Einschränkung (hartes, weiches, elastisches Endgefühl)
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Palpation der segmentalen Irritation (I)
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Schmerzauslösung und Lokalisation durch Palpation
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Motorische (und sympathische) Systemaktivierung?
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Provokation: funktionelle Analyse der segmentalen Irritation (P)
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Schmerzänderung durch Bewegung: gerichteter oder ungerichteter Bewegungsschmerz
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Freie Richtungen bei Rezeptorschmerz: Funktionsstörung
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Keine bzw. < 3 freie Richtungen: Rezeptoren sensibilisiert, Differenzialdiagnose strukturelle Pathologie bzw. periphere Sensibilisierung
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Freie Richtungen sind obligat für die manualmedizinische Behandlungsindikation
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Ergibt die Dysfunktionsdiagnose
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Neuromeningeal (im Kopfgelenkbereich selten)
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Neuromeningeale Provokationsuntersuchungen, druckdolente Nervenaustrittsstellen (z. B. N. occipitalis major)
Beurteilung der Stabilisationsfunktion
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Flexionskontrolle durch die subokzipitale und BWS-Muskulatur
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Extensionskontrollfunktion durch die tiefe ventrale Halsmuskulatur und mögliche Kompensation durch die oberflächliche Kette Kiefermuskeln–infrahyoidale–suprahyoidale Muskeln
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Beeinflussende Fehlhaltung und/oder -form: Hyperkyphose/-kyphosierung der oberen BWS: Kopfvorhaltestellung bzw. Reklinationshaltung mit artikulärer Mehrbelastung bzw. Verkürzung der subokzipitalen Muskeln
Zentralnervensystem inkl. Psyche und psychosoziale Faktoren
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Erfassung von klinischen Zeichen der peripheren/zentralen Sensibilisierung
Viszerale Afferenzen als Nozigeneratoren
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Im oberen HWS-Bereich ist vor allem an die Dissektionserkrankung der A. vertebralis zu denken: keine segmentale Dysfunktionsbefunde, diffuse muskuläre Verspannungsbefunde, neuer andersartiger Kopfschmerz [3].
Gerade bei chronischen Beschwerden gibt es oft mehrere Nozigeneratoren mit positivem Provokationsbefund (Konvergenz).
Weitere Maßnahmen
Aus dieser Schmerz- und Funktionsanalyse ergeben sich evtl. weitere Maßnahmen, wie gezielt formulierte Fragestellungen für Zusatzuntersuchungen (Röntgen, MRT, Labor, internistische Abklärungen etc.) oder gezielte lokale Schmerztherapien. Dabei ist daran zu denken, dass ein funktionelles Problem bzw. der funktionelle Anteil oft manuell behandelt werden kann.
Behandlungsplanung
Sofern Funktionsstörungen und nicht strukturelle Pathologien im Vordergrund stehen, ist zu überlegen, welche Behandlungstechniken eingesetzt werden können. Diese richten sich nach den funktionellen Komponenten.
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Myofasziale Nozigeneratoren
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Neuromuskuläre Inhibitionstechniken (z. B. postisometrische Relaxationstechnik, PIR)
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Myofasziale Techniken
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Triggerpunkt-Techniken
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Artikuläre segmentale Dysfunktion
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Segmentale neuromuskuläre Inhibitionstechniken
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Mobilisation ohne Impuls
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Manipulation mit Impuls
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Neuromeningeale Aspekte (im Kopfgelenkbereich im Hintergrund)
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Stabilisation
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Physiotherapie bzw. Instruktion auf stabilisierender/koordinativer Ebene
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Dysfunktionen der einzelnen Segmente
Die Diagnose und Therapie myofaszialer Befunde werden hier nicht behandelt. Grundsätzlich zeigen nur die diagnostischen Techniken eine relativ brauchbare Reliabilität und Validität, die weniger die Mobilität, sondern vor allem die Provokationsuntersuchung beinhalten (s. unten).
Dysfunktion C0/1
Diese Dysfunktion ist mit zervikogenen Kopfschmerzen und/oder anderen zephalen Symptomen verbunden. Sie kann gekoppelt sein mit kraniomandibulären Dysfunktionen. Gelegentlich sind persistierende Dysfunktionen nach milden HWS-Traumata zu sehen. Bei einer Funktionsstörung von C0/1 besteht keine subjektiv wahrgenommene Bewegungseinschränkung, sie ist aber oft verbunden mit myofaszialen Befunden der subokzipitalen Muskeln. Die Dysfunktion C0/1 ist eine gute Indikation für die Mobilisation/Manipulation. Diese Dysfunktion wird auch als obere Atlasblockierung bezeichnet.
Untersuchung
Die Untersuchung umfasst die Prüfung der segmentalen Inklination durch segmentale Griffanlage inkl. Schmerzprovokation sowie die Prüfung der Lateralflexion mit seitenvergleichender Palpation des Atlasquerfortsatzes [15].
Strukturelle Pathologie
Sehr selten bestehen symptomatische Degenerationen (Arthrose C0/1). Zur Differenzialdiagnose kann eine Infiltration mit einem Lokalanästhetikum unter Bildwandler erfolgen.
Dysfunktion C1/2
Diese Funktionsstörung ist häufig und tritt mit Kopfschmerzen und anderen zephalen Symptomen auf; aufgrund des großen Rotationsausmaßes ist es das einzige Segment, an dem sich eine anguläre Bewegungseinschränkung diagnostizieren lässt. Akute schmerzhafte Dysfunktionen kommen vor, häufig bei jüngeren Patienten. Subjektiv besteht eine stark störende Bewegungseinschränkung für die Rotation. Die Dysfunktion ist praktisch immer verbunden mit Irritation der subokzipitalen Muskeln und weiteren muskulären Befunden (M. levator scapulae, Mm. scaleni). Es lohnt sich hier eine neuromuskuläre Inhibitionstechnik anzuwenden (PIR oder reziproke Hemmung) und anschließend eine persistierende Dysfunktion zu mobilisieren. Auf C1/2- und C2/3-Dysfunktionen bei älteren Patienten wird weiter unten eingegangen.
Strukturelle Pathologien
Möglich sind symptomatische, meist einseitige atlantoaxiale Arthrosen (Articulatio atlantoaxialis lateralis), nicht selten bei älteren Patienten (Abb. 6), mit heftig einschießenden subokzipitalen und okzipitalen Kopfschmerzen, ausgeprägten zephalen Symptomen und oft Gleichgewichtsstörungen. Es besteht eine ausgeprägte schmerzhafte artikuläre ungerichtete Dysfunktion, die einseitig betont ist. Die anatomische Nähe der Wurzel bzw. des Ganglions C2 zum atlantoaxialen Gelenk kann die heftige Schmerz- und Symptomreaktion bis zu Gleichgewichtsstörungen erklären (Abb. 4). Die Diagnostik bei Verdacht auf eine atlantoaxiale Arthrose erfolgt durch ein transbukkales Röntgenbild und evtl. eine Infiltration (Lokalanästhetikum) unter Bildwandler.
Bei Polyarthritis kann es durch Destruktion der Bandstrukturen zu einer atlantoaxialen Pathologie bis Instabilität kommen; dies kann oft lange oligosymptomatisch verlaufen (ungerichtete Bewegungsdysfunktion). Bei Patienten mit Polyarthritis sollte regelmäßig eine seitliche Röntgenaufnahme mit aktiver Flexion vorgenommen werden, um die atlantoaxiale Stabilität/Instabilität zu dokumentieren.
Atlas und Axis sind gelegentlich auch eine Lokalisation von Knochenmetastasen .
Untersuchung
Die Untersuchung umfasst die Prüfung der Rotation und der translatorischen Mobilität C1/2 mittels segmentaler Griffanlage (z. B. Abb. 9), die Rotationsprüfung aus maximaler Inklination/Flexion oder die provozierende Segmentuntersuchung.
Dysfunktion C2/3
Diese Dysfunktion ist an der oberen HWS häufig und sehr oft von wichtigen myofaszialen Befunden (M. levator scapulae, subokzipitale Muskulatur, Mm. scaleni, autochthone kraniale Muskeln) begleitet. Sie ist oft Ursache von zervikogenen Kopfschmerzen. Bei Hyperkyphosierungshaltungen bzw. Kopfvorhaltestellungen (Bildschirmarbeit) mit subjektiv wahrnehmbarer Bewegungseinschränkung ist an eine Funktionsstörung von C2/3 zu denken. Subjektiv wird eine Bewegungseinschränkung für die Rotation wahrgenommen. Die subokzipitale Inklinationsstellung/Extension führt zur artikulären Mehrbelastung. Sie stellt auch den häufigsten funktionellen Befund bei persistierenden Beschwerden nach leichtem HWS-Trauma dar [16].
Die Funktionsstörung von C2/3 tritt auch oft beim älteren Patienten mit hypomobilen, degenerativ veränderten Segmenten der unteren HWS ohne Dysfunktion auf – durch funktionelle Mehrbelastung der oberen Segmente (Abb. 7).
Strukturelle Pathologien
Aktivierte Arthrosen als Ursache zervikogener Kopfschmerzen finden sich oft. Dabei kommt es zu einer ungerichteten Bewegungsdysfunktion mit lokaler Hyperalgesierung . Dieser Befund kann eine lohnende Indikation für eine Infiltration mit anschließender manueller Nachbehandlung darstellen. Periphere Sensibilisierungen ohne wesentliche Arthrose sind bei lang anhaltender Symptomatik ebenfalls häufig, besonders nach HWS-Traumatisierungen [16].
Auch degenerative Veränderungen sind an der HWS vielfach zu beobachten. Ob diese symptomatisch sind, ergibt die gezielte segmentale Diagnostik, was dann ergänzend durch eine gezielte Infiltration (interventionelle Schmerztherapie) verifiziert werden kann. Im klinischen Alltag ist die Differenzialdiagnose der symptomatischen degenerativen Veränderungen unbedingt zu berücksichtigen. Die in Abb. 7 dargestellte Situation von Funktionsstörungen der oberen HWS neben asymptomatischen degenerativen Veränderungen der unteren HWS ist typisch.
Untersuchung
Die Untersuchung beinhaltet die Prüfung der Mobilität C2/3 mittels segmentaler Griffanlage (z. B. Abb. 8) und die provozierende Segmentuntersuchung.
Bedingt durch die sehr häufige hypomobile Degeneration der Segmente C4–C7 [13] wird die freie Beweglichkeit der Kopfgelenke C1/2 und des Gelenks C2/3 mit zunehmendem Alter besonders wichtig. Dysfunktionen in diesem Bereich können mit Mobilisationen behandelt werden (s. Abb. 9).
Dysfunktion C3/4
Diese Dysfunktion ist der von C2/3 vergleichbar. Das Segment C3/4 nimmt eine Zwischenstellung ein. Die Facette wird versorgt vom Ramus medialis C3 (zervikotrigeminale Konvergenz) und Ramus medialis C4. Damit ist das Segment C3/4 sowohl an zervikozephalen Symptomatiken als auch an unteren Nacken-Schulter-Beschwerden beteiligt.
Strukturelle Pathologien
Auch am Segment C3/4 kommen aktivierte und sensibilisierte Arthrosen vor (s. C2/3-Dysfunktion).
Evidenz der manualdiagnostischen Untersuchung im Kopfgelenkbereich
Einige Studien untersuchten die Reliabilität und Validität der manualmedizinischen Untersuchung im Kopfgelenkbereich bezogen auf den zervikogenen Kopfschmerz. An 77 Patienten (27 zervikogener Kopfschmerz, 25 Migräne, 25 Kontrollen) zeigte sich [17], dass die segmentale Provokation einen klaren Unterschied für die Inzidenz der positiven Provokation bei zervikogenem Kopfschmerz im Vergleich zu Gesunden ergab (p > 0,005). Auch konnten eine zufriedenstellende Reliabilität der manuellen Untersuchung sowie die Frequenz der symptomatischen segmentalen Dysfunktion („mobility dysfunction“) bei zervikogenem Kopfschmerz nachgewiesen werden [18, 19]: Ein positiver Befund wurde nur akzeptiert bei pathologischer segmentaler Beweglichkeit (Mobilität) und bei positiver Schmerzprovokation (wiedererkannter Schmerz, Provokation). Die segmentale Untersuchung von C1/2 und C2/3 erwies sich dabei als wesentlich reliabler als die von C0/1 (Übereinstimmung über 85 %). Am häufigsten war das Segment C1/2 (40-mal) betroffen, gefolgt von C2/3 (27 -mal), während C0/1 (1 -mal) und C3/4 (9-mal) viel seltener waren.
Therapie
Bei segmentalen Dysfunktionen können Mobilisationen, neuromuskuläre segmentale Techniken und insbesondere Manipulationen mit Impuls erfolgreich eingesetzt werden. Eine beispielhafte manipulative Therapie für die Segmente C1/2, C2/3 und nachfolgende veranschaulicht Abb. 9. Entscheidend ist die oben dargestellte Funktionsuntersuchung/Schmerzanalyse mit segmentaler Zuordnung der Schmerzursachen. Die publizierten Studien zur Wirksamkeit basieren meistens auf Manipulationstechniken mit Impuls. Möglicherweise spielen für die besondere Wirksamkeit der Manipulation an der HWS auch artikuläre Adhäsionen eine Rolle [3, 14, 20].
Evidenz der manuellen Therapie im Kopfgelenkbereich
Für zervikogene Kopfschmerzen zeigte sich manuelle Therapie der Massage überlegen und der medikamentösen Therapie gleichwertig. Für den zervikogenen Kopfschmerz erwies sich die Manipulation allein und in Kombination mit Übungstherapie als wirksam. Bei Nackenschmerzen war die manuelle Therapie (Manipulation, Mobilisation) in Verbindung mit Übungstherapie der Placebogruppe deutlich überlegen. Auch Manipulationen der oberen BWS erwiesen sich als wirksam bei bestimmten Nackenschmerzen. Die Evidenz für manuelle Therapie ist bei Nackenschmerz höher als bei lumbalem Rückenschmerz. Manuelle Therapie ist beim akuten einfachen HWS-Trauma mit segmentalen Dysfunktionen wirksam [20, 21, 22, 23, 24].
Fazit für die Praxis
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Bei der HWS werden das obere (zervikozephale Syndrom) und das untere zervikogene Beschwerdesyndrom unterschieden.
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Die manualmedizinische Untersuchung umfasst eine Schmerz- und Funktionsanalyse.
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Die provozierende Segmentuntersuchung (segmentale nozizeptive Funktionsanalyse) nimmt eine Schlüsselrolle bei der Diagnose von Kopfgelenksdysfunktionen ein.
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Bei segmentalen Dysfunktionen können Mobilisationen, neuromuskuläre segmentale Techniken und insbesondere Manipulationen mit Impuls erfolgreich eingesetzt werden.
CME-Fragebogen
Welche Aussage zu den Kopfgelenkligamenten ist falsch ?
Das Lig. transversum atlantis ist zwischen den Massae laterales des Atlas ausgespannt.
Der wichtige kräftige Anteil des Lig. alare fixiert den Dens am Okziput.
Nach entzündlichen Erkrankungen kann es durch die Insuffizienz des Lig. alare zum Ventralgleiten des Atlas kommen.
Sowohl das Lig. transversum wie auch die Ligg. alaria führen und begrenzen die Rotation von C1/2.
Die Lig. alaria setzen lateral dorsal versetzt am Dens an, was bei einer Rotation zu einer gleichseitigen Seitneigung des Okziputs bzw. bei einer Seitneigung zu einer Zwangsrotation des Axis führt.
Zervikotrigeminale Konvergenz bedeutet …
die Zusammenführung von Schmerzafferenzen und Propriozeption der Wurzeln C1–3.
die gemeinsame Projektion der sensorischen Afferenzen der Wurzeln C2–3 und des N. trigeminus im spinalen Trigeminuskern.
die Konvergenz von vestibulären und zervikalen Afferenzen als Erklärung für zervikogene Gleichgewichtsstörungen.
die Konvergenz von zervikalen Afferenzen zum Nucleus principalis des N. trigeminus.
trigeminale Afferenzen zu den zervikalen Hinterhornneuronen (WDR-Neuronen).
Welche Aussage zum lateralen atlantoaxialen Gelenk ist falsch ?
Es hat eine bikonvexe Gelenkfläche, deren „Leerräume“ durch die Gelenkkapsel mit Meniskoiden ausgefüllt wird.
Die Nervenwurzel C2 verläuft unmittelbar neben dem Gelenk und kann bei pathologischen Prozessen im Gelenk irritiert werden.
Die Rotation beträgt für beide Seiten je über 40°.
Die Flexion von C1/2 wird auch als Inklination bezeichnet.
Die segmentale Rotation ist als anguläres Beweglichkeitsausmaß quantitativ prüfbar.
Welche Aussage zur Dysfunktion der Segmente C0/1 (oberes Kopfgelenk) ist richtig?
Sie zeigt typischerweise eine subjektiv verminderte Kopfdrehung.
Da kaum Muskeln am Atlas vorhanden sind, finden sich selten begleitende myofasziale Befunde der subokzipitalen Muskulatur.
Symptomatische Arthrosen von C0/1 sind häufig Ursache für C0/1-Dysfunktionen.
Typischerweise besteht eine Einschränkung der Inklination.
Das Seitneigungsfedern ist nicht aufgehoben.
Es besteht eine schmerzhafte, störende Bewegungseinschränkung für die Kopfdrehung nach rechts mit okzipitalem Kopfschmerz. Welche Diagnose ist am wenigsten wahrscheinlich?
Aktivierte Facettenarthrose C2/3 rechts
Atlantoaxiale Arthrose C1/2 rechts
Dysfunktion C2/3 rechts ohne degenerative Veränderungen
Dysfunktion C3/4 rechts ohne degenerative Veränderungen
Dysfunktion C1/2 rechts ohne degenerative Veränderungen
Welche Aussage zu Gleichgewichtsstörungen und schwindelartigen Symptomen ist richtig?
Solche Symptome sind möglich bei Noziafferenzen der Wurzeln C2–3 zu Vestibulariskernen.
Solche Symptome sind obligat für die Diagnosen eines „zervikozephalen Syndroms“.
Bei zervikalen Pathologien ist Drehschwindel typisch.
Sie sind am häufigsten bei Pathologien/Arthrosen des atlantoaxialen Gelenks C1/2.
Eine zervikale Ursache dieser Symptome ist nicht bekannt.
Welche Aussage zur schmerzhaften Funktionsstörung von C1/2 ist falsch ?
Die segmentale Dysfunktion C1/2 ist mittels Prüfung der Inklination spezifisch zu diagnostizieren.
Bei der segmentalen Untersuchung findet man eine Rotationseinschränkung.
Kopfschmerzen oder schwindelartige Symptome kommen vor.
Muskuläre Befunde der rotatorischen Subokzipitalmuskeln sind häufig.
Der C2-Dornfortsatz rotiert sofort zur Gegenseite des Schmerzes.
Welche Komponente ist an der Seitneigung der Halswirbelsäule nicht beteiligt?
Kondylengleiten C0 gegenüber C1
Lateralflexion C1/2 im atlantoaxialen Gelenk
Zwangsrotation des Atlas
Gekoppelte Kopfrotation bei Seitneigung C0/1
Funktion des Intervertebralgelenks C2/3
Welche Aussage zu Beschwerden der oberen HWS-Region beim Polyarthritispatienten trifft zu?
Es treten häufig sekundäre degenerative Veränderungen der Facettengelenke C2/3 und C3/4 auf.
Da die Polyarthritis vor allem an den peripheren Gelenken aktiv ist, ist ein Befall der Halswirbelsäule eine Rarität.
Die Polyarthritis kann die Kopfgelenksligamente mit Destruktion derselben befallen, was sich als atlantodentale Instabilität äußert.
Für die Diagnose einer Polyarthritisaktivität an der oberen HWS muss routinemäßig eine MRT-Untersuchung erfolgen.
Bei Polyarthritis liegt immer eine pathologische Densfraktur vor.
Welche Struktur kann kein zervikozephales Syndrom direkt unterhalten bzw. imitieren?
Subokzipitale Muskulatur
Dissektion der A. vertebralis
Dysfunktion des Segments C2/3
Atlantoaxiale Arthrose C1/2
Diskushernie C4/5
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Interessenkonflikt. U. Böhni gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht. Dieser Beitrag beinhaltet keine Studien an Menschen oder Tieren.
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Böhni, U. Diagnose der Dysfunktion und Therapie der Kopfgelenkregion. Manuelle Medizin 52, 251–268 (2014). https://doi.org/10.1007/s00337-014-1108-2
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