Zusammenfassung der Studie

Zwei Mitarbeiter des Palmer College of Chiropractice in San José, Kalifornien, haben eine systematische Übersicht zur Zuverlässigkeit statischer Palpationsbefunde an der Wirbelsäule und der Kreuzdarmbeingelenke veröffentlicht. Die Autoren verstehen statische Palpation als ein manuelles diagnostisches Verfahren, um die Lage knöcherner Strukturen, schmerzhafte Stellen erhöhter Druckempfindlichkeit oder bestimmte Wirbelsäulenabschnitte zu entdecken [1].

In einer strukturierten Literatursuche in den Datenbanken „PubMed“, „Manual Alternative and Natural Therapy Index System“, „Index to Chiropractic Literature“ und „Cumulative Index to Nursing and Allied Health Literature“ wurde nach englischsprachigen Publikationen zum Thema statische Palpation an der Wirbelsäule im Zeitraum zwischen 1965 bis Oktober 2007 gesucht. Die Qualität der Studien wurde in Anlehnung an Stochkendahl et al. [2] anhand einer sechsteiligen Skala beurteilt, wobei für hochqualitative Studien ein Grenzwert von mindestens 50% des Maximalscores festgelegt wurde.

Von insgesamt 350 identifizierten Studien entsprachen 29 Publikationen den Einschlusskriterien. Mit der Zuverlässigkeit des Nachweises schmerzhafter Regionen oder von druckschmerzhaften Punkten beschäftigten sich 14 Untersuchungen. In 10 Studien waren anatomische Orientierungspunkte das Thema und in den verbleibenden 5 Studien die Position bzw. die Ausrichtung von knöchernen Strukturen.

Alle 29 Studien untersuchten die Reproduzierbarkeit der Befunde von verschiedenen Untersuchern, 8 dieser Publikationen beschäftigten sich auch mit der Zuverlässigkeit von Palpationsbefunden desselben Untersuchers. In den meisten, nämlich 21 Studien, erfolgte die Palpation im Bereich der Lendenwirbelsäule, 10 Publikationen berichteten über Palpation im Kreuzdarmbeingelenk, 5-mal wurde an der Brustwirbelsäule untersucht und 8 Studien überprüften die Reproduzierbarkeit der Palpation an der Halswirbelsäule.

Über eine akzeptable Zuverlässigkeit von unterschiedlichen Untersuchern bei ausreichender Studienqualität berichteten 4 der 14 Studien zur Schmerzpalpation. Nur eine Studie mit einem Qualitätsscore von 50% fand bei der Untersuchung von anatomischen Orientierungspunkten an der Lendenwirbelsäule eine gute Übereinstimmung von verschiedenen Untersuchern. In keiner der Publikationen zur Position von knöchernen Strukturen wurde eine ausreichende Zuverlässigkeit der Palpationsbefunde verzeichnet.

Die Autoren weisen auf die generell geringe Zuverlässigkeit der Palpationsbefunde hin, wobei die Schmerzpalpation die relativ beste Wiederholbarkeit der Befunde nachgewiesen hat.

Kommentar

In der Literatur finden sich einige systematische Übersichten zur Zuverlässigkeit der Palpationsbefunde an der Wirbelsäule [2][3][4]. Seffinger et al. [3] berichteten über 59 Publikationen, wobei neben der Beurteilung der statischen Palpation auch die segmentale und regionale Beweglichkeit untersucht worden waren. In den 12 Studien mit der höchsten Studienqualität wurde eine akzeptable Zuverlässigkeit der Schmerzpalpation, Bewegungsprüfung und Erkennung anatomischer Orientierungspunkte durch denselben Untersucher, jedoch nicht für verschiedene Begutachter nachgewiesen.

Eine ausreichende Zuverlässigkeit mit κ-Werten größer als 0,4 zeigten 64% der Untersuchungen zur Schmerzprovokation und 58% der Bewegungsstudien. Anatomische Orientierungspunkte konnten in einem Drittel der Studien akzeptabel reproduziert werden. Die Befundung von Weichteilveränderungen wurde in keiner Untersuchung suffizient wiederholt. Die Beurteilung regionaler Beweglichkeit war zuverlässiger als der segmentale Bewegungsumfang, die Reproduzierbarkeit beim selben Untersucher war besser als zwischen verschiedenen Untersuchern. Ausbildung, Berufserfahrung, Konsens über die durchzuführende Prozedur, Training vor der Studie oder vor der Untersuchung von symptomatischen Patienten hatte keinen Einfluss auf die Zuverlässigkeit der Palpationsbefunde.

Das Hauptaugenmerk von Hollerwögers Studie [4] war die Qualität der Studien zur Reproduzierbarkeit von Palpationsbefunden. Aufgrund der Untersuchungsergebnisse schlussfolgerte der Autor, dass die zuverlässige Entdeckung einer segmentalen Dysfunktion fraglich bleibt.

Ein systematischer Review aus Dänemark bestätigte, dass die Reproduzierbarkeit der Schmerzprovokation von verschiedenen Untersuchern akzeptabel ist. Vom selben Untersucher können ein weichteilbedingter Schmerz und die allgemeine Beurteilung ausreichend wiederholt werden. Andere Untersuchungen sind entweder nicht zuverlässig reproduzierbar oder die Daten zur Wiederholbarkeit sind widersprüchlich.

Kürzlich berichtete eine Studie aus Norwegen über die Reproduzierbarkeit und Validität der Identifikation der Dornfortsätze C7 und L5 [5]. Zwei Manualtherapeuten palpierten an 29 weiblichen und 20 männlichen Patienten im Alter zwischen 26 und 79 Jahren die Dornfortsätze des siebenten Halswirbels und des fünften Lendenwirbels. Die Stelle der Palpation wurde mit einer nur bei UV-Licht-Bestrahlung sichtbaren Tinte markiert. Von allen Personen wurden Röntgenbilder der Hals- und Lendenwirbelsäule angefertigt, um die korrekte Lage der Hautmarkierungen zu bestimmen. Die beste Übereinstimmung der Therapeuten wurde für die Hautmarkierungen gefunden, wobei in 67% der Fälle die Markierungen innerhalb eines Abstandes von 10 mm lagen. Die korrekte Zuordnung der Hautmarkierungen zu den Röntgenbildern war an der Halswirbelsäule jedoch schlecht (κ=0,18) und an der Lendenwirbelsäule mäßig (κ=0,48).

Najm et al. [6] veröffentlichten auch eine systematische Übersicht zur inhaltlichen Validität der palpatorischen Untersuchung der Wirbelsäule. Fünf Studien wurden eingeschlossen, von denen drei Untersuchungen die Beurteilung von Beweglichkeit und zwei die Schmerzprüfung zum Thema hatten. Die diagnostische Sensitivität für eine eingeschränkte Seitbeugung betrug 41% und für die segmentale Funktionsstörung zwischen 48 und 86%. Die Prüfung auf Druckempfindlichkeit der zervikalen Intervertebralgelenke zeigte eine Sensitivität von 82% und eine Spezifität von 79% für die Diagnose eines akuten Zervikalsyndroms. Schmerzprovokation durch Fingerdruck war nicht imstande, lumbale Kreuzschmerzen während und nach einer Schwangerschaft zu identifizieren (Sensitivität 21%, Spezifität 96%).

Insgesamt ist die Reproduzierbarkeit der manuellen Untersuchung meist nicht ausreichend und auch die Validität palpatorischer Befunde ist nur gering. In der Ausbildung zur manuellen Untersuchung ist das Augenmerk verstärkt auf die Verbesserung reproduzierbare Untersuchungsbefunde zu legen. Außerdem müssen Methoden entwickelt werden, die die Validität palpatorischer Befunde erhöhen.

Literatur

  1. 1.

    Haneline MT, Young M (2009) A review of intraexaminer and interexaminer reliability of static spinal palpation. A literature synthesis. J Manipulative Physiol Ther 32:379–386

  2. 2.

    Stochkendahl M, Christensen H, Hartvigsen J et al (2006) Manual examination of the spine: a systematic critical literature review of reproducibility. J Manipulative Physiol Ther 29:475–485

  3. 3.

    Seffinger MA, Najm WI, Mishra SI et al (2004) Reliability of spinal palpation for diagnosis of back and neck pain: a systematic review of the literature. Spine 29:E413–E425

  4. 4.

    Hollerwöger D (2006) Methodological quality and outcomes of studies addressing manual cervical spine examinations: a review. Man Ther 11:93–98

  5. 5.

    Robinson R, Robinson HS, Bjorke G et al (2009) Reliability and validity of a palpation technique for identifying the spinous processes of C7 and L5. Man Ther 14:409–414

  6. 6.

    Najm WI, Seffinger MA, Mishra SI et al (2003) Content validity of manual spinal palpatory exams – a systematic review. BMC Complement Altern Med 3:1

Beweglichkeit der Halswirbelsäule nach einmaliger myofaszialer Induktionstechnik

Mobility of the cervical vertebrae following a single myofacial induction technique

Zusammenfassung der Studie

In Spanien wurde in einer kontrollierten randomisierten Studie untersucht, ob eine einmalige Weichteilbehandlung des Ligamentum nuchae die Beweglichkeit und die Druckschmerzschwelle der Halswirbel bei beschwerdefreien Personen verändern kann. Insgesamt nahmen 35 Personen, 8 Männer und 27 Frauen im durchschnittlichen Alter von 21±4 Jahren, an der Studie teil. Die Teilnehmer, die keinerlei aktuelle Beschwerden im Nacken-, Schulter- oder Armbereich angegeben hatten, wurden zufällig in zwei Therapiegruppen eingeteilt. In der experimentellen Gruppe erhielten die Teilnehmer 5 Minuten lang eine tatsächliche Faszienbehandlung, während in der Kontrollgruppe nur eine Pseudobehandlung durchgeführt wurde. Vor und 5 Minuten nach der Intervention wurden die Druckschmerzschwelle über beiden Intervertebralgelenken C5/C6 und am M. tibialis anterior sowie die Beweglichkeit der Halswirbelsäule bestimmt.

Nach der tatsächlichen Behandlung wurde eine signifikant deutlichere Veränderung der Flexion, Extension und Seitbeugung nach links beobachtet als nach der Scheintherapie. Der signifikante Unterschied im Bewegungsumfang wurde durch den Umstand erklärt, dass die experimentelle Gruppe eine geringe Zunahme der Beweglichkeit erzielte, während in der Kontrollgruppe der Bewegungsausschlag gering abnahm. Die Seitbeugung nach rechts und die Rotation veränderten sich in den beiden Gruppen nicht unterschiedlich. Auch die Druckschmerzschwelle entwickelte sich nach tatsächlicher und scheinbarer Behandlung gleichartig, wobei an den Intervertebralgelenken eine geringe Anhebung und am M. tibialis anterior eine leichte Absenkung der Schmerzschwelle beobachtet wurde.

Kommentar

Obwohl es zahlreiche systematische Reviews zur Wirksamkeit von Manualtherapie beim Zervikalsyndrom gibt [2], wird in diesen Übersichten die Veränderung des Bewegungsumfangs der Halswirbelsäule nicht als Ergebnisparameter angegeben.

Der Bewegungsumfang der Halswirbelsäule wurde in einem gemischten Patientengut mit akuten, subakuten und chronischen Nackenschmerzen sowohl durch eine einmalige Manipulation als auch durch eine einmalige Mobilisation in gleicher Weise verbessert [3]. In einer Pilotstudie wurde keine unterschiedliche Veränderung der Flexion und der zum Schmerz kontralateralen Rotation beobachtet, wenn in oder gegen die Richtung der schmerzhaften Seite eine Manipulation durchgeführt bzw. mit Pseudo-Ultraschall behandelt worden war [4]. Nach Manipulation war die Rotation zur schmerzhaften Seite deutlicher ausgeprägt als nach der Placebobehandlung. Signifikante Unterschiede im Ausmaß der Seitbeugung fanden sich zwischen den beiden Varianten der Manipulation als auch zwischen der Manualtherapie an der schmerzhaften Seite und der Pseudo-Ultraschalltherapie.

Im Jahr 2006 wurde in einer randomisierten Studie gezeigt, dass sowohl eine einmalige Manipulation mit hoher Geschwindigkeit und kleiner Amplitude als auch die einmalige Mobilisation bei Patienten mit chronischen Nackenschmerzen die aktive Beweglichkeit der Halswirbelsäule verbessern kann [5]. Die Manipulation führte zu einer signifikant deutlicheren Verbesserung des Bewegungsumfanges als die Mobilisation.

In Australien wurde in einer doppelblinden, randomisierten Studie gezeigt, dass die Manipulation der Halswirbelsäule 3-mal wöchentlich über 3 Wochen die aktive Seitbeugung und Rotation im Vergleich zur Pseudobehandlung und keiner Therapie signifikant verbessert [6]. In Finnland wurde im Cross-over-Design der Einfluss von wiederholter, 30 Minuten dauernder Manualtherapie (8 Therapien in 4 Wochen) auf die Beweglichkeit der Halswirbelsäule im Vergleich zu Dehnungsübungen (10 Minuten Dauer, 20 Therapien in 4 Wochen) untersucht [6]. In beiden Gruppen wurde eine geringe Zunahme des aktiven und passiven Bewegungsumfanges in allen drei Bewegungsebenen beobachtet. Ylinen et al. [8]. fanden bei Frauen mit chronischem Zervikalsyndrom nach einem Jahr bei der Kombination von Dehnungsübungen mit Ausdauer- bzw. Maximalkrafttraining der Nackenmuskulatur eine signifikant deutlichere Verbesserung der HWS-Rotation als in der Kontrollgruppe, die nur Dehnübungen 2-mal pro Woche durchgeführt hatte.

Eine Verbesserung der Halswirbelsäulenbeweglichkeit wurde nun erstmals auch nach einer Faszienentspannungstechnik gezeigt [1]. Dabei ließ sich gleichzeitig auch eine geringe Anhebung der Druckschmerzschwelle beobachten. Eine Erhöhung der Druckschmerzschwelle an der Nackenmuskulatur nach „Occipital Release“, einem Manöver, das der durchgeführten „zervikalen myofaszialen Induktion“ sehr ähnlich ist, konnte bislang nicht nachgewiesen werden [9]. Weitere Studien sind notwendig, um die Wertigkeit von Faszientechniken in der Therapie an der Halswirbelsäule festzulegen.