In den beiden ersten Beiträgen zu diesem Thema wurden vier manualmedizinische Kopfschmerzsyndrome, das orbitotemporale (OTS), das orofaziale (OFS), das nasopharyngeale (NPS) und das laryngomediastinale Syndrom (LMS) beschrieben [2]. In diesem dritten Teil werden manualmedizinische Kopfschmerzformen vorgestellt, die in der Praxis hinsichtlich ihrer Symptomatik stark variieren können und auch häufig in Kombination miteinander, mit den vier oben aufgeführten Syndromen oder mit klassischen Kopfschmerzformen wie der Migräne auftreten. Ihre differenzialdiagnostische Abgrenzung fällt oft nicht leicht, ist aber essenziell für eine Differenzialtherapie. Sie werden, wie schon im ersten Beitrag erwähnt, wie folgt eingeteilt ([2]):

  • primär myofaszial vermittelter „viszeraler Kopf-/Gesichtsschmerz“:

    • bei orbitotemporalen Syndrom,

    • bei orofazialem Syndrom,

    • bei nasopharyngealen Syndrom,

    • bei laryngomediastinalen Syndrom,

    • muskulär vermittelte Verkettung,

      • statisch-muskulär vermittelter Kopfschmerz,

    • faszial vermittelte Verkettung,

      • intrakranieller suturaler Kopfschmerz,

      • suturaler Kopfschmerz der Schädelkalotte,

    • Kopfschmerz bei kraniosakraler Dysfunktion,

      • sphenobasiläre Dysfunktion (SBS),

      • diaphragmal,

    • Projektionsareale distinkter Triggerpunkte;

  • primär gelenkig vermittelter „parietaler Kopf-/Gesichtsschmerz“:

    • trigger- und tenderpunktassoziiert bei reiner segmentaler Störung der Halswirbelsäule und/oder der Kopfgelenke,

    • Retroflexionskopfschmerz,

    • Anteflexionskopfschmerz nach Gutman,

    • statischer gelenkvermittelter Kopfschmerz;

  • primär autonom vermittelter Kopfschmerz:

    • sympathisch ergotroph/parasympathisch trophotroph;

  • viszeraler, parietaler und autonomer Kopfschmerz kombiniert mit anderen manualmedizinischen Syndromen:

    • bei gekreuzten Syndromen nach Janda,

    • bei einem Syndrom der oberen Thoraxapertur.

Trigger- und tenderpunktassoziierter Kopf- und Gesichtsschmerz bei segmentaler Funktionsstörung der Kopfgelenke oder der Halswirbelsäule

Prinzipiell kann jede segmentale Funktionsstörung schmerzende Strukturen unterhalten. Meist sind dies Trigger- oder Tenderpunkte. Am häufigsten betrifft dies Kopfgelenkstörungen. Typisch für einen solchen Symptomkomplex ist beispielsweise eine Retroflexionsstörung 0/C1 oder eine Seitnickstörung C1/C2 (treten auch häufig zusammen auf) mit Triggerpunkten in den kleinen Nackenstreckern und Tenderpunkten posterior zervikal (PC 1–3) sowie anterior zervikal (AC 1+2). Dieser Kopfschmerz wird dorsal seitlich am Kopf empfunden und kann isoliert auftreten (Abb. 1), aber auch in andere manualmedizinische Syndrome wie z. B. das NPS oder OFS eingebunden sein. Überhaupt findet der Manualmediziner meist Verkettungssyndrome. Wahrscheinlich sind die rein segmentalen triggerpunktassoziierten Kopfschmerzsyndrome „Vorboten“ einer klinisch noch nicht ersichtlichen oder erst zu erwartenden Verkettung. Wird der Bereich um die Orbita als schmerzhaft empfunden, handelt es sich um ein OTS, bei der Mundöffnungsstörung um ein OFS.

Abb. 1
figure 1

Schmerzempfindungen bei segmentaler Dysfunktion der Kopfgelenke (dunkelrot Schmerzqualität dumpf-drückend, gelb Schmerzqualität stechend)

Das Segment C2/C3 ist häufig kompensatorisch überlastet und mitgestört. Klinisch imponieren isolierte Triggerpunkte in entsprechend funktionsgestörten Segmenten der Halswirbelsäule. Neben den Kopfgelenken trifft dies für das Segment C3/C4 häufig zu, mit Triggerpunkten im M. splenius capitis und den Tenderpunkten PC/AC 3–4. Der Schmerz wird hoch parietal und im Bereich der segmentalen autochthonen Rückenmuskulatur empfunden (Abb. 2).

Abb. 2
figure 2

Schmerzempfindungen bei segmentaler Dysfunktion C3/C4 (dunkelrot Schmerzqualität dumpf-drückend, gelb Schmerzqualität stechend)

Ebenso finden sich meist Triggerpunkte in den von C6 versorgten Anteilen des M. longissimus oder anderen autochthonen zervikalen Muskelarealen bei der Verkettung „Daumensattelgelenk – Ellenbogengelenk – C6“ im Rahmen der Epikondylopathie. Der Triggerpunkt imponiert dann mit „seitlichem Nackenschmerz“ (Abb. 3). Der M. levator scapulae ist oft mitgestört und weist entsprechende Triggerpunkte auf.

Abb. 3
figure 3

Schmerzempfindungen bei segmentaler Dysfunktion C5/C6 (dunkelrot Schmerzqualität dumpf-drückend, gelb Schmerzqualität stechend)

Handelt es sich bei den Kopfgelenkstörungen um Adaptationen bei z. B. verketteter Beckendysfunktion oder beim Segment C3/C4 um fortgeleitete Störungen aufgrund kraniosakraler (quere Diaphragmen) bzw. viszeraler Störungen (diaphragmanahe innere Organaufhängungen), ist die alleinige Therapie der segmentalen Dysfunktion nicht ausreichend. In Tab. 1 sind typische Symptomatiken aufgelistet. Da der M. trapezius von den Segmenten C1–C4 nerval versorgt wird, ist er häufig mitgestört. Die isolierten segmentalen Funktionsstörungen sind auch fast regelhaft Bestandteil sich entwickelnder oberer gekreuzter Syndrome nach Janda oder eines Syndroms der oberen Thoraxapertur. In diesen Fällen weist der zervikothorakale Übergang mit dem Segment C7/Th1 Dysfunktionen auf. Triggerpunkte finden sich im M. trapezius und M. sternocleidomastoideus, Tenderpunkte sind entsprechend PC/AC 6–7. Der Schmerz wird im zervikothorakalen Übergang, okzipital und „hinter der Stirn“ angegeben (Abb. 4), manchmal mit einem „Augenbrauenschmerz“. Bei genauem Nachfragen lassen sich manchmal auch leichtere Schmerzen hoch parietal, am Jochbeinbogen, im Bereich der Maxilla, im Ohr oder in der Gegend des Acromioclaviculargelenkes feststellen.

Tab. 1 Segmentale triggerpunktassoziierte Syndrome
Abb. 4
figure 4

Schmerzempfindungen bei segmentaler Dysfunktion des zervikothorakalen Übergangs (dunkelrot Schmerzqualität dumpf-drückend, gelb Schmerzqualität stechend)

Für alle segmentalen Syndrome gilt: Weisen die Halsfaszien ebenfalls Restriktionen auf, spricht dies für ein sich ausbreitendes oder bereits verkettetes Syndrom.

Syndrombezogene Differenzialdiagnose

Eine Röntgenaufnahme in zwei Ebenen gehört zur Standarddiagnostik, schon um ein Os odontoideum oder Frakturen wie z. B. Dornabrisse u. ä. beurteilen zu können. Ebenso werden damit basiläre Impressionen ersichtlich. Dazu muss jedoch der harte Gaumen mit erfasst sein. Eingeengte Neuroforamina können in halbschrägen Aufnahmen, besser aber im Magnetresonanztomogramm beurteilt werden. Besteht der Verdacht auf ein Syndrom des engen Spinalkanals, zwingt dieser zur zervikalen MRT. Immer auszuschließen sind zervikale Raumforderungen, sowohl intramedullär als auch intra- und extradural. Bei entsprechend auffälligem neurologischen Befund ist ebenfalls ein zervikales MRT anzustreben. Der kraniozervikale Übergang sollte mit dargestellt werden, um z. B. auch Arnold-Chiari-Syndrome beurteilen zu können. Extradurale Bedrängungen neuraler Strukturen sind am häufigsten, meist handelt es sich um Bandscheibenvorfälle (C6/C7/C8), Unkovertebralarthrosen mit Einengung der Neuroforamina oder Retrospondylophyten. Für alle diese Syndrome aber gilt: Erst der Nachweis von nervaler Bedrängung berechtigt zur Diagnose eines radikulären Syndroms. Dieser lässt sich klinisch durch einen neurologischen Befund, elektrophysiologisch durch somatosensorisch evozierte Potenziale (SSEP), F-Wellen und Elektromyographie (EMG) sowie neuroradiologisch mithilfe von MRT und bei Bedarf CT-Schichtaufnahmen erbringen.

Klippel-Feil-Syndrome führen nicht per se zu Beschwerden und wenn doch, sind die sekundär entstandenen segmentalen (triggerpunktassoziierten) Dysfunktionen die Ursache. Für den Manualmediziner gefährlich sind seitliche Hals/Nackenbeschwerden, die sich über ein bis zwei Tage entwickeln. Es ist immer zu bedenken, dass die spontanen Dissektionen hirnversorgender Arterien wahrscheinlich recht häufig sind [3, 4, 5, 6, 8, 12]. Wird in eine solche spontane Dissektion unter falscher oder nicht erfolgter Differenzialdiagnose „hineinmanipuliert“, drohen schwerwiegende haftungsrechtliche Konsequenzen. Sehr selten ist ein A.-spinalis-anterior-Syndrom Ursache zervikaler Beschwerden.

Auch die Halswirbelsäule kann Ziel metastatischer Prozesse sein, diese müssen immer ausgeschlossen werden. Gleiches gilt für Plasmozytome, rheumatoide Prozesse (Grisell-Syndrom) oder andere Autoimmunerkrankungen. Entzündliche Prozesse wie epidurale Abszesse oder Osteomyelitiden der Halswirbelkörper sind selten, sollten aber nicht übersehen werden. Eine Neuroborreliose kann zervikale radikuläre und Irritationssyndrome imitieren. Einen Überblick zur Differenzialdiagnose gibt Tab. 2.

Tab. 2 Syndrombezogene Differenzialdiagnose trigger- und tenderpunktassoziierter Kopf-, Nacken- und Halsschmerzen bei segmentalen Funktionsstörungen

Die segmentbezogenen Kopf- und Halsschmerzen sind meistens in andere manualmedizinische Syndrome eingebunden. Hier sind zu nennen: das OTS, NPS und LMS, das OFS, suturale Kopfschmerzen, das obere gekreuzte Syndrom nach Janda, das Syndrom der oberen Thoraxapertur, die thorakale Hochatmung, Adaptationen bei primär kraniosakraler oder viszerofaszialer Verkettung, Faszienketten und letztendlich statisch muskuläre bzw. gelenkige Verkettungen. Im Kindesalter treten die segmentbezogenen Kopf- und Halsschmerzen häufiger isoliert auf, was für die „Vorläuferhypothese“ spricht.

Empfohlener manualmedizinischer Untersuchungs- und Behandlungsgang

Orientierende und regionale manualmedizinische Untersuchung

Diese Untersuchung beinhaltet folgende Bereiche:

  • Kopfgelenke, HWS, zervikothorakaler Übergang,

  • Halsfaszien mit Hyoid,

  • lokale Suturen,

  • Mobilitätsstörungen der Schädelknochen,

  • kraniosakraler Rhythmus und

  • komplette orientierende Untersuchung zur Differenzialdiagnose von Verkettungen und Verkettungssyndromen.

Gezielte manualmedizinische Untersuchung

Hier werden in der orientierenden Untersuchung auffällig gewordene Regionen einbezogen, meist

  • Triggerpunkte und Tenderpunkte entsprechend der Differenzialdiagnose,

  • Untersuchung auf thorakale Hochatmung, auf oberes gekreuztes Syndrom nach Janda,

  • Untersuchung auf Inkoordinationssyndrome,

  • Untersuchung auf OTS, NPS, LMS, OFS und

  • gezielte Untersuchung auf Verkettungen.

Manualmedizinische Behandlung

Die manualmedizinische Behandlung sieht folgende empirisch begründete Reihenfolge vor:

  1. 1.

    Behandlung von Triggerpunkten, die eine segmentale oder anderweitig spezifische Untersuchung oder Behandlung behindern,

  2. 2.

    Behandlung der segmentalen gelenkigen Funktionsstörungen,

  3. 3.

    Behandlung der auffälligen Trigger- und Tenderpunkte,

  4. 4.

    Behandlung der gestörten Faszien,

  5. 5.

    Behandlung der gestörten Suturen,

  6. 6.

    Behandlung der Inkoordinationssyndrome,

  7. 7.

    Behandlung von Mobilitätsstörungen der Schädelknochen,

  8. 8.

    bei Bedarf Behandlung über den kraniosakralen Rhythmus.

Prophylaxe

Die Patienten sollten die Selbstübungen für segmentale Funktionsstörungen erlernen. Handelt es sich um Verkettungssyndrome abdominaler Natur oder im Zusammenhang mit pelvinen Dysfunktionen, empfiehlt sich das Erlernen der sensomotorischen propriozeptiven Fazilitation nach Janda („kurzer Fuß“).

Prognose

Die Prognose ist bei rein segmentalen Funktionsstörungen, die wie bereits erwähnt im Kindes- und Jugendalter häufig auftreten, insgesamt gut. Sind die segmentalen Dysfunktionen Ausdruck von Verkettungen, hängt die Prognose von Art, Zeitdauer und Ausmaß des möglichen Verkettungssyndroms ab.

Retroflexionskopfschmerz

Der Retroflexionskopfschmerz tritt typischerweise im Zusammenhang mit einem oberen gekreuzten Syndrom nach Janda auf (Abb. 5). Durch den nach vorn gezogenen Kopf – der Porus acusticus externus befindet sich definitionsgemäß ventral der Vorderfläche des HWK 7 – müssen die kleinen Nackenstrecker genauso wie die oberflächlichen und tiefen langen Nackenstrecker den Kopf „halten“, was in einer kompensatorischen Retroflexion mündet (Abb. 6). Fast regelhaft ist der Retroflexionskopfschmerz mit einer Anteflexionsstörung 0/C1 vergesellschaftet, oft auch im Rahmen eines orofazialen Syndroms. Der Schmerz imponiert okzipital am Ansatz der kleinen Nackenstrecker. Meist weisen die dorsale Halsfaszie und das Lig. nuchae auch Restriktionen auf. Oft ist die Sutura lambdoidea und das Os occipitale funktionsgestört, ebenso der Confluens sinuum und das Tentorium cerebelli. Befinden sich in den kleinen Nackenstreckern Triggerpunkte, strahlt der Schmerz entsprechend dem Übertragungsareal seitlich am Kopf nach vorne aus.

Abb. 5
figure 5

Schematische Darstellung des oberen gekreuzten Syndroms nach Janda

Abb. 6
figure 6

Retroflexionskopfschmerz. Man beachte die mangelhaft verlängerungsfähigen kleinen Nackenstrecker und das Schmerzareal (rot)

Differenzialdiagnostisch abzugrenzen sind die Okzipitalisneuralgie [15] das Nacken-Zungen-Syndrom [1] sowie die spontane Vertebralisdissektion. An kleine „Leckblutungen“ als Vorläufer von Subarachnoidalblutungen muss unbedingt gedacht werden. In diesen Fällen ist der Schmerz scharf und stechend.

Manualmedizinisch behandelt wird der lokale Befund. Die Prognose ist bei isoliert liegendem Syndrom gut.

Anteflexionskopfschmerz

Der Anteflexionskopfschmerz entsteht nach Gutman [7] durch den Kontakt des Dens axis mit dem hinteren Längsband. Er ist gekennzeichnet durch ein dumpf-drückendes schmerzhaftes Gefühl mittig subokzipital, das nicht ausstrahlt (Abb. 7). Die Schmerzqualität ist anders im Vergleich zu triggerpunktassoziierten Schmerzen.

Abb. 7
figure 7

Anteflexionskopfschmerz (dunkelrot Schmerzqualität dumpf-drückend)

Im Kindesalter tritt er als „Schulkopfschmerz“ auf, da die Kinder nicht mehr an angeschrägten Ebenen, sondern an normalen Tischen arbeiten und beim Lesen oder Schreiben immer eine Kopfanteflexion ausführen müssen. Ebenfalls bevorzugt im Kindesalter kommt es im Rahmen ausgeprägter gekreuzter oberer Syndrome nach Janda zu einer Insuffizienz der Nackenstrecker, der Kopf kann nicht mehr ständig an der Horizontalen ausgerichtet werden (Abb. 8) und es kommt wiederum zum Kontakt von Dens axis und hinterem Längsband. Oft ist der hintere Triggerpunkt des M. occipitofrontalis auffällig.

Abb. 8
figure 8

Anteflexionskopfschmerz bei einem 8-jährigen Knaben mit oberem gekreuztem Syndrom nach Janda

Differenzialdiagnostisch abzugrenzen sind Arnold-Chiari-Syndrome, Dens-, Dorn- und Jefferson-Frakturen sowie Wirbelkörperfehlbildungen (Os odontoideum), Rheumatoidarthrosen (Grisell-Syndrom), Weichteilverletzungen und metastatische Prozesse. Im Kindesalter spielt die Schulphobie eine große Rolle: Kinder geben in der Regel Kopf- oder Bauchschmerzen an, wenn sie aus unterschiedlichsten Gründen, z. B. Überforderung oder Mobbing, nicht in die Schule gehen wollen.

Für die Untersuchung eignet sich die Provokation des hinteren Längsbandes durch die gehaltene Anteflexion [14].

Manualmedizinisch wird der lokale Befund untersucht und behandelt, ebenso die Verkettungen. Die tiefen Halsbeuger sollten fazilitiert werden. Die Prognose des isolierten Anteflexionskopfschmerzes ist gut. Das Erlernen einer Selbstübung für die Anteflexion und Retroflexion 0/C1 bietet sich an. Ein aktives Muskeltraining scheint hinsichtlich der Schmerzreduktion und Zunahme der Beweglichkeit effektiv zu sein [18].

Suturaler Kopfschmerz der Schädelkalotte

Typisch sind kurzzeitige, scharfe und stechende Schmerzen punktuell nahe der restrikten Stelle der Sutur. Die Schmerzen kommen aus heiterem Himmel und ähneln ein wenig neuralgiformen Beschwerden. Sie können auch bei bestimmten körperlichen Belastungen wie schwerem Heben oder bei sexuellem Verkehr entstehen. Oftmals sind die Patienten verunsichert; hier gilt es, die Ängste zu erkennen und zu relativieren.

Häufige Prädilektionsstellen sind die Sutura coronaria und sagittalis, weiter die Sutura parietomastoidea und parietosquamosa (Abb. 9).

Abb. 9
figure 9

Schmerzareale bei extrakraniellem suturalem Kopfschmerz (gelb Schmerzqualität stechend)

Differenzialdiagnostisch abzugrenzen ist der gutartige Kopfschmerz bei körperlicher Belastung und bei sexueller Aktivität (siehe IHS-Klassifikation), kleinere Subarachnoidalblutungen bzw. deren Vorläufer und Ausstrahlungsareale von Triggerpunkten distinkter Muskeln (z. B. M. splenius capitis). Behandelt wird der lokale Befund, die Prognose ist gut.

Intrakranieller suturaler Kopfschmerz

Unter dem intrakraniellen suturalen Kopfschmerz wird ein dumpfer ziehender und recht gut lokalisierter Schmerz „im Kopf“ verstanden, der nicht „den ganzen Schädel“ betrifft, sondern gut eingegrenzt werden kann. Die zugrunde liegende pathophysiologische Vorstellung ist die einer restrikten intrakraniellen Faszie wie z. B. der Falx cerebri oder des Tentorium cerebelli in seinem Ansatz an der Pars petrosa des Os temporale (Abb. 10).

Abb. 10
figure 10

Schmerzareale bei extrakraniellem suturalem Kopfschmerz (dunkelrot Schmerzqualität dumpf-drückend)

Intrakranielle Raumforderungen und Blutungen müssen differenzialdiagnostisch abgegrenzt werden.

Eine Variante des intrakraniellen suturalen Kopfschmerzes sind restrikte und schmerzhafte intraorale Suturen wie die Sutura sphenopalatina oder cruciata. Diese sind meist beim nasopharyngealen oder laryngomediastinalen Syndrom (s. Teil I) auffällig, können aber auch isoliert schmerzen. Intraorale Prozesse und dentogene Schmerzen sind abzugrenzen.

Manualmedizinisch behandelt wird immer der lokale Befund, die Prognose ist gut.

Primär autonomer, durch den Sinus venosus vermittelter Kopfschmerz

Typisch ist ein breitflächiger, dumpfer, drückender Schmerz im Schädel, der nicht pulsiert (Abb. 11). Die Schmerzintensität schwankt tageszeitlich, meist nimmt sie zum Abend hin zu. Oft findet sich ein Punctum maximum parietookzipital. Typischerweise wird der Schmerz bei körperlicher Anstrengung weniger wahrgenommen, aber unmittelbar danach deutlich intensiver. Oft ist er mit kraniosakralen Funktionsstörungen, insbesondere solchen der sphenobasilären Synchondrose, vergesellschaftet.

Abb. 11
figure 11

Schmerzareale bei mit dem Sinus venosus assoziiertem Kopfschmerz (dunkelrot Schmerzqualität dumpf-drückend)

Intrakranielle Tumoren, Sinusvenenthrombosen (!) sind unbedingt abzugrenzen, weiterhin der Pseudotumor cerebri, der Spannungskopfschmerz, die Hemicrania continua sowie der Schlafapnoekopfschmerz und der „hypnic headache“. Die Unterscheidung zum NPS bereitet oft Schwierigkeiten, des Öfteren ist der mit dem Sinus venosus assoziierte Kopfschmerz Bestandteil des NPS.

Gelegentlich bleibt für die Unterscheidung von beispielsweise dem Spannungskopfschmerz und mit dem Sinus venosus assoziierten, autonomen Kopfschmerz nur das Verfahren ex juvantibus, indem die intrakraniellen Sinus behandelt werden.

Sympathisch ergotroph und parasympathisch trophotroph bedingter Kopf- und Gesichtsschmerz

Physiologisch sind Funktionsstörungen des Bewegungssystems und/oder Schmerz mit Veränderungen in der Reiztoleranz (Toleranzadaptation), Veränderung der Funktionsökonomie und Veränderung der Kapazität (Leistungsadaptation) verbunden. Wichtigster Mittler ist hierbei das vegetative System. Von der lokal-peripheren Kompensation reichen diese Veränderungen über die Rückenmarkebene bis in die kortikale Integrationsstufe.

Die normale Grundkonstitution weist eine ausgeglichene Reaktionslage mit großer physiologischer Regulationsbreite auf. Dabei kann eine normale Auslenkung in eine der beiden autonomen Reaktionslagen beobachtet werden.

Daneben gibt es Phasen und Zustände einer dauerhaften Dysregulation mit anhaltender Betonung einer Reaktionslage, weitestgehend unabhängig von der Reizqualität (nicht adäquate Reaktion). Am häufigsten findet sich infolge von Schmerz oder Verletzung, aber auch Überdosierung von Reizen (alltägliche, berufliche, sportliche, therapeutische!) eine unspezifische Aktivierung des sympathikoadrenalen Systems.

Andererseits treten Grunderkrankungen auf, oft in der Rehabilitationsphase nach Akutkrankheit, häufig bei internistischen Erkrankungen oder Funktionsstörungen im viszerosomatischen Bereich, welche die Reaktionslage entgegengesetzt beeinflussen.

Die aktuelle Reaktionslage kann durch leicht messbare Größen wie Pulsfrequenz, Atemfrequenz, zusammen als Quotient Herzfrequenz/Atemfrequenz (Hf/Af) nach Hildebrandt, Blutdruckerhöhung sowie gesteigerte vegetative und sensomotorische Reaktionen charakterisiert werden. Auch die tageszeitliche Aktivitätslage und Thermoregulation sowie die Amplituden der reaktiven Perioden auf eine Reizserie zeigen eine Veränderung an.

Die Patienten weisen meist eine bestimmte Kopfschmerzform wie Migräne oder Kopfschmerzen bei funktionellen Störungen im Bewegungssystem auf, deren Symptomatik durch den aktuellen Sympathiko- oder Parasympathikotonus variiert wird (Tab. 3). Die differenzialdiagnostische Trennung von Kombinationskopfschmerzen fällt dabei nicht immer leicht. Wegweisend sind die generalisierten vegetativen Symptome.

Tab. 3 Kennzeichen des sympathisch ergothrophen und parasympathisch trophotrophen Kopf- und Gesichtsschmerzes

Bei den zuvor besprochenen Kopfschmerzsyndromen ist die Lokalisation das wichtigste Kriterium. Im Folgenden wird der Kopfschmerz aus dem Blickwinkel der vegetativen Reaktionslage betrachtet. Neben der Unterscheidung der Symptomatik steht davon ausgehend die Technikauswahl im Vordergrund.

Behandlungsempfehlungen für den sympathisch ergothrophen Kopfschmerz

Für den sympathisch ergothrophen Kopfschmerz gelten folgende Empfehlungen:

  • anfangs wenige, direkte Reize/Techniken,

  • 7-Tage-Intervall und

  • ausgeprägtere Reaktion am Vormittag.

Manualmedizinische Behandlung

Die manualmedizinische Behandlung sieht folgende empirisch begründete Reihenfolge vor:

  1. 1.

    sog. CV-IV-Technik (harmonisierend, 4. Ventrikel),

  2. 2.

    sphenobasiläre Synchondrose, Suturen, lokale kraniofasziale Funktionsstörungen,

  3. 3.

    Untersuchung und Behandlung des zervikothorakalen Übergangs, der Brustwirbelsäule, Rippen, und Thoraxdysfunktionen: direkte Muskelenergietechniken,

  4. 4.

    „Shock-Release-Technik“ diaphragmal.

Behandlungsempfehlungen für den parasympathisch trophotrophen Kopfschmerz:

  • Techniksequenzen, direkte und indirekte Techniken,

  • Intervall von 10–14 Tagen und

  • ausgeprägtere Reaktion am Nachmittag.

Manualmedizinische Behandlung

Die manualmedizinische Behandlung sieht folgende empirisch begründete Reihenfolge vor:

  1. 1.

    Sinustechniken,

  2. 2.

    subokzipitale und kraniale „Base-Release-Technik“,

  3. 3.

    Hyoid, Diaphragmen,

  4. 4.

    thorakal: myofasziale Recoil- und Pumptechniken,

  5. 5.

    Viszera, besonders Oberbauchorgane.

Projektionsareale distinkter Triggerpunkte

Prinzipiell kann jeder Muskel des Bewegungssystems Triggerpunkte aufweisen, die in den Kopf- und Gesichtsbereich ausstrahlen. Wahrscheinlich aufgrund der nervalen Anbindung [11] betrifft dies hauptsächlich die an Kopf und Hals ansetzenden Muskeln. Die Aufstellung in Tab. 4 folgt den empirischen Befunden von Travell u. Simons [16, 17] und wurde durch eigene Erfahrungen ergänzt.

Tab. 4 Muskeln, deren Triggerpunkte Ausstrahlungsareale im Kopf- und Gesichtsbereich haben

Meist kommt es im Rahmen verschiedener manualmedizinischer Syndrome zur Ausbildung von Triggerpunkten. Es sollte immer gefragt werden, weshalb der Triggerpunkt entstanden ist. Die alleinige Therapie des Punktes lindert zwar zunächst die Beschwerden des Patienten, ein Rezidiv ist aber vorprogrammiert. Insofern ist die Kenntnis der Ausstrahlungsareale der Triggerpunkte differenzialdiagnostisch wichtig; die Therapie richtet sich nach ihren Entstehungsbedingungen.

Kopf-/Gesichtsschmerz und Schwindel auf der Grundlage von muskulären, myofaszialen und gelenkigen Verkettungen

Das Prinzip dieser Untersuchungen und Behandlungen besteht im Suchen, Finden und der Therapie von funktionellen Rotations(„fehl“)stellungen, Schiefebenen, horizontalen und vertikalen Ketten nach Janda, verspannten/verkürzten myofaszialen Ketten (Paoletti [13], Myers [10]) und Inkoordinationssyndromen (Janda [9]). Die Behandlung erfolgt mit den Mitteln der Manualmedizin/Osteopathie bzw. der gesamten bekannten Medizin, d. h. Gelenkmobilisation, Löschung von Trigger- und Tenderpunkten, postisometrische Relaxation, Manipulation („thrust technique“), myofasziales Lösen, Behandlung viszeraler und kraniosakraler Störungen, medizinische Trainingstherapie, Krankengymnastik auf neurophysiologischer Grundlage (Bobath, sensomotorische Fazilitation nach Janda) und selbstverständlich aller gängigen Verfahren der physikalisch-rehabilitativen Medizin, letztendlich unter Einschluss pharmakologischer und operativer Verfahren.

Fazit

Kopfschmerzsymptomatiken können sich klinisch sehr vielfältig präsentieren. Die hier vorgeschlagene Einteilung stellt in der Zusammenschau mit den orbitotemporalen, orofazialen, nasopharyngealen und laryngomediastinalen Syndromen eine Orientierungshilfe für die Diagnostik und Differenzialdiagnostik dar. Die empfohlenen Untersuchung- und Behandlungsgänge sollen die oft geübte therapeutische Polypragmasie bei manualmedizinischen Störungen vermeiden helfen.