Sitzen, gerade in Verbindung mit Bildschirmarbeit, führt bei schlaffer Körperhaltung zu einer Hyperkyphose der Brustwirbelsäule (BWS) und zu einer Protraktion der Schultern. Dies kann der Grundstein für rezidivierende myofazial bedingte Schulter-Nacken-Schmerzen sein.

Empfehlungen zur Sitzhaltung konzentrieren sich überwiegend auf die Entlastung der unteren Lendenwirbelsäule (LWS), während der BWS und dem Schulter-Nacken-Bereich vergleichsweise wenig Aufmerksamkeit geschenkt wird. Beschwerden in dieser Region sind jedoch häufig und beeinträchtigen die Lebensqualität der Patienten erheblich.

Zu welcher Sitzhaltung kann Patienten allgemein und bei Beschwerden im Schulter-Nacken-Bereich im Besonderen geraten werden?

Ein Großteil der heutigen Berufe wird überwiegend sitzend ausgeübt, aber auch in der Freizeit verbringen wir viel Zeit in dieser Haltung, z. B. vor dem Fernsehen, dem Computer, bei Mahlzeiten oder im Auto. Beim Sitzen auf Möbeln wirken andere statische und dynamische Belastungen auf den Bewegungsapparat als im Stehen, Gehen oder Hocken. Die Benutzung von Sitzmöbeln ist eine junge „Errungenschaft“, entsprechend blieb dem menschlichen Körper keine Zeit für eine evolutionäre Anpassung an das veränderte Beanspruchungsprofil. Daher kommt es im Sitzen zu einer Überlastung bzw. Unterforderung verschiedener passiver und aktiver Elemente des Bewegungsapparats, die in Schmerzen, Hypertonus, Atrophie oder Verkürzung münden können. Erschwerend können Übergewicht, Bewegungsarmut, Stress und altersbedingte degenerative Veränderungen hinzukommen.

Im Folgenden werden Empfehlungen zum rückengerechten Sitzen vorgestellt. Das Hauptaugenmerk wird dabei auf den Zusammenhang zwischen Sitzen und Beschwerden der BWS und der Schulter-Nacken-Region gelegt.

Sitzverhalten – Bewegung, Bewegung!

Bei überwiegend sitzender Tätigkeit empfiehlt es sich, möglichst häufig (z. B. beim Telefonieren) aufzustehen und ggf. ein Stehpult anzuschaffen. Durch intermittierendes Aufstehen und Positionswechsel während des Sitzens werden unterschiedliche Muskelgruppen angesprochen und deren Durchblutung und Kräftigung gefördert [27].

Angeregt durch Missempfindungen entlastet sich der sitzende Mensch unbewusst durch häufige Positionswechsel, was bei Videoanalysen von Schreibtischarbeitern gezeigt werden konnte. Zudem konnten drei typische Sitzhaltungen identifiziert werden. Bürostühle sollten daher in der Lage sein, sich den Bedürfnissen der unterschiedlichen Sitzhaltungen anzupassen. Dies kann durch dynamische oder arretierbare Sitzflächen- und Sitzlehnenverstellungen verwirklicht werden. Da Arretierungen im Büroalltag von den meisten Nutzern nicht entsprechend der häufigen Sitzhaltungswechsel verstellt werden, ist dynamischen Systemen der Vorzug zu geben ([16], Abb. 1 a–c).

Abb. 1
figure 1

Drei typische Sitzhaltungen bei Schreibtischarbeitern, eingenommen in einem Stuhl mit dynamischer Sitzflächen-Rücklehnen-Verstellung. Stufenlose Anpassung durch Verlagerung des Schwerpunkts beim Positionswechsel mit dem Ziel, dem Becken die Kippung nach anterior zu erleichtern. a Zurückgelehnte Haltung; Sitzflächen-Rücklehnen-Winkel 110°, Sitzflächenneigung 5° nach hinten unten. Der Sitzende nutzt die gesamte Sitzfläche aus, niedrige Rücksitzhöhe ermöglicht eine aufrechte BWS-Haltung, Lumbalstütze am unteren Ende der Rückenlehne hält die LWS in Lordose. b Freie Sitzhaltung; Beckenkippung wird durch eine minimale Sitzflächenvorneigung begünstigt. Zudem ist eine Entlastung der Tuber ischii durch eine entsprechende Sitzflächenform hilfreich. c Vorgeneigte Sitzhaltung; die Vorneigung der Sitzfläche um etwa 5° begünstigt hier eine entlastende LWS-Kyphose

Häufig wird übersehen, dass eine nicht ausreichende Sehschärfenkorrektur im Alter vorliegt oder diese aus Eitelkeit nicht genutzt wird. Durch die eingeschränkte Akkomodationsbreite bei Presbyopie ist der geforderte häufige Haltungswechsel nicht möglich, da der Bildschirm bei Veränderung des Auge-Bildschirm-Abstands nicht mehr gelesen werden kann. Es folgt eine Zwangshaltung. Daher sollte der Visus regelmäßig kontrolliert und das Tragen entsprechender Sehhilfen überprüft werden.

Um einen kontinuierlichen Wechseldruck für die Bandscheibe im Sitzen zu gewährleisten, wurden Stühle mit Pendelsystemen entwickelt, die eine gleichmäßigere Druckverteilung und damit auch eine bessere Bandscheibenernährung gewährleisten sollen.

Empfehlungen zur LWS – Zurücklehnen bitte!

Es gibt eine Reihe von Untersuchungen, die sich mit einer LWS-gerechten Sitzhaltung beschäftigen. Weitgehende Einigkeit herrscht darüber, dass eine zurückgelehnte Haltung durch Ablage des Körpergewichts auf die Rückenlehne entlastend wirkt. In einem Review gelangen Harrison et al. [12] zu dem Schluss, dass der Sitzlehnen-Sitzflächen-Winkel auf 110–130° eingestellt und die Sitzfläche selbst um 5° nach unten hinten geneigt sein sollte (Abb. 1 a). Gegen eine Sitzflächenneigung über 110° spricht allerdings die damit häufig verbundene Translation des Kopfes nach anterior („forward head position“), die zu Fehlhaltungen der oberen BWS und der HWS führen kann. Die Benutzung von Armlehnen wirkt durch Gewichtsaufnahme ebenfalls entlastend auf die gesamte Wirbelsäule [2, 26].

Eine lordotische Haltung der LWS wird empfohlen, da hierbei die Druckverteilung im Bandscheibensegment gleichmäßig ist und die ligamentären und muskulären Strukturen relativ entspannt sind. Denn chronisch gespannte Bänder und Muskeln sind wichtige Ursachen für den unteren Kreuzschmerz.

O‘Sullivan et al. [24] beschrieben, dass im Sitzen der lumbale M. erector spinae in einer mittleren Flexionsstellung der LWS am besten entspannt. Callaghan u. Dunk [5] maßen in schlaffer Sitzhaltung keine kompensatorisch vermehrte Anspannung des lumbalen M. erector spinae, woraus sie folgern, dass eine solche Position im Wesentlichen durch Bänder gehalten wird. Überlastung kann dabei zu einem ligamentär vermittelten Kreuzschmerz führen.

Die empfohlene LWS-Lordose wird durch eine Vorkippung des Beckens eingeleitet. In zurückgelehnter Sitzhaltung kann dies durch Lumbalstützen am unteren Ende der Rücklehne erreicht werden. Unterstützend können Sitzflächen durch Nachgiebigkeit im Auflagebereich der Tuber ischii die Beckenkippung erleichtern [22].

Auch im besten Stuhl kann man falsch sitzen

Lumbalstützen können nur greifen, wenn die Sitzflächentiefe ganz ausgenutzt wird, da das Becken sonst beim Zurücklehnen nach posterior kippt (Abb. 2). Zur Vermeidung einer posterioren Beckenkippung und zur Entlastung der Kniegelenke sollten der Oberkörper-Oberschenkel-Winkel und der Oberschenkel-Unterschenkel-Winkel nicht kleiner als 90° sein. Entsprechend ist ein körpergrößenangepasster Bürostuhl essentiell.

Abb. 2
figure 2

Der Sitzende nutzt die Sitzflächentiefe nicht aus, kann daher die lumbale Unterstützung nicht erreichen, das Becken kippt nach posterior und die LWS entlordosiert (vgl. auch Abb. 5)

Um in einer freien oder vorgelehnten Sitzhaltung das Becken leichter nach anterior zu kippen, sollte sich die Sitzfläche nach vorne neigen können. Bürostühle mit einer kombinierten Rückneigung der Sitzlehne und der Sitzfläche sollen eine harmonische LWS-Lordose unabhängig vom Neigungswinkel der Sitzlehne gewährleisten ([18], Abb. 1 c).

Snijders et al. [9, 29] untersuchten die Folgen einer schlaffen Sitzhaltung („slouching“). Sie beobachten, dass hochlehnige Stühle den entspannten Rücken in ein c-förmige Haltung zwingen, mit einem hohen Druck auf den Wirbelkörper L5, der auf dem gegennutierten Sakrum in Flexion steht (Abb. 3 und Abb. 5). Diese Belastung im Segment L5–S1 kann auch durch eine Lumbalstütze nicht kompensiert werden. Zur Entlastung der LWS und des Sakrums in entspannter zurückgelehnter Sitzhaltung trägt neben der lumbalen Unterstützung somit eine Stuhllehne bei, die bis max. 6 cm unter Schulterhöhe reicht.

Abb. 3
figure 3

Eine zu hohe Rückenlehne führt zum c-förmigen Einsinken der Wirbelsäule. Die LWS entlordosiert, die BWS fällt in eine Hyperkyphose (vgl. auch Abb. 5)

Abb. 4
figure 4

Sitz mit in zurückgeneigter Stellung arretierter Sitzfläche. Bei vorgelehnter Sitzhaltung wird das Becken stark in Rückneigung gezwungen (vgl. auch Abb. 1 c)

Abb. 5
figure 5

Beachte die Hyperkyphose der BWS, die Protraktion der Schultern, sowie die Hyperlordose der HWS mit Vorverlagerung des Kopfes. Die hohe Sitzlehne führt zum Abrutschen nach ventral, dadurch erreicht das Becken nicht die Lumbalstütze der Rückenlehne. Zudem neigt sich die Sitzfläche nicht nach hinten unten, da der Körperschwerpunkt zu weit nach ventral verlagert ist. Das Becken kippt nach posterior, das Sakrum steht in Gegennutation und die LWS ist entlordosiert, dadurch sind die lumbalen Bänder gespannt und die Bandscheiben ungleichmäßig belastet

Zurückgelehntes Sitzen heißt nicht schlaffes Sitzen

Im LWS-Bereich lassen sich mit bildgeberischen Verfahren häufig Bandscheibenpathologien bzw. degenerative Veränderungen nachweisen. Auch wenn diese Veränderungen nicht in einem kausalen Zusammenhang mit der beklagten Beschwerdesymptomatik stehen, so verleihen sie ihr doch erheblich Nachdruck.

Im Schulter-Nacken-Bereich sind bildgeberisch dokumentierbare Veränderungen seltener und weniger drastisch. Hier sind die Beschwerden meist myofaszial bedingt und hinterlassen so kaum sichtbare Spuren. Die schlechte Objektivierbarkeit und der Umstand, dass Schulter-Nacken-Schmerzen volkswirtschaftlich weniger relevant sind als LWS-Beschwerden, da sie seltener zur Berentung führen, mögen dafür verantwortlich sein, dass dieser Bereich bei der Entwicklung von Bürostühlen und bei Empfehlungen zur Sitzhaltung vergleichsweise wenig Beachtung findet – und dies, obwohl chronische Schulter-Nacken-Schmerzen mit einem erheblichen Verlust an Lebensqualität einhergehen [1].

Paradoxerweise kann gerade die Empfehlung, eine bandscheibenentlastende zurückgelehnte Sitzhaltung einzunehmen, in einer schlaffen, die Schulter-Nacken-Region belastenden Haltung resultieren. Dem liegt eine folgenreiche Verwechslung zwischen zurückgelehnter und schlaffer Körperhaltung zugrunde. Zwar kann die LWS durch die modernen Stuhlkonstruktionen entspannen, ohne an Haltung zu verlieren, die BWS sinkt jedoch ungeschützt in eine Hyperkyphose, die den Grundstein für viele Schulter-Nacken-Beschwerden bildet.

Folgen einer schlaffen Sitzhaltung – ein biomechanisches Modell

Aus biomechanischen Überlegungen wurden Ursachen-Folge-Ketten abgeleitet, die erklären sollen, inwieweit eine schlaffe Körperhaltung mit Hyperkyphose der BWS Schulter-Nacken-Schmerzen bedingen kann. Diese Überlegungen werden im Folgenden zunächst vorgestellt, dann erfolgt eine kurze Durchsicht der Literatur zu diesem Thema.

Bei einer zurückgelehnten, schlaffen Sitzhaltung mit zum Erreichen der Tastatur vorgestreckten, durch Armlehnen nicht unterstützten Armen kommt es – gerade bei Benutzung einer hohen Stuhllehne – zu einer Protraktion der Schultern und zur Verstärkung der BWS-Kyphose (Abb. 5).

In dieser Haltung sind die Schwerpunkte der Arme nach ventral verlagert und ziehen die BWS vermehrt in die Kyphose. Die Schulterblätter rotieren nach innen und translatieren nach posterior und lateral. Dies kann ein Impingement-Syndrom fördern.

Um die Augenachse vertikal zu halten, wird eine übermäßige BWS-Kyphose durch eine verstärkte HWS-Kyphose ausgeglichen. Der HWS-Kyphose folgt eine Vorverlagerung des Kopfes („forward head position“). Die Verlagerung des Kopfschwerpunkts vor die Körperachse zwingt die BWS im Sinne eines „circulus vitiosus“ weiter in die Kyphose.

Bei Hyperlordose der HWS verlagert sich der Umkehrpunkt zur BWS-Kyphose nach kaudal, klinisch imponiert entweder eine Knickbildung im zervikothorakalen Übergang oder eine Fortsetzung der Kyphose in die obere BWS im Sinne einer Abflachung der Kyphose. Diese Abflachung bedingt ein schlechteres Federungsverhalten und begünstigt schmerzhafte reversible Hypomobilitäten der Kostotransversalgelenke.

Über den Faktor Zeit kommt es zur Fixierung der Fehlhaltung durch Verkürzung der angenäherten Muskeln, insbesondere der ventralen Schultermuskeln und der Mm. scalenii. Die verkürzten Mm. scalenii heben beim Strecken der HWS-Kyphose (z. B. im Liegen) die 1. Rippe an, was zu einer myofaszial bedingten Thoracic-outlet-Symptomatik führen kann.

Vorheben der Arme und Relaxation des thorakalen M. erector spinae während einer schlaffen Sitzhaltung verlangen den Mm. trapezii und Mm. levator scapulae eine vermehrte Haltearbeit ab, die zu schmerzhaften Tendinosen und Myogelosen führen kann.

Der vorgehaltene Kopf mit kraniozervikaler Inklination soll durch Verlängerung des Mundboden-Sternum-Abstands zu einer vermehrten Spannung der supra- und infrahyalen Muskulatur führen, die den Unterkiefer nach kaudal zieht. Da der Mund aus kosmetischen Gründen vom Sitzenden geschlossen gehalten wird, soll eine vermehrte dauerhafte Anspannung der okklusiv wirkenden Kaumuskeln resultieren, die zu Myogelosen der Kaumuskulatur und durch konstanten Zug auf den Unterkiefer zu kraniomandibulären Dysfunktionen führen kann.

Die Studienlage ist dünn

Die oben geschilderten Überlegungen bilden die theoretische Grundlage für viele krankengymnastische Techniken, die durch Dehnung verkürzter und Kräftigung der abgeschwächten Muskeln versuchen, Schulter-Nacken-Schmerzen bei schlaffer Körperhaltung zu therapieren. Folgende Arbeiten konnten gefunden werden, die dieses Modell kritisch beleuchten:

Bendix et al. [3] beobachteten bei Sitzenden die Neigung, in ein Kyphose zu sinken und die Tendenz, die Arme anzuheben. Beides mündet in einer messbar erhöhten Belastung der Mm. trapezii. Sie empfehlen die Benutzung von Armlehnen oder einer Arbeitsplatte max. 5 cm unter Ellenbogenniveau.

Schuldt [28] maß die Rückenmuskelaktivität in Abhängigkeit von der Körperposition. In einer zurückgelehnten Sitzhaltung bei aufgerichteter Wirbelsäule war sie am geringsten. Abduzierte Arme steigerten die Nackenmuskelaktivität, während die Benutzung von Armlehnen die Aktivitäten des thorakalen und zervikalen M. erector spinae, der Mm. trapezii und der Mm. rhomoideii reduzierten.

O‘Sullivan et al. [24, 25] zeigten, dass eine thorakal korrigierte Sitzhaltung im Vergleich zur schlaffen Sitzhaltung mit einer Anspannung der langen Rückenmuskeln einhergeht, während der thorakale M. erector spinae nicht gesteigert aktiviert wird. Callaghan u. Dunk [5] beobachteten hingegen, dass es bei schlaffer Sitzhaltung regelhaft zur Entspannung des thorakalen M. erector spinae kommt.

Collins et. al [6] konnten mittels MRT-Untersuchungen bei einem Patienten mit Morbus Scheuermann den Zusammenhang zwischen Kyphose und einem Thoracic-outlet-Syndrom bildgeberisch darstellen.

Zepa et al. [31] fanden einen Zusammenhang zwischen Hyperkyphose und einem vergrößerten atlantozervikalen Winkel.

Eine BWS-Hyperkyphose kann ein Impingement-Syndrom fördern

Mehrere Arbeiten untersuchten den Zusammenhang von Sitzhaltung und Impingement-Syndrom. Sie zeigten, dass in einer schlaffen Sitzposition die Skapulamobilität bei Abduktion der Arme eingeschränkt ist [7, 15].

Greenfield et al. [10] fanden bei Schulterpatienten signifikant häufiger eine vorgebeugte Kopfhaltung und einen elevierten Humerus, während sich der BWS-Kyphosewinkel und die Skapularotation nicht von denen beschwerdefreier Patienten unterschied.

Borstad [4] fand Korrelationen von Schulterpathologien mit einer Verkürzung des M. pectoralis minor, mit einer Innenrotationsstellung der Scapulae sowie mit einer vermehrten BWS-Kyphose.

Lewis et al. [19] verglichen 60 beschwerdefreie Patienten mit einer gleichgroßen Gruppe, die unter einem Impingement-Syndrom litt. Es zeigte sich kein Unterschied zwischen der Oberkörperhaltung (Kopfposition, Skapulastand etc.) und der Schulterbeweglichkeit; gleichwohl dokumentierten sie in einer anderen Arbeit bei Patienten mit einem Impingement-Syndrom eine signifikante Vergrößerung der schmerzfreien Schulter- und Schulterblattbeweglichkeit nach Aufrichtung der BWS [20].

Lippold et al. [21] konnten bei 84 gesunden Erwachsenen keinen Zusammenhang zwischen dem sagitalen Kieferstand und der Wirbelsäulenkrümmung finden. In einem Review kommen Hanke et al. [11] zu der Einschätzung, dass trotz steigenden Interesses und vermehrter Publikationen zu diesem Thema bisher noch kein ausreichendes Evidenzniveau für die Beurteilung eines Zusammenhangs zwischen orodentalen und orthopädischen Befunden erreicht ist.

Findikcioglu et al. [8] zeigten einen Zusammenhang zwischen der Brustgröße und der thorakalen Kyphose sowie der lumbalen Lordose auf. Der Unterschied war ab Körbchengröße D im Vergleich zu A und B signifikant. Zudem bestand eine Korrelation zwischen Brustgröße und BMI.

In mehreren Arbeiten konnte nach Stärkung der Rückenstrecker bei Osteoporose- bzw. bei östrogendefizienten Patientinnen eine Aufrichtung von BWS-Kyphose erreicht werden [13, 14, 23].

Stattlich sitzen bitte

Die zitierte Literatur rechtfertigt die Aufrechterhaltung des vorgestellten biomechanischen Modells, wenn auch die Designs der Arbeiten nicht ausreichen, es zu belegen.

Patienten mit schlaffer Körperhaltung sollten zum aufrechten Sitzen auch in zurückgelehnter Körperhaltung aufgefordert werden. Dies setzt bei jahrelanger Fehlhaltung ein Auftrainieren der geschwächten Muskulatur, insbesondere der Rückenstrecker und der Schulterblattfixatoren, und ein Dehnen der verkürzten Muskulatur voraus. Anschließend sollte ein koordinatives Training erfolgen. Die Patienten sollten bereits am Anfang der Behandlung darauf vorbereitet werden, dass die angestrebten Ziele nicht kurzfristig zu erreichen sind. Dass Patienten immer wieder in die Gewohnheitshaltung zurückfallen und sie die richtige Haltung anfänglich nur wenige Minuten beibehalten können, ist normal und sollte erklärt werden, damit nicht frustriert das Handtuch geworfen wird. Patienten können sich beispielsweise durch einen Punkt auf ihrem Bildschirm an die aufrechte Haltung erinnern, bis die neue Haltung in das subkortikale Bewegungsprogramm übernommen wurde. Die Umgewöhnung geht oft mit einer schmerzenden Überlastung der Muskulatur einher. Dies ist als Zeichen für ein zu rasches Vorgehen zu werten.

Es sei noch einmal betont, dass Bewegung die höchste Priorität genießt! Die Empfehlung, aufrecht zu sitzen, soll nicht bedeuten, dass sich die Patienten nicht auch immer wieder zur Entspannung in eine schlaffe Körperhaltung sacken lassen dürfen.

Die Angst im Nacken

Neben biomechanischen Erklärungsansätzen zur Genese von Schulter-Nacken-Schmerzen dürfen psychosoziale und individuelle Faktoren (z. B. nozifensive Fähigkeiten) nicht aus dem Blickfeld geraten. Andersen et al. [1] untersuchten den Einfluss individueller und äußerer Risikofaktoren auf die Entstehung von Schulter-Nacken-Schmerzen. Besonders relevant erschien eine hohe subjektive Arbeitsanforderung. Weibliches Geschlecht, eine erniedrigte Schmerzschwelle und eine Nackenverletzung in der Anamnese korrelierten zudem mit der Prävalenz von Nackenschmerzen. Nackenschmerzen hatten einen erheblichen Einfluss auf das gesamtgesundheitliche Befinden der Patienten.

Vasseljen u. Westgaard [30] zeigten in einer Fall-Kontroll-Studie, dass Nackenschmerzen bei körperlich arbeitenden Menschen gut mit der Muskelspannung im Trapezius korrelieren. Bei Büroarbeitern gab es diesen Zusammenhang nicht. Die Autoren folgern einen psychosozialen Schmerzmechanismus, der unabhängig von der Muskelaktivität vermittelt wird.

Bei entsprechender Anamnese empfehlen sich Arbeitspausen mit stressreduzierenden und muskelrelaxierenden Übungen (z. B. autogenes Training, progressive Muskelrelaxation, Sitzgymnastik) [17].

Fazit

Bei sitzend tätigen Rückenschmerzpatienten ist eine genaue Sitz- und Stuhlanamnese die Mühe wert. Bei überwiegend sitzender Tätigkeit sollte jede Chance zur Bewegung genutzt werden. Um dem natürlichen Bedürfnis nach Positionswechseln nachkommen zu können, ist auf einen Ausgleich von Sehschwächen zu achten. Auf die LWS wirken eine zurückgelehnte Sitzhaltung und die Einstellung in Lordose entlastend. Essentiell hierfür ist die Vorkippung des Beckens. Bürostühle und Arbeitsplatten sollten körpergrößenangepasst sein. Armlehnen, Stühle mit dynamischer Sitzflächen-Sitzlehnen-Anpassung und einer Sitzlehnenhöhe bis höchstens unter die Schulterblätter erscheinen vorteilhaft. Da man auch in den besten Stühlen falsch sitzen kann, sind kurze Unterweisungen sehr hilfreich.

Eine schlaffe Sitzhaltung mit Hyperkyphose der BWS sollte auch in angelehnter Sitzhaltung vermieden werden, da dies zu Schulter-Nacken-Schmerzen bis hin zu einem Impingement-Syndrom führen kann. Bei Übergewicht, besonders in Verbindung mit großen Mammae empfiehlt sich bei Hyperkyphose eine Gewichtsreduktion. Krankengymnastisch angeleitetes Training kann zur Aufrichtung einer BWS-Kyphose führen. Gerade bei anhaltenden Schulter-Nacken-Schmerzen dürfen psychosoziale Faktoren nicht übersehen werden.