In der inneren Medizin werden zahlreiche Patienten mit Thoraxbeschwerden notfallmäßig vorgestellt. Dabei kann es sich um potenziell vital bedrohliche Erkrankungen (Myokardinfarkt, Lungenembolie, Pneumothorax) oder auch häufig um muskuloskeletale Funktionsstörungen handeln. Die Funktionskrankheit kann reflektorisch aus der Strukturkrankheit des inneren Organs induziert, also sekundäre Folge der inneren Erkrankung sein. Sie kann aber auch als Folge einer Strukturkrankheit des Bewegungssystems oder als primäres Funktionsmuster unabhängig von der inneren Erkrankung bereits bestanden haben [2].

Akutes Koronarsyndrom

Die Differenzialdiagnose des akuten Koronarsyndroms beruht auf der Anamnese, der Schmerzsymptomatik, dem Elektrokardiogramm und der Enzymdiagnostik. Die Freisetzung infarktspezifischer Enzyme tritt erst nach längerer Ischämiedauer (>60 min) ein. Demzufolge sind im frühen Infarktstadium Enzymbestimmungen einschließlich der zur Verfügung stehenden „Bedside-Tests“ selten positiv [4]. Die Vorhaltung eines EKG-Gerätes und ausreichende Kenntnisse in der EKG-Interpretation sind vom Notarzt zu fordern, da die frühe Infarktdiagnose in der Regel nur aus dem klinischen Erscheinungsbild und dem Elektrokardiogramm zu stellen ist. Ein normales EKG bzw. nicht infarkttypische EKG-Veränderungen schließen einen drohenden akuten Infarkt bzw. drohende ischämiebedingte Rhythmusstörungen nicht aus [1].

Lungenembolie

Die häufigsten klinischen Symptome einer akuten Lungenembolie sind nach Miniati [2] sowie nach Wacker [5]: Dyspnoe mit plötzlichem Beginn, Thoraxschmerz und Synkope. Die Frühletalität ist abhängig vom Ausmaß der Lungenembolie und den bestehenden Begleiterkrankungen; bis zu 90% aller Todesfälle ereignen sich innerhalb von 1–2 Stunden nach Symptombeginn. Der physikalische Befund an der Lunge ist charakteristischerweise ohne Auffälligkeiten. Zur Basisdiagnostik zählen die Vitalparameter, Röntgenthoraxaufnahmen, ein EKG und die Blutgasanalyse. Jeder Parameter für sich betrachtet bleibt unzureichend [3]. Alle zusammen sind aber geeignet, einen Gesamteindruck von der Situation zu vermitteln. Für den stabilen Patienten wird heute folgender diagnostischer Algorithmus vorgeschlagen: Der erste Diagnoseschritt sollte die Kombination von D-Dimer-Test und klinischer Wahrscheinlichkeit sein [6]. Patienten mit geringer Wahrscheinlichkeit und negativem D-Dimer-Test bedürfen keiner weiteren Diagnostik; die Lungenembolie gilt als ausgeschlossen. Bei Patienten mit mittlerer und hoher klinischer Wahrscheinlichkeit erfolgen unabhängig vom Ergebnis des D-Dimer-Tests weitere Untersuchungen. Das gilt auch für Patienten mit geringer Wahrscheinlichkeit und positivem D-Dimer-Test. Im zweiten Diagnoseschritt sollten bildgebende Verfahren (Ultraschalluntersuchung der Beinvenen, Spiral-CT oder die Lungenszintigraphie) erfolgen.

Sind potenziell vital bedrohliche Erkrankungen ausgeschlossen, ist die Suche nach anderen Ursachen für den Thoraxschmerz einschließlich der programmierten Untersuchung des Bewegungssystems indiziert.

Die nachfolgend dargestellten zwei Kasuistiken stehen beispielhaft für das tägliche Patientengut des Notfalls, das initial mit linksthorakalen Schmerzen zum Ausschluss eines akuten internistischen Krankheitsbilds vorgestellt wurde.

Kasuistik 1

Ein 37-jährige Mann wird über den Rettungsdienst in der Notaufnahme gegen 22:30 Uhr unter dem Verdacht auf einen akuten Myokardinfarkt vorgestellt. Vom Notarzt mit Aspisol (500 mg) und Liquemin (5000 I.E.) vorbehandelt. Unter Gabe von 2 Hüben Glyceroltrinitrat nicht völlig beschwerdefrei.

Anamnese

Seit ca. 1,5 Stunden anhaltende Thoraxschmerzen links mit Ausstrahlung in den linken Arm. Atem- und bewegungsabhängig. Bekannte arterielle Hypertonie. In der Rettungsstelle RR 180/90 mmHg.

Klinische Untersuchung

Herz und Lunge auskultatorisch unauffällig. Ausgeprägte myofasziale Verspannungen parasternal, Schmerzen interkostal 6/7 links, druckschmerzhafte Proc. spinosi BWK 6/7. Labor: klassische Herzenzyme und Troponin I ebenso wie Blutbild, D-Dimer und C-reaktives Protein (CrP) unauffällig. EKG: normofrequenter Sinusrhythmus, Linkstyp, keine Erregungsrückbildungsstörungen.

Procedere

Stationäre Aufnahme zum Ausschluss eines akuten Koronarsyndroms. Labor- und EKG-Kontrollen 6 Stunden nach Aufnahme ebenfalls unauffällig. In der manualmedizinischen Untersuchung typische monosegmentale Funktionsstörung [2] von BWK 6/7 mit korrespondierenden Rippengelenken, myofasziale Verspannungen und Triggerpunkte (TrP) in den Mm. sternalis und pectorales major et minor links sowie schmerzhafte Tenderpunkte (TP) und myofasziale Verspannungen in der Region des M. subscapularis/Axilla links.

Nach entsprechender befundorientierter manualmedizinischer Behandlung mit Mobilisation der BWS-Segmente und Rippengelenke einschl. Weichteiltechniken (myofasziale, Strain-Counterstrain- und PIR-Technik) auch unter Berücksichtigung des zervikothorakalen Überganges, der 1. Rippe und des M. erector spinae Th 4–8 sowie des Diaphragmas ist der Patient beschwerdefrei. Entlassung und Empfehlung zur Fortsetzung der Physiotherapie (manuelle Therapie, insbesondere Korrektur des Atemstereotyps und Anleitung zu Selbstübungen mit der Zielsetzung einer Rezidivprophylaxe).

Kasuistik 2

Die stationäre Aufnahme eines 47-jährigen Mannes erfolgte wegen linksseitiger Brustkorbschmerzen, die teils in den linken Arm ausgestrahlt seien, zum Ausschluss eines akuten Koronarsyndroms. Auf genaueres Nachfragen bereits seit einigen Monaten rezidivierende Thoraxschmerzen, die aber jedes Mal ohne Intervention kurzfristig wieder verschwunden seien. Labor und EKG waren auch in der Kontrolle unauffällig. Im ergometrischen Stufentest bei einer Maximallast von 175 Watt und fehlender ST-Dynamik kein Anhalt für koronare Herzkrankheit. Röntgenologisch fiel eine Raumforderung rechts zentral auf (Abb. 1), mit Computertomografie des Thorax bestätigte sich der dringende Tumorverdacht. Eine B-Symptomatik (Nachtschweiß, Gewichtsverlust, eingeschränkte körperliche Leistungsfähigkeit) wurde nicht bemerkt.

Abb. 1
figure 1

Röntgenthoraxübersicht mit rechts zentral gelegener Raumforderung

Bronchoskopisch war aufgrund der für Biopsiezangen schlechten Erreichbarkeit der rechtszentralen Raumforderung zunächst nur der zytologische Nachweis auf ein Karzinom gelungen. Anlässlich einer zweiten Bronchoskopie erfolgte eine weitere ausführliche Probenentnahme einschließlich zytologischer Ausstriche mit dem Ziel der weiteren Tumordifferenzierung. Der pathologisch-anatomische Befund bestätigte das Vorliegen eines schlecht differenzierten Adenokarzinoms. Aufgrund fehlender Raucheranamnese des Patienten und entsprechender Hinweise im Thorax-CT ist vom Vorliegen eines Primärkarzinoms auszugehen. Gemäß Bildgebung scheint eine Infiltration des Mediastinums nicht vorzuliegen (daher T2-Klassifikation). Die weitere Untersuchung ergab keine Anhaltspunkte für eine Filialisierung (N0M0).

Aufgrund seiner Tätigkeit als Maler und Lackierer erfolgte die Meldung an die Berufsgenossenschaft unter dem Verdacht einer Berufskrankheit.

Der Patient wurde in der Thoraxchirurgie zur Planung des weiteren Procedere bei insgesamt ernster Prognose vorgestellt.

Fazit für die Praxis

Häufig korrespondieren muskuloskeletale Funktionsstörungen gerade im Thoraxbereich mit Strukturkrankheiten innerer Organe. Ohne Beachtung dieser Zusammenhänge können auch potenziell vital bedrohliche Zustände übersehen werden. Gerade bei häufig rezidivierenden Funktionsstörungen ist eine internistische Basisdiagnostik (einschließlich EKG, Röntgen Thorax und Labor) indiziert.