In Ergänzung zum Artikel von Schildt-Rudloff „Indikation zur Verordnung von manueller Therapie“ in diesem Heft [3] möchten wir einen in der Praxis häufig auftretenden Sachverhalt zur Verordnung von Heilmittelkombinationen bezüglich der unterschiedlichen Kostenerstattungssysteme und der Indikationsstellungen beleuchten.

Im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) kann der Arzt manuelle Therapie (MT) bzw. Heilmittelkombinationen nur gemäß der Heilmittelrichtlinie [1] verordnen bzw. auswählen. Er ist dabei an die Verordnungsvorgaben hinsichtlich vorrangiges Heilmittel, optionales und ergänzendes Heilmittel sowie Heilmittelkombination gebunden. Eine Verordnung außerhalb des Regelfalles betrifft nur die Anzahl bzw. die Frequenz der Verordnung, nicht das Heilmittel selbst. Das heißt, ein Heilmittel kann nicht verordnet werden, wenn es in der Heilmittelrichtlinie unter der betreffenden Indikationsgruppe nicht als verordnungsfähig aufgeführt ist.

Auch in der Therapie reversibler Befunde im Stütz- und Bewegungssystem als Indikationsstellung der manuellen Medizin/manuellen Therapie ergibt sich die Stellung der physikalischen Therapie in erster Linie durch ihre Möglichkeit, physiologische Reaktionen hervorzurufen und lang anhaltende Regulationsvorgänge einzuleiten, die den reversiblen Funktionsstörungen bzw. deren Ursachen entgegenwirken. Ihre große therapeutische Bedeutung hat sie deshalb in der Früh- und Langzeittherapie akuter und chronischer Erkrankungen. Begleitend zur manuellen Therapie ist sie in vielen Fällen nicht mehr wegzudenken. Die physikalische Therapie als eigenständige Behandlungsform weist neben den Indikationen auch Kontraindikationen auf. Die Tatsache, dass ein falscher Einsatz ihrer Mittel insbesondere bei Kombinationsbehandlungen auch unerwünschte Wirkungen provozieren kann, verpflichtet dazu, ihre einzelnen Mittel ebenso kritisch und sorgfältig zu handhaben wie z. B. die Pharmakotherapie. Ebenso wie diese bedarf sie auch der Erfahrung, es macht die „Kunst“ des Mediziners aus, aus der Vielfalt der Verfahren die im gegebenen Krankheitsfall richtigen Therapiemittel auszuwählen und sie in ein kombiniertes Therapieprogramm zu integrieren.

Gesetzliche Richtlinien zur Verordnung manueller Therapie

Das optional verordnungsfähige Heilmittel „manuelle Therapie“ (MT) als Einzelverordnung und die Möglichkeiten ergänzender Therapiemittel bei Erkrankungen der Stütz- und Bewegungsorgane sind in Tab. 1 entsprechend den gültigen Heilmittelrichtlinien (HMR) 2004 [2] nach Indikationsgruppen und Leitsymptomatik aufgelistet.

Tab. 1 Optional verordnungsfähiges Heilmittel „manuelle Therapie“ als Einzelverordnung und die Möglichkeit ergänzender Therapiemittel bei Erkrankungen der Stütz- und Bewegungsorgane [2]

Bei den in Tab. 2 aufgeführten Indikationsgruppen kann die manuelle Therapie gemäß den HMR weder allein noch in Kombination als Therapiemittel verordnet werden.

Tab. 2 Indikationsgruppen, bei denen weder die manuelle Therapie allein noch in Kombination als Therapiemittel gemäß HMR verordnet werden kann [2]

Es bleibt festzustellen, dass es erhebliche und damit sehr unbefriedigende Einschränkungen in der Verordnung der manuellen Therapie optional als Einzeltherapie aber auch in Kombination mit anderen Therapiemitteln der physikalischen Therapie für Patienten der GKV gibt.

So ist sehr fragwürdig, warum sinnvolle Kombinationen wie MT und manuelle Lymphdrainage, MT und Krankengymnastikgerät/medizinische Trainingstherapie oder MT und Reflexzonentherapie, um nur einige zu nennen, keine verordnungsfähigen Heilmittelkombinationen sind.

Eine Heilmittelkombination im Sinne der Komplextherapie ist derzeit nur unter der standardisierten Heilmittelkombination D1 möglich und dies auch nur bei eingeschränkten Indikationsgruppen.

Die gewünschte therapeutische Wirkung der standardisierten Heilmittelkombination (D1) beruht in ihrer Gesamtheit auf der Grundlage des Wirkprinzips jeder einzelnen Maßnahme unter Ausnutzung der sich ergebenden Synergieeffekte.

Abhängig von den Funktionsstörungen und Schädigungsmustern kumulieren die therapeutischen Wirkungen zur:

  • Verbesserung der Beweglichkeit funktionsgestörter Gelenke,

  • Aktivierung und Kräftigung geschwächter/gelähmter Muskulatur,

  • Wiederherstellung des Muskelgleichgewichtes, der Kokontraktionen und Muskelfunktionsketten,

  • Schmerzlinderung bei Störungen der Gelenkfunktion, der Muskelspannung, der Trophik, der Durchblutung oder bei Schwellungen,

  • Verbesserung/Normalisierung von Muskeltonus, Muskellänge oder von Weichteilstrukturen und

  • Verbesserung der Gewebetrophik und Durchblutung sowie Ödemreduzierung.

Unbefriedigend ist auch, dass die vorgegebene Regelbehandlungszeit von 60 min für mindestens drei Therapiemittel unter Berücksichtigung der Pausenintervalle zur Regeneration den Anspruch der qualitativen Verabreichung jedes einzelnen Therapiemittels nur sehr selten genügt.

Im Rahmen der privaten Krankenversicherung (PKV), der gesetzlichen Unfallversicherung, der akutstationären und rehabilitativen Behandlung von Patienten in ambulanten, teilstationären und stationären Rehabilitationseinrichtungen ist man nicht an die Heilmittelrichtlinie gebunden. Das heißt, in diesen Fällen werden die Kombinationen von manueller Therapie, physikalischer Therapie und medizinischer Trainingstherapie/KG-Gerät oft sinnvoll eingesetzt.

Möglichkeiten von Heilmittelkombinationen

Gemäß der Aufstellung von Schildt-Rudloff [3] sollen nachfolgend Möglichkeiten von Heilmittelkombinationen vorgestellt werden:

1.Zur Indikation. Die Indikation zur Verordnung von MT sind reversible Funktionsstörungen im Bewegungssystem.

1.1 Primäre Funktionsstörungen, zusammenfassende Diagnosen;

1.2 Sekundäre Funktionsstörungen bei bestehenden Strukturerkrankungen [3].

Begleitend zur Verordnung und Durchführung der MT sollte bei akuten und chronischen Schmerzzuständen der Einsatz von Elektrotherapieverfahren geprüft werden. Vorrangig sollten dabei Verfahren wie TENS, KENS, KET und Reizstrom nach Träbert vor der MT zur Anwendung kommen. Auch Ultraschall (vor allem niederfrequenter Gleichschall) kann eine muskuläre Schmerzsymptomatik begleitend zur MT therapeutisch sehr gut beeinflussen. In Abhängigkeit von den Muskelveränderungen und deren Tonus- und Spannungsverhalten ist der Einsatz von Reflexzonenmassagen (Bindegewebsmassage, Periostmassage) und naturheilkundlichen Techniken (z. B. Kälteträgertherapie, Schröpfen, Akupunktur) zu prüfen.

Dabei ist die Anwendung dieser Therapiemittel primär von den Symptomen Schmerz und Schwellung abhängig zu machen. Bei chronischen Schmerzsyndromen ist ein langfristiger Einsatz dieser Therapiemittel oft medikamentösen, mit erheblichen Nebenwirkungen belasteten Therapieverfahren vorzuziehen (z. B. Leihgeräte).

1.3. Sekundäre Funktionsstörungen in Verkettungsreaktionen bei unbehandelten primären und sekundären Funktionsstörungen (wie unter 1.2 aufgezählt);

1.4.Rezidivierende Funktionsstörungen bei Verläufen wie unter 1.3 und in langen und/oder schweren Verlaufsformen mit generalisierter myofaszialer Dysbalance, zentraler Steuerungsstörung, sensomotorischer Dysintegration der Systeme der Körperstatik und Körperdynamik [3].

Bei diesen Funktionsstörungen ist immer der Einsatz von medizinischer Trainingstherapie/KG-Gerät sowie von Rehabilitationssport und Funktionstraining zu prüfen. Oft bestehen neben den erheblichen strukturellen Veränderungen mit ihren chronischen Symptomen (Schmerz, Schwellung) erhebliche muskuläre Insuffizienzen und Koordinationsstörungen (u. a. Sturzgefahr). Hier sind Elemente wie Gangschulung, Koordinationsschulung (z. B. Posturomed) und die Verbesserung der konditionellen Eigenschaften der Muskulatur wichtige Therapiemittel. Da diese Erkrankungen häufig rezidivieren, sind in Abständen zu den im häuslichen Milieu durchzuführenden Heimübungsprogrammen weitere Verordnungen notwendig.

Dabei ist die Frequenz vom Rezidivintervall abhängig. Oft sollte die medizinische Trainingstherapie (MTT) nicht parallel, sondern nachrangig zur MT zur Anwendung kommen. So könnte am Anfang eine Behandlungsserie von 2- bis 3-mal 10 Therapieeinheiten (TE) MT liegen [3], an welche die Verbesserung der konditionellen Fähigkeiten mit der MTT angeschlossen wird. Dabei sind im Bereich der Wirbelsäule durchschnittlich 15–20 TE, der oberen Extremität und des Schultergürtels oft 20–25 TE sowie im Bereich der unteren Extremität 10–15 TE notwendig. Damit werden häufigere Rezidive vermieden und die Selbstständigkeit des Patienten gefördert. Integraler Bestandteil der MTT bzw. des Trainings mit einem KG-Gerät sollte die Anleitung zur selbstständigen Durchführung von Elementen der MTT sein. Wird das Behandlungsziel nach den üblichen Therapieeinheiten nicht erreicht, ist nach einer Verlängerung von 10–15 TE der Einsatz von Rehabilitationssport und Funktionstraining zu prüfen. Auch andere Maßnahmen der Sekundär- und Tertiärprävention müssen in die Überlegungen der Rezidivvermeidung einbezogen werden (Entspannungsverfahren, Ernährungsberatung u. v. a.).