In der klinischen Praxis der Manuellen Medizin und der Physiotherapie-manuelle Therapie kann die Anwendung manueller Kontaktkräfte während der Untersuchung und Behandlung entscheidend sein. Innerhalb eines breiten Messungsbegriffs benutzen manuelle Tests und Techniken Vektorcharakteristika der Kontaktkraft (Stelle der Anwendung, Richtung und Größe) qualitativ auf nominellen und ordinalen Skalen. Mit instrumentierten Tests wird die Vektorgröße der Kontaktkraft gemessen und auf einer quantitativen Verhältnis-/Ratioskala in der Maßeinheit Newton dargestellt.

Aktive, von Patienten ausgeübte Kontaktkräfte, sind für eine verhältnismäßig lange Zeit Objekt dynamometrischer Studien gewesen. Bis 1985 verhielt es sich jedoch—mit Ausnahmen [1]—so, dass passive (Reaktions-)Kontaktkräfte eines Patienten auf äußerliche angewandte aktive (Aktions-)Kräfte Manueller Mediziner und Therapeuten Objekt der wissenschaftlichen Forschung [2, 3] war. Messungen an der Versuchsperson-Praktiker-Schnittstelle werden als direkte Messungen [2] bezeichnet. Messungen, die an anderer Stelle erhalten werden als an dieser Schnittstelle, werden als indirekte Messungen definiert. Diese indirekten Messungen betreffen größtenteils die Fälle, in denen Patient oder Praktiker entweder durch den Boden [1, 3] oder eine Untersuchungs- oder Behandlungsliege [4] unterstützt werden. Eindimensionale direkte und indirekte Messungen sind ausführlich in einer Anzahl von Studien untersucht worden, z. B. Untersuchung der Weichteile einschließlich Druckempfindlichkeit [5, 6, 7], periphere Gelenkuntersuchungen [8, 9, 10], periphere Gelenkbehandlungen [11, 12, 13], Untersuchung der Wirbelsäulengelenke [2, 14, 15, 16, 17], Behandlung der Wirbelsäulengelenke [18, 19], Nervenuntersuchung [20, 21] und Muskeluntersuchung [22, 23, 24, 25, 26]. In Bezug auf 2D- oder 3D-Kontaktkraftmessungen stehen nur indirekte Methoden zur Verfügung. Diese indirekten Messmethoden sind für die Erforschung von Wirbelsäulenuntersuchungen und -behandlungen [1, 3, 17, 27, 28, 29, 30, 31] benutzt worden. 2D- und 3D-Messungen der Kontaktkraft ermöglichen die Berechnung der Richtung des Kraftvektors [17].

Bisher haben direkte Messungen für nur eine Kraftkomponente der gesamten Kraft stattgefunden und wurden benutzt, um verschiedene manuelle Verfahren zu studieren. Gewöhnlich war diese Komponente der senkrecht zur Körperoberfläche stehende Anteil. Indirekte Messungen von ein, 2 oder 2 Kraftkomponenten sind in der Analyse von Wirbelsäulentechniken benutzt worden. Diese Studien konzentrieren sich auf ein einzelnes Verfahren, wo eine gezielte posterior-anterior gerichtete Kraft für einen Wirbel herrscht. Die jetzige Forschung wurde entwickelt, um direkte 3D-Kräftemessungen zu studieren. Direkte 3D-Kräftemessungen ermöglichen die Lücke zwischen eindimensionaler direkter und 3D-indirekter Kraftmessung zu füllen und erlauben damit eine vollständigere Beschreibung und Analyse des Kräftespiels während der manuellen Untersuchung und Behandlung an Praktiker-Patienten-Schnittstellen. Eine direkte 3D-Kraftmessung mittels eines kleinen, tragbaren, in der Hand/Handfläche gehaltenen Messsystems kann zu einer dynamischen 3D-Beschreibung und Analyse einer größeren Vielfalt manueller Verfahren führen. Mit dem gleichen Kraftnenner für manuelle Verfahren kann es leichter sein, die Unterschiede und die Ähnlichkeiten zwischen den Verfahren zu verstehen.

Der Zweck dieser Untersuchung ist die Bewertung der Dynamik von Manualtherapeuten an der Patienten-Therapeuten-Schnittstelle mittels eines portablen computergesteuerten 3D-Kraft-Messsystems [32]. Zwei verschiedene Hypothesen sollen hier bewertet werden. Zum einen ist vorausgesagt, dass 3D-Kraftkomponenten in manuellen Untersuchungs- und Behandlungsverfahren bedeutend größer sein werden als die größte eindimensionale Kraftkomponente. Zweitens werden 3D-Kraftkomponenten erwartet, die sich zwischen den einzelnen Verfahren deutlich unterscheiden. Außerdem wird erwartet, dass die praktischen Qualitäten des neuen Systems, besonders die Tatsache, dass es in einer Hand gehalten werden kann, ermöglichen, es für diverse unterschiedliche Untersuchungen und Behandlungsverfahren zu benutzen.

Studiendesign und Untersuchungsmethoden

Kraftmesssystem

Ein neues Messsystem wurde entwickelt und ein Prototyp, bestehend aus 4 Bauteilen, konstruiert:

1):

Ein piezoelektrischer 3-Komponenten-Kraftaufnehmer (Kistler varioCOMP Mehrkomponenten-Kraftaufnehmer, Sensor 9601A31, Kistler Instrumente AG, Winterthur, Schweiz).

2):

Ein Ladungsverstärker (Kistler Mehrkanal-Ladungsverstärker 5034A3, Kistler Instrumente AG).

3):

Eine Analog-Digital-Wandlerkarte (Advantech ADC Card PCL-1800, Advantech Co. Ltd., Taiwan).

4):

Ein PC mit Datenerwerbung und Echtzeitdatenvorstellungssoftware (Labview 5.1, National Instruments, Austin, TX, USA).

Um Komponenten der Schubkraft zu messen, muss der 3D-Kraftaufnehmer unter Vorspannung zwischen 2 steifen kontaktlosen Oberflächen aufgestellt werden. Für den Prototyp wurde ein Aluminiumgehäuse gebaut, das aus einer unteren Platte (26 cm2), einem Abschnitt von einer Sphäre (maximale Höhe 22 mm) und einer zentrierten Vorspannschraube mit einem Ring besteht. Abbildung 1a zeigt einen Prototyp des 3D-Kraftmessungssystems, Abb. 1b zeigt den Aufnehmerteil, während in Abb. 1c der Aufnehmerteil innerhalb der Praktiker-Patienten-Schnittstelle in der Hand gehalten wird. In Abb. 1b ist ein örtliches rechteckiges Koordinatensystem auf den eingebauten Kraftaufnehmer gezeichnet. Fz vertritt die senkrechte Kraftkomponente, während Fx und Fy Schub- und Scherkomponenten der Kraft vertreten. Der 3D-Kraftaufnehmer wurde statisch in 3 Richtungen und das 3D-Kraftmesssystem in z-Richtung kalibriert. Die Genauigkeit (Gültigkeit/Validität und Zuverlässigkeit/Reliabilität) beträgt ein Newton oder weniger. Eine ausführliche Beschreibung des Messsystems kann anderswo [32] gefunden werden.

Abb. 1
figure 1

a Prototyp eines tragbaren 3D-Kraftmessungssystem. 1 Aufnehmerteil, 2 Ladungsverstärker, 3 ADC-Wandlerkarte und PC mit Datenerwerbung und Echtzeitdatenvorstellungssoftware. b Kraftaufnehmer mit örtlichem rechteckigem Koordinatensystem auf dem eingebauten Kraftaufnehmer eingezeichnet. Fz vertritt die senkrechte Kraftkomponente, während Fx und Fy Schub-/Scherkomponenten der Kraft vertreten. c In der Hand gehaltener Kraftaufnehmer

Manuelle Untersuchung und Behandlung

Das 3D-Kraftmesssystem wurde dazu benutzt, Kraftdaten von manuellen Therapeuten zu sammeln. Die 5 manuellen Therapeuten waren alle in der Niederländischen Vereinigung Manueller Therapie (NVMT) eingetragen, die dem IFOMT angeschlossen ist. Alle absolvierten die Ausbildung „Stichting Opleiding Manuele Therapie (SOMT)“ in Amersfoort, Niederlande. Drei waren Lehrer an dieser Institution. Nach Einholung der Zustimmung der Patienten und Ausschluss von Kontraindikationen zu manueller Behandlung (Zeichen und Symptome verbunden mit pathologischen Zuständen des Rückenmarks, der Nervenwurzeln, vertebraler Arterien, peripherer und Wirbelsäulengelenke einschließlich Hypermobilität), wurden verschiedene manuelle Untersuchung und Behandlungsverfahren durchgeführt. Diese Verfahren wurden bewusst auf Weichteilgewebe des Rückens [6, 33], Wirbelsäulen- und Beckengelenke [33, 34, 35], periphere Gelenke [36, 37, 38], und Nervengewebe und Struktur [20, 39, 40] ausgerichtet. Die Untersuchungen wurden an 5 gesunden Männer im Alter von 36–39 Jahren durchgeführt. Eine kurze Beschreibung des Verfahrens kann den Tabellen 1, 2, 3, 4, 5 und 6 entnommen werden. Jeder Therapeut hat eine Technik an einem seiner Kollegen durchgeführt. Im Vorfeld hatten Praktiker 30 min zur Verfügung gehabt, um sich mit dem System vertraut zu machen. Während der eigentlichen Prüfung erhielten sie kein Feedback über die Kraftlieferung in Form von Echtzeitdaten. Die Standardisierung der Position des Kraftaufnehmers wurde durch Platzierung des flachen Teils des Geräts auf der Körperoberfläche erreicht. In dieser Position ist die Größe der 3D-Kraftkomponenten und dadurch die auf den Kraftaufnehmer ausgeübte Kraftrichtung gleich der Kraftrichtung auf den Patienten. Ähnlich wie bei direkten eindimensionalen Messungen steht Fz senkrecht zum Körper. Die vorher nie gemessenen Scher- und Schubkräfte Fx und Fy sind tangential zur Körperoberfläche.

Statistische Analysen

Zur grafischen Darstellung und zur Bestimmung der resultierenden Kraft mittels der einzelnen Kräfteparameter (Fres = √(Fx2+Fy2+Fz2) wurden die Kraftdaten mit einem Programm für Tabellenkalkulation (Microsoft Excel, Microsoft Corporation, USA) ausgewertet. Um die Unterschiede der Kraftlieferung zwischen den 3D-Kraftkomponenten (Fres) und der größten eindimensionalen Kraftkomponente (Fz) zu prüfen, wurden gepaarte t-Tests (Statview 4,5, Abacus Concepts Inc., Berkeley, CA, USA) durchgeführt. Für die weitere Analyse der Unterschiede in der Kraftlieferung (abhängiger Variable) zwischen den unabhängigen Variablen der 3D-Kraftkomponenten und manuellen Verfahren wurden gemischte Variantionsanalysen (SuperANOVA 1,11, Abacus Concepts Inc., Berkeley, CA, USA) durchgeführt. Für alle statistische Tests wurde αan 0,05 gesetzt.

Ergebnisse

Weiche Gewebe

Die Ergebnisse der manuellen Prüfung von Haut-, Unterhaut-, und Muskelbeweglichkeit sind in Tabelle 1 zusammengefasst. Repräsentative Daten sind in Abb. 2a–c dargestellt.

Tabelle 1 Maximal resultierende 3D-Kräfte und dazugehörige 3D-Kraftkomponenten manueller Kontaktkräfte, ausgeübt während der Wirbelsäulen- und Weichteiluntersuchung und Behandlungsverfahren. (Nach [6, 33])
Abb. 2a–d
figure 2

Typische 3D-Kraft-Zeit-Profile eines manuellen Verfahrens mit weichem Gewebe und ein Nervengewebe- und Strukturverfahren

Die gepaarte t- Prüfung hat einen statistisch signifikanten Unterschied von 81% in der Größe der 3D- und eindimensionalen Kraftkomponenten (t [53]=12,078; p <0,0001) gezeigt. Ein Zweiwege-ANOVA (gemischt) mit einem unabhängigen Faktor, Kraft bei Veränderung im Verfahren (thorakal, T, „Haut“links-rechts ⇔ lumbal, l, „Haut“links-rechts ⇔ L“Muskel“links-rechts), und einem wiederholenden Faktor, 3D-Kraftkomponenten (Fz ⇔ Fx ⇔ Fy), wurde durchgeführt. Durch die Messungen konnten statistische signifikante Haupteffekte des Verfahrens (F [5;48]=32,692; p=0,0001) und der 3D-Kraftkomponenten (F [2;48]=120,205; p=0,0001), sowie eine statistisch bedeutende Interaktion zwischen den 3D-Kraftkomponenten und dem Verfahren gezeigt werden (F [10;48]=19,01; p=0,0001). Die Reihenfolge der Kraftlieferung von weichem Gewebe, beginnend mit dem schwächsten Kraftlieferanten, war T „Haut“ ⇒ L „Haut“ ⇒ L „Muskel“. Ferner hatte immer wenigstens eine der Scherkraftkomponenten Fx bzw. Fy die gleiche Größe wie Fz (Abb. 3).

Abb. 3
figure 3

Verteilung manueller 3D-Kraftkomponenten (Fx, Fy, Fz) bei Verfahren mit weichem Gewebe

Nervengewebe und Struktur

Die Ergebnisse der manuellen neurodynamischen Untersuchung sind in Tabelle 2 zusammengefasst Repräsentative Daten sind in Abb. 2d dargestellt. Der gepaarte t-Test hat einen statistisch signifikanten Unterschied von 9% zwischen 3D- und eindimensionalen Bauteilen der Kraftkomponenten gezeigt (T [11]=4,927; p <0,0005). Ein Zweiwege-ANOVA (gemischt) mit einem unabhängigen Faktor, Kraft bei Veränderungen im Verfahren (Spannung der oberen Gliedmaßen Test 1, „upper limb tension test 1, ULTT1“; links ⇔ rechts), und einem wiederholenden Faktor, 3D-Kraftkomponenten (Fz ⇔ Fx ⇔ Fy), wurde durchgeführt. Durch die Messungen konnten statistische signifikante Haupteffekte von 3D-Kraftkomponenten (F [2;10]=203,985; p=0,0001), sowie eine statistisch signifikante Interaktion zwischen den 3D-Kraftkomponenten und dem Verfahren (F [2;10]=8,997; p=0,0016) gezeigt werden. Es gab keinen signifikanten Verfahrenseffekt (F [1;10]=1,976; p=0,1902). Die Z-Kraftkomponenten sind am größten, gefolgt durch Fx und Fy (Fy ⇒ Fx ⇒ Fz).

Tabelle 2 Maximal resultierende 3D-Kräfte und dazugehörende 3D-Kraftkomponenten manueller Kontaktkräfte, ausgeübt während der Nervengewebe- und Strukturuntersuchung und Behandlungsverfahren. (Nach [20, 39, 40])

Wirbelsäulen- und Beckengelenke

Die Ergebnisse der manuellen Untersuchung der Wirbelsäule und des Beckens sowie die Mobilisierungstechniken sind in Tabelle 3 zusammengefasst. Repräsentative Daten sind in Abb. 4a–f dargestellt. Der gepaarte t-Test hat einen statistisch signifikanten Unterschied von 2% zwischen den 3D- und eindimensionalen Kraftkomponenten (t [67]=8,107; p <0,0001) gezeigt. Ein Zweiwege-ANOVA mit einem unabhängigen Faktor, Kraft bei Veränderungen im Verfahren (zervikal [C] C0–1 links-rechts ⇔ thorakal [T] T9–10 ⇔ lumbal [L] ⇔ L4–5 ⇔ sakroiliakal [SI]), und einem wiederholenden Faktor, 3D-Kraftkomponenten (Fz ⇔ Fx ⇔ Fy), wurde durchgeführt. Durch die Messungen konnten statistische signifikante Haupteffekte des Verfahrens (F [7;44]=18,362; p=0,001) und der 3D-Kraftkomponenten (F [2;44]=164,791; p=0,0001), sowie eine statistisch signifikante Interaktion zwischen 3D-Kraftkomponenten und Verfahren (F [14;44]=9,207; p=0,0001) gezeigt werden. Die aufsteigende Reihenfolge von Kraftlieferung war C0–1⇒ L4–5 ⇒ T9–10 ⇒ L ⇒ SI. Die Ergebnisse zeigen, dass senkrechte Kräftegrößen am höchsten sind, während die Scherkomponenten der Kraft wesentlich kleiner waren (Abb. 5a).

Tabelle 3 Maximal resultierende 3D-Kräfte und dazugehörende 3D-Kraftkomponenten von manuelle Kontaktkräfte, ausgeübt während der Wirbelsäulen- und Beckenuntersuchung und Mobilisierung. (Nach [33, 35])
Abb. 4a–f
figure 4

Typische 3D-Kraft-Zeit-Profile manueller Verfahren bei Wirbelsäule und Beckengelenk

Abb. 5
figure 5

a Verteilung manueller 3D-Kraftkomponenten (Fx, Fy, Fz) bei der Untersuchung und Mobilisierung von Wirbelsäule und Beckengelenk. b Verteilung manueller 3D-Kraftkomponenten (maximale Kraft Fx, Fy, Vorkraft und maximale Kraft Fz) bei Manipulationen von Wirbelsäule und Beckengelenk. c Verteilung der Anstiegszeit von Manipulationen bei Wirbelsäule und Beckengelenk

Die Ergebnisse der Manipulationsverfahren bei Wirbelsäulen- und Beckengelenken sind in Tabelle 4 zusammengefasst. Repräsentative Daten sind in Abb. 5b, c und Abb. 4a, b, c, f dargestellt. Wie in Abb. 4 gezeigt, haben Kraft-Zeit-Ereignisse von Manipulationsverfahren bestimmte gemeinsame Kennzeichen. Eine verhältnismäßig lange Phase mit allmählicher Zunahme der Kraftgröße (Vorkraft), gefolgt durch eine verhältnismäßig kurze Phase mit schnellen Zunahme (maximale Kraft) kann festgestellt werden. Während der maximalen Kraft zeigen alle 3 Kraftkomponenten einen sehr steilen Anstieg. Die Vorkraft wurde als die Kraftgröße definiert, die direkt dem schnellen Anstieg vorausgeht, bis die maximale Kraft erreicht ist. Die maximale Kraft ist der größte Wert, der während der Manipulation aufgezeichnet wird. Anstiegszeit ist die Zeit zwischen Beginn des schnellen Anstiegs und Erreichen der maximale Kraft (Abb. 5b und c).

Tabelle 4 Maximal 3D-resultierender Kräfte, dazugehörende 3D-Kraftkomponenten und Anstiegszeit manueller Kontaktkräfte, ausgeübt während der Wirbelsäulen- und Beckenmanipulationen. (Nach [34])

Periphere Gelenke

Die Ergebnisse der Untersuchungen und Mobilisierungstechniken peripherer Gelenke sind in Tabelle 5 und in Abb. 7b und c zusammengefasst. Repräsentative Daten sind in Abb. 6a–f dargestellt.

Tabelle 5 Maximal resultierende 3D-Kräfte und dazugehörende 3D-Kraftkomponenten manueller Kontaktkräfte, ausgeübt während der peripheren Gelenkuntersuchung und Mobilisierung. (Nach [33, 34, 38])
Abb. 6a–f
figure 6

Typische 3D-Kraft-Zeit-Profile manueller peripherer Gelenkverfahren

Der gepaarte t-Test hat einen statistisch signifikanten Unterschied von 7% zwischen 3D- und eindimensionalen Kraftkomponenten (t [60]=3,867; p=0,0003) gezeigt. Ein Zweiwege-ANOVA (gemischt) mit einem unabhängigen Faktor, Kraft bei Veränderungen in Untersuchung und Mobilisierungsverfahren (Schulter ⇔ Hand Rotation ⇔ Hand Translation ⇔ Knie ⇔ Fuß), und einem wiederholenden Faktor, 3D-Kraftkomponenten (Fz ⇔ Fx ⇔ Fy), wurde durchgeführt. Durch die Messungen konnten statistisch signifikante Haupteffekte des Verfahrens (F [7;44]=87,212; p=0,0001) und der 3D-Kraftkomponenten (F [2;44]=893,686; p=0,0001), sowie eine statistisch signifikante Interaktion zwischen 3D-Kraftkomponenten und Verfahren (F [14,44]=36,185; p=0,0001) gezeigt werden. Die aufsteigende Reihenfolge von Kraftlieferung war Hand ⇒ Schulter ⇒ Fuß ⇒ Knie. Die Ergebnisse haben gezeigt, dass senkrechte Kräfte am größten sind und die Scherkräfte wesentlich kleiner (Abb. 7a).

Abb. 7
figure 7

a Verteilung manueller 3D-Kraftkomponenten (Fx, Fy, Fz) bei Untersuchung und Mobilisierung peripherer Gelenke. b Verteilung manueller 3D-Kraftkomponenten (maximale Kraft Fx, Fy, Vorkraft und maximale Kraft Fz) bei Manipulationen peripherer Gelenke. c Verteilung der Anstiegszeit bei Manipulationen peripherer Gelenke durch 2 Manualtherapeuten (MT4 und MT5)

Die Ergebnisse der Manipulationsverfahren an peripheren Gelenken werden in Tabelle 6 zusammengefasst. Repräsentative Daten sind in Abb. 6a, d, e dargestellt. Die Ergebnisse zeigen wieder eine Vorkraft und eine Maximalkraft mit vorangehendem steilem Anstieg aller 3 Kraftkomponenten.

Tabelle 6 Maximal resultierende 3D-Kräfte, dazugehörende 3D-Kraftkomponenten und Anstiegszeit manueller Kontaktkräfte, ausgeübt während der peripheren Gelenkmanipulationen. (Nach [34, 38])

Diskussion

Die resultierende Kraftlieferung manueller Techniken zeigte einen deutlichen Unterschied zwischen Vorgehen bei Weichteilen und Nerven auf der einen Seite (6–30 N) und Techniken bei Gelenken (peripher, 49–183 N), Wirbelsäule und Becken (54–262 N) auf der andere Seite. Innerhalb der Weichteilverfahren herrschten signifikante Unterschiede zwischen segmentaler Höhe (thorakal ⇔ lumbal) und zwischen Haut, Unterhaut und Muskel. Im Bezug auf Gelenktechniken zeigte es sich, dass für größere Gelenke mehr Kraft aufgewendet wurde, das L4–5-Verfahren ausgenommen. In dem Zusammenhang muss jedoch erwähnt werden, dass bei dieser Technik zwischen Spina iliaca posterior superior und dem Dornfortsatz L5 ein Hebearm benutzt wurde. Bei den übrigen Techniken wurde versucht, die Kraftanwendungsstelle so nah wie möglich am Gelenk zu halten. Diese Unterschiede in der Kraftanwendung können durch (bio-)mechanische Unterschiede zwischen Weichteilen und Gelenken und zwischen verschiedenen Gelenken erklärt werden. Wie erwartet, sind 3D-Kraftkomponenten bedeutend größer als übereinstimmende senkrechte eindimensionale Kraftkomponenten. Die 1. Hypothese wird durch dieses Ergebnis bestätigt.

Dies ist in Anbetracht der Definition von 3D- (Fres-) und eindimensionalen (Fz-)Kraftkomponenten nicht überraschend. 3D-Kraftkomponenten liegen, verglichen mit eindimensionalen Kraftkomponenten um 81% (Haut, Unterhaut und Muskel), 9% (Nerv), 7% (periphere Gelenke) und 2% (Wirbelsäule und Beckengelenke) höher. Höhere Prozentzahlen zeigen an, dass verhältnismäßig hohe Beiträge von Scherkraft und flache Kraftanwendungswinkel auftreten. Die Bereiche der Anwendungswinkel tangential zur Sensor- und Körperoberfläche sind:

  • 26–77° (Haut, Unterhaut und Muskel),

  • 76–82° (Nerv),

  • 76–89° (Wirbelsäule Beckengelenke) und

  • 76–90° (periphere Gelenke).

Bereiche absoluter Scherkraft waren:

  • 1–25 N (Haut, Unterhaut und Muskel),

  • 1–7 N (Nerv),

  • 1–33 N (Wirbelsäule und Beckengelenke) und

  • 1–18 N (periphere Gelenke).

Die Ergebnisse zeigten auch, dass 3D-Kraftkomponenten eine signifikante Verteilung innerhalb der Verfahrensgruppen hatten, was die 2. Hypothese bestätigte. Bei allen Messungen mit Ausnahme des Vorgehens bei Weichgeweben war die senkrechte Kraftkomponente am größten. Von einem (bio-)mechanischen Standpunkt aus muss es möglich sein, einen festen Punkt der Kraftanwendung durch eine bestimmte Kombination größerer senkrechter und kleinerer Scherkraft zu bewirken, um so ein gewisses Maß von Kontaktreibung zu erreichen. Diese Kombination von Kraftkomponenten wird die Hand beim Schieben über die Körperoberfläche verhindern. Dies würde zu einem Bereich des Kraftanwendungswinkel mit hinreichend Griff führen. Gemäß Matyas u. Bach [1] scheint es, dass sich gewisse passive manuelle Verfahren massiv auf senkrechte Kraftkomponenten verlassen. Andere manuelle Techniken benutzen eine Kombination ähnlicher Scher- und senkrechter Kraftkomponenten, um eine bestimmte nicht senkrechte Richtung der Kraft mit genügendem Griff [6] zu bewirken. Verfahren, die Handverlagerungen über der Körperoberfläche verwenden, z. B. gleitende, streichende Massagehandgriffe, führen zu Scherkräften, die größer als die senkrechte Kraftkomponente sind. In diesem (bio-)mechanischer Rahmen scheint es, dass alle außer den Weichteilverfahren unter die 1. Kategorie fallen. Es scheint vernünftig, ein Kraftmessungssystem angemessen zu erklären, wenn es für eine Anzahl verschiedene Verfahren anwendbar ist. Aus den Ergebnisse der Tabellen 1, 2, 3, 4, 5 und 6 kann man folgern, dass die anfangs formulierten Erwartungen an die Anwendbarkeit des 3D-Kraftmessungssystem bestätigt sind. Während der Tests stellte sich heraus, dass auch eine Vielzahl von Gewebe- und Strukturverfahren bei Muskeln in der Form von passiven Dehnungen ohne Probleme durchgeführt werden können.

Der 2. Teil der Diskussion widmet sich den Mängeln des neuen Messverfahrens. Ein wichtiger Aspekt bei der Analyse der Dynamik manueller Verfahren ist, welche Art von Kraftdaten für statistische Auswertungen verwendet werden. Vektorteildaten mit positiven und negativen Werten für die gleichen Scherkraftkomponenten können die Größe der Scherkraft herabsetzen und die Variation verstärken und dadurch Unterschiede im Verfahren kaschieren oder Unterschiede zwischen Kraftkomponenten betonen. Andererseits jedoch liefern Kraftkomponenten unterschiedliche Informationen über die Ausführung der Methode und über die Richtung der angewandten Kraft. Um den ausgleichenden Effekt der Richtung des Kraftvektors auf die Größe des Kraftvektors zu illustrieren, wurde der prozentuale Anteil der Scherkraft auch als Teil der Gesamtkraft (|Fx|+|Fy|+Fz) mit dem Mittel der Absolutwerte Fx und Fy kalkuliert. Verglichen mit der Vektordarstellung wurden die Scherkräfte kalkuliert für: Haut, Unterhaut und Muskel 173 statt 81%, Nerv 50 statt 9%, Wirbelsäule und Becken 25 statt 2% und periphere Gelenkverfahren 22 statt 7%.

Ein anderer möglicher Mangel dieser Untersuchung ist, dass der Praktiker-Patienten-Kontakt durch das in den Untersuchungen verwendete Gerät gestört werden kann. Dies könnte 3 Auswirkungen haben. Zuerst, verglichen mit der zentralen Belastung des sphärischen Kraftaufnehmergehäuses, wird durch exzentrische Belastung ein Kraftmoment in Form von Scherkräften in die Messungsergebnisse eingeführt. Diese zusätzlichen Scherkräfte könnten die Berechnung der Richtung des Kraftvektors verfälschen. Zweitens kann die Kraftlieferung des Praktikers mit Gerät von der Kraftempfindung eines ungehinderten oder weniger gestörten Praktiker-Patienten-Kontakts wie auch im Fall der Existenz von indirekten und direkten Messsystemen abweichen. Der beste Weg, diese Frage zu beantworten, ist eine gleichzeitige Verfügbarkeit von Forschungsergebnissen über (bio-)mechanische und psychophysische Unterschiede sowie Ähnlichkeiten zwischen direkten und indirekten Wegen, Kontaktkräfte zu messen. Drittens wird das Kontaktgebiet sogar mit exzentrischer Belastung zu groß sein, um bestimmte Dornfortsätze oder Querfortsätze der Wirbel zu erreichen. Diesem Problem hat sich kürzlich eine Publikation gewidmet [41]. Die Autoren halten 3 cm2 für die beste Oberfläche, um Wirbelsäulenmarksteine zu lokalisieren, während größere Flächen (16 cm2) gewählt werden können, um die Größe des Pisiformgebiets eines Praktikers zu replizieren. Um eine spezifischere Lokalisation zu erreichen, wird man verschiedene und auch kleinere Kontaktflächen benutzen müssen. Zusätzlich zum Messen passiver Kontaktkräfte während der manuellen Behandlung werden verschieden gestaltete Kontaktflächen den Gebrauch des Instruments für Messungen passiver 3D-Kontaktkräfte während der Palpation und von 3D-Kontaktkräften innerhalb des Rahmens der dynamometrischen manuellen Muskelprüfung ermöglichen.

Fazit für die Praxis

Dies ist die erste Forschungsarbeit, die Messungen von 3D-Kräften behandelt, die an der Schnittstelle zwischen Praktiker und Patient bei verschiedenen gebräuchlichen manuellen Verfahren aufgezeichnet wurden. Die Komponenten der 3D-Kontaktkraft erlauben eine vollständigere Beschreibung dieses dynamischen Aspekts der täglichen Praxis. Die Ergebnisse können nicht nur dazu verwendet werden, die Ähnlichkeiten und Unterschiede in der Behandlungen der Praktiker innerhalb der Manuellen Medizin und Physiotherapie/manuellen Therapie zu charakterisieren, sondern auch als Lehrwerkzeug dienen, sodass manuelle Untersuchungen und Behandlungsfähigkeiten verbessert werden können. Für eine spezifische Beschreibung und Analyse manueller Verfahren sind jedoch standardisierte Aufstellungen besser geeignet. Zuletzt müssen die statistischen Verfahren verfeinert werden.