Grundlagen

Der Einsatz von Gelenktotalendoprothesen ist in den vergangenen Jahrzehnten zu einer sehr häufigen Operation avanciert; weltweit werden jährlich etwa 1,3 Mio. Endoprothesen, in Deutschland über 150.000 Hüftgelenktotalendoprothesen implantiert [3, 20]. Die durchschnittliche Lebensdauer einer Hüftendoprothese hat in den letzten Jahrzehnten deutlich zugenommen. In einer Studie an 2.000 amerikanischen Patienten wurde eine Zehnjahresüberlebensrate von 94% ermittelt [3], in verschiedenen Studien im deutschsprachigen Raum wurden Zehnjahresverweilraten zwischen 88 und 95% beobachtet [2, 14, 22].

Aseptische Lockerung

Das Hauptproblem der heutigen Endoprothesenchirurgie ist die so genannte „aseptische Lockerung“ [42]. Ätiologisch sind zwei Hauptfaktoren für die aseptische Lockerung verantwortlich.

  • Der entscheidende Faktor sind Abriebprodukte aus Polyethylen (PE), Zement, Keramik oder Metall, die eine Stimulation von Makrophagen und deren Produktion von resorptionsstimulierenden Faktoren auslösen, welche zu periprothetischen Osteolysen führen [11, 23, 27, 30, 32, 33].

  • Der zweite ätiologische Faktor der aseptischen Lockerung ist ein Mangel an initialer Stabilität des Implantates, welche als essenziell für die Osteointegration einer Prothese gilt [1, 21].

Septische Lockerung

Neben der aseptischen Lockerung stellt auch die so genannte „septische Lockerung“ ein Problem der Endoprothetik dar. Während der Operation kann es bei minimaler bakterieller Kontamination der Prothese und des periprothetischen Spalts zu einer Infektion kommen. Diese Infektion kann schon kurz nach der Implantation zu einem hochakuten, eitrigen Krankheitsbild führen, welches klinisch und histopathologisch kein diagnostisches Problem darstellt. Eine sehr geringe bakterielle Kontamination kann auch postoperativ zunächst nicht apparent werden (so genannte Minimalinfektion oder „low-grade-infection“ [26]). Gentamicin-haltiger Polymethylmethacrylat(PMMA)-Knochenzement kann die Selektion von bestimmten Staphylococcus-aureus-Stämmen, den so genannten „small colony variants“, fördern [9]. Diese sind insbesondere bei chronisch-persistierenden, antibiotikarefraktären Infektionen beschrieben [31] und stellen auch in der Mikrobiologie ein diagnostisches Problem dar, da sie häufig erst nach 48 Stunden nadelspitzgroße Kolonien bilden [9].

Als zweiter pathogenetischer Weg einer septischen Lockerung ist beschrieben, dass eine primär keimfrei implantierte Prothese im Rahmen einer Bakteriämie, wie sie z. B. nach Zahnextraktion oder bei chronischen Hautulzerationen auftreten kann, sekundär hämatogen infiziert wird [8, 19, 25].

Periprothetische Membran

Sowohl bei der „aseptischen“ als auch bei der „septischen“ Prothesenlockerung bildet sich ein wechselnd breiter Bindegewebesaum—die periprothetische Membran—zwischen Knochen und Prothese. Auch bei festsitzenden Prothesen entsteht eine, allerdings wesentlich schmalere, periprothetische Membran, deren Dicke im Femurschaftbereich von 0,1–0,3 mm und im Acetabulumlager mit zunehmender Prothesenstandzeit bis über 1,0 mm beträgt [5, 13, 15, 23].

Die zellulären und enzymatischen osteolytischen Prozesse innerhalb der periprothetischen Membran und die Bewegungen des Implantates sind dafür verantwortlich, dass jede Endoprothesenlockerung einen mehr oder weniger großen Knochendefekt aufweist (Abb. 1) [12, 18, 27]. Eine experimentelle Analyse unterstützt die Annahme, dass in der Membran ein Gleitmittel produziert wird, welches die feste Verankerung der Prothese zusätzlich aufhebt [24].

Abb. 1
figure 1

Radiologischer Aspekt der Prothesenlockerung (aseptische Lockerung, histologisch bestand in diesem Fall eine Membran vom abriebinduzierten Typ) mit deutlichen Osteolysen medial und lateral des Prothesenstiels (Pfeilspitzen)

Im Rahmen der Revisionsoperation erfolgt eine erneute Endoprothesenimplantation nach vorhergehender Entfernung der periprothetischen Membran (Abb. 2), welche insbesondere in Endoprothesen-Revisionszentren einen wichtigen Bestandteil des orthopädischen Einsendegutes an die Pathologie darstellt.

Abb. 2
figure 2

Makroskopischer Aspekt einer periprothetischen Membran, in diesem Fall vom indifferenten Typ

Die eigentliche periprothetische Membran befindet sich in der so genannten Interfaceregion zwischen Knochen und Prothese bzw. Knochen und Zement. Vom diesem Gewebe abzugrenzen ist die Neokapsel, die sich um das künstliche Gelenk herum bildet. Diese Neokapsel besitzt zwar auch Kontakt zur Prothese, aber nicht zum Knochen und kann daher nicht direkt für die Osteolysen der Prothesenlockerung verantwortlich sein. Dennoch kann man sich das Neokapselgewebe diagnostisch nutzbar machen.

In mehreren Arbeiten wird beschrieben, dass der Neogelenkraum mit dem periprothetischen Raum kommuniziert [7, 37, 38], und es wird allgemein angenommen, dass sich die histologischen Veränderungen bei einem Patienten in beiden Geweben sehr ähnlich sind [4, 26, 41]. Die Neokapsel bietet den Vorteil, dass sie einer bioptischen Probenentnahme zugänglich ist, während die eigentliche periprothetische Membran nur im Fall eines Prothesenwechsels histologisch untersucht werden kann.

Daher bezieht sich dieser Klassifikationsvorschlag sowohl auf die Neokapsel als auch auf die periprothetische Interfacemembran. Da jedoch bisher in keiner größeren Studie eindeutig bewiesen wurde, dass sich beide Gewebe bei demselben Patienten tatsächlich gleichen, sollte der Entnahmeort der Gewebeprobe vom Orthopäden eindeutig angegeben werden, um eventuelle Diskrepanzen zwischen Neokapsel und periprothetischer Membran aufzudecken.

Histopathologische Einordnung

Das histopathologische Bild der periprothetischen Membran ist ausgesprochen heterogen. Bisher zielte die pathologische Diagnostik lediglich auf die Frage ab, ob ein infektiöses Geschehen (septische Lockerung) vorlag oder nicht. Fand sich nicht das typische Bild einer septischen Lockerung, so wurde von einer aseptischen Lockerung gesprochen. Teilweise wurde synonym dazu der Begriff der Partikelkrankheit verwendet. Dieser Ausdruck suggeriert, dass es sich bei einer aseptischen Lockerung immer um einen durch Abriebpartikel hervorgegangenen Prozess handelt, was jedoch nicht für alle Fälle zutrifft: Es gibt darüber hinaus Membrangewebe, das weder Zeichen der septischen Lockerung noch einer ausgeprägte Fremdkörperreaktion zeigt. Dieses wurde schon 1983 beschrieben, allerdings in der Folge wenig beachtet [13].

Es wurden bereits mehrere Systeme zur Quantifikation der einzelnen Elemente der Lockerungsmembran beschrieben, jedoch sind diese sehr detailliert und auf die Anwendung in wissenschaftlichen Studien ausgerichtet [4, 29]. Ein allgemein von Orthopäden und Pathologen akzeptiertes histopathologisches Klassifikationssystem existiert bisher nicht. Ziel der vorliegenden Arbeit ist es daher, durch Definition histopathologischer Kriterien eine übersichtliche Typisierung der periprothetischen Membran zu erstellen. Hiermit soll eine standardisierte Diagnostik der periprothetischen Membran im orthopädisch-pathologischen Alltag ermöglicht und darüber hinaus eine Hilfestellung für die ätiologische Abklärung der Prothesenlockerung gegeben werden.

Material und Methode

Patienten

Die Patienten waren im Mittel 67 Jahre alt (27–92 Jahre, Standardabweichung 10,7 Jahre), 59% waren weiblich (n=159) und 41% männlich (n=109). Bei 245 Implantaten konnte retrospektiv geklärt werden, ob diese zementiert waren: 73% waren zementiert (n=179) und 27% unzementiert (n=66). Die mittlere Standzeit der Prothesen betrug 8,3 Jahre (1 Monat bis 30,8 Jahre, Standardabweichung 7,8 Jahre). In 81% der Fälle handelte es sich um Hüftprothesen (n=219), in 19% der Fälle um Knieprothesen (n=49).

Periprothetisches Membrangewebe aus Prothesenwechseloperationen von 268 Patienten wurde in konventionellen HE-Schnittpräparaten (5 µm) mittels Lichtmikroskopie und Polarisationsoptik untersucht. Neokapselgewebe wurde in der vorliegenden Studie nicht verwendet. In einigen Fällen erfolgten eine Berliner-Blau- (n=28) und eine Öl-Rot-Färbung (n=4, Öl-Rot-EGN; Sigma, St. Louis/MO, USA).

Eine mikrobiologische Untersuchung mit aeroben und anaeroben Kulturen vom Operationsmaterial wurde in 74% der Fälle (n=183) durchgeführt.

Histologische Typen der periprothetischen Membran

Periprothetische Membran vom abriebinduzierten Typ (Typ I)

Definierende Kriterien: Histologisch imponiert ein mehrheitlich aus Makrophagen und multinukleären Riesenzellen bestehendes Infiltrat. Größere PE-Partikel ab etwa 5 µm2 finden sich eher in multinukleären Riesenzellen, während kleinere PE-Partikel von etwa 2 µm2 in Makrophagen gefunden werden [39]. Diese beiden Zellformen nehmen zusammen mehr als 20% der Fläche der Membran ein. Vereinzelt sind Lymphozyten nachweisbar. Der höchste Anteil bzw. die größte Flächendichte von Makrophagen oder multinukleären Riesenzellen findet sich oft an der Oberfläche der periprothetischen Membran (Abb. 3a).

Abb. 3a–d
figure 3

Histopathologisches Bild der 4 Typen der periprothetischen Membran. a Abriebinduzierter Typ mit Makrophagen (Pfeilspitzen) und multinukleären Riesenzellen (Pfeile) mit leeren Hohlräumen durch herausgelöste Abriebpartikel. b Infektiöser Typ mit Granulationsgewebe aus Kapillarproliferaten (Pfeilspitzen), Fibroblasten und neutrophilen Granulozyten (Pfeile). c Mischtyp mit Charakteristika sowohl vom abriebinduzierten als auch vom infektiösen Typ, Fremdkörperriesenzellen (Pfeilspitzen) und Granulozyten (Pfeile). d Indifferenztyp mit straffem kollagenen Bindegewebe, Fibrozyten und Fibroblasten (Pfeile). (Färbung: HE, Originalvergrößerung: 200×)

Diagnostik des Abriebmaterials: In Abhängigkeit von der Partikelgröße zeigen Knochenzementfragmente (PMMA) ein basophiles, oft trauben- oder maulbeerförmiges, scholliges Muster, in der Polarisationsoptik eine geringe Doppelbrechung, oder sie werden bei der Anfertigung der Schnitte herausgebrochen und hinterlassen optisch leere Hohlräume [4, 41]. PMMA werden Kontrastmittelkörnchen aus Zirkondioxyd oder Bariumsulfat beigegeben, die einen Durchmesser von 0,5–2  µm haben und häufig Konglomerate bilden. Sie sind rund-oval, teils grau, teils gelb-bräunlich und zeigen eine schwache weiße Doppelbrechung [4, 41].

PE-Partikel sind häufig länglich und bizarr geformt und weisen einen leichten bunten Schimmer auf [40]. Sie zeigen in Abhängigkeit von der Größe eine starke polarisationsoptische Doppelbrechung [4]. Große Partikel (bis mehrere Millimeter) sind häufig aus dem Gewebe herausgerissen. PE-Partikel können sehr klein (<1 µm) und dann auch polarisationsoptisch nicht mehr darstellbar sein [17, 41]. Sie können jedoch durch eine Öl-Rot-Färbung detektiert werden [16]. Dabei werden intrazelluläre Lipidtropfen und auch PMMA in Makrophagen ebenfalls angefärbt, und es müssen Fehlinterpretationen durch eine kritische Zusammenschau von HE- und Öl-Rot-Histologie vermieden werden [35].

Metallabrieb (Titan, Eisen, Kobalt, Chrom, Molybdän) imponiert in Form von kleinsten runden oder scharfkantigen schwarzen Partikeln und zeigt eine schwache, gelbliche zirkumferenzielle Doppelbrechung in der Polarisation [41]. Vereinzelt kommen auch größere, ebenfalls schwarze, scharfkantige Partikel vor [4]. Obwohl beschrieben wurde, dass Eisenabrieb in der Berliner-Blau-Reaktion zu einem bläulichen Schleier in Makrophagen führen kann [6], ist diese Färbung keine sichere Methode zum Nachweis von Metallabrieb. Vielmehr können durch die Berliner-Blau-Färbung Hämosiderindepositionen erkannt und als Abriebmaterial ausgeschlossen werden.

Die polygonalen Keramikpartikel haben eine Größe von 0,5--10 µm. Sie sind gelb-weißlich bis bräunlich mit einem auffälligen dunklen Rand. Ihre Doppelbrechung ist je nach Orientierung ihrer kristallinen Struktur von unterschiedlicher Intensität [4, 41].

Die Qualität der Abriebpartikel sollte im histopathologischen Befund routinemäßig festgehalten werden.

Variabel ausgebildete histologische Veränderungen: In unterschiedlichem Ausmaß stellen sich Nekrosen und ein lymphozytäres Infiltrat dar. In den Nekrosen finden sich variable Mengen von Abriebmaterial (zumeist PE), weshalb auch nekrotische Areale polarisationsoptisch untersucht werden.

Periprothetische Membran vom infektiösen Typ (Typ II)

Hierbei kann zwischen einer Minimalinfektion („low-grade-infection“ [26]) und einer ausgeprägten, z. T. abszedierenden oder phlegmonösen Entzündungsform unterschieden werden. Das Bild der „low-grade-infection“ zeichnet sich durch eine chronisch granulierende Entzündung mit aktivierten Fibroblasten, Gefäßproliferaten, chronischem Ödem und einem entzündlichen Infiltrat aus neutrophilen Granulozyten und oft auch Plasmazellen in Nachbarschaft von kleinen Lymphozytenaggregaten aus. Multinukleäre Riesenzellen und Makrophagen sind nur vereinzelt nachweisbar.

Eine besondere diagnostische Bedeutung kommt den neutrophilen Granulozyten zu: Pandey et al. haben an einer Studie an 602 Patienten ermittelt, dass die histologische Diagnose einer periprothetischen Infektion am besten mit klinischen und mikrobiologischen Befunden korreliert, wenn mindestens ein neutrophiler Granulozyt pro Gesichtsfeld bei 400facher Vergrößerung („high-power-field“/HPF) in je mindestens 10 HPF (Abb. 3b) nachgewiesen werden kann [26]. Hierbei ergaben sich eine sehr gute Sensitivität von 100% und Spezifität von 97%, weshalb dieses Kriterium für die vorliegende Studie übernommen wurde.

Periprothetische Membran vom abriebinduzierten und infektiösen Typ (Mischtyp, Typ III)

Das histologische Bild stellt eine Kombination der unter Typ I und Typ II beschriebenen histologischen Veränderungen dar (Abb. 3c). In derselben Membran finden sich sowohl Areale, in denen eine abriebinduzierte Fremdkörperreaktion dominiert als auch ein granulozytenreiches Granulationsgewebe, wobei beide Veränderungen etwa den gleichen Flächenanteil einnehmen.

Periprothetische Membran vom indifferenten Typ (nichtabriebinduziert, nichtinfektiös, Typ IV)

Histologisch stellt sich eine aus zellarmem, kollagenfaserreichen Bindegewebe bestehende Membran dar, deren Oberfläche zumeist von einem zarten Fibrinsaum mit Fibroblasten und Makrophagen synovialisähnlich begrenzt ist. Neutrophile Granulozyten kommen nur vereinzelt im Bereich der Fibrinauflagerungen vor. Im konventionelle HE-Präparat und auch polarisationsoptisch lassen sich nur sehr wenige Fremdmaterialablagerungen erkennen. Insbesondere findet sich keine Fremdkörperreaktion. Riesenzellen und Makrophagen nehmen weniger als 20% der Schnittfläche ein (Abb. 3d).

Ergebnisse

Häufigkeit der histologischen Typen im Untersuchungsgut

Von 268 Patienten wurde

  • bei 51% (n=139) eine periprothetische Membran vom abriebinduzierten Typ festgestellt,

  • bei 20% (n=53) eine Membran vom infektiösen Typ,

  • bei 5% (n=13) eine Membran vom Mischtyp und

  • bei 18% (n=47) eine Membran vom Indifferenztyp.

In 6% (n=16) der Fälle konnte aufgrund einer zu geringen Probenmenge oder einer falschen Entnahmelokalisation keine verlässliche Diagnose gestellt werden, einige dieser Proben bestanden ausschließlich aus organisiertem Fibrin (Abb. 4).

Abb. 4
figure 4

Prozentuale Verteilung der histopathologischen Typen im Untersuchungsgut (n=268)

Reliabilität der Klassifikation

245 Fälle wurden nacheinander von zwei verschiedenen Untersuchern befundet, denen die klinische Diagnose nicht bekannt war (Einfach-blind-Untersuchung). In 232 Fällen gelangten beide Befunder zur gleichen Klassifikation, die Reproduzierbarkeit (so genannte „inter-observer reliability“) betrug somit 95%. Da die vier Typen nicht gleich häufig verteilt waren, war zur Beschreibung der Interobserverreliabilität der „intraclass correlation coefficient“ (ICC) geeignet. Er betrug für die beiden Untersucher ICC=0,840, Signifikanzniveau p<0,001. In sieben der 13 diskrepanten Fälle bestand Uneinigkeit, ob eine Probe beurteilbar war oder als nichtbeurteilbar einzustufen sei. Dreimal bestand eine Diskrepanz zwischen einer Einstufung als abriebinduzierter bzw. indifferenter Typ, und je einmal herrschte Uneinigkeit zwischen Typ I und II, Typ I und III beziehungsweise Typ II und III.

Prothesenstandzeit und histologischer Typ der periprothetischen Membran

Die mittlere Standzeit der Prothesen bei Patienten mit einer Typ-I-Membran betrug 12,0 Jahre, bei Patienten mit einer Typ-II-Membran 2,5 Jahre, bei Patienten mit einer Typ-III-Membran 4,2 Jahre, und bei Patienten mit einer Typ-IV-Membran betrug sie 5,5 Jahre (Abb. 5). Die Unterschiede in den Standzeiten der verschiedenen histopathologischen Typen waren signifikant (p=0,004, ANOVA-Test).

Abb. 5
figure 5

Mittlere Prothesenstandzeit der histopathologischen Typen der Lockerungsmembran

Zementierung und histologischer Typ der periprothetischen Membran

Bei den unzementierten Prothesen hatte der histologische Typ I einen Anteil von 51%, bei den zementierten hingegen von 71%. Eine Membran vom infektiösen Typ fand sich in 20% sowohl der zementierten als auch der unzementierten Prothesen. Eine Membran vom Mischtyp wurde in 2% der zementierten und in 10% der unzementierten Fälle diagnostiziert. Eine Membran vom Indifferenztyp konnte in 6% der zementierten und 18% der unzementierten Prothesen diagnostiziert werden.

Mikrobiologischer Befund und histologischer Typ der periprothetischen Membran

In 33,9% der Fälle, in denen ein mikrobiologischer Befund erhoben wurde (n=62 von 183), war dieser positiv. Es gab 54 Fälle von Infektionen mit einem einzigen nachgewiesenen Erreger und acht Mischinfektionen mit zwei (n=7) beziehungsweise drei (n=1) verschiedenen Erregern. Der häufigste isolierte Erreger war Staphylococcus epidermidis als einziger Keim in 22 Fällen und in weiteren vier Fällen als Bestandteil einer Mischinfektion. Staphylococcus aureus trat ebenfalls häufig auf, in 14 Fällen solitär (davon zweimal als MRSA) und in drei Fällen von Mischinfektionen. Insgesamt wurden in 45 Fällen Vertreter der Staphylococcus-Spezies nachgewiesen. In jeweils mehreren Fällen wurden außerdem Propionibacterium acnes (n=10) und verschiedene Streptokokken (n=5) nachgewiesen (Tabelle 1).

Tabelle 1 Häufigkeit der mikrobiologisch nachgewiesenen Erreger bei periprothetischer Infektion

Von 183 Fällen, in denen ein mikrobiologischer Befund vorlag, waren neun Fälle histologisch nicht beurteilbar. Von den verbliebenen 174 Fällen korrelierte der mikrobiologische Befund mit der Klassifikation (mikrobiologischer Keimnachweis plausibel bei histologischen Typen II und III) in 155 Fällen (89%). Neunmal war die Histologie falsch-negativ gegenüber der Mikrobiologie: In drei Fällen wurde histologisch eine Typ-I- und in sechs Fällen eine Typ-IV-Membran diagnostiziert, obwohl mikrobiologisch Keime nachgewiesen wurden.

Zehnmal war die Histologie falsch-positiv gegenüber der Mikrobiologie: Sechsmal bestand histologisch eine Typ-II-Membran und viermal eine Typ-III-Membran, obwohl mikrobiologisch keine Erreger nachgewiesen wurden. Mittels des nichtparametrischen Spearman-Rho wurde ein Korrelationskoeffizient zwischen histologischer und mikrobiologischer Diagnose von 0,774 ermittelt. Das Signifikanzniveau war p<0,001.

Ossäre Charakteristika

Geflechtknochen- und Lamellenknochenbestandteile können in periprothetischen Membranen mitbeinhaltet sein. In 63% der Proben konnte kein Knochen festgestellt werden. In 34% der Proben fanden sich wenige Knochenfragmente mit einem Flächenanteil von bis 5%. In 3% der Proben lag der Anteil an Knochen >5% der Schnittfläche des Präparats. Überwiegend fanden sich die histologischen Zeichen des Knochenumbaus (Geflechtknochen), des Weiteren konnte rarifizierter, frakturierter und partiell nekrotischer Lamellenknochen nachgewiesen werden. Osteoklastäre Riesenzellen stellten einen in unserem Untersuchungsgut seltenen Befund dar (7% aller Fälle).

Diskussion

Der überwiegende Teil der Proben (94%) erwies sich im Sinne der histologischen Klassifikation als gut verwertbar. Die Übereinstimmung der Diagnosen von zwei verschiedenen Untersuchern in 95% der Fälle zeigt, dass die Klassifikation eine standardisierte, überwiegend eindeutige Diagnostik ermöglicht. Die Diskrepanz zwischen mikrobiologischem und histologischem Befund in 11% der Fälle wirft die Frage auf, welche Untersuchungsmethode die höhere Sensitivität und Spezifität hat. Falsch-negative mikrobiologische Befunde können durch eine kurze Bebrütungszeit entstehen, falsch-positive durch eine Kontamination des Probenmaterials. Die dadurch eingeschränkte Aussagekraft der mikrobiologischen Untersuchung wird in etlichen Arbeiten hervorgehoben [9, 26, 28, 34]. Um eine in Bezug auf die Infektion falsch-negative histologische Diagnose zu vermeiden, ist es notwendig, das Material möglichst vollständig einzubetten, um kein infektiöses Areal zu übersehen.

Prothesenabrieb

Entsprechend der Annahme, dass nach langer Standzeit vorwiegend der Prothesenabrieb für eine Lockerung verantwortlich ist, lag in den meisten Fällen von Prothesenwechseln nach mehr als zehnjähriger Standzeit (n=42 von 51, 82%) eine Membran vom Typ I vor. In zwei Fällen (4%) kam es vor, dass Prothesen auch nach mehr als zehn Jahren nicht aufgrund einer abriebinduzierten Lockerung sondern wegen einer Low-grade-Infektion gewechselt wurden. Laborchemisch (CRP, Leukozytose) blieben diese Infektionen stumm und wurden erst durch die histopathologische Diagnose einer Typ-II-Membran apparent.

Die histopathologische Diagnosestellung besitzt hier also klinische Relevanz, da bei einer periprothetischen Infektion der Erfolg des Prothesenwechsels maßgeblich von der gewählten Wechselstrategie (einzeitig bzw. zweizeitig) und der gezielten und ausreichend langen antibiotischen Therapie abhängt [43]. Hierzu ist ein mikrobiologischer Befund mit Antibiogramm besonders hilfreich, jedoch kann auch im Falle einer negativen Mikrobiologie mithilfe der Histopathologie eine Infektion diagnostiziert werden [26].

Ein intraoperativer Schnellschnitt bietet im Gegensatz zur Mikrobiologie die Möglichkeit, eine Infektion ohne Zeitverlust zu diagnostizieren und ggf. die Wechselstrategie noch während der Operation anzupassen [10]. Von klinischer Seite werden bei der Entscheidung zu einem zweizeitigen Wechsel auch noch die Ausdehnung der Infektion, eine eventuelle Fistelung oder eine lange Infektionsdauer sowie der Allgemeinzustand des Patienten berücksichtigt.

Infektiöse Ursache der Prothesenlockerung

In Fällen einer frühen Lockerung im ersten Jahr nach der Primärimplantation ist die Vermutung naheliegend, dass meistens eine Infektion verantwortlich ist und eine Abriebreaktion nur selten schon zu einer Lockerung geführt hat. Diese Vermutung wird durch die vorliegende Studie nur teilweise unterstützt. Im vorliegenden Patientengut gab es 33 Fälle von Prothesenlockerungen im ersten Jahr nach der Primärimplantation. Der Anteil periprothetischer Infektionen an Frühlockerungen (Standzeit bis 12 Monate) war prozentual höher (16 von 33 =49%) als im Gesamtkollektiv (53 von 268 =20%). Allerdings gab es 11 Fälle (33%), bei denen im ersten Jahr nach der Primärimplantation eine periprothetische Membran vom Typ I und sechs Fälle (18%), bei denen ein Typ IV vorlag.

Auch hier ist die histologische Untersuchung der periprothetischen Membran also sinnvoll, weil sie eine Infektion ausschließen kann und im Falle einer Abriebreaktion einen Hinweis auf eine besonders ungünstige Gleitpaarung geben kann.

Infektion und Abrieb

In 13 Fällen (5% des Gesamtkollektivs) wurde ein periprothetische Membran vom Mischtyp diagnostiziert. Bei diesem Membrantyp liegen offenbar sowohl eine periprothetische Infektion als auch ein Abrieb von Prothesenmaterial mit Fremdkörperreaktion vor. Welcher Mechanismus hier letztlich zur Lockerung der Prothese führt, oder ob erst die Kombination aus beiden Vorgängen den Prothesenwechsel notwendig macht, ist unklar. Das Vorliegen einer infektiösen Komponente ist auch hier eine wichtige Information für die Klinik.

Andere Ursachen

In der vorliegenden Studie wurde erstmals die Häufigkeit einer periprothetischen Membran vom Indifferenztyp (Typ IV) beschrieben. Sie betrug in unserem Kollektiv 18%. Das histopathologische Bild zeigte weder die Charakteristika einer abriebinduzierten noch einer infektiösen Lockerung. Bei zementierten Prothesen war ihre Häufigkeit mit 6% deutlich, aber nicht signifikant (p=0,095) geringer als bei zementierten Prothesen (18%). Die mittlere Prothesenstandzeit betrug bei einer Typ-IV-Membran 5,5 Jahre und lag damit zwischen der durchschnittlichen Standzeit bei infektiösen Lockerungen (2,5 Jahre) und abriebinduzierten Lockerungen (12,0 Jahre).

Eine Typ-IV-Membran kann möglicherweise bei einer insuffizient fixierten Prothese auftreten. Wenn die Prothese nicht von Beginn an fest im Knochen eingepasst ist, kommt es zu Mikrobewegungen, wodurch nie eine feste Verbindung zustande kommen kann. Diese Instabilität führt zu kleinen periprothetischen Traumatisierungen mit Frakturen der Knochentrabekel, Quetschungen des Knochenmarks und Entwicklung von Hämatomen [41]. Die Membran vom Indifferenztyp könnte einem Narbengewebe entsprechen, das als Residuum dieser initialen Mikrotraumen verbleibt.

Durch eine physikalisch ungünstige Prothesenimplantation kann es außerdem zu einer unausgewogenen Belastung kommen, bei der im Prothesenlager an umschriebener Stelle Druckspitzen auftreten. Im Tiermodell wurde 2000 erstmals dargelegt, dass allein Druckbelastung zu Osteolysen führen kann, ohne dass Abriebpartikel oder Infektionen eine Rolle spielen [36]. Die Typ-IV-Membran könnte Ausdruck einer solchen fehlbelastungsbedingten Osteolyse sein.

Um eine Typ-IV-Membran zu diagnostizieren, muss genügend periprothetisches Gewebe vorliegen und eingebettet werden. Bei einer zu kleinen, nicht repräsentativen Gewebeprobe besteht die Möglichkeit, dass eine abriebinduzierte oder infektiöse Lockerung vorliegt, deren histopathologisch charakteristische Areale nicht erfasst wurden.

Bedeutung von Nekrosen

Ungeklärt ist, welche diagnostische Wertigkeit der Nachweis von Nekrosen (insbesondere bei Typ I und Typ III) besitzt. Diese könnten als ein Zeichen einer lange bestehenden Insuffizienz des Prothesenlagers mit daraus resultierenden ständig einwirkenden Scherkräften im Sinne von Drucknekrosen angesehen werden. Willert beschreibt Nekrosen auch als Folgezustände der Fremdkörperreaktion. Insbesondere große Fremdkörpergranulome zeigten die Tendenz, zentral nekrotisch zu werden [41]. Daher sollen auch nekrotische Areale polarisationsoptisch auf Abriebpartikel untersucht werden.

Untersuchungsbedingungen

Für die Diagnostik hilfreich ist eine möglichst vollständige Übermittlung der klinischen Daten (Prothesenstandzeit, Prothesengleitpaarung, Zementierung, serologische Entzündungsparameter, mikrobiologische Vorbefunde) vom Orthopäden an den Pathologen. Dieser sollte das eingesandte Gewebe möglichst vollständig einbetten (3–5 Blöcke), um angesichts dessen Heterogenität alle Aspekte zu erfassen. Die Schnittpräparate sollten polarisationsoptisch untersucht werden, um eventuelle Abriebpartikel qualitativ und quantitativ einzuordnen.

Fazit für die Praxis

Die Endoprothesenlockerung stellt die wichtigste Komplikation der Endoprothetik dar und zieht eine aufwändige Revisionsoperation nach sich, in welcher die periprothetische Membran entfernt wird. Anhand definierter morphologischer und polarisationsoptischer Charakteristika werden vier Typen dieser Membran definiert: periprothetische Membran vom abriebinduzierten Typ (Typ I), vom infektiösen Typ (Typ II), vom Mischtyp (Typ III) und vom Indifferenztyp (Typ IV).

Zur Diagnostik ist eine ausreichende Menge an Gewebe unerlässlich. Dessen Entnahmelokalisation (Neokapsel oder periprothetische Membran, Schaft- oder Pfannenbereich) sollte vom Orthopäden eindeutig angegeben werden, weitere Angaben zur Prothese (Standzeit, Gleitpaarung, Zementierung, mikrobiologische Vorbefunde) sollten ebenfalls übermittelt werden. Das Gewebe sollte vom Pathologen möglichst vollständig eingebettet werden. Zur Detektion von Abriebpartikeln eignet sich eine polarisationsoptische Untersuchung (PE, PMMA). Die histopathologische Klassifikation ist gut reproduzierbar (ICC=0,840) und zeigt eine hohe Übereinstimmung mit der mikrobiologischen Diagnostik (89%).