Bei vielen rekonstruktiven Eingriffen am Bandapparat, insbesondere an den Kreuzbändern, steht der Kniechirurg vor der Wahl zwischen autologen und allogenen Sehnentransplantaten (im Folgenden als „Autograft“ bzw. „Allograft“ bezeichnet). Aufgrund dessen müssen präoperativ die Vor- und Nachteile beider Transplantatalternativen gegeneinander abgewogen und mit dem Patienten intensiv besprochen werden. Dies gilt insbesondere in den Fällen, bei denen bereits Voroperationen erfolgt bzw. autologe Transplantate nur noch eingeschränkt vorhanden sind oder Multiligamentrekonstruktionen mehrere Sehnentransplantate erfordern.

Immunologie allogener Transplantate

In Hinblick auf die Verwendung von „Allografts“ werden häufig Bedenken aufgrund der erwarteten Immunantwort geäußert. In der Literatur wurden humorale wie zellvermittelte Immunreaktionen beschrieben [2]. Die Immunogenität von Sehnentransplantaten wird durch Waschen und Einfrieren deutlich verringert, durch Gefriertrocknung kann eine weitere Reduktion der immunogenen Effekte erzielt werden [18]. In-vivo-Untersuchungen konnten jedoch weder einen Effekt der lokalen und systemischen Immunantwort auf das Einheilverhalten noch auf das klinische Ergebnis nachweisen. Bei Betrachtung der vorliegenden Studienlage mit klinisch nicht nachweisbarer Signifikanz der Immunreaktion auf allogene Sehnentransplantate wird der Gewebetypisierung und der postoperativen Gabe von Immunsuppressiva derzeit keine wesentliche Bedeutung zugemessen [19]. Um weitere Aussagen über den Einfluss der Immunreaktion auf die im nächsten Abschnitt beschriebene verzögerte Einheilung von „Allografts“ treffen zu können, bedarf es weiterer Untersuchungen.

Biologische Grundlagen allogener Transplantate

„Allografts“ durchlaufen ebenso wie „Autografts“ einen Remodellingprozess, der die Phasen der Nekrose, der Revaskularisierung, der Fibroblastenproliferation und der Kollagensynthese umfasst. In der Nekrose- und Revaskularisierungsphase tritt sowohl bei „Autografts“ als auch bei „Allografts“ eine Schwächung des Transplantats auf. Nach Abschluss des Remodellingprozesses zeigen jedoch beide Transplantattypen vergleichbare histologische und biomechanische Befunde [23].

Das Einheilungsverhalten von „Allografts“ zur Rekonstruktion des vorderen Kreuzbandes (VKB) wurde von Jackson et al. [13] im Tierversuch und an humanen Biopsien untersucht. Hierbei zeigte sich ein verzögerter Remodellingprozess mit entsprechend verlängerter Entzündungsphase im Vergleich zu autologem Gewebe [13]. In weiteren Untersuchungen wurde 12 Monate postoperativ ein regelrechtes Einheilungsverhalten und Remodelling des „VKB-Allografts“ mit Ausbildung einer synovialen Oberflächenschicht festgestellt [21].

Verfügbarkeit von allogenen Transplantaten

Nordamerika

Die amerikanische Gemeinschaft der Gewebebanken, die sog. „American Association of Tissue Banks“ (AATB), ist für die Beschaffung, Aufbereitung und Distribution von „Allografts“ zuständig. Insgesamt besteht die AATB aktuell aus 86 Gewebebanken; 64 weitere Gewebebanken sind unabhängig tätig. Die strengen Richtlinien der „Food and Drug Administration“ (FDA) und der AATB, die die Auswahlkriterien für Spender und die Testregularien der Spendergewebe festlegen, sowie die strikten Qualitätssicherungsrichtlinien haben zu einer relativ sicheren Bereitstellung von „Allografts“ beigetragen.

In den USA konnte innerhalb der letzten 10 Jahre ein deutlicher Anstieg in der Verwendung von „Allografts“ verzeichnet werden. Dieser Trend ist auf der einen Seite durch gute klinische Ergebnisse und dem damit verbundenen Optimismus von chirurgischer Seite zu erklären. Auf der anderen Seite spielen aber auch die gute Verfügbarkeit und die abnehmenden religiösen und ethischen Bedenken von Seiten der Patienten eine nicht zu unterschätzende Rolle [20]. Die in der Literatur beschriebenen Vorteile beinhalten neben der fehlenden Entnahmemorbidität die Verfügbarkeit von größeren und somit auch besser kalkulierbaren Transplantaten, eine geringere Inzidenz von Arthrofibrosen, eine kürzere Operationsdauer und eine verbesserte Lebensqualität bei klinischen Nachkontrollen [3, 18, 20]. Von der „American Orthopaedic Society for Sports Medicine“ (AOSSM) wurde berechnet, dass in den USA jährlich mehr als 300.000 VKB-Plastiken vorgenommen wurden, bei denen in ca. 20% der Fälle „Allografts“ verwendet wurden [3].

Europa

In Europa ist in den letzten Jahren ebenfalls eine Zunahme an Operationen mit allogenen Transplantaten zu verzeichnen, jedoch ist die Beschaffung deutlich aufwendiger als in den USA. Zudem ist die Kostenübernahme durch die Krankenkasse nur in seltenen Fällen gewährleistet und in einigen Ländern (z. B. Frankreich) sind allogene Sehnenmaterialien überhaupt nicht erhältlich [12].

In Deutschland kann die Bestellung von „Allografts“ über die „Bio Implant Services Foundation“ (BIS-Foundation) in Leiden (Niederlande) erfolgen. Die BIS-Foundation besitzt eine eigene Gewebebank, die unter strengen Richtlinien in Anlehnung an die der amerikanischen AATB geführt wird. Es bestehen jedoch auch enge Kontakte zu amerikanischen Gewebebanken, um bei Lieferproblemen allogenes Spendermaterial aus den USA zu bestellen.

Nach unseren eigenen Erfahrungen sind allogene Tibialis-anterior- und Tibialis-posterior-Sehnen bzw. Achillessehnen und Patellarsehnen kurzfristig erhältlich, im Gegensatz dazu ist die Verfügbarkeit von allogenen Semitendinosussehnen sehr begrenzt. In der Regel werden die Transplantate am Vortag der Operation per Luftpost angeliefert und können nach einem genau vorgegebenen Auftauprozess und anschließender antibiotischer Vorbehandlungsphase implantiert werden.

Aufbereitung und Sicherheit von allogenen Transplantaten

Im Speziellen werden vor der Aufbereitung der „Allografts“ die medizinische Anamnese und der soziale Hintergrund potenzieller Spender genau geprüft. Unter aseptischen Bedingungen werden Gewebeabstriche für Aerobier, Anaerobier und Pilze kultiviert. Das Spenderserum wird u. a. auf Hepatitis-C-Antikörper, Hepatitis-B-Oberflächenantigene, HIV-1- und HIV-2-Antikörper, Syphilis und humane lymphotrophische T-Zellen-Antikörper untersucht. Die Ergebnisse der Kulturen und der Serologie müssen entsprechend den Richtlinien bei allen Untersuchungen negativ sein, bevor das Material für den Gebrauch freigegeben wird [19].

Um die Restgefahr einer Krankheitsübertragung zusätzlich zu minimieren, werden von der Mehrzahl der Gewebebanken sekundäre Sterilisationsmethoden angewendet. Die beiden am häufigsten verwendeten Techniken sind hierbei das Einlegen in eine spezielle Antibiotikalösung und die niedrig dosierte Gammabestrahlung [13]. Durch das Einlegen in eine Antibiotikalösung wird eine bakterizide Wirkung auf der „Allograft-Oberfläche“ erreicht, jedoch stellt die inkomplette Gewebedurchdringung eine wesentliche Limitation dieses Sterilisationsverfahrens dar. Durch Gammabestrahlung können bakterielle Oberflächenkontamination effektiv reduziert werden, eine virotoxische Wirkung wird jedoch erst bei höheren Dosen erzielt. Eine Dosis von 25 kGy stellt hierbei die maximal applizierbare Dosis dar, bevor die biomechanischen Eigenschaften der „Allografts“ signifikant verändert werden [8]. Da die Aufbereitung von „Allografts“ von Gewebebank zu Gewebebank verschieden ist, wird empfohlen, dass sich der Chirurg mit der Sehnenvorbehandlung der von ihm ausgewählten Gewebebank vertraut macht.

Das Risiko für die Übertragung von HIV wird mit 1:400.000, Hepatitis B mit 1:200.000 und Hepatitis C mit 1:150.000 angegeben [6]. In einer Studie des amerikanischen „Center for Disease and Prevention“ (CDC) wurden im Zeitraum von 1995–2004 insgesamt 70 Fälle von „Allograft-assoziierten“ Infektionen gemeldet [14]. Es handelte sich hierbei um 6 Fälle von Hepatitis-C- und 14 Fälle von Clostridiuminfektionen. Eine Übertragung von HIV wurde nicht dokumentiert. Alle dokumentierten Fälle wurden in einer einzigen Gewebebank beobachtet, in der keine der oben genannten Sterilisierungsmaßnahmen durchgeführt wurde. Als Konsequenz wurden daraufhin die Qualitätskontrollen deutlich verschärft.

Allogene Transplantate bei primärer VKB-Rekonstruktion

Transplantatauswahl

Während des Patientengesprächs müssen eine Vielzahl von Faktoren in Betracht gezogen werden, die der Chirurg mit dem Patienten diskutieren sollte. Das Alter und das Aktivitätsniveau des Patienten bilden zusammen mit der Erfahrung des Chirurgen, insbesondere im Umgang mit allogenem Gewebe, und den Wünschen des Patienten wichtige Säulen der Entscheidungsfindung [19]. Bei autologen Transplantaten wird die Entnahmemorbidität [z. B. der postoperative vordere Knieschmerz beim Patellarsehnendritteltransplantat (bone-patella tendon-bone, BPTB)] als wesentlicher Nachteil beschrieben [16].

Bei primären VKB-Rekonstruktionen kommen die Patellar- (Abb. 1, Abb. 2), die Quadrizeps-, die Achilles- und die Tibialis-anterior- bzw. Tibialis-posterior-Sehne als „Allograft“ zum Einsatz. Die Mehrzahl der allogenen Transplantate, die momentan für die VKB-Rekonstruktion verwendet werden, sind sog. „fresh frozen Allografts“. Obwohl die Lagerung von „fresh frozen Allografts“ zum Absterben von Zellen des Spendergewebes führt, ist die Einheilung der „fresh frozen Allografts“ durch das Einwandern von Empfängerzellen gewährleistet [9].

Abb. 1
figure 1

Präparation einer allogenen Patellarsehne

Abb. 2
figure 2

Präpariertes allogenes BPTB-Transplantat vor der Implantation

Klinische Resultate – Vergleich zu autologen Transplantaten

Klinische Resultate nach primärer VKB-Rekonstruktion mit „Allografts“ müssen den Vergleich zu etablierten Verfahren der VKB-Rekonstruktion mit autologer Semitendinous-/Grazilisplastik oder autologer BPTB-Plastik bestehen [4, 5, 11].

In einer retrospektiven Studie wurden „BPTB-Autografts“ mit „BPTB-Allografts“ bei 102 Patienten verglichen. Nach durchschnittlich 4 Jahren konnte klinisch kein signifikanter Unterschied im IKDC-Score festgestellt werden [20]. Auch Poehling et al. [18] fanden in einer prospektiven Studie nach durchschnittlich 5 Jahren keine Unterschiede im IKDC-Score. Jedoch zeigten die Patienten nach VKB-Rekonstruktion mittels allogener Achillessehne während des 1. postoperativen Jahres eine signifikant bessere Funktion und geringere Schmerzen im Vergleich zur „Autograft-Gruppe“ mit BPTB [18].

Zusammenfassend beurteilt stellen „Allografts“ bei primären VKB-Rekonstruktionen eine alternative Therapieoption zu „Autografts“ dar, da sie vergleichbare klinische Ergebnisse sowohl in retrospektiven als auch in prospektiven Studien aufweisen. Die Primärstabilität von „Autografts“ und „Allografts“ ist unter biomechanischen Gesichtspunkten vergleichbar [10], jedoch ist ein verzögertes Einheilungsverhalten der allogenen Sehnen zu berücksichtigen, welches auch im Nachbehandlungsregime berücksichtigt werden sollte.

Allogene Transplantate bei Revisions-VKB-Rekonstruktion

Transplantatauswahl

Die Evaluation der Versagensursache steht an erster Stelle der Planung eines VKB-Revisionseingriffs. Neben traumatischen VKB-Rerupturen bei adäquatem Trauma kann der VKB-Insuffizienz ein operationstechnischer Fehler oder ein biologisches Versagen mit ausbleibendem Einheilen des Transplantats zugrunde liegen. Die Kenntnis des Versagensmechanismus ist für die Transplantatauswahl, die Planung der Bohrkanalanlage und der Transplantatfixation essentiell.

Die Transplantatwahl spielt ebenso eine wichtige Rolle, da in den meisten Fällen das bevorzugte Transplantat ipsilateral bereits verwendet wurde und häufig große Knochendefekte mit weiten Bohrkanälen vorliegen. Die kontralaterale Entnahme von Sehnen stellt eine Option dar, jedoch wird der Eingriff am gesunden kontralateralen Kniegelenk mit potentieller Entnahmemorbidität kritisch beurteilt. Somit weisen „Allografts“ neben den bekannten Vorteilen noch die Möglichkeit der freien Transplantatwahl auf. Bei großen Knochendefekten bzw. weiten Bohrkanälen kann ein allogenes Transplantat mit anhängendem Knochenblock (z. B. „Achillessehnen-Allograft“) entsprechend der ossären Defektgröße passgenau präpariert und press-fit eingebracht werden.

Klinische Resultate – Vergleich zu autologen Transplantaten

In zahlreichen Studien konnten VKB-Revisionseingriffe eine signifikante Verbesserung der Funktion sowie eine Reduktion der präoperativen Symptomatik erzielen. Vorliegende Studien von Uribe et al. [24] sowie Noyes et al. [17] zeigten keine signifikanten Unterschiede in der objektiven Stabilität oder der Funktion zwischen „Autograft-“ und „Allograft-Gruppe“ nach VKB-Revision, allerdings erfolgte keine Randomisierung der Gruppen. Als wesentlicher negativer Prädiktionsfaktor für das postoperative Outcome fand sich der Grad der Knorpelschädigung [24]. Noyes et al. [17] berichteten von 66 Revisionseingriffen mit „BPTB-Allograft“ mit einem durchschnittlichen Follow-up von 42 Monaten, wobei sich in der Nachuntersuchung bei 53% der Patienten gute funktionelle Ergebnisse, bei 21% eine partielle Verbesserung der Funktion und bei 26% nur eine insuffiziente Funktion nachweisen ließ [17].

Die Patienten mit Kreuzbandrevisionen stellen sich meist als sehr inhomogene Gruppe dar, sodass selbst eine bis jetzt noch nicht vorliegende randomisierte Vergleichsstudie zwischen „VKB-Allograft“ und „VKB-Autograft“ schwierig zu bewerten wäre. In den klinischen Studien werden die guten klinischen Resultate primärer VKB-Rekonstruktionen in der Regel nicht erreicht, jedoch wird durch den Revisionseingriff eine signifikante Verbesserung der Funktion erzielt [19].

Allogene Transplantate bei Rekonstruktion des hinteren Kreuzbands

Transplantatauswahl

Ein ideales Transplantat des hinteren Kreuzbands (HKB) vereint nach Höher et al. [12] vergleichbare strukturelle Eigenschaften und Form des nativen HKB mit einfachem Transplantateinzug, optimaler Fixation, schneller Einheilung unter Umgehen einer potentiellen Entnahmemorbidität. Zum Beispiel wird der Streckapparat, der als wichtiger Agonist des HKB wirkt, durch die Entnahme eines autologen BPTB-Transplantats geschwächt. Vor diesem Hintergrund stellt ein allogenes Sehnentransplantat (Achillessehne, Tibialis-anterior-/Tibialis-posterior-Sehne) aufgrund der Transplantatdicke und -länge eine gute Alternative dar [7]. Bei der Verwendung von Hamstring-Sehnen (Semitendinosus und Grazilis) wird ein Vierfachtransplantat bei Einbündel-HKB-Rekonstruktion bzw. jeweils ein Zweifachtransplantat für die Zweibündel-HKB-Rekonstruktion empfohlen [12]. Letztendlich ist die Transplantatwahl neben den oben genannten Punkten stark von der individuell bevorzugten Rekonstruktions- und Fixationstechnik des Chirurgen abhängig.

Klinische Resultate – Vergleich zu autologen Transplantaten

In der Literatur sind unterschiedliche Techniken und einzelne klinische Studien mit „Allograft-Rekonstruktion“ des HKB beschrieben – Vergleichsstudien zwischen „HKB-Allograft“ und „HKB-Autograft“ sind jedoch rar. Ahn et al. [1] haben in einer retrospektiven Studie mit einem Mindest-Follow-up von 2 Jahren das klinische Ergebnis von HKB-Rekonstruktionen mit allogenen Achillessehnentransplantaten zu autologen Vierfach-Hamstring-Transplantaten verglichen. Bei einer Gruppengröße von jeweils 18 Patienten fanden sich keine signifikanter Unterschiede im IKDC-Score und in der Telos-Messung. Der Lysholm-Score zeigte dagegen signifikant höhere Werte (90 vs. 85 Punkte) zu Gunsten der autologen Hamstring-Transplantate.

In einer prospektiven Studie von Wang et al. [25] wurden 32 Patienten der „HKB-Autograft-Gruppe“ entweder mit Quadrizepssehne oder mit Hamstring-Sehnen in Einbündeltechnik operiert. Die Gruppe der „Allografts“ umfasste 23 Patienten mit 16 Achillessehnen- und 7 Tibialis-anterior-Sehnen, die ebenfalls in Einbündeltechnik versorgt wurden. Nach einem mittleren Follow-up von 34 Monaten wurde kein signifikanter Unterschied in den funktionellen Scores (IKDC, Tegner, Lysholm) festgestellt.

Aufgrund der derzeitigen Datenlage bei sehr inhomogener Gruppenzusammensetzung sowie unterschiedlichen Operationstechniken scheint es aktuell nicht möglich, Aussagen über ein potentiell überlegenes Transplantat zu treffen. Jedoch weisen die erwähnten Studien sowie weitere Follow-up-Studien [26] mit „HKB-Allograft-Rekonstruktion“ ohne autologes Vergleichskollektiv auf gute klinische Ergebnisse hin, sodass den „Allografts“ in der Versorgung des HKB in den nächsten Jahren ein zunehmender Stellenwert zukommen wird, insbesondere bei zusätzlicher Rekonstruktion der posterolateralen Ecke mit Sehnentransplantaten.

Allogene Transplantate bei kombinierten VKB-/HKB- und multiligamentären Rekonstruktionen

Transplantatauswahl

Die Kniegelenkluxation stellt eine seltene Entität dar und ist in den meisten Fällen mit einer Ruptur des VKB und HKB sowie weiteren Begleitläsionen der Kollateralbänder, der Menisken, des Knorpels und auch des Gefäß-Nerven-Bündels vergesellschaftet. Im Rahmen dieser komplexen Kniegelenkeingriffe bieten allogene Transplantate durch die Verkürzung der Operationszeit, die freie Verfügbarkeit und die Vermeidung von Entnahmemorbiditäten bei bereits hochgradig traumatisiertem Gelenk unschätzbare Vorteile im Vergleich zu „Autografts“. Die Transplantatwahl für die jeweiligen Rekonstruktionen der ligamentären Strukturen ist vom Operateur und den favorisierten Fixationstechniken abhängig. Rihn u. Harner [19] sowie Fanelli et al. [7] bevorzugen allogene BPTB-Transplantate für die Versorgung des VKB und allogene Achillessehnentransplantate für das HKB. Wir bevorzugen für das HKB und VKB allogene Sehnentransplantate ohne Knochenblock (Tibialis-anterior- bzw. -posterior-Sehnen, Semitendinosussehnen). Zur Versorgung einer kombinierten posterolateralen Instabilität ist die Verwendung von allogenen oder autogenen Semitendinosus- bzw. allogenen Achillessehnen beschrieben [7].

Klinische Resultate

Aufgrund des seltenen Verletzungsmusters und ebenfalls inhomogener Patientengruppen liegen derzeit keine vergleichenden Studien zu unterschiedlichen Transplantatkombinationen vor. Von Rihn u. Harner [19] wurden 33 Patienten mit VKB-/HKB- und posterolateraler Rekonstruktion jeweils mit „Allografts“ durchschnittlich 44 Monate postoperativ untersucht. Im Vergleich zur Studie von Strobel et al. [22], der bei 17 Patienten mit chronischer Instabilität autologe Transplantate (Semitendinosus/Grazilis beidseits) verwendete, zeigte sich nach einem Mindest-Follow-up von 2 Jahren eine ähnliche Verteilung im IKDC-Score. Dagegen ist ein Vergleich der Harner-Studie [19] mit den Ergebnissen von Fanelli et al. [7] äußerst schwierig, da bei Letzterem das Patientengut verschiedene multiligamentäre Verletzungskombinationen sowie unterschiedliche Transplantatkombinationen zur ligamentären Rekonstruktion aufwies.

Die vorliegende Datenlage zeigt insgesamt eine signifikante Verbesserung der Funktion durch die operative Intervention, jedoch ist eine vollständige Wiederherstellung einer physiologischen Kniegelenkkinematik nach diesen komplexen Eingriffen nicht zu erwarten. Im Hinblick auf die Transplantatwahl lassen sich aus der aktuellen Literatur keine klaren Aussagen zum Einfluss der verschiedenen autologen und allogenen Grafts auf das klinische Ergebnis treffen, die Vorteile der allogenen Transplantate liegen jedoch eindeutig auf der Hand.

Schlussfolgerung mit Vor- und Nachteilen von allogenen Transplantaten in der Kreuzbandchirurgie

Bevor ein allogenes Transplantat in der Kreuzbandchirurgie verwendet wird, sollten mit dem Patienten die wesentlichen Vor- und Nachteile (Tab. 1) erörtert und schließlich eine individuelle bzw. patientengerechte Lösung gefunden werden. In den meisten Kliniken spielen „Allografts“ in der primären Kreuzbandchirurgie eine untergeordnete Rolle, deren Gebrauch steigt jedoch bei Revisionseingriffen am VKB und/oder HKB (insbesondere bei multiligamentären Kniegelenkeingriffen) deutlich an [19]. Aufgrund der Vielzahl an bisher verwendeten „Allografts“ in Kombination mit unterschiedlichen Kreuzbandrekonstruktionstechniken und heterogenen Patientengruppen kann bei der derzeitigen Studienlage kein bestimmtes allogenes Transplantat favorisiert werden. Ebenso scheinen die klinischen Ergebnisse, unabhängig ob „Allografts“ oder „Autografts“ verwendet wurden, vergleichbar.

Tab. 1 Vor- und Nachteile von allogenen Transplantaten bei Kreuzband- und anderen ligamentären Rekonstruktionen am Kniegelenk

Fazit für die Praxis

Die Vorteile der „Allografts“ im Vergleich zu „Autografts“ machen Erstgenannte insbesondere bei Kreuzbandrevisionseingriffen und multiligamentären Rekonstruktionen am Kniegelenk zu einer guten Option. Der Chirurg sollte sich jedoch mit den Grundlagen, den Prinzipien der „Allograft-Aufbereitung“, „Allograft-Sterilisation“ und „Allograft-Lagerung“, den gesetzlichen Bestimmungen sowie der Logistik bei Verwendung von „Allografts“ intensiv auseinandersetzen. Hinzuweisen ist auf die Modifikation der postoperativen Rehabilitation bei Verwendung von „Allografts“, da bei geringeren postoperativen Schmerzen aufgrund der fehlenden Entnahmemorbidität, jedoch nachgewiesenem verlangsamten Einheilungsverhalten von „Allografts“, eine erhöhte Gefahr eines Transplantatversagens besteht.