Validierte Analysen der muskuloskeletalen Belastungen könnten in Zukunft nicht nur zu einer Verbreiterung des Grundlagenwissens beitragen, sondern durch Ihre Integration in die klinische Routine auch zur Optimierung der endoprothetischen Versorgung und zur Planung gelenkerhaltender Operationen beitragen.

Die Kenntnis der mechanischen Belastungen der unteren Extremitäten durch Muskel- und Gelenkkräfte spielt für die Entwicklung und präklinische Testung von Implantaten [15, 16, 19, 20] sowie im Rahmen orthopädischer und traumatologischer Eingriffe eine wesentliche Rolle. Korrekturosteotomien bei knöchernen Deformitäten versuchen z. B. die am Gelenk wirkenden Kräfte gezielt zu verändern, um möglichst langfristig die Funktion des Gelenks zu bewahren [29, 35]. Detaillierte, patientenspezifische Informationen über die in vivo wirkenden Kräfte beim Gehen oder Treppensteigen, sowie Angaben wie diese Kräfte durch eine bestimmte Korrektur der knöchernen Anatomie verändert werden, stehen dem Operateur in der klinischen Routine bis heute jedoch nicht zur Verfügung. Die auf das Gelenk oder die Prothese einwirkenden Kräfte und die Art und Weise der Übertragung dieser Belastung auf den Knochen spielen auch für den langfristigen Erfolg des künstlichen Gelenkersatzes (Funktion, Abrieb) eine wesentliche Rolle.

Äußere Belastung vs. innere Kräfte

Die Verwendung computerbasierter Berechnungsverfahren stellt einen etablierten Ansatz für das Verständnis der muskuloskeletalen Interaktionen dar. Um die muskuloskeletalen Belastungen analytisch beschreiben zu können, müssen Bewegung und äußere Belastung des Körpers bekannt sein. Diese Informationen können im Rahmen einer Ganganalyse, in der die Bewegung der unteren Extremitäten sowie die am Fuß angreifende Bodenreaktionskraft erfasst werden, auch für größere Patientenkollektive gewonnen werden [1]. Basierend auf individuellen Bewegungs- und äußeren Belastungsmessungen lassen sich mit Hilfe der inversen Dynamik [6] die Gelenkbelastungen bestimmen. Diese Gelenklasten sind die Summe aller durch Muskeln bewirkten Kräfte und Momente. Mit Hilfe von Optimierungsverfahren lässt sich eine „sinnvolle“ Lösung für die dazu erforderliche Muskelaktivität finden [4, 9]. Eine Validierung dieser mathematischen Analysen anhand von in vivo Messungen ist jedoch zwingend erforderlich, um die Ergebnisse auf Plausibilität zu prüfen [3]. Umfangreiche Messungen der Belastungen an Hüfte, Wirbelsäule und Schulter bei ausgewählten Patientenkollektiven konnten durch die Arbeitsgruppe von Prof. G. Bergmann mit Hilfe telemetrischer Messimplantate durchgeführt werden [2].

Validierte muskuloskeletale Belastungsanalysen

Heller u. Mitarbeiter [14] konnten in einem direkten Vergleich zwischen berechneten und in vivo gemessenen Hüftkontaktkräften ein Verfahren zur Berechnung der inneren Kräfte auf Grundlage individueller anatomischer Modelle sowie der Daten zur Bewegung und der äußeren Belastung umfassend validieren. Im Rahmen der Validierungsstudie unterzogen sich vier mit einer telemetrischen Messprothese versorgte Hüft-TEP-Patienten der Arbeitsgruppe Bergmann einer Ganganalyse. Basierend auf CT-Daten und Röntgenbildern der Patienten wurden individuelle anatomische Modelle erstellt, wobei die jeweilige geometrische Rekonstruktion des Hüftgelenks am Computermodell genau nachvollzogen wurde. Mit Hilfe mathematischer Optimierungsverfahren wurden die während des normalen Gehens und Treppensteigens wirkenden Muskel- und Gelenkkontaktkräfte für das ganze Bein berechnet. Die Maxima der so berechneten Hüftkontaktkräfte unterschieden sich von den in vivo gemessen Werten um durchschnittlich lediglich 12% (Gehen) bzw. 14% (Treppensteigen).

Während in der Vergangenheit basierend auf vereinfachten mathematischen und anatomischen Modellen Hüftkontaktkräfte vom 4-fachen bis zum 10-fachen des Körpergewichtes für das normale Gehen und Treppensteigen berechnet wurden [8, 10, 12, 24], war es hier unter Berücksichtigung der dreidimensionalen Anatomie und Gelenkrekonstruktion möglich, eine sehr realistische Abschätzung der in vivo wirkenden Belastungen zu geben. Neben der guten Übereinstimmung der Kraftamplituden war das Modell auch in der Lage, den individuellen Charakter des zeitlichen Verlaufs in der Gelenkbelastung beim Laufen und Treppensteigen vorherzusagen. Diese Ergebnisse legen nahe, dass dieser Ansatz geeignet ist, die muskuloskeletalen Belastungen patientenindividuell zu berechnen und damit zu einem besseren Verständnis der muskuloskeletalen Belastungen beizutragen.

Können muskuloskeletale Belastungsanalysen klinische Ergebnisse erklären?

Während validierte muskuloskeletale Belastungsanalysen einen wichtigen Beitrag zum grundsätzlichen Verständnis der Interaktion von Knochen und Muskeln liefern können, bieten computergestützte Analyseverfahren auch eine ideale Möglichkeit dieses Grundlagenwissen mittels entsprechender Software auch in der klinischen Praxis verfügbar zu machen. Dazu ist jedoch eine möglichst umfassende Validierung der Vorhersagen muskuloskeletaler Analysen gegen möglichst umfassende, klinische Daten notwendig.

Während der Einfluss femoraler Parameter der Gelenkrekonstruktion wie z. B. die Bedeutung der femoralen Antetorsion und des Offsets auf die muskuloskeletalen Belastungen und die Lastübertragung nach endoprothetischer Versorgung bereits im Detail untersucht wurde [13, 21, 33], steht eine detaillierte Analyse entsprechender Parameter der azetabulären Gelenkrekonstruktion aus. Während der Position der Pfanne eine entscheidende Bedeutung für den langfristigen Erfolg des Gelenkersatzes zugesprochen wird [17], ist eine anatomische Rekonstruktion des Hüftzentrums z. B. bei Dysplasiehüften erschwert. Basierend auf mathematischen Analysen empfahlen Johnston et al. [18] die Pfanne so weit wie möglich medial, kaudal und anterior zu positionieren, um die an der Hüfte wirkenden Kräfte zu minimieren. Klinische Studien zeigen keine einheitlichen Resultate bezüglich der kraniokaudalen Position des Hüftzentrums und dem langfristigen Erfolg des Gelenkersatzes [5, 11, 23, 25, 28, 32].

Das Ziel dieser Studie war es, den Zusammenhang zwischen der Position der Pfanne und den resultierenden muskuloskeletalen Belastungen zu ermitteln und zu überprüfen, inwieweit die an einer kontrollierten Probandengruppe ermittelten biomechanischen Resultate zum Verständnis des klinischen Ergebnisses einer deutlich größeren Anzahl von Patienten beitragen können. Dies wäre Voraussetzung für die Implementierung biomechanischer Parameter in prä- und intraoperative Planungssysteme.

Patienten und Methoden

Biomechanische Analyse

Das validierte und zuvor beschriebene muskuloskeletale Model des menschlichen Beins [13, 14, 34] wurde verwendet, um den Einfluss der Position des Hüftzentrums auf die Hüftkontaktkräfte während des normalen Gehens und Treppensteigens zu untersuchen. Als Grundlage des muskuloskeletalen Modells (Abb. 1) diente der Datensatz der unteren Extremität des Visible-Human-Projektes (NLM, USA) und die durch in vivo Messungen bei Patienten mittels instrumentierten Hüftendoprothesen gewonnen Messwerte der Hüftkontaktkräfte [2, 14]. Zur Gewinnung dieser Daten wurde eine klinische Ganganalyse mit simultaner Messung der Hüftkontaktkräfte im Gehen und Treppensteigen durchgeführt. Ein optisches Messsystem (Vicon, UK), bestehend aus 6 Infrarotkameras, wurde zur Erfassung der Bewegungen der unteren Extremität verwendet. Das komplette muskuloskeletale Modell wurde individuell an die Anatomie der Patienten angepasst, indem zunächst eine Skalierung der Knochen und Muskelansatzpunkte über knöcherne Landmarken erfolgte und dann eine weitere Individualisierung durch Abbildung der spezifischen Gelenkparameter wie dem femoralen Offset, dem CCD-Winkel, der femoralen Antetorsion und der Position der Pfanne durchgeführt wurde. Dann wurden die intersegmentalen resultieren Kräfte, die Muskelkräfte und schließlich die Hüftkontaktkräfte berechnet. Die gemessenen und berechneten Hüftkontaktkräfte zeigten für alle Patienten bei allen Aktivitäten ein hohes Maß an Übereinstimmung mit den in vivo gemessenen Daten.

Abb. 1
figure 1

Dreidimensionale Rekonstruktion der Knochen und Muskeln der unteren Extremitäten auf Grundlage des Visible-Human-Datensatzes. Durch einen Vergleich mit CT-Daten und Röntgenbildern der Patienten wurden auf diesem Modell aufbauend patientenspezifische, individuelle muskuloskeletale Modelle erzeugt [14]. Dabei wurde insbesondere auch die jeweilige Rekonstruktion des Hüftgelenks für jeden Patienten nachvollzogen

In dieser Arbeit wurde das Hüftzentrum – ausgehend von einer anatomischen Rekonstruktion – in eine bis zu 10 mm weiter mediale, laterale, anteriore, posteriore, kaudale oder kraniale Position verschoben. Für die veränderte Lage des Hüftzentrums wurden die Maxima der Kontaktkräfte sowie die mittlere Gelenkbelastung während des gesamten Bewegungszyklus mit den Werten für eine anatomische Rekonstruktion des Hüftzentrums verglichen.

Klinische Studie

In die Studie wurden alle Patienten mit Hüftdysplasie eingeschlossen, die im Zeitraum zwischen 1990 und 1994 mit einem zementfreien Zweymüller-System (Zimmer, Winterthur, Schweiz) in der Klinik für Orthopädie des Centrums für Muskuloskeletale Chirurgie der Charité versorgt wurden [25]. Die örtliche Ethikkommission genehmigte die Studie und alle Patienten stimmten der Teilnahme an der Studie zu. Nach einer mittleren Nachuntersuchungszeit von 9,3 Jahren waren 121 Hüften zur Auswertung verfügbar. Das mittlere Alter der Patienten zum Zeitpunkt der Operation betrug 52,6 Jahre. Für die radiologische Auswertung standen Beckenübersichtsaufnahmen sowie eine Lauenstein-Aufnahme des betroffenen Hüftgelenks zur Verfügung.

Zur Erfassung des klinischen Status wurde der Hüftscore nach Harris erhoben. Die zweidimensionale Penetration des Prothesenkopfs wurde gegenüber der Pfanneneingangsebene gemessen. Der volumetrische Abrieb des Polyethylens wurde nach der Methode von Charnley u. Halley [7] ausgewertet. Die Rekonstruktion eines anatomisch korrekten Hüftzentrums wurde nach der Methode von Ranawat et al. [27] bewertet. Entsprechend dieser Auswertung wurden die Patienten in 4 Gruppen eingeteilt: Gruppe I umfasste die Patienten, für die eine anatomische Rekonstruktion des Hüftzentrums möglich war. Gruppe II enthielt die Patienten, bei denen das Hüftzentrum nach der Implantation kranialisiert wurde. Alle Patienten, für welche das rekonstruierte Hüftzentrum medialisiert war, bildeten die Gruppe III. Gruppe IV umfasste schließlich die Patienten, bei welchen das Hüftzentrum nach der Implantation kaudalisiert war. Die statistische Analyse erfolgte mit SPSS (Version 12) mit dem Median- und dem Mann-Whitney-U-Test (Signifikanzniveau p=0,05).

Ergebnisse

Biomechanische Analyse

Die biomechanische Analyse zeigte, dass der größte Einfluss auf die Belastungen an der Hüfte infolge einer mediolateralen Verschiebung des Hüftzentrums auftrat (Abb. 2). Die mittleren Gelenkkontaktkräfte nahmen bei einer Medialisierung des Hüftzentrums bei beiden untersuchten Aktivitäten ab, wohingegen eine weiter lateral gelegene Position des Hüftzentrums zu erhöhten Kräften führte. Ein nach kranial verschobenes Hüftzentrum führte zu einer leichten Verminderung der Hüftkontaktkräfte (Abb. 2). Eine im Vergleich zur anatomischen Rekonstruktion 10 mm weiter kaudal gelegene Position des Hüftzentrums führte zu einem Anstieg der mittleren Hüftkräfte um 1% beim normalen Gehen bzw. 2% beim Treppensteigen. Dagegen kam es bei einer Verschiebung des Hüftzentrums um 10 mm nach lateral zu einem Anstieg der mittleren Hüftkräfte um 8% beim normalen Gehen bzw. 7% beim Treppensteigen. Eine Verschiebung des Hüftzentrums in anterior-posteriorer Richtung ergab für die untersuchten Verschiebungen Veränderungen, die stets kleiner als 3% ausfielen. Vergleichbare Ergebnisse wurden auch für die maximalen Hüftkontaktkräfte bestimmt. Der größte Anstieg der Hüftkontaktkraft wurde für ein nach lateral verschobenes Hüftzentrum (+14%) verzeichnet.

Abb. 2
figure 2

Einfluss der Verschiebung des Hüftzentrums in a kraniokaudaler oder b mediolateraler Richtung auf die Hüftkontaktkraft für die 4 Patienten der Validierungsstudie [14]. Angegeben ist die Veränderung des Mittelwertes eines Doppelschrittes des normalen Gehens, bezogen auf den Wert für die anatomische Rekonstruktion des Hüftzentrums

Klinische Studie

Die Überlebensrate nach 9,3 Jahren mit radiologischen Zeichen einer aseptischen Lockerung als Endpunkt betrug 97,5% [25]. Der mittlere Hüftscore nach Harris für die 109 nachuntersuchten Hüften verbesserte sich von einem präoperativen Wert von 34,0 Punkten auf 84,1 Punkte zum Nachuntersuchungszeitpunkt. Während bei 61% dieser Patienten (n=66) ein anatomisches Hüftzentrum rekonstruiert werden konnte (Gruppe I), kam es nach dem Gelenkersatz bei 29 Hüften (27%) zu einem kranialisierten Hüftzentrum (Gruppe II). Bei insgesamt 10 Patienten war das Hüftzentrum nach dem Eingriff medialisiert (Gruppe III), während das Hüftzentrum bei 4 Patienten kaudal im Vergleich zu einer anatomischen Position lag (Gruppe IV).

Beim Vergleich des Hüftscores nach Harris beim Nachuntersuchungszeitpunkt ergaben sich keine signifikanten Unterschiede für die verschiedenen Gruppen. Während es keinen signifikanten Unterschied in der linearen Abriebrate zwischen Gruppe I (0,112 mm3/Jahr) und der Gruppe II mit dem weiter kranial liegenden Hüftzentrum (0,099 mm3/Jahr) gab, war der Abrieb für Gruppe III mit dem medialisierten Hüftzentrum (0,077 mm3/Jahr) signifikant geringer als in Gruppe I (p=0,018), für die ein anatomisches Hüftzentrum rekonstruiert werden konnte (Abb. 3).

Abb. 3
figure 3

Lineare Abriebrate (mm3/Jahr) zum mittleren Nachuntersuchungszeitraum von 9,3 Jahren. Es fand sich kein Unterschied in der Abriebrate für die Patienten der Gruppe I, für welche eine anatomisches Hüftzentrum (nach Ranawat [27]) rekonstruiert wurde und die Patienten der Gruppe II, bei denen ein kranialisiertes Hüftzentrum vorlag. Im Vergleich zur anatomisch rekonstruierten Gruppe (I) war jedoch die Abriebrate für die Gruppe mit medialisiertem Hüftzentrum (III) signifikant erniedrigt (p=0,018)

Diskussion

Die Studie hatte zum Ziel, die in einem validierten muskuloskeletalen Modell ermittelten biomechanischen Parameter mit den langfristigen Ergebnissen des Polyethylenabriebs nach endoprothetischem Gelenkersatz zu vergleichen. Die Bedeutung der Positionierung des Azetabulumersatzes wurde dabei evaluiert.

In der Literatur wird diskutiert, dass ein kranialisiertes Hüftzentrum zu ungünstigen Belastungsbedingungen am Hüftgelenk führt [18] und mit einem ungünstigeren langfristigen klinischen Ergebnis verbunden ist [5, 23]. Während in 27% der Fälle das operativ rekonstruierte Hüftzentrum höher als das „anatomisch normale“ lag, hatte dies keinen Einfluss auf das längerfristige Ergebnis. Die guten Ergebnisse dieser Studie stimmen mit den Resultaten anderer Autoren, die ebenfalls gute längerfristige Ergebnisse für Patienten mit einem weiter kranial rekonstruierten Hüftzentrum berichten, überein [11, 28, 32].

Im Rahmen der vorliegenden Studie wurde erstmals ein validiertes Modell der unteren Extremitäten eingesetzt, um den Zusammenhang zwischen der Position des Hüftzentrums und den auf das Gelenk einwirkenden Hüftkontaktkräften zu untersuchen. Die biomechanischen Analysen zeigten, dass bei einer Verschiebung des Hüftzentrums nach kranial keine wesentliche Erhöhung der Belastung der Hüfte auftritt. Dagegen wurde eine wesentlich ausgeprägte Abhängigkeit der Muskel- und Hüftgelenkkontaktkräfte von der mediolateralen Position des Hüftzentrums gefunden. Eine solche Erhöhung der Hüftkontaktkraft führt zu einer Zunahme des Abriebs [30]. Dagegen unterscheid sich die Funktion zwischen den verschiedenen Gruppen der hier untersuchten jungen und eher aktiven Patienten nicht.

Wir konnten in der vorliegenden Arbeit nachweisen, dass ein Zusammenhang zwischen den berechneten Kräften bei unterschiedlicher Positionierung der Pfanne und dem in der klinischen Studie bestimmten Abrieb besteht.

So führte eine Kranialisierung nur zu einer sehr geringen Veränderung der Hüftkontaktkräfte ohne signifikante Zunahme des Abriebs (Abb. 3): Dagegen führt die bei einer Medialisierung ermittelte deutliche Verminderung der Hüftkontaktkräfte zu einem signifikant verringerten Abrieb in der Gruppe der Patienten mit medialisiertem Hüftzentrum (Gruppe III).

Die langfristigen Ergebnisse des totalen Gelenkersatzes der Hüfte sind von einer Vielzahl von Faktoren abhängig [26]. Durch die Rekonstruktion oder eine Medialisierung des Hüftzentrums werden die auf die Pfanne einwirkenden Belastungen und der daraus resultierende Polyethylenabrieb minimiert.

Wird es muskuloskeletale Belastungsanalysen in der klinischen Praxis geben?

Die hier vorgestellten Analysen zeichnen sich dadurch aus, dass erstmals eine direkte Validierung der berechneten Hüftkontaktkraft – und damit des Zielparameters der biomechanischen Analyse – gegen in vivo gemessene Daten für verschiedene Patienten und Aktivitäten erfolgte [13, 14, 34]. Darüber hinausgehende Parameterstudien am Beispiel der Positionierung des Azetabulums bei Implantation einer Endoprothese untermauern das Potenzial des gewählten Verfahrens zur Vorhersage der muskuloskeletalen Belastungen. Der hier vorgestellte Ansatz zeigt, dass muskuloskeletale Belastungsuntersuchungen die Möglichkeit für eine routinemäßige Anwendung biomechanischer Analysen in der klinischen Praxis eröffnen.

Während komplexere Analysen der Lastverteilung zwischen Prothese und Implantat mittels Finite-Elemente-Analysen [21, 33] aufgrund der mathematischen Komplexität und des Rechenaufwands derzeit nicht in der klinischen Routine denkbar sind, können Analysen muskuloskeletaler Belastungen z. B. im Rahmen der präoperativen Planung der Gelenkrekonstruktion (Abb. 4) auch heute schnell und technisch einfach durchgeführt werden [31]. Aktuelle Ergebnisse zeigen, dass sich durch die Kombination von a priori Wissen um die anatomische Variabilität, verfügbar z. B. in sog. statistischen Formmodellen, mit nur einer Röntgenaufnahme (Beckenübersicht) individuelle, dreidimensionale anatomische Modelle des Beckens errechnet werden können, die für eine Abschätzung der Biomechanik des Beckens genügen [22]. Intraoperativ können diese Daten durch Navigationssysteme heute bereits errechnet werden. Dadurch ist es nicht nur möglich, präzise zu navigieren (im Sinne der Positionierung), sondern auch das biomechanische Ergebnis der gewählten Technik darzustellen. In Zukunft wird der routinemäßige Einsatz validierter muskuloskeletaler Belastungsanalysen eine Ergänzung heutiger präoperativer oder intraoperativer Operationsplanungen darstellen.

Abb. 4
figure 4

Durch die Verknüpfung muskuloskeletaler Analysen mit einer digitalen präoperativen Planung steht dem Operateur das Wissen um die wirkenden Belastungen bei der Rekonstruktion der Hüfte zur Verfügung. Im Vergleich zur Hüftkontaktkraft bei der oben gewählten Rekonstruktion (blauer Pfeil in der 3D-Darstellung) ergibt sich für die unten gezeigte Auswahl und Positionierung der Komponenten, insbesondere auch aufgrund der veränderten Position der Pfanne, eine deutlich geringere Hüftkontaktkraft (grüner Pfeil)

Fazit für die Praxis

Eine Rekonstruktion des Hüftzentrums – v. a. in seiner anatomischen mediolateralen Position – kann dazu beitragen, die Kräfte am Hüftgelenk zu minimieren und so zu einer langfristig erfolgreichen Versorgung beitragen.