Zusammenfassung
Unter der Bezeichnung Achillodynie werden Beschwerden im Bereich der Achillessehne verschiedenster Ursachen zusammengefasst. Das Verständnis der funktionellen Anatomie und Pathomechanik der Achillessehne ist Voraussetzung für Diagnose und adäquate Therapie. Differenzialdiagnostisch ist an Paratenonitis, Tendinitis, Tendinose mit Teilruptur, Insertionstendopathie, Bursitis subachillea und retroachillea sowie Haglund-Exostose und Fersensporn zu denken. Die Entstehung wird durch chronische Überlastung bei anatomischer Disposition wie Knick-Senk-Fuß, Bandinstabilität, Hypermobilität, Beinachsenfehlstellung, Vorfuß- oder Hüfterkrankungen begünstigt. Bei Adipositas sind die deformierenden Kräfte auf die Fußstellung und damit die Überbeanspruchung der Achillessehne verstärkt. Der bei Adipösen meist bestehende Bewegungsmangel mit fehlender muskulärer Führung und Dekompensation von Fußfehlstellungen begünstigt zudem die Fehlbelastung. Bei abrupter Belastungszunahme ohne ausreichende Adaptationszeit der Gewebe durch ein ungewohntes Sportprogramm zur Gewichtsreduktion kann eines dieser Krankheitsbilder ausgelöst werden. Die Therapie der Achillodynie ist zumeist konservativ, bei chronischen Verlaufsformen ist die operative Therapie abhängig von den betroffenen Strukturen.
Abstract
Achilles tendinitis and posterior heel pain are caused by a wide variety of disorders. Understanding of the functional anatomy and pathomechanics of the Achilles tendon is essential for diagnosis and adequate therapy. Possible causes for heel pain include paratenonitis, tendinitis, tendinitis with partial rupture, insertional tendinitis, subachilles and retroachilles bursitis, Haglunds deformity and calcaneal spur. These chronic overuse symptoms may be triggered by pes plano valgus, lateral ankle instability, hyperlaxity, malalignement of the lower extremity, forefoot or hip disorders. In obese patients the deforming forces on the rear foot position and thereby overuse of the achillis tendon due to the overweight are increased. Lack of training with loss of muscular compensation or forefoot disorders also favor overuse problems. A sudden increase of load in an attempt of loosing weight by unaccustomed exercise, without giving the tissue adequate time for adaptation may lead to the start of the symptoms. Therapy of Achilles tendinitis is preferably conservative, in chronic cases operative therapy depends on the structures involved.
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Unter der Sammelbezeichnung Achillodynie werden Erkrankungen der Achillessehne, der umgebende Weichteilgewebe und des Knochens geführt: Paratenonitis, Tendinitis, Tendinose mit Teilruptur, Insertionstendopathie, Bursitis subachillea und Bursitis retroachillea, Haglund-Exostose und Fersensporn. Diese Krankheitsbilder können einzeln oder in Kombination auftreten. Betroffen sind vorwiegend übergewichtige, deutlich über 30-jährige Freizeitsportsportler, in der Mehrzahl Männer, wie auch in unserem Krankengut (Tabelle 1). Häufig sind dies Patienten mit vorwiegend sitzender Tätigkeit, ungesundem Ernährungsverhalten und mehr oder weniger regelmäßigem Training.
Als exogene Faktoren können ungeeignete Sportplätze und Untergründe, z. B. Beton, ungeeignetes Schuhwerk und zu abrupte Belastungssteigerungen zum Auftreten dieser Erkrankungen beitragen.
Als intrinsische, pathogenetische Faktoren finden sich in dieser Altersgruppe häufig intratendinöse, degenerative Schäden auf dem Boden von repetitiven Mikrotraumen, Durchblutungsverminderung, Bewegungsmangel oder von Fehlbelastung. Histologisch finden sich an der Achillessehne — v. a. in einem Bereich ca. 2–4 cm proximal des Kalkaneus — kollagene Faserdesorientierung ohne Entzündungszellen, Hypozellularität, rarifizierte Blutgefäße, Nekrosen, Kalzifizierung, Minderperfusion, Gewebehypoxie und defekte Zellernährung.
Biomechanik und Pathophysiologie
Pathologische Veränderungen der Funktion des Fußes als Stoßdämpfer, Standfläche und Abstoßelement führen zu einer Veränderung des physiologischen Abrollvorgangs. Die Achillessehne wird fehlbelastet durch erhöhte Verformbarkeit des Fußes, Insuffizienz der Haltemuskulatur, insbesondere der Peroneal- und Tibialismuskulatur und der Insuffizienz der Bandverbindungen des Sprunggelenks und des Rückfußes. Durch Knochenausziehungen am posterosuperioren Kalkaneus und durch Veränderungen der Fußwölbung mit Längswölbung wie Calcaneus varus, Pes cavus oder excavatus kommt es zur punktförmigen Druckbelastung der Achillessehne am Knochen, insbesondere beim Laufen bergauf oder bergab. Bei der Landung des Rückfußes kommt es zu einer abrupten Valgisation des Rückfußes mit pathologischer Hyperpronation bei Knickfuß oder Varisierung des Rückfußes mit Hypersupination bei fibularer Bandinstabilität. Beim Abstoß führt die Veränderung des Achillessehnen-Kalkaneus-Winkels bei pathologischer Rückfußstellung zur chronischen, lokalen Überbeanspruchung durch asymmetrischen, meist medialseitigen Zug an der Achillessehne.
Durch die erhöhte Gewichtsbelastung bei Adipositas und begleitende Stoffwechselveränderungen wie Hypercholesterinämie und Hyperurikämie wird die Anfälligkeit des Sehnengewebes für Läsionen begünstigt. Gerade beim Adipösen kann bei zu weichem Schuhwerk durch die Gewichtsbelastung eine verstärkte Deformierung der Sohle und damit weitere Verstärkung der Fehlbelastung auftreten. Durch neue, unpassende Schuhe oder zu harte Fersenkappen können knöcherne Reaktionen am Kalkaneus begünstigt werden.
Diagnostik
Der Achillessehnenschmerz kann akut bei Belastung oder schleichend einsetzen. Anlaufschmerz im Bereich des Kalkaneus oder der distalen Achillessehne, später Ruheschmerz sowie zunehmende Belastungsunfähigkeit weisen auf die Achillodynie hin. Bei der Inspektion kann eine spindelförmige Verdickung der Achillessehne oberhalb des Kalkaneus oder Verdickung und Prominenz am dorsalen Kalkaneus ebenso wie Fehlstellungen im Rückfuß und Fußgewölbeveränderungen auffallen. Palpatorisch finden sich eventuell dort Verhärtung, Druckschmerz, Dehnungsschmerz oder Zangenschmerz.
Mit der Sonographie lässt sich die echoarme, spindelförmige Verdickung der Achillessehne eventuell mit lokalen zentralen Veränderungen der Echogenität, bisweilen ein Flüssigkeitssaum im Paratenon nachweisen. Die Sehnenansatzzone ist durch Artefaktbildung sonographisch nicht sicher zu beurteilen. In der Kernspintomographie können ebenfalls spindelförmige Achillessehnenverdickungen mit lokalen Signalveränderungen und vermehrtem Flüssigkeitsnachweis in der T2-Wichtung (Abb. 1), die Teilruptur am Achillessehnenansatz (Abb. 2), die Verdickung der Bursae subachilleae oder retroachilleae sowie Konturveränderungen des dorsalen Kalkaneus mit Exostosen (Abb. 3) oder ein dorsaler Fersensporn (Abb. 4) nachgewiesen werden. Bei chronischen Verläufen kann es auch zu Verkalkungen der Achillessehne kommen (Abb. 5).
Differenzialdiagnose
Differenzialdiagnostisch kommen beim Achillessehnenschmerz in Betracht:
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tendinöse Ursachen wie die Paratenonitis, Tendinitis, Tendinose mit Teilruptur, Insertionstendopathie,
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Veränderungen der Gleitgewebe wie Bursitis subachillea und Bursitis retroachillea,
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ossäre Ursachen wie Kalkaneussporn oder die Haglund-Exostose.
Seltener sind Apophysitis calcanei, die Stressfraktur oder ein pathologischer Proc. posterior calcanei. Jede dieser Erkrankungen kann einzeln oder in Kombination auftreten. Seltener können umgebende Strukturen wie ein Os Trigonum, eine talokalkaneale Instabilität, Vorfußerkrankungen wie Hallux rigidus oder Sesamoiditis, Hüftrotationseinschränkungen oder Knieerkrankungen zur Fehlbelastung führen. Dagegen sind mit Adipositas vergesellschaftete Stoffwechselerkrankungen wie Hyperurikämie, Hypercholesterinämie oder Xanthomatose häufig mitverantwortlich für degenerative Prozesse der Achillessehne. Eine Rarität ist die Epithelzyste als Ursache der Achillodynie.
Therapie
Therapeutisch stehen in der akuten Phase Sportpause, bzw. Trainingsänderung auf reduzierte Achillessehnenbelastung mit Wegnahme des Körpereigengewichts, z. B. durch Radfahren oder Schwimmen, lokale oder systemische Antiphlogistika, Kryo- und Elektrotherapie im Vordergrund. Im postakuten Stadium können physiotherapeutische Maßnahmen wie Stretching, Muskeldetonisierung, Massagen oder Ultraschall eingesetzt werden.
Gleichzeitig muss jedoch die Überprüfung des Schuhwerks erfolgen, gegebenenfalls zu weiches Schuhwerk eliminiert, bzw. orthopädische Schuhzurichtungen entsprechend der Fehlstellungen und unterstützende Einlagen verordnet werden. Insbesondere ist die Normalisierung des Abrollvorgangs, optisch oder per videogestützter Bewegungsanalyse anzustreben. Mit Infiltrationen der Achillessehne sollte sehr zurückhaltend umgegangen werden, gegen eine Infiltration der Bursae oder des Paratenons ist nichts einzuwenden.
Beim Adipösen sollte natürlich eine deutliche Gewichtsreduktion mit Wechsel auf Sportarten mit geringere Achillessehnenbelastung angestrebt werden.
Operative Therapie
Bei hartnäckig, therapieresistenten Fällen ist die Operation die letzte Option. Abhängig von den betroffenen Strukturen kommt bei der Achillodynie die operative Lösung von Adhäsionen, Ausschneidung von Nekrosen der Achillessehne, Längsdurchtrennung, Teilnaht oder Naht der Achillessehne, ggf. Verstärkung oder Augmentation mit autologem Sehnenmaterial zur Anwendung (Abb. 6). Bei Vorliegen einer Haglund-Exostose wird diese einschließlich der Bursa subachillea abgetragen (Abb. 7).
Heilverläufe bis zu einem Jahr sind aufgrund der bradytrophen Gewebesituation bis zur vollen Ausheilung keine Seltenheit.
Diskussion
Die Achillodynie ist eine typische Erkrankung des wohlgenährten, mittelalten Menschen. Freizeit oder Gelegenheitssportler sind besonders betroffen. Das Übergewicht ist als verstärkender Faktor mit stoffwechselbedingten Gewebeveränderungen und anlagebedingten orthopädischen Fußfehlstellungen zu sehen. Durch prophylaktische und konservative Maßnahmen ist die Operation meist vermeidbar [1, 3, 4].
Die Ergebnisse der beschriebenen operativen Eingriffe sind bei unvermeidlicher, langer Rehabilitationszeit gut [3, 5]. Davon abzugrenzen ist die in der Literatur [1, 2, 3, 4] beschriebene Achillodynie des Leistungssportlers der Lauf- und Sprungsportarten mit oft hartnäckigen, karrierebedrohenden Verläufen.
Fazit für die Praxis
Die Achillodynie auf dem Boden einer Adipositas ist eine vermeidbare, jedoch meist gut therapierbare Zivilisationserkrankung. Die Therapie erfolgt zumeist konservativ mit antiphlogistischen, physikalischen und belastungsreduzierenden Maßnahmen. Ergänzend sollte eine Gewichtsreduktion ohne Laufbelastung und eine Versorgung mit orthopädischen Schuhzurichtungen erfolgen. Bei chronischen Verlaufsformen ist die operative Therapie abhängig von den betroffenen Strukturen mit Nekrosenausschneidung der Achillessehne, Achillessehnenteilrekonstruktion, Bursektomie, Paratenektomie oder Haglund-Exostosenabtragung angezeigt.
Literatur
Lohrer H (1996) Die Achillodynie — Eine Übersicht. Sportorthop Sporttraumatol 12: 36–42
Schepsis AA, Jones H, Hass AL (2002) Achilles tendon disorders in athletes. Am J Sports Med 30: 287–305
Schuchardt E (1989) Die operative Behandlung der Achillodynie. Operat Orthop Traumatol 1: 200–205
Segesser B, Nigg BM (1980) Insertionstendopathien am Schienbein, Achillodynie und Überlastungsfolgen am Fuß — Ätiologie, Biomechanik, therapeutische Möglichkeiten. Orthopäde 9: 207–214
Yodlowski ML, Scheller AD, Minos L (2002) Surgical Treatment of achilles tendinitis by decompression of the retrocalcaneal bursa and the superior calcaneal tuberosity. Am J Sports Med Vol 30: 318–321
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Geyer, M. Achillodynie. Orthopäde 34, 677–681 (2005). https://doi.org/10.1007/s00132-005-0816-7
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DOI: https://doi.org/10.1007/s00132-005-0816-7