Postoperative Wundinfektionen sind eine zwar seltene aber fatale Komplikation nach aseptischen orthopädisch-chirurgischen Eingriffen mit z. T. erheblichen gesundheitlichen Folgen für den Patienten. Häufig sind nachfolgend eine Entfernung der zuvor eingebrachten Fremdmaterialien, ein radikales Weichteil- und Knochendebridement und lang andauernde antibiotische Behandlungsregime für eine Infektsanierung notwendig.

Die Frage nach dem objektiven Nutzen einer perioperativen antibiotischen Prophylaxe bei aseptischen orthopädischen Eingriffen ist nicht immer eindeutig und allgemeingültig nach objektivierbaren Kriterien abschließend zu beurteilen, zumal in vielen Bereichen evidenzbasierte Daten und aussagekräftige Studien fehlen [40].

Erste Studien aus den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts vermochten einen Nutzen der routinemäßigen perioperativen Antibiotikaprophylaxe nicht zu belegen [32, 37]. Die Aussagekraft dieser Arbeiten ist aber, bedingt durch ein unzureichendes Studiendesign und die mangelnde Eignung der eingesetzten Substanzen, deutlich gemindert. Spätere Evaluationsansätze konnten hingegen für bestimmte Indikationen einen klaren Nutzen der perioperativen Antibiotikaprophylaxe bei aseptischen orthopädischen Eingriffen belegen [2, 4, 5, 13, 21, 22, 34, 36, 39].

Für weite Bereiche ist die Studienlage aber eher dürftig. Es verwundert daher kaum, dass Indikationen, Art, Dauer und Ausmaß der perioperativen Prophylaxe bei aseptischen operativen orthopädischen Eingriffen in der Literatur kontrovers diskutiert werden. Man möge sich zudem in Erinnerung rufen, dass die Inzidenz postoperativer Wundinfektionen bei aseptischen Eingriffen auch ohne Antibiotikaprophylaxe lediglich 1,5% und weniger beträgt [8]. Dennoch führen zahlreiche orthopädische Zentren gerade bei Eingriffen des endoprothetischen Gelenkersatzes eine unterschiedlich lange perioperative Antibiotikaprophylaxe durch. Dies geschieht mit dem Ziel, Protheseninfektionen zu verhindern, wohl wissend, dass gerade Staphylococcus aureus, besonders aber koagulasenegative Staphylokokken eine ausgesprochene Affinität zu Kunstoffoberflächen und den in der Endoprothetik eingesetzten Implantatmaterialien haben [41].

Die vorliegende Arbeit möchte eine Standortbestimmung vornehmen und anhand der verfügbaren Evidenz aufzeigen, für welche perioperative Antibiotikaprophylaxe bei welchem operativen Eingriff ein objektivierbarer Nutzen besteht und wo bislang eindeutige Belege für die Sinnhaftigkeit derselben fehlen. Im Einzelnen soll die Datenlage für aseptische orthopädische Eingriffe ohne Einlage von Fremdmaterial, für solche mit Einsatz von Fremdmaterial, für die Operation der Schenkelhalsfraktur, und für den totalendoprothetischen Gelenkersatz dargestellt und diskutiert werden. Per definitionem fallen orthopädische Interventionen wie der operative Gelenkersatz ohne Eröffnung von Körperhöhlen, die mit Mikroorganismen besiedelt sind, unter die Kategorie „aseptisch“ [28].

Nicht eingegangen wird auf die Vorgehensweise bei offenen Frakturen und bei der Versorgung primärer oder sekundärer septischer Komplikationen, deren empirische peri- und postoperative antibiotische Abdeckung keine prophylaktische sondern bereits eine therapeutische Maßnahme darstellt.

Reservoir und Keimspektrum bei postoperativen Infektionen nach orthopädischen Eingriffen

In der Regel handelt es sich bei postoperativen Infektionen in der Orthopädie um endogene Infektionen durch Verschleppung von Erreger der körpereigenen Hautflora, durch Mikroorganismen aus der Luft oder exogenen Infektionen bedingt durch Mikroorganismen aus der Luft bzw. durch Folgen von unsterilem Verhalten von Seiten des Operationsteams. Damit handelt es sich entsprechend den Kriterien und Definitionen des CDC und des Nationalen Referenzzentrums für Krankenhaushygiene eindeutig um nosokomiale Infektionen [29]. Sehr viel seltener kann es nach endoprothetischen Eingriffen auch endogen durch intraoperative oder postoperative hämatogene Keimverschleppung zu postoperativen Infektionen kommen.

Das Erregerspektrum postoperativer Infektionen in der Orthopädie umfasst im Wesentlichen Mikroorganismen der Hautflora. Grampositive Erreger v. a. Staphylokokken und Streptokokken bilden mit ca. 50–70% die größte Gruppe, gramnegative Erreger wie Enterobakterien und Pseudomonaden folgen mit 15–20%. Anaerobier und Pilze spielen eine nur untergeordnete Rolle [16, 40]. Die meisten Infekte sind Monoinfektionen (ca. 96%) durch einen Erreger, Mischinfekte kommen vor, sind aber sehr selten. Tabelle 1 gibt einen Überblick über die häufigsten Erreger postoperativer Infektionen nach endoprothetischem Gelenkersatz.

Tabelle 1 Erregerhäufigkeit bei postoperativen Infektionen nach endoprothetischem Gelenkersatz. (Mod. nach [16, 40])

Evidenzgrade und ihre Gewichtung für therapeutische Empfehlungen

Entsprechend einhelliger Expertenmeinung sollten sich Empfehlungen zu medizinischen Fragen von klinischer und therapeutischer Relevanz, wenn immer möglich, an evidenzbasierten wissenschaftlichen medizinischen Erkenntnissen orientieren. Die in der vorliegenden Übersichtsarbeit benutzte Einteilung in Evidenzgrade erfolgt in enger Anlehnung an die Empfehlungen der ASHP [11] und ist in Tabelle 2 zusammengefasst.

Tabelle 2 Grundlage der Einteilung der Evidenzgrade für die Empfehlungen in der vorliegenden Übersicht

Aseptische unkomplizierte orthopädische Eingriffe ohne Implantation von Fremdmaterialien

Unter diese Kategorie fallen unkomplizierte Eingriffe an großen und kleinen peripheren Gelenken ohne Einbringen von Fremdmaterial, etwa Sehnenfachspaltungen, Neurolysen und Arthroskopien. Die Datenlage in diesem Bereich ist nach wie vor unklar. Insbesondere fehlen Studien zum Vorgehen beim diabetischen Fuß und zum möglichen Nutzen einer perioperativen Antibiotikaprophylaxe für solche Eingriffe bei Kindern [1].

In einer bereits in den 70er Jahren an 1500 Patienten mit aseptischen orthopädischen Eingriffen ohne eingebrachtes Fremdmaterial prospektiv durchgeführten randomisierten Doppelblindstudie fanden sich in der Patientengruppe mit antibiotischer Prophylaxe (Cephaloridine) signifikant weniger Infektionen (14 Patienten) als in der Kontrollgruppe (33 Patienten), dafür aber eine höhere Nebenwirkungsrate (5% vs. 2,8%), [2]. Zu bedenken gilt es aber, dass die postoperative Rate an Wundinfektionen unter Optimalbedingungen ohne jede Antibiotikaprophylaxe nur ca. 1,5% beträgt [8]. Dies schränkt die Aussagekraft der oben genannten Studie ein, zumal die Folgen einer Infektion nach kleinen unkomplizierten Eingriffen eher gering sind, sofern bei Diagnosestellung sofort adäquat therapiert wird.

Ein wesentlicher Kofaktor für postoperative Komplikationen könnte auch die Dauer des Eingriffs sein. Einige Autoren konnten zeigen, dass längere Operationszeiten mit einem höheren Infektionsrisiko assoziiert waren [20]. Die Ergebnisse sind aber diesbezüglich nicht einheitlich [1]. Auch Versuche Risikofaktoren wie Alter, oder die Art der Erkrankung eindeutig mit der Infektionsrate bei dieser Art von Eingriffen zu korrelieren und so die Notwendigkeit einer Prophylaxe zu begründen ergaben keine eindeutigen Erkenntnisse [1].

Angesichts per se niedriger Morbidität und niedriger Infektionsrate bei unkomplizierten orthopädischen Operationen ohne Einlage von Fremdmaterial rechtfertigt der momentane Erkenntnisstand daher keine Empfehlung hin zur generellen perioperativen Antibiotikaprophylaxe in dieser Kategorie, zumal eine breite unkritische Anwendung von Antibiotika mit der Möglichkeit von Nebenwirkungen und einer möglichen Resistenzentwicklung behaftet ist. Ausnahmeindikationen können länger (>2 h) dauernde, komplexe aseptische Eingriffe sein.

Resumee

Keine Empfehlung für eine generelle antibiotische Prophylaxe bei unkomplizierten aseptischen Eingriffen in der Orthopädie: Evidenzgrad C.

Aseptische orthopädische Eingriffe mit Implantation von Fremdmaterialien

Infektionen nach aseptisch-rekonstruktiven orthopädischen Eingriffen unter Zuhilfenahme von Osteosynthesematerial (Versorgung geschlossener Frakturen, Bandplastiken, Umstellungsosteotomien) können eine erhebliche Morbidität mit langer Hospitalisierung, Sepsis, Schmerzen, der Notwendigkeit von Revisionsoperationen einschließlich Fremdmaterialentfernung nach sich ziehen [2, 14]. Eine randomisierte Doppelblindstudie untersuchte zu dieser Fragestellung 122 Patienten nach operativer Versorgung geschlossener distaler Unterschenkelfrakturen und fand keinen Unterschied zwischen der Placebogruppe und den prophylaktisch mit 1 g Cephalotin/6 h über 4 Dosisintervalle versorgten Patienten [32]. Die Aussagekraft der Studie wird aber durch die kleine Gruppengröße erheblich gemindert.

Insgesamt fehlen gute evidenzbasierte Daten, die den Nutzen einer perioperativen Prophylaxe in dieser Indikationsgruppe objektiv begründen. Eine Kosten-Nutzen-Analyse bezüglich einer Antibiotikaprophylaxe bei verschiedenen orthopädischen Eingriffen ist bislang ebenfalls nicht umfassend verfügbar. Für die Pädiatrie fehlen solche Studien überhaupt.

Im Vergleich zu der oben diskutierten Gruppe der aseptischen unkomplizierten Operationen ohne Implantation von Fremdmaterialien sind potentielle Folgen infektiöser Komplikationen nach aseptischen orthopädischen Eingriffen mit Einbringen von Fremdmaterial in der Regel gravierender und die Folgekosten viel höher. Daher ist unserer Meinung nach und auch aus Sicht vieler Experten [1] eine perioperative Antibiotikaprophylaxe für aseptische orthopädische Eingriffe mit Implantation von Fremdmaterialien gerechtfertigt, auch wenn die Infektionsrate insgesamt niedrig liegt.

Vergleichende Studien zur Effizienz der verschiedenen antibiotischen Substanzgruppen fehlen weitgehend. Am besten untersucht sind Cephalosporine der 1. Generation insbesondere das Cefazolin [1]. Diese Wirkstoffgruppe (Tabelle 3) wird als besonders geeignet angesehen, da ihr Aktivitätsspektrum die relevanten grampositiven Erreger (Staphylokokken, Streptokokken) aber auch häufige gramnegative Erreger (z. B. Esccherichia coli etc.) abdeckt. Sie sind gut verträglich, einfach in der Applikation und kostengünstig. Die Penetration in Haut und Knochen ist gut (s. Tabelle 3), [9].

Tabelle 3 Pharmakokinetische Profile häufiger in der perioperativen Antibiotikaprophylaxe eingesetzter Substanzen nach i.v.-Gabe [9, 38, 43]

Die Verwendung von Cephalosporinen der 2. und 3. Generation bringt demgegenüber keinen durch objektive Erkenntnisse gestützten Vorteil. Sie ist im Gegenteil teurer und verstärkt den Selektionsdruck hin zu resistenten gramnegativen Bakterien. Die Verwendung von Glykopeptiden (Vancomycin, Teicoplanin) und Oxazolidinone (Linezolid) für die perioperative Prophylaxe in der Orthopädie ist nicht ausreichend untersucht.

Der Einsatz von Glykopeptiden sollte einer strengen Indikationsstellung unterliegen und strikt auf den Einsatz bei Patienten mit β-Lactam-Allergie oder auf Eingriffe bzw. Institutionen mit hohem Risiko für Infektionen mit Methicillin-resistenten Staphylococcus aureus oder Staphylococcus epidermidis (MRSA, MRSE) begrenzt bleiben [6, 26, 27]. Grund der strengen Indikationsstellung für den Einsatz von Glykopeptiden ist, einer Resistenzentwicklung und Selektion hochresistenter grampositiver Erreger keinen Vorschub zu leisten. Zur Dauer der perioperativen Prophylaxe liegen verschiedene Studien vor [19, 35]. Es fand sich keine Evidenz für einen größeren Benefit einer über 24 h hinausgehenden perioperativen Antibiotikaprophylaxe bei orthopädischen Eingriffen dieser Kategorie.

Resumee

Empfehlung für eine generelle antibiotische Prophylaxe mit Cephalosporinen der 1. Generation (üblicherweise als „single shot“) bei unkomplizierten aseptischen Eingriffen mit Implantation von Fremdmaterialien in der Orthopädie: Evidenzgrad C.

Operative Versorgung von Schenkelhalsfrakturen

Die verfügbare Datenlage spricht für einen objektiven Nutzen einer perioperativen Antibiotikaprophylaxe bei operativer Versorgung von Schenkelhalsfrakturen. Die Effektivität einer solchen Prophylaxe wurde in drei guten randomisierten placebokontrollierten Doppelblindstudien untersucht [2, 3, 4]. In 2 dieser Studien fanden sich signifikante Unterschiede zwischen den Patientengruppen mit Prophylaxe und solchen mit Plazebotherapie. Unter einer Prophylaxe mit Nafcillin 0,5 g intramuskulär alle 6 h für 2 Tage traten Infektionen bei lediglich 1 von 135 Patienten auf, während es im Vergleich bei 7 von 145 Patienten der Placebogruppe zu einer Infektion kam [2]. Die Nachbeobachtungszeit der an der Hüfte osteosynthetisch versorgten Patienten betrug 1 Jahr.

Der Nutzen einer entsprechenden perioperativen Antibiotikagabe wird auch durch die Untersuchungen von Burnett et al. [4] bei 307 Patienten mit Schenkelhalsfraktur gestützt: In der Gruppe mit Cephalotin-Prophylaxe (1 g i.v. alle 4 h über einen Zeitraum von insgesamt 72 h) fand sich eine Wundinfektionsrate von lediglich 0,7% vs. 4,75% bei Patienten mit Placebo.

Eine weitere kleinere Studie unter Einschluss von 127 Patienten fand gleichfalls signifikant niedrigere Wundinfektionsraten bei Patienten mit perioperativer Antibiotikaprophylaxe [39]. Einzig die Untersuchungen von Ericson et al. [13], die die prophylaktische Gabe von einmal Cefazolin bzw. 4-mal Cefazolin gegen Placebo bei 352 Patienten mit operativ versorgter Schenkelhalsfraktur in einer randomisierten Doppelblindstudie analysierten, konnte keinen signifikanten Unterschied aufzeigen.

Auch wenn die Infektionsrate nach operativer Versorgung einer Schenkelhalsfraktur insgesamt als niedrig (<5%) einzuschätzen ist [2, 4], so sind die Folgen einer infektiösen Komplikation für den Patienten und das Behandlungsergebnis fatal. Nach den hier analysierten Studien besteht zudem Evidenz für die medizinische Sinnhaftigkeit und den Nutzen einer perioperativen Prophylaxe für diese Indikation zumal die meisten der Patienten älter sind, unter Vorerkrankungen leiden und die Eingriffe z. T. länger dauern. Für die Dauer der perioperativen Antibiotikaprophylaxe gilt das bereits oben Ausgeführte: Es besteht keine Evidenz für eine über einen längeren Zeitraum (>24 h) fortgeführte Prophylaxe. Antibiotika der Wahl sind Cephalosporine der 1. Generation. Glykopeptide bleiben für besondere Indikationen (hohes MRSA, MRSE Risiko, β-Lactam-Allergie) reserviert [6, 26, 27]. Wegen der sehr guten Knochengängigkeit und geringeren Toxizität ist in diesen Fällen Teicoplanin gegenüber Vancomycin der Vorzug zu geben [27].

Resumee

Empfehlung für eine generelle antibiotische Prophylaxe mit Cephalosporinen der 1. Generation bei aseptischer operativer Versorgung von Schenkelhalsfrakturen in der Orthopädie: Evidenzgrad A.

Totalendoprothetischer Gelenkersatz

Gelenkersatzoperationen, insbesondere die an der Hüfte, zählen zu den häufigsten orthopädischen Eingriffen überhaupt. Weltweit wird die Zahl totalendoprothetisch versorgter Hüft- und Kniegelenke auf 2.000.000/Jahr geschätzt. In Deutschland darf von jährlich 200.000 Hüft-, 70.000 Knie- und 30.000 anderen peripheren Gelenkersatzoperationen ausgegangen werden. Diese Absolutzahlen für das Bundesgebiet sind eine Schätzung, deren Richtigkeit derzeit weder von der Bundesgeschäftsstelle für Qualitätssicherung gGmbH noch der Datenzentrale des Deutschen Endoprothesenregister bestätigt werden kann. Die Infektionsrate nach endoprothetischen Operationen an Knie, Hüfte, Ellenbogen und Schulter liegt zumeist niedrig und wird in der Literatur je nach Untersuchung mit 0,6–11,0% angegeben [14].

Entsprechend der Einteilung nach Coventry [7] werden postoperative Infektionen nach totalendoprothetischem Gelenkersatz entsprechend der zeitlichen Latenz des Auftretens eingeteilt:

  • frühe Infektionen innerhalb der ersten 3 Monate nach der Operation,

  • Infektionen zwischen 3 Monate und 2 Jahre nach dem Eingriff und

  • späte Infektionen ab dem 2. Jahr nach der Operation.

Eine ausreichende Nachbeobachtungszeit ist für die Aussagekraft entsprechender Studien daher extrem wichtig. Zu bedenken gilt es zudem, dass 90% der Gesamtkosten einer totalendoprothetischen Gelenkversorgung durch den begleitenden Krankenhausaufenthalt entstehen. Wie europäische Untersuchungen eindeutig zeigen können sind postoperative Gelenk- und Protheseninfektionen nicht nur für den Patienten schicksalshaft, sondern verursachen durch Reoperationen einschließlich Prothesenentfernung, Arbeitsunfähigkeit und langandauernden Krankenhausaufenthalt mit antibiotischer Therapie immense Folgekosten [12]. Durch die Einführung einer perioperativen Antibiotikaprophylaxe und hochreiner Operationsräume ließ sich die Rate an postoperativen Infektionen nach totalendoprothetischem Gelenkersatz in entsprechenden Zentren generell auf <1% drücken [14, 21, 23]. Dabei spielen beide Faktoren eine potentiell gewichtige Rolle und müssen getrennt betrachtet werden.

Nutzen und Sinnhaftigkeit einer perioperativen Antibiotikaprophylaxe in der Gelenkersatzchirurgie war Gegenstand einer ganzen Reihe von Studien [5, 21, 22, 36, 39]. Eine randomisierte, placebokontrollierte Doppelblindstudie bei 2097 Patienten mit 2137 totalendoprothetischen Hüftgelenksoperationen hatte die Evaluation der infektionsprophylaktischen Wirkung von Cefazolin 1 g i.v. zum Ziel [21]. Die Antibiotikagabe erfolgte präoperativ und dann alle 6 h für insgesamt 5 Tage. Nach Abschluss der 2-jährigen Nachbeobachtungszeit lag die Infektionsrate in der Placebogruppe signifikant höher als bei den Patienten mit Cephazolin-Prophylaxe (3,3% vs. 0,9% Infekte). Bei der Betrachtung von Patientensubgruppen wurde aber auch offensichtlich, dass dieser Vorteil nur für Patienten bestand, die nicht in einem hochreinen Operationssaal mit spezieller Reinraumluftvorichtung (laminar airflow) versorgt worden waren (Placebo 1,3% vs. Cefazolin 0,8%: nichtsignifikant unter Reinraumluftbedingungen), [21].

Andere Autoren [17] äußern sich daher zurückhaltend bezüglich einer routinemäßigen Antibiotikaprophylaxe bei Hüftgelenktotalendoprothesen oder anderen aseptischen Operationen am körpernahen Oberschenkel. In Kenntnis der per se niedrigen Infektionsraten unter optimalen Operationsbedingungen wird den Verfechtern der generellen Antibiotikaprophylaxe vorgeworfen, dass ihre postoperative Komplikationsrate unverhältnismäßig hoch sei und die Notwendigkeit der Prophylaxe lediglich als eine unzureichende Antwort auf schlechte Hygienestandards zu werten ist.

Insgesamt besteht ein Mangel an aussagekräftigen Studien zu diesem Thema, zumal aus statistischen Gründen ca. 1600 Patienten einbezogen werden müssen, um eine Absenkung der Infektionsrate von 5 auf 2,5% signifikant belegen zu können [24].

Der Einfluss hochreiner Operationsräume auf die postoperative Infektionsrate nach Gelenkersatz ist von immenser Bedeutung und ließ sich in einer Studie unter Einbeziehung von 8000 Knie- und Hüftoperationen eindeutig belegen [22]. Eingriffe unter herkömmlichen Operationsbedingungen waren mit einer erheblich höheren postoperativen Infektionsrate belastet als solche unter extremen Reinraumbedingungen (1,5% vs. 0,6% Infektionen, statistisch signifikant).

Hinsichtlich der Wahl des richtigen Antibiotikums zeigen sich keine objektivierbaren Vorteile von Cephalosporinen der 2. Generation wie Cefuroxim gegenüber Cephalosporinen der 1. Generation wie Cefazolin. Eine randomisierte placebokontrollierte Doppelblindstudie [25] an 1354 Patienten mit Knie- oder Hüftgelenksersatz konnte keine Überlegenheit von Cefuroxime 1,5 g 30 min präoperativ, gefolgt von insgesamt 3 Applikationen von je 750 mg alle 8 h gegenüber der Verabreichung von Cefazolin 1 g 30 min präoperativ gefolgt von 9 Applikationen von je 1 g alle 8 h zeigen (3% vs. 3% Infektionen). Ähnlich fiel der Vergleich von Cefazolin und Cefonicid bei 102 Patienten mit Hüftgelenkersatz aus [23].

Auch die genaue Dauer der perioperativen Antibiotikaprophylaxe ist umstritten. Es liegen hierzu Studien vor, die für den Hüftgelenkersatz Zeiträume von 12 h bis zu 14 Tagen untersucht haben [2, 4, 5, 13, 21, 22, 30, 36, 39]. Diese belegen zwar z.T. eindeutig den Nutzen einer perioperativen Prophylaxe [5, 21]. Es ergeben sich aber keine überzeugenden Daten, die eine über 24 h hinaus durchgeführte Antibiotikagabe sinnvoll erscheinen lassen [1].

Generell besteht Einigkeit über den Beginn einer Prophylaxe möglichst 10–30 min vor dem Hautschnitt bzw. vor der Blutsperre bei Kniegelenkendoprothesen [1, 31], um optimale Antibiotikakonzentrationen im Operationsgebiet zu erreichen. Die Dauer der perioperativen Prophylaxe bleibt aber umstritten [1]. In jedem Falle sollte bei komplizierten Eingriffen aus pharmakokinetischen Erwägungen aber eine 2. Dosis intraoperativ gegeben werden sofern die Operationsdauer 3 h überschreitet.

Sowohl Cephalosporine der 1. wie 2. Generation sind aufgrund ihres Wirkungsspektrums unter Einbeziehung der häufigsten Erreger (Staphylococcus aureus etc.) für die perioperative Antibiotikaprophylaxe bei totalendoprothetischem Gelenkersatz geeignet. Substanzen wie Cefuroxim sind den Cephalosporinen der 1. Generation wie z. B. Cefazolin aber objektiv nicht überlegen. Auch die pharmakokinetischen Eigenschaften sind gleichwertig (s. Tabelle 3).

Glykopeptide sind auch in dieser Kategorie primär besonderen Indikationen (hohes MRSA, MRSE Risiko, β-Lactam-Allergie) vorbehalten [1, 6]. Bei β-Lactam-Allergie oder hohem MRSA/MRSE-Risiko empfiehlt sich die einmalige Gabe von 1,0 g Vancomycin oder von 0,4 g Teicoplanin. Wegen der besseren Knochengängigkeit und einer geringeren Toxizität ist in diesen Fällen dem Teicoplanin der Vorzug zu geben [27]. Für Oxazolidinone liegen bislang keine ausreichenden Erfahrungen vor.

Für die gelegentlich geübte Praxis prophylaktisch Antibiotika in den Knochenzement zu mischen liegen keine überzeugenden Daten vor, die den Nutzen einer solchen Maßnahme belegen würden. Zudem werden überwiegend nicht standardisierte und zumeist selbsthergestellte Mischungen verschiedener Substanzen verwendet. Diese Praxis wird daher zur antibiotischen Prophylaxe bei aseptischem totalendoprotetischem Gelenkersatz nicht empfohlen [1, 42].

Resumee

Empfehlung für eine generelle antibiotische Prophylaxe mit Cephalosporinen der I. Generation für maximal 24 h bei aseptischem totalendoprothetischem Gelenkersatz in der Orthopädie: Evidenzgrad A.

Allgemeine Hinweise und prophylaktische Maßnahmen

Eine perioperative Antibiotikaprophylaxe mag bei bestimmten Indikationen einen Beitrag zur Verminderung des postoperativen Infektionsrisikos leisten können, ein Allheilmittel gegen hygienische Nachlässigkeiten und ein risikobehaftetes Patientengut ist sie nicht. Vor jedem operativen Eingriff sollten Grundkrankheiten und prädisponierende Faktoren, die das postoperative Komplikationsrisiko erhöhen (z. B. Diabetes mellitus, Hautinfektionen, Harnweginfektionen, Zahn- oder Peridontalinfektionen) möglichst optimal behandelt bzw. beseitigt werden [40]. Bei Gelenkersatz sind eine präoperativ verminderte Lymphozytenzahl (<1500/mm3) und ein vermindertes Albumin (<3,5 g/dl) mit einem erhöhten postoperativen Infektionsrisiko assoziiert [15].

Die präoperative Reduktion der Keimlast an der Inzisionsstelle ist von immenser prophylaktischer Bedeutung. Wenn erforderlich, sollte eine Rasur zur Vermeidung von länger bestehenden Mikroläsionen erst kurz vor der Operation vorgenommen werden [40]. Die anschließende Hautdesinfektion ist nach Vorschrift sehr sorgfältig und ausreichend lange mit einem zugelassenen Hautdesinfektionsmittel (z. B. Polyvidon-Jod-Lösung, 70% Isopropanol-Lösung) durchzuführen. Ein gut geschultes und diszipliniertes Operationsteam ist ein weiterer wesentlicher Garant für die erfolgreiche Vermeidung von Infektionen [40].

Wie bereits ausgeführt, trägt ein hochsteriler Operationssaal mit Reinluftkabinencharakter (Partikelzahl <5 KBE/m3 Luft) fundamental zur Vermeidung von postoperativen Infektionen nach primär aseptischem Gelenkersatz bei. Diese Voraussetzungen sind nach allen Regeln der Technik durch einen gerichteten Luftstrom (laminar air flow), häufigen Luftwechsel und den Einsatz von Schwebstofffiltern entsprechend den Vorschriften der DIN 1946, Teil 4 zu erreichen [10, 40].

Resumee

Empfehlung für einen Einsatz von Reinluftkabinen beim aseptischen totalendoprothetischen Gelenkersatz in der Orthopädie: Evidenzgrad A.

Fazit für die Praxis

Die Datenlage bezüglich Indikation, Art und Dauer der perioperativen Prophylaxe bei aseptischen Eingriffen in der Orthopädie ist für viele Bereiche nach wie vor unklar und bedarf weiterer Studien. Es besteht keine Evidenz für den Nutzen eines generellen Einsatzes von Antibiotika in der perioperativen Infektionspropylaxe bei unkomplizierten aseptischen Operationen ohne Einlage von Fremdmaterial.

Bei Einbringen von Fremdmaterial ist nach Meinung der meisten Expertengruppen wegen der potentiell bedrohlichen und schwerwiegenden Folgen für das Operationsergebnis und die Lebensqualität des Patienten eine generelle antibiotische perioperative Prophylaxe mit einem Cephalosporin der I. Generation (Cefazolin einmal 2 g i.v.) auch bei primär aseptischem Vorgehen sinnvoll.

Es besteht klare Evidenz für den Nutzen und die medizinische Sinnhaftigkeit einer perioperativen Antibiotikaprophylaxe mit Cephalosporinen der 1. oder 2. Generation (Cefazolin einmal 2 g i.v., Cefuroxim einmal 1,5 g i.v.) bei primär aseptischer Versorgung der Schenkelhalsfraktur und bei totalendoprothetischem Gelenkersatz in der Orthopädie. Cephalosporine der 2. Generation sind solchen der 1. Generation für diese Indikation nicht überlegen.

Die Prophlyaxe sollte ca. 30 min vor dem Hautschnitt bzw. spätestens 10 min vor Anlegen der Blutsperre infundiert werden. Die Anwendung von Glykopeptiden ist auf besondere Indikationen (β-Laktam-Allergie, hohes MRSA-/MRSE-Risiko) zu beschränken. Ein prophylaktischer Einsatz von Lokalantibiotika im Knochenzement wird nicht empfohlen.

Die Antibiotikaprophylaxe wird üblicherweise als „single shot“ verabreicht, bei einer Operationsdauer von >3 h erfolgt eine erneute Applikation. Es besteht keine Evidenz für die Sinnhaftigkeit einer über 24 h hinaus fortgeführten perioperativen Antibiotikaprophylaxe bei primär aseptischen Eingriffen in der Orthopädie.

Entsprechend den Erkenntnissen der aktuell verfügbaren Studien ist die Verwendung von Reinluftkabinen beim totalendoprothetischen Gelenkersatz dringend anzuraten, um das postoperative Infektionsrisiko zu minimieren. Diesem Vorgehen kommt nach Erkenntnissen aus evidenzbasierten Studien eminente Bedeutung für die Infektionsprävention zu.