Zusammenfassung
Hintergrund
Die Strahlenhygiene in der konventionellen radiologischen Diagnostik basiert auf der Trias Rechtfertigung, Optimierung bzw. Limitierung der Röntgenuntersuchung bzw. Strahlenexposition. Die Optimierung einer Röntgenuntersuchung ist als multimodaler Prozess aufzufassen, in welchem sämtliche technische Komponenten der Röntgeneinrichtung sowohl miteinander als auch mit den anthropometrischen Eigenschaften des Patienten und der klinischen Fragestellung abzustimmen sind.
Ziel der Arbeit
Im vorliegenden Beitrag werden die technischen Komponenten bei der konventionellen Röntgenuntersuchung des pädiatrischen Thorax in ihrer Beziehung zueinander dargestellt und Empfehlungen für eine Optimierung der konventionellen Thoraxaufnahme bei Kindern ausgesprochen.
Ergebnisse und Diskussion
Die wichtigsten Maßnahmen bestehen in einer korrekten Einblendung, in der Anfertigung der Aufnahmen im posteroanterioren Strahlengang und im Verzicht auf Streustrahlenraster etwa bis zum 8. Lebensjahr. Auch sind in der Kinderradiologie Thoraxaufnahmen selbst bei suboptimaler Inspiration häufig noch diagnostisch verwertbar. Die Optimierung einer Röntgenuntersuchung bewirkt fast zwangsläufig eine Limitierung der Strahlenexposition.
Abstract
Background
Radiation safety in conventional X-ray diagnostics is based on the concepts of justification, optimization of an X-ray examination and limitation of the radiation exposure achieved during the examination. Optimization of an X-ray examination has to be considered as a multimodal process in which all technical components of the X-ray equipment have to be adapted to each other and also have to be adapted to the anthropometric characteristics of patients and the clinical indications.
Objectives
In this article the technical components of a conventional pediatric chest X-radiograph are presented, and recommendations for optimizing chest X-rays in children are provided.
Results and discussion
The following measures are of prime importance: correct x-ray beam limitation, using the posteroanterior projection when possible and not using anti-scatter grids in children under approximately 8 years old. In pediatric radiology chest x-rays that are taken not at the peak of inspiration can also be of some diagnostic significance. Optimization of an X-ray examination inevitably results in the limitation of radiation exposure.
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Die Thoraxaufnahme ist bei Kindern die Röntgenuntersuchung des Körperstamms mit dem niedrigsten Dosisbedarf [24, 31], welcher in Abhängigkeit von der Untersuchungstechnik um einen Faktor 1:50 variieren kann. Gleichzeitig ist die Thoraxaufnahme eine der häufigsten Röntgenuntersuchungen und trägt daher wesentlich zur kollektiven medizinischen Strahlenexposition der Bevölkerung bei [24]. Somit ist die konventionelle Röntgenuntersuchung des Thorax bei Kindern von strahlenepidemiologischer Relevanz [14], wenngleich eine Erhöhung des Risikos für stochastische somatische Spätwirkungen nach konventioneller radiologischer Diagnostik im Kindesalter bisher nicht eindeutig nachgewiesen werden konnte (z. B. [15]). Aus diesem Grunde gilt im medizinischen Strahlenschutz die in der Patientenrichtlinie des Europäischen Rates [8] niedergelegte Trias des Rechtfertigungs-, Optimierungs- und Limitierungsprinzips.
Prinzipien des medizinischen Strahlenschutzes
Das Rechtfertigungsprinzip: Stellung der rechtfertigenden Indikation
Das wirkungsvollste strahlenhygienische Prinzip ist das Rechtfertigungsprinzip [18], welches mit dem Begriff der rechtfertigenden Indikation Eingang in die Deutsche Röntgenverordnung [37] gefunden hat. In Ermangelung diagnostischer Alternativen ist die Thoraxaufnahme in der Pädiatrie bei zahlreichen klinischen Indikationen (z. B. Belüftungsstörungen, Pneumonien, Pneumothorax, chronische Lungenerkrankungen, Lagekontrolle z. B. von Drainagen) bereits a priori indiziert. Dementsprechend erfolgt seit Jahrzehnten nahezu unverändert [10] etwa die Hälfte aller Thoraxuntersuchungen bei Kindern bis zum 1. Lebensjahr (Abb. 1, Abb. 2).
Das Optimierungsprinzip: ALARA-Konzept
Mit dem ALARA-Konzept (ALARA „as low as reasonably achievable“) wurde im medizinischen Strahlenschutz im Jahre 1977 von der Internationalen Strahlenschutzkommission ICRP dem Grundsatz der Rechtfertigung [19] das Prinzip der Optimierung einer indizierten Röntgenuntersuchung [12] hinzugefügt. In der pädiatrischen Radiologie wurde dieses Prinzip bereits im Jahre 1976 durch den von Fendel [11] unter dem Titel „Die zehn Gebote des Strahlenschutzes bei der Röntgendiagnostik im Kindesalter“ publizierten Leitfaden auf nationaler Ebene antizipiert.
Den qualitativen Richtlinien des ALARA-Konzepts wurden quantitative Ausführungsbestimmungen zur Optimierung von Röntgenuntersuchungen bzw. zur Begrenzung der Strahlenexposition in Gestalt von Leitlinien bzw. Referenzwerten zur Seite gestellt [21]. Während in den Leitlinien der Bundesärztekammer [5] ein Abschnitt den pädiatrischen Besonderheiten konventioneller Röntgenuntersuchungen gewidmet ist, wurden mit den Leitlinien der Europäischen Kommission [9] und einzelner kinderradiologischer Zentren [4, 26] spezielle Leitlinien für die pädiatrische Radiologie geschaffen. Die Strahlenschutzkommission (SSK) hat eine Orientierungshilfe für Röntgenuntersuchungen zur Verfügung gestellt [36], die in einem eigenen Kapitel für die Pädiatrie die bei bestimmten klinischen Indikationen notwendigen Untersuchungen aufführt.
Das Limitierungsprinzip: Dosisreferenzwerte
Ein wichtiges Hilfsmittel für die Qualitätssicherung v. a. in der pädiatrischen Radiologie stellen Dosisreferenzwerte dar. Als Dosisreferenzwert einer Röntgenuntersuchung wird in der Regel die 75 %-Perzentile der in einem großen Patientenkollektiv ermittelten Häufigkeitsverteilung der Einfalldosen oder Dosisflächenprodukte definiert.
Neben den erstmals im Jahre 2003 bekanntgemachten Referenzwerten des Bundesamts für Strahlenschutz für diagnostische Röntgenuntersuchungen [6] wurden bereits im Jahre 1998 im Dr. von Haunerschen Kinderspital der Universität München spezifische Referenzwerte für die pädiatrische Röntgenuntersuchung des Thorax [28] erarbeitet. Wie Abb. 3 zeigt, konnten dort durch strenge Befolgung der Leitlinien die Referenzwerte des Bundesamts für Strahlenschutz für die Thoraxradiographie bereits seit Jahrzehnten eingehalten werden.
Physikalische und röntgentechnische Aspekte der Thoraxuntersuchung
Die Optimierung einer Röntgenuntersuchung muss stets unter Berücksichtigung der klinischen Fragestellung und der Situation des Patienten sowie der aufnahmetechnischen Möglichkeiten erfolgen. Dabei geht die Minimierung des Dosisbedarfs der Röntgenuntersuchung nicht zwangsläufig linear mit einer Minimierung der Strahlenexposition des Patienten einher: Während der Dosisbedarf der Röntgenuntersuchung im Wesentlichen von physikalisch-technischen Merkmalen geprägt wird, ist die Strahlenexposition des Patienten zusätzlich noch vom Strahlengang und von der Strahlenfeldeinstellung und diese wiederum von der klinischen Situation abhängig. Somit stellt die Optimierung der Strahlenexposition des Patienten vor dem Hintergrund einer vernünftigen Bildqualität [25] einen multimodalen Prozess dar, in welchem alle technischen Komponenten der Röntgeneinrichtung unter Berücksichtigung der anthropometrischen Eigenschaften des Patienten aufeinander abgestimmt werden müssen [12, 27, 39].
In einem Schema zeigt Abb. 4 die einzelnen technischen Komponenten einer Röntgeneinrichtung, wie sie den röntgentechnischen Ablauf einer konventionellen Röntgenuntersuchung der Thoraxregion bestimmen.
Röhrenspannung, -strom und Belichtungsdauer
Die Durchdringungsfähigkeit und damit die Strahlenqualität der Röntgenstrahlung muss auf den vom Lebensalter des Patienten und vom Strahlengang der Röntgenuntersuchung abhängigen Durchstrahlungsdurchmesser der jeweiligen Körperregion abgestimmt werden. Hierbei unterscheidet sich die Thoraxregion ganz wesentlich von anderen anatomischen Regionen [16]. Die Strahlenqualität einer Röntgenquelle wird durch ihr Photonenflussdichtespektrum („Röntgenspektrum“) definiert und kann durch die Kenngrößen Röhrenspannung, Anodenwinkel und Gesamtfilterung charakterisiert werden [3]. Die vom Röntgengenerator bereitgestellte Röhrenspannung definiert hierbei die Grenzenergie des Röntgenspektrums, während die Gesamtfilterung eine Erhöhung der effektiven Energie durch Verschiebung des Röntgenspektrums in Richtung höherer Photonenenergien bewirkt.
Im Allgemeinen nimmt bei unverändertem mAs-Produkt die absorbierte Dosis einer Röntgenuntersuchung mit der Röhrenspannung überproportional ab ([10, 32]), wobei das Röhrenstrom-Zeit-Produkt (mAs-Produkt) zur Erzielung der notwendigen Bildempfängerdosis auf die gewählte Röhrenspannung abgestimmt werden muss. Wird die Röhrenspannung gesenkt, muss das mAs-Produkt und damit die Belichtungsdauer entsprechend erhöht werden, was eine höhere absorbierte Dosis zur Folge hat. Da sich die Bewegungsunschärfe mit zunehmender Belichtungsdauer vergrößert, sollte bei pädiatrisch genutzten Röntgengeräten eine Möglichkeit zur Einstellung bzw. Ablesung der Belichtungsdauer vorgesehen sein; dies ist nicht bei allen Röntgengeräten, insbesondere nicht bei fahrbaren Geräten der Fall. Bei Thoraxaufnahmen des Früh- und Neugeborenen sollte eine Grenzbelichtungsdauer von 4 ms nicht überschritten werden.
Abweichend von den Leitlinien der Deutschen Bundesärztekammer [5], in denen für pädiatrische Thoraxradiographien eine Röhrenspannung von 60–80 kV bzw. ab dem 8. Lebensjahr eine Röhrenspannung von 100–120 kV empfohlen wird, wurden am Dr. von Haunerschen Kinderspital vor dem 8. bzw. jenseits des 8. Lebensjahrs selten Röhrenspannungen über 70 bzw. 110 kV verwendet. Im angloamerikanischen Raum werden bei Neugeborenen und jungen Säuglingen sogar Röhrenspannungen von 50–60 kV gewählt.
Werden moderne digitale Needle-Detektoren verwendet, empfiehlt sich entgegen den Leitlinien aufgrund der höheren Quanteneffizienz die Erhöhung der Röhrenspannung auf 70–80 kV. Bei Frühgeborenen ist dies allerdings aufgrund der niedrigeren Kontrastauflösung nicht sinnvoll [29], außerdem kann hier die minimale Schaltzeit des Röntgengenerators unterschritten werden.
Gesamtfilterung
Das Photonenstrahlungsfeld verlässt die Röntgenröhre durch das Strahlenaustrittsfenster, wobei es eine erste, als Eigenfilterung bezeichnete Modifikation seiner spektralen Zusammensetzung erfährt: Niederenergetische Komponenten des Röntgenspektrums werden durch Absorptions- und Streuprozesse in der Wandung des Strahlenaustrittfensters aus dem Primärstrahlenbündel entfernt. Diese Entfernung niederenergetischer, sogenannter weicher Anteile aus dem Röntgenspektrum bewirkt eine Erhöhung der effektiven Energie und wird auch als Aufhärtung der Röntgenstrahlung bezeichnet. Dieser Effekt ist erwünscht, da andernfalls die niederenergetischen Strahlungsanteile in den oberflächlichen Schichten des Patienten absorbiert würden, ohne zur Bildgebung beizutragen. Aus diesem Grunde wird für die Eigenfilterung der in der radiologischen Diagnostik eingesetzten Röntgenstrahler gegenwärtig ein Aluminiumgleichwert von mindestens 2,5 mm gefordert. In der Leitlinie der Bundesärztekammer [5] wird für konventionelle Röntgenuntersuchungen von Kindern darüber hinaus eine Zusatzfilterung von mindestens 1,0 mm Aluminium und 0,1 mm Kupfer, mithin also eine Gesamtfilterung von 3,5 mm Aluminium und 0,1 mm Kupfer, empfohlen. Röntgenspektren, wie sie aus einer Röhrenspannung von 70 kV unter verschiedenen Gesamtfilterungen resultieren, zeigt schematisch Abb. 5.
Strahlenfeldeinstellung
Eine möglichst enge Einblendung ist in zweifacher Hinsicht von herausragender Bedeutung, da sie sich zum einen durch Verringerung des durchstrahlten Volumens positiv auf die Strahlenexposition des Patienten und zum anderen durch Verminderung der Streustrahlung und damit des Bildrauschens positiv auf die Bildqualität auswirkt. Wie Abb. 6 anhand der Simulation einer Thoraxübersichtsaufnahme an mathematischen Phantomen des einjährigen Kindes zeigt, kann durch optimale Einblendung (grüne Feldbegrenzungen in Abb. 6) gegenüber einer suboptimalen Einblendung des Strahlenfeldes (rote Feldbegrenzungen in Abb. 6) die Exposition strahlenempfindlicher Gewebe reduziert werden.
Diese Feststellung gilt auch für die Leber, die bei Thoraxaufnahmen zwangsläufig partiell vom Primärstrahlenfeld erfasst wird, deren Exposition aber durch strikte Einblendung zumindest reduziert werden kann. Dies ist v. a. bei Frühgeborenen von Bedeutung, da deren Leber funktionell noch als Teil des hämatopoetischen Systems zu betrachten ist: Bei Frühgeborenen befindet sich die Erythropoese noch in der hepatolienalen Phase und wird beispielsweise im Gestationsalter von 28 Wochen noch zu rund 50 % durch hämatopoetische Stammzellen in der Leber bzw. zu etwa 15 % durch solche in der Milz vollzogen [22]; selbst beim reifen Neugeborenen erfolgt sie in der 1. Lebenswoche noch zu etwa 5 % in der Leber und wird nicht vor Vollendung des 1. Lebensmonats vollständig vom roten Knochenmark übernommen [22].
Demgegenüber wird bei projektionsradiographischen Untersuchungen häufig zu weit aufgeblendet und zudem fast immer auch falsch zentriert [13]. Die in der Erwachsenenradiologie üblichen absoluten Toleranzen in der Strahlenfeldeinstellung können aufgrund der dramatischen Feldgrößenunterschiede in den einzelnen Altersgruppen nicht ohne Modifikation auf die pädiatrische Thoraxuntersuchung übertragen werden: So bewirkt eine Vergrößerung des Strahlenfeldes um jeweils 2 cm am oberen und am unteren Feldrand beim Jugendlichen eine Vergrößerung des Strahlenfeldes um lediglich 8 %, beim unreifen Frühgeborenen der 26. Schwangerschaftswoche aber um 66 % (Abb. 7; [26]). In diesem Zusammenhang und vor dem Hintergrund der besonderen Bedeutung der Qualitätssicherung in der pädiatrischen Radiologie ist die Möglichkeit der elektronischen Nachkollimation von Thoraxaufnahmen im Rahmen der digitalen Bildverarbeitung äußerst kritisch zu beurteilen, weil damit qualitätssichernde Maßnahmen unmöglich werden [20].
Dosisflächenprodukt
In der Bundesrepublik Deutschland ist die Dokumentation der im Rahmen einer konventionellen Röntgenuntersuchung applizierten Dosis gemäß §28 RöV [37] vorgeschrieben. Ein einfacher und praktikabler Indikator für die Strahlenexposition des Patienten ist in der konventionellen Radiologie das Dosisflächenprodukt (DFP), welches seiner physikalischen Definition gemäß das Produkt aus der Luftkerma und der Feldgröße des Nutzstrahlenbündels am Ort der Messung ist; mithin werden darin also der Dosisbedarf einer Röntgenuntersuchung und die Qualität der Strahlenfeldeinblendung subsumiert [23].
Patient, Strahlengang und Fokus-Haut-Abstand
In Analogie zur Erwachsenenradiologie werden pädiatrische Thoraxuntersuchungen mit Ausnahme ausgewählter Indikationen (wie z. B. Fremdkörperaspiration) in Inspirationsstellung durchgeführt. Dies setzt eine ab etwa dem 4. Lebensjahr zu erwartende Fähigkeit und Bereitschaft des Patienten zur Kooperation voraus. Allerdings müssen in der Kinderradiologie selbst in suboptimaler Inspiration angefertigte Thoraxaufnahmen nicht zwangsläufig wiederholt werden, da sie etwa bei der Beurteilung der intrathorakalen Trachea und des Aortenbogens sowie von Air-trapping-Phänomenen in den Lungen noch diagnostische Wertigkeit besitzen.
Der Dosisbedarf einer Röntgenuntersuchung ist nicht allein von der notwendigen Bildempfängerdosis abhängig, sondern aufgrund des exponentiellen Schwächungsverhaltens von Photonenstrahlung auch wesentlich vom Durchstrahlungsdurchmesser der jeweiligen anatomischen Region und damit sowohl vom Lebensalter des Patienten als auch vom Strahlengang der Untersuchung (Abb. 8; [2]). So ist der Dosisbedarf einer seitlichen Thoraxaufnahme je nach Lebensalter bis zu 3-mal höher als im sagittalen Strahlengang [33]. Demgegenüber ist bei gegebenem Strahlengang der Einfluss des Lebensalters aufgrund der Besonderheiten des effektiven Schwächungsvermögens der Thoraxregion gering [16]. So ist bei optimaler Anpassung der Röntgenexpositionsparameter und der Feldgröße an die Anthropometrie des Patienten der Dosisbedarf einer Thoraxaufnahme im sagittalen Strahlengang bei Erwachsenen kaum doppelt so hoch als bei Neugeborenen. Der Dosisbedarf der Hartstrahltechnik beim Erwachsenen entspricht jenem der konventionellen Strahltechnik beim einjährigen Kind [33].
Bei gegebenem Dosisbedarf einer Röntgenuntersuchung wird die tatsächliche Strahlenexposition der Organe und Gewebe des Patienten wiederum vom Strahlengang sowie zusätzlich vom Fokus-Haut-Abstand determiniert. Bei freier Belichtung wie bei Thoraxaufnahmen mit fahrbaren Röntgengeräten bewirkt aufgrund des Abstandsquadratgesetzes eine geringfügige Verringerung des den Belichtungstabellen zugrundeliegenden Fokus-Haut-Abstands eine deutliche Erhöhung der Einfalldosis und damit der absorbierten Dosis, sofern das mAs-Produkt nicht entsprechend angepasst wird. Die Gefahr einer relativen Überexposition des Neugeborenen hierdurch ist v. a. bei Inkubatoraufnahmen auf Neugeborenenintensivstationen besonders groß: Als Faustregel kann gelten, dass eine Verringerung des Fokus-Haut-Abstands um 1 bzw. 2 % etc. bis 10 % eine Erhöhung der Einfalldosis um 2 bzw. 4 % etc. bis 20 % bewirkt. Weiterhin bestimmt der Strahlengang ganz wesentlich die relative Exposition der in unterschiedlichen Tiefenlagen unter der Hautoberfläche gelegenen Organe und Gewebe; so ist beim a.p.-Strahlengang die relative Strahlenexposition oberflächennaher Organe wie der Schilddrüse und der Mammae deutlich höher als in p.a.-Strahlrichtung [34], welcher bei Aufnahmen in aufrechter Position, wie sie ab etwa dem 2. Lebensjahr durchgeführt werden können, zu bevorzugen ist. Die Vermutung, auch die Strahlenexposition des roten Knochenmarks sei vom Strahlengang abhängig, konnte mithilfe der bisher verfügbaren Phantommodelle [35] weder bestätigt noch widerlegt werden [34].
Abschirmung des Patienten
Wie eine Berechnung der bei Thoraxübersichtsaufnahmen applizierten Gonadendosen zeigt [32], wird die Strahlenexposition der Ovarien bzw. der Hoden unter optimalen Strahlenfeldeinstellungen zu einem erheblichen bzw. überwiegenden Anteil durch Streustrahlung aus dem Thoraxraum determiniert. Deshalb scheint der Gebrauch von Gonadenabschirmungen, wie auch in den Leitlinien der Bundesärztekammer [5] empfohlen, zunächst redundant. Allerdings ist dieser Umstand messtechnisch noch nicht eindeutig gesichert. Zudem kann ein Gonadenschutz eine suboptimale Strahlenfeldeinstellung durch den Untersucher möglicherweise kompensieren und nicht zuletzt aufgrund der subjektiven Risikowahrnehmung des Patienten und seiner Angehörigen angezeigt sein.
Streustrahlenraster
Der Einsatz von Streustrahlenrastern bewirkt nicht nur eine Absorption von Streustrahlung aus dem durchstrahlten Volumen und damit eine Verminderung des Bildrauschens, sondern führt durch Absorption von Nutzstrahlung auch zu einer Erhöhung des Dosisbedarfs. Da Streustrahlenraster ihre volle Wirksamkeit erst ab einem Durchstrahlungsdurchmesser von etwa 12–15 cm entfalten, wird ihr Einsatz bei Kindern bis zum 8. Lebensjahr nicht empfohlen [5]. Bei pädiatrischen Thoraxaufnahmen kann der Dosisbedarf hierdurch um bis zu einen Faktor 3 reduziert werden [28].
Bildempfängersystem
Naturgemäß sinkt der Dosisbedarf einer Röntgenuntersuchung mit zunehmender Empfindlichkeit des Bilddetektorsystems. Bis vor Einführung der digitalen Radiographie gegen Ende der 1980er Jahre hat die zunehmende Verfügbarkeit immer empfindlicherer Film-Folien-Kombinationen zu einer deutlichen Dosisreduktion geführt. Wie aus dem Nenndosisbedarf diverser Bildempfängersysteme abzuleiten ist (Tab. 1), war durch röntgentechnische Innovationen zwischen 1970 und 2005 zumindest theoretisch eine Senkung des Dosisbedarfs um einen Faktor 15 möglich. In der Kinderradiologie im Dr. von Haunerschen Kinderspital wurde in diesem Zeitraum bei konventionellen Thoraxuntersuchungen in der täglichen radiologischen Routine in Abhängigkeit vom Lebensalter des Patienten und vom Strahlengang der Untersuchung immerhin eine Reduktion des Dosisbedarfs auf etwa ein Sechstel erzielt [33].
Im Übrigen erfordert der zunehmende Einsatz digitaler Bildempfängersysteme zur Kontrolle der in der Kinderradiologie meist in freier Belichtung applizierten Bildempfängerdosis durch die medizinische Assistenz die Aufzeichnung und Auswertung von Dosisindikatoren [38].
Fazit für die Praxis
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Die europäischen Feldstudien bei pädiatrischen Patienten aller Altersklassen der 1990er Jahre haben gezeigt, dass bei Einhaltung der Kriterien für gute Aufnahmetechnik der Leitlinien der Europäischen Kommission bzw. der Bundesärztekammer die Referenzdosiswerte des Bundesamts für Strahlenschutz leicht eingehalten werden können, ohne dass es zu Einbußen der Bildqualität kommt (Abb. 3).
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Besonders wichtig bei der Anfertigung von Thoraxaufnahmen in der Kinderradiologie ist die möglichst exakte Einblendung, da der prozentuale Feldgrößenzuwachs auch bei geringer zusätzlicher Aufblendung beim Neugeborenen im Vergleich zu einem Jugendlichen um bis zu einen Faktor 10 höher ist.
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Die gedrungenen Körperproportionen kleiner Patienten unter 5 Jahren bewirken eine höhere Organdosis benachbarter Organe bzw. Körperregionen, z. B. des Gesichtsschädels bzw. der Oberbauchorgane.
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Besonders hinzuweisen ist auf die Empfehlung der SSK-Orientierungshilfe, dass es keine Indikationen für die routinemäßige seitliche Thoraxaufnahme mehr gibt. Einzige Ausnahme macht hier die zystische Fibrose bei den jährlichen Routinekontrollen.
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Bei Thoraxaufnahmen auf der Intensivstation mit fahrbaren Röntgengeräten können die Nichteinhaltung des Fokus-Haut-Abstands und die Nichtanpassung des mAs-Produkts zu einem Dosisanstieg führen, ohne dass wesentliche diagnostische Mehrinformationen erzielt werden.
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Einhaltung ethischer Richtlinien
Interessenkonflikt. M.C. Seidenbusch und K. Schneider geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht. Dieser Beitrag beinhaltet keine Studien an Menschen oder Tieren.
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Seidenbusch, M., Schneider, K. Strahlenhygienische Aspekte bei der Röntgenuntersuchung des Thorax. Radiologe 55, 580–587 (2015). https://doi.org/10.1007/s00117-014-2776-6
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DOI: https://doi.org/10.1007/s00117-014-2776-6
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