Die Magnetresonanztomographie (MRT) zur Beurteilung der fetalen Entwicklung wird bereits seit den 80er Jahren eingesetzt [17], wobei damals eine Immobilisierung des Feten mittels Curare notwendig war, um artefaktfreie Bilder zu erhalten [3]. Seit der Verfügbarkeit ultraschneller MR-Sequenzen, die eine Akquisition einer Bilderserie in ca. 20 s erlauben, sind eine fetale Sedierung oder Immobilisierung nicht mehr nötig [11]. Seit 1995 wird vom American College of Obstetrics and Gynecologists (ACOG; [1]) die fetale MRT nach dem 1. Trimenon in den Fällen empfohlen, bei denen ungünstige Bedingungen für die Ultraschalluntersuchung (US) vorliegen. Vor einer fetalen MRT muss eine Einverständniserklärung der Schwangeren vorliegen. Weiter muss gemeinsam mit dem zuweisenden Arzt klargestellt werden, welche Konsequenzen aus der Information der Untersuchung gezogen würden.

Indikationen

Aus den Empfehlungen der ACOG ergeben sich „allgemeine“ Indikationen: Die US-Beurteilung ist bei maternaler Fettleibigkeit (Abb. 1), Oligohydramnion (Abb. 2) sowie ungünstiger Lage des Feten zum Schallkopf eingeschränkt. „Spezielle“ Indikationen betreffen Fragestellungen, bei denen die MRT eine bessere Einschätzung der intrauterinen Situation erlaubt als die US-Untersuchung alleine. Wesentlich sind dafür folgende Eigenschaften der MRT:

Abb. 1a,b
figure 1

30. Schwangerschaftswoche (SSW), Verdacht auf Fehlbildung bei der aufgrund von Fettleibigkeit der Schwangeren (120 kg KG bei 170 cm Körpergröße, Body Mass Index 42) kein konklusiver US-Befund erhalten werden konnte. a Sagittales T2-gewichtetes Bild; trotz auch für die MRT ungünstigen Bedingungen, die zu Artefakten am Bildrand führt, kann die Pathologie (unilaterale Ventrikulomegalie) erkannt werden; das große Bildfeld erlaubt die Beurteilung des gesamten Uterusinhalts. b Axiales T2-gewichtetes Bild: Darstellung einer unilateralen Ventrikulomegalie; aufgrund des körperlichen Habitus der Schwangeren wurde zur Untersuchung die integrierte Körperspule verwendet; die relativ weite Entfernung der Empfangselemente vom Fetus beeinträchtigt hier die Bildqualität

Abb. 2a,b
figure 2

SSW 28, seit mehreren Wochen bestehendes Oligohydramnion. Koronale Schichten, a T2-gewichtet: Darstellung aller Organe trotz fehlender Amnionflüssigkeit, b diffusionsgewichtet: hyperintense Darstellung der Nieren

  • Hohe Weichteilauflösung, z. B: Differenzierbarkeit unterschiedlicher Gewebekomponenten wie graue und weiße Substanz zerebral, pulmonal hypolastisches/normales Lungengewebe, funktionelles/nichtfunktionelles Nierengewebe (Abb. 2; [5]), ödematös/blutige Läsionen in allen Organen.

  • Aufgrund organspezifischer Signaleigenschaften selektive Darstellung proteinhältiger Strukturen wie Drüsen (Hypophyse, Thyroidea) und Mekonium (Abb. 3).

    Abb. 3
    figure 3

    Koronales T1-gewichtetetes Bild (SSW 28). Mekoniummmarkierte Darmschlingen und die Glandula thyroidea (Pfeil) sind anhand ihrer hyperintensen Signale abgrenzbar

  • Abgrenzbarkeit kleiner Strukturen wie Hirnnerven.

  • Größeres Bildfeld als im US, dadurch Darstellbarkeit des gesamten Feten auch am Ende des 3. Trimenons.

Die pränatale MRT ist dann sinnvoll, wenn sich aus der Zusatzinformation folgende Konsequenzen ergeben können:

  • Absicherung einer mittels US gestellten Diagnose, die (bei Fehlen assoziierter Störungen) keine Auswirkung auf die fetale Entwicklung besitzt und nach der MR-Diagnostik keiner weiteren diagnostischen oder therapeutischen Maßnahmen bedarf: z. B. milde unilaterale Ventrikulomegalie (<15 mm Trigonalweite), bei der die MRT assoziierte Störungen ausschließen kann [6, 13].

  • Abklärung des Ausmaßes einer Fehlbildung, bei der die Prognose und Therapieoptionen vom Ausprägungsgrad der Organbeteiligung abhängig sind. Zum Beispiel besteht bei der kongenitalen Zwerchfellhernie bei bestimmten Befundkonstellationen die Möglichkeit einer intrauterinen Therapie [4]. Die MRT kann dabei Feten, die von dieser Therapie profitieren können, anhand morphologischer Kriterien (Lungenvolumina, Signalintensität der Lungen, Kopf/Lungenratio) selektionieren. Obwohl einige dieser Parameter auch mittel US-Methoden erhoben werden können, erlaubt die MRT hier genauere Aussagen [8].

  • Zuordnung morphologischer Befunde zu einem (evtl. genetisch determinierten) Syndrom. Die Diagnose eines Syndroms erlaubt eine genauere Einschätzung zu erwartender klinischer Manifestationen und des Verlaufs. Bei einem genetischen Hintergrund kann darüber hinaus auch das Wiederholungsrisiko bei zukünftigen Schwangerschaften eingeschätzt werden (Abb. 4; [10]). Bei einem Bourneville-Pringle Syndrom etwa verschlechtert sich die Prognose, wenn eine zerebrale Beteiligung vorliegt, was in etwa 40% der Fall ist [5]. Der Nachweis dieser ZNS-Mitbeteiligung gelingt mit der MRT leichter als mit dem US, da Tubera oder dysplastische Läsionen mit US meist nicht aufgelöst werden können.

    Abb. 4a-f
    figure 4

    Ventrikulomegalie in der 16. SSW, Verdacht auf Monoventrikel. Die Untersuchung wird vor der geplanten Schwangerschaftsbeendigung vorgenommen, um die Diagnose abzusichern, sowie eine evtl. genetisch bedingte Veränderung nachzuweisen oder auszuschließen. In diesem Fall kann die MRT, durch Nachweis einer semilobaren Holoprosenzephalie und einer Gesichtsfehlbildung, auf das wahrscheinliche Vorliegen einer Trisomie 13 hinweisen. a Koronale Schicht, T2-gewichtet: hufeisenförmiger Monoventrikel, fehlende Darstellung des Plexus choroideus, fehlende Falx cerebri; die Kleinhirnkonfiguration ist für dieses Alter normal. b Koronale Schicht, diffusionsgewichtet; fehlende Laminierung des Palliums als Ausdruck der Manifestation einer Lissenzephalie. c Sagittale T2-gewichtete Schicht: fehlende Darstellung der Nase sowie des harten Gaumens; pathologischer Knick des Hirnstamms. d Die sagittale Schicht, echoplanar-T2 gewichtet bestätigt das Fehlen des Nasenbeins und des harten Gaumens. e Normales altersentsprechendes Hirn: koronale Schicht, diffusionsgewichtet zeigt die normale Laminierung des Hirnparenchyms. f Normales altersentsprechendes Hirn, sagittale Schicht, diffusionsgewichtet: zeigt Nase, harten Gaumen sowie regelrechte Konfiguration des Pons

  • Unterscheidung zwischen anlagebedingten (und möglicherweise genetisch determinierten) und erworbenen Veränderungen. Gewebedefekte täuschen u. U. erworbene Störungen vor. Die genaue anatomische Darstellung einer Region kann hier differenzialdiagnostisch weiterhelfen: So gelingt beispielsweise die Abgrenzung einer Hydranenzephalie (als Folge eines bilateralen Mediainfarkts) von einer Holoprosenzephalie (die häufig im Rahmen komplexer Fehlbildungssyndrome gesehen wird; Abb. 4 und Abb. 5).

    Abb. 5a,b
    figure 5

    SSW 20, Ventrikelerweiterung im US. Die im MR fassbaren morphologischen Veränderungen sprechen für das Vorliegen einer Hydranenzephalie und keiner Holoprosenzephalie (s. Abb. 4). Die beschriebenen Details lassen sich trotz nicht idealer Bildqualität (Untersuchung aus dem Jahr 1999) erkennen. a Axiale Schicht, T2-gewichtet; es zeigt sich ein Monoventrikel, bei dem aber die Hemisphärenunterteilung erhalten ist. Auch eine Insertion der Falx ist zu sehen (Pfeil). Die punktförmige hypointense Signalveränderung intraventrikulär entspricht einer Einblutung des Plexus choroideus. b Koronale Schicht, T2-gewichtet. Monoventrikel mit separierten Thalami

  • Nachweis oder Ausschluss anlagebedingter Veränderungen bei bekannten oder vermuteten genetisch bedingten Veränderungen eines Geschwisterkindes.

  • Nachweis oder Ausschluss erworbener Störungen in Situationen, die zu einer potenziellen Schädigung des Fetus führen können, wie eine maternale Infektion oder anderen Erkrankung, die einen Einfluss auf den Verlauf der Schwangerschaft nehmen kann (Autoimmunerkrankungen, Eklampsie, Blutgruppeninkompatibilität). Beispielswiese gibt es bei Zytomegalieinfektionen Veränderungen des fetalen Hirns, die dem Ultraschallnachweis entgehen können [13]. Auch MR-Veränderungen der Plazenta können als Hinweis auf einen pathologischen Prozess dienen [7].

  • Überwachung der Integrität des fetalen Hirnparenchyms bei pathologischen Dopplerwerten der A. cerebri media, um im Fall einer beginnenden Schädigung den Geburtszeitpunkt vorzuverlegen.

  • Nachweis oder Ausschluss assoziierter Organschäden bei kardialen Fehlbildungen, wie z. B. Leberzirrhose oder periventrikuläre Leukomalazie.

  • Umfassende Information über Pathologien, die einer unmittelbar postnatalen chirurgischen Therapie bedürfen, wie kongenitale Zwerchfellhernien. Hier ist, zusätzlich zu den oben angeführten Parametern, die in Hinblick auf die Art des therapeutischen Vorgehens und der Langzeitprognose erhoben werden, insbesondere die Volumetrie funktionellen Lungengewebes von Bedeutung, da sich daraus der unmittelbar postnatale bzw. perioperative Beatmungsaufwand vorhersagen lässt. Bei Veränderungen des Darms können anhand der Mekonium- bzw. Flüssigkeitsfüllung der Darmschlingen Stenosen erkannt werden.

  • Darstellung des Ausmaßes der morphologischen Veränderungen bei Spender und Empfänger eines fetofetalen Transfusionssyndroms bzw. des Therapierfolgs nach Laserkoagulation der Kurzschlussgefäße [9].

  • Auffinden einer Ursache für intrauterine Wachstumsrestriktion, wobei insbesondre fetale (meist komplexe Fehlbildungssyndrome) und plazentare Ursachen wie z. B. prämature Reifung der Plazenta mit der MRT erfasst werden können [7].

  • Abklärung der Ursache einer pathologischen Fruchtwassermenge, z. B. Nierenagenesie bei Oligo- oder Anhydramnion, Ösophagusatresie, mechanische Schluckprobleme bei Polyhydramnion (Abb. 6).

    Abb. 6
    figure 6

    a,b SSW 30+5, Polyhydramnion, die MRT zeigt Gesichtsschädelfehlbildungen als Ursache des Schluckdefizits. a Sagittale, T2-gewichtete Schicht, vermehrte Amnionflüssigkeit, Retrognathie. b Koronale T2-gewichtete Schicht: isolierte Gaumenspalte (Pfeil)

  • Nachweis intrauteriner Blutungen, sowohl den Fetus als auch Plazenta und Amnionhöhle betreffend, da Blutabbaubestandteile mit der MRT sensitiv nachzuweisen sind (Abb. 7).

    Abb. 7
    figure 7

    SSW 22+2, Zustand nach Trauma. Koronale T1-gewichtete Schicht: hyperintense Blutabbaubestandteile in der Amnionflüssigkeit (im Vergleich dazu die normale Hypointensität des Liquors). Außerdem durch Ingestion des Blutes hyperintenses Erscheinungsbild der Darmschlingen (in diesem Alter ist noch kein Mekonium in den kranialen Dickdarmabschnitten bzw. im Dünndarm vorhanden)

  • Bestätigung einer US-Diagnose mittels unabhängiger Methode, besonders bei geplantem Schwangerschaftsabbruch (Abb. 4).

  • Überprüfung einer US-/MRT-Diagnose post mortem, falls keine Einwilligung zur Obduktion erhalten werden kann [18].

In Zukunft ist eine Zunahme der Indikationen in Hinblick auf intrauterine Therapien des Fetus zu erwarten. Derzeit werden an einigen Zentren chirurgische Eingriffe bei Hydrozephalus [2], sowie Chiari II [14] unternommen, um Schädigungen des zentralen Nervensystems vorzubeugen. Mit zunehmender Verbesserung (endoskopischer) chirurgischer Methoden wird auch aus kosmetischen Gründen operiert werden, da intrauterin keine kutane Narbenbildung erfolgt. Somit bestünde die Möglichkeit, entstellende Veränderungen wie Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalten frühzeitig zu sanieren [15].

Fazit für die Praxis

Das Ausmaß der MRT-vermittelten Zusatzinformationen im Vergleich zum US ist von der Qualität beider Untersuchungen abhängig. Liegt eine qualitativ hochwertige US-Untersuchung vor, ist rein morphologisch kaum eine weiterführende Erkenntnis aus der MRT zu erwarten [12]. Das gilt insbesondere dann, wenn die MR-Untersuchung über eine reine T2-Bildgebung nicht hinausgeht [13]. Um eine sinnvoll-ergänzende MR-Untersuchung vorzunehmen, muss daher zusätzlich zur Wahl einer geeigneten Spule ein spezifisches Protokoll angewendet werden, das bzgl. Sequenzauswahl, Schichtführung und Schwangerschaftsalter auf die jeweilige Fragestellung abgestimmt ist [16]. Die angeführten fetalen MR-Indikationen sind nur unter der Voraussetzung eines für die jeweilige Fragestellung maßgeschneiderten Protokolls sinnvoll.