Zusammenfassung
Indikationen zur Durchführung einer fetalen Magnetresonanztomographie (MRT) setzen sich aus allgemeinen Fragestellungen zusammen, die auf methodischen Problemen von Ultraschalluntersuchungen (US) beruhen (wie beispielsweise Anhydramnion), und speziellen, bei denen die MR-Eigenschaften der hochauflösenden Gewebedifferenzierung und eines Untersuchungsfensters, das eine Abbildung des gesamten Fetus auch im fortgeschrittenen Schwangerschaftsalter erlaubt, ausgenützt werden. Im Vordergrund stehen dabei die Absicherung von US-Befunden, die Abklärung von Fehlbildungen in Hinblick auf individuelle Prognose und Vorliegen eines Syndroms mit genetisch determiniertem Hintergrund, und die Differenzierung erworbener Störungen von Fehlbildungen, die Abklärung von Veränderungen, die einer unmittelbar postnatalen operativen Therapie bedürfen, und morphologischer Veränderungen der Plazenta.
Abstract
Indications to perform fetal magnetic resonance imaging (MRI) are composed of common ones related to methodological problems of ultrasound (US) assessment (such as for instance hydramnios) and special ones. The latter are related to MR capability of high-resolution soft tissue contrast and an extended field of view that allows visualization of the whole fetus, even in later stages of pregnancy. The most important indications include confirmation of US findings, work-up of malformations with respect to individual prognosis and genetic background, differentiation between acquired conditions and malformations, visualization of pathologies that have to be treated surgically immediately after birth, and morphological changes of the placenta.
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Die Magnetresonanztomographie (MRT) zur Beurteilung der fetalen Entwicklung wird bereits seit den 80er Jahren eingesetzt [17], wobei damals eine Immobilisierung des Feten mittels Curare notwendig war, um artefaktfreie Bilder zu erhalten [3]. Seit der Verfügbarkeit ultraschneller MR-Sequenzen, die eine Akquisition einer Bilderserie in ca. 20 s erlauben, sind eine fetale Sedierung oder Immobilisierung nicht mehr nötig [11]. Seit 1995 wird vom American College of Obstetrics and Gynecologists (ACOG; [1]) die fetale MRT nach dem 1. Trimenon in den Fällen empfohlen, bei denen ungünstige Bedingungen für die Ultraschalluntersuchung (US) vorliegen. Vor einer fetalen MRT muss eine Einverständniserklärung der Schwangeren vorliegen. Weiter muss gemeinsam mit dem zuweisenden Arzt klargestellt werden, welche Konsequenzen aus der Information der Untersuchung gezogen würden.
Indikationen
Aus den Empfehlungen der ACOG ergeben sich „allgemeine“ Indikationen: Die US-Beurteilung ist bei maternaler Fettleibigkeit (Abb. 1), Oligohydramnion (Abb. 2) sowie ungünstiger Lage des Feten zum Schallkopf eingeschränkt. „Spezielle“ Indikationen betreffen Fragestellungen, bei denen die MRT eine bessere Einschätzung der intrauterinen Situation erlaubt als die US-Untersuchung alleine. Wesentlich sind dafür folgende Eigenschaften der MRT:
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Hohe Weichteilauflösung, z. B: Differenzierbarkeit unterschiedlicher Gewebekomponenten wie graue und weiße Substanz zerebral, pulmonal hypolastisches/normales Lungengewebe, funktionelles/nichtfunktionelles Nierengewebe (Abb. 2; [5]), ödematös/blutige Läsionen in allen Organen.
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Aufgrund organspezifischer Signaleigenschaften selektive Darstellung proteinhältiger Strukturen wie Drüsen (Hypophyse, Thyroidea) und Mekonium (Abb. 3).
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Abgrenzbarkeit kleiner Strukturen wie Hirnnerven.
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Größeres Bildfeld als im US, dadurch Darstellbarkeit des gesamten Feten auch am Ende des 3. Trimenons.
Die pränatale MRT ist dann sinnvoll, wenn sich aus der Zusatzinformation folgende Konsequenzen ergeben können:
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Absicherung einer mittels US gestellten Diagnose, die (bei Fehlen assoziierter Störungen) keine Auswirkung auf die fetale Entwicklung besitzt und nach der MR-Diagnostik keiner weiteren diagnostischen oder therapeutischen Maßnahmen bedarf: z. B. milde unilaterale Ventrikulomegalie (<15 mm Trigonalweite), bei der die MRT assoziierte Störungen ausschließen kann [6, 13].
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Abklärung des Ausmaßes einer Fehlbildung, bei der die Prognose und Therapieoptionen vom Ausprägungsgrad der Organbeteiligung abhängig sind. Zum Beispiel besteht bei der kongenitalen Zwerchfellhernie bei bestimmten Befundkonstellationen die Möglichkeit einer intrauterinen Therapie [4]. Die MRT kann dabei Feten, die von dieser Therapie profitieren können, anhand morphologischer Kriterien (Lungenvolumina, Signalintensität der Lungen, Kopf/Lungenratio) selektionieren. Obwohl einige dieser Parameter auch mittel US-Methoden erhoben werden können, erlaubt die MRT hier genauere Aussagen [8].
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Zuordnung morphologischer Befunde zu einem (evtl. genetisch determinierten) Syndrom. Die Diagnose eines Syndroms erlaubt eine genauere Einschätzung zu erwartender klinischer Manifestationen und des Verlaufs. Bei einem genetischen Hintergrund kann darüber hinaus auch das Wiederholungsrisiko bei zukünftigen Schwangerschaften eingeschätzt werden (Abb. 4; [10]). Bei einem Bourneville-Pringle Syndrom etwa verschlechtert sich die Prognose, wenn eine zerebrale Beteiligung vorliegt, was in etwa 40% der Fall ist [5]. Der Nachweis dieser ZNS-Mitbeteiligung gelingt mit der MRT leichter als mit dem US, da Tubera oder dysplastische Läsionen mit US meist nicht aufgelöst werden können.
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Unterscheidung zwischen anlagebedingten (und möglicherweise genetisch determinierten) und erworbenen Veränderungen. Gewebedefekte täuschen u. U. erworbene Störungen vor. Die genaue anatomische Darstellung einer Region kann hier differenzialdiagnostisch weiterhelfen: So gelingt beispielsweise die Abgrenzung einer Hydranenzephalie (als Folge eines bilateralen Mediainfarkts) von einer Holoprosenzephalie (die häufig im Rahmen komplexer Fehlbildungssyndrome gesehen wird; Abb. 4 und Abb. 5).
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Nachweis oder Ausschluss anlagebedingter Veränderungen bei bekannten oder vermuteten genetisch bedingten Veränderungen eines Geschwisterkindes.
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Nachweis oder Ausschluss erworbener Störungen in Situationen, die zu einer potenziellen Schädigung des Fetus führen können, wie eine maternale Infektion oder anderen Erkrankung, die einen Einfluss auf den Verlauf der Schwangerschaft nehmen kann (Autoimmunerkrankungen, Eklampsie, Blutgruppeninkompatibilität). Beispielswiese gibt es bei Zytomegalieinfektionen Veränderungen des fetalen Hirns, die dem Ultraschallnachweis entgehen können [13]. Auch MR-Veränderungen der Plazenta können als Hinweis auf einen pathologischen Prozess dienen [7].
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Überwachung der Integrität des fetalen Hirnparenchyms bei pathologischen Dopplerwerten der A. cerebri media, um im Fall einer beginnenden Schädigung den Geburtszeitpunkt vorzuverlegen.
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Nachweis oder Ausschluss assoziierter Organschäden bei kardialen Fehlbildungen, wie z. B. Leberzirrhose oder periventrikuläre Leukomalazie.
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Umfassende Information über Pathologien, die einer unmittelbar postnatalen chirurgischen Therapie bedürfen, wie kongenitale Zwerchfellhernien. Hier ist, zusätzlich zu den oben angeführten Parametern, die in Hinblick auf die Art des therapeutischen Vorgehens und der Langzeitprognose erhoben werden, insbesondere die Volumetrie funktionellen Lungengewebes von Bedeutung, da sich daraus der unmittelbar postnatale bzw. perioperative Beatmungsaufwand vorhersagen lässt. Bei Veränderungen des Darms können anhand der Mekonium- bzw. Flüssigkeitsfüllung der Darmschlingen Stenosen erkannt werden.
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Darstellung des Ausmaßes der morphologischen Veränderungen bei Spender und Empfänger eines fetofetalen Transfusionssyndroms bzw. des Therapierfolgs nach Laserkoagulation der Kurzschlussgefäße [9].
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Auffinden einer Ursache für intrauterine Wachstumsrestriktion, wobei insbesondre fetale (meist komplexe Fehlbildungssyndrome) und plazentare Ursachen wie z. B. prämature Reifung der Plazenta mit der MRT erfasst werden können [7].
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Abklärung der Ursache einer pathologischen Fruchtwassermenge, z. B. Nierenagenesie bei Oligo- oder Anhydramnion, Ösophagusatresie, mechanische Schluckprobleme bei Polyhydramnion (Abb. 6).
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Nachweis intrauteriner Blutungen, sowohl den Fetus als auch Plazenta und Amnionhöhle betreffend, da Blutabbaubestandteile mit der MRT sensitiv nachzuweisen sind (Abb. 7).
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Bestätigung einer US-Diagnose mittels unabhängiger Methode, besonders bei geplantem Schwangerschaftsabbruch (Abb. 4).
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Überprüfung einer US-/MRT-Diagnose post mortem, falls keine Einwilligung zur Obduktion erhalten werden kann [18].
In Zukunft ist eine Zunahme der Indikationen in Hinblick auf intrauterine Therapien des Fetus zu erwarten. Derzeit werden an einigen Zentren chirurgische Eingriffe bei Hydrozephalus [2], sowie Chiari II [14] unternommen, um Schädigungen des zentralen Nervensystems vorzubeugen. Mit zunehmender Verbesserung (endoskopischer) chirurgischer Methoden wird auch aus kosmetischen Gründen operiert werden, da intrauterin keine kutane Narbenbildung erfolgt. Somit bestünde die Möglichkeit, entstellende Veränderungen wie Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalten frühzeitig zu sanieren [15].
Fazit für die Praxis
Das Ausmaß der MRT-vermittelten Zusatzinformationen im Vergleich zum US ist von der Qualität beider Untersuchungen abhängig. Liegt eine qualitativ hochwertige US-Untersuchung vor, ist rein morphologisch kaum eine weiterführende Erkenntnis aus der MRT zu erwarten [12]. Das gilt insbesondere dann, wenn die MR-Untersuchung über eine reine T2-Bildgebung nicht hinausgeht [13]. Um eine sinnvoll-ergänzende MR-Untersuchung vorzunehmen, muss daher zusätzlich zur Wahl einer geeigneten Spule ein spezifisches Protokoll angewendet werden, das bzgl. Sequenzauswahl, Schichtführung und Schwangerschaftsalter auf die jeweilige Fragestellung abgestimmt ist [16]. Die angeführten fetalen MR-Indikationen sind nur unter der Voraussetzung eines für die jeweilige Fragestellung maßgeschneiderten Protokolls sinnvoll.
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Prayer, D., Brugger, P.C., Krampl, E. et al. Indikationen zur fetalen Magnetresonanztomographie. Radiologe 46, 98–104 (2006). https://doi.org/10.1007/s00117-005-1312-0
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DOI: https://doi.org/10.1007/s00117-005-1312-0