Zusammenfassung
Frakturen des Kalkaneus treten i. Allg. im Zuge von Hochrasanztraumen auf, wobei komplizierte, dreidimensional verlaufende Frakturmuster entstehen. Eine chirurgische Behandlung ist für gewöhnlich bei dislozierten intrartikulären Frakturen indiziert, da so die Höhe, Breite und Gesamtstruktur des Kalkaneus sowie, nach Möglichkeit, die posterioren Gelenkfacetten wiederhergestellt werden können. Zudem kann im Fall einer posttraumatischen Arthritis zu einem späteren Zeitpunkt eine In-situ-Arthrodese vorgenommen werden. Der vorliegende Beitrag bietet eine kurze Besprechung der von uns bevorzugten Verfahren zum Management der Kalkaneusfrakturen.
Abstract
Fractures of the calcaneus generally occur in the setting of high-energy trauma, resulting in complex, three-dimensionally oriented fracture patterns. Surgical treatment is typically indicated for displaced intra-articular fractures, permitting restoration of calcaneal height, width and overall morphology, in addition to the posterior facet articular surface where possible, and enabling late in situ arthrodesis as a means of salvage in the event of post-traumatic arthritis. The present article briefly discusses our preferred methods for the management of calcaneal fractures. An English full text version of this article is available at SpringerLink as supplemental.
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Unter den Frakturen stellt die effektive Versorgung von Kalkaneusfrakturen eine der größten Herausforderungen für den Orthopäden dar. Annähernd 60–75% aller Kalkaneusfrakturen sind dislozierte intraartikuläre Frakturen, bis zu 90% treten bei jungen Männern in den besten Jahren ihres Berufslebens auf, was die wirtschaftliche Bedeutung dieser Verletzungen unterstreicht [9, 12].
Verletzungsmechanismus
Im Allgemeinen treten dislozierte intraartikuläre Kalkaneusfrakturen im Rahmen von Hochrasanztraumen auf, wie bei einem Verkehrsunfall oder einem Sturz aus großer Höhe. Der Verletzungsmechanismus wurde erstmals von Essex-Lopresti beschrieben [12] und später von Carr et al. [5] bestätigt. Im Augenblick des Zusammenstoßes prallt der Processus lateralis des Talus im Gissane-Winkel auf den Kalkaneus auf, wobei das Subtalargelenk in eine Eversion gedrängt wird, was die Seitenwand vom Körper des Kalkaneus trennt und so die primäre laterale Frakturlinie erzeugt. Die übrige Energie wird nach medial in das Sustentakulum abgeleitet und breitet sich unvermindert in den Processus anterior oder das Kalkaneokuboidgelenk aus, wobei ein anterolaterales Fragment entsteht. Eine sekundäre Frakturlinie entsteht dann durch vermehrte Energie: Bei nach hinten gerichteter Energie setzt sich die Frakturlinie in und hinter die posteriore Gelenkfacette fort, was zu einer Gelenkfraktur mit Eindellung, „joint-depression fracture“, führt; bei mehr nach unten gerichteter Energie setzt sich die Frakturlinie nach inferior hin zur posterioren Facette fort, was zu einer Fraktur vom Zungentyp, „tongue-type fracture“, führt (Abb. 1).
Bei einer dislozierten intraartikulären Kalkaneusfraktur führt die Höhenminderung durch den Kalkaneus zu einer verkürzten und verbreiterten Ferse, typischerweise mit Varusfehlstellung des Tubers. Diese Höhenminderung spiegelt sich in einem verminderten Tuber-Gelenk-Winkel nach Böhler insoweit wider, dass die normale Deklination des Talus reduziert ist und der Talus stärker horizontal liegt (Abb. 2). Wird das superolaterale Fragment der posterioren Facette nach plantar gedrückt, birst die dünne Seitenwand direkt hinter dem Gissane-Winkel. Durch die Ausweitung der Seitenwand können die Peronäalsehnen gegen den Malleolus lateralis gedrückt und eingeklemmt werden; in manchen Fällen kann es durch die Gewalt der Peronäalsehnenkontraktur zur Absprengung des Retinaculum mm. peronaeorum superius von der Fibula kommen, die zur Avulsionsfraktur des Malleolus lateralis und zur Dislokation der Peronäalsehnen führt. Der Processus anterior verschiebt sich typischerweise nach superior, dabei wird die Beweglichkeit des Subtalargelenks durch das Auftreffen auf den Processus lateralis des Talus direkt begrenzt.
Die Klärung der Fragmentterminologie ist notwendig für das Verständnis der entscheidenden Pathoanatomie dislozierter intraartikulärer Kalkaneusfrakturen (Abb. 1). Das anterolaterale Fragment umfasst die Seitenwand des Processus anterior, ist normalerweise pyramidenförmig und kann einen Teil der Gelenkfläche des Kalkaneokuboidgelenks beinhalten. Das anteriore Hauptfragment ist das große Fragment vor der primären Frakturlinie, zu dem in der Regel der vordere Teil des Sustentakulums und des Processus anterior gehören. Das superomediale Fragment, das auch Sustentakulumfragment oder konstantes Fragment genannt wird, ist das Fragment mit variabler Größe, das sich hinter der primären Frakturlinie findet; dieses Fragment bleibt fast immer durch den Komplex des Lig. deltoideum am Talus angeheftet und ist daher stabil. Das superolaterale Fragment, das auch als semilunares oder Kometenfragment bezeichnet wird, ist der laterale Teil der posterioren Facette, die bei Joint-depression-Frakturen von der übrigen posterioren Facette abgeschert wird. Das Zungenfragment bezieht sich auf das superolaterale Fragment, welches an einem Teil der Tuberositas posterior einschließlich des Achillessehnenansatzes angeheftet bleibt und bei Tongue-type-Frakturen vorkommt. Das posteriore Hauptfragment stellt die Tuberositas posterior dar.
Radiologische Beurteilung
Konventionelle Röntgenaufnahmen
Bei Verdacht auf eine Kalkaneusfraktur sollte zur konventionellen radiologischen Diagnostik eine Lateralansicht des Rückfußes, eine a.-p.-Ansicht des Fußes, eine Axialaufnahme der Ferse und eine a.-p.-Aufnahme in 20° Innenrotation („mortise view“) des Knöchels angefertigt werden.
Eine Kalkaneusfraktur ist am einfachsten auf der Seitenansicht des Rückfußes zu erkennen.
Bei einer intraartikulären Fraktur findet sich Folgendes: eine Höhenminderung der posterioren Facette – die Gelenkfläche ist innerhalb des Körpers des Kalkaneus impaktiert und gewöhnlich bis zu 90° im Verhältnis zum übrigen Subtalargelenk nach vorn rotiert; ein verkleinerter Böhler-Winkel und ein vergrößerter Gissane-Winkel sind bei Frakturmustern zu sehen, bei denen die ganze posteriore Facette vom Sustentakulum getrennt und eingedrückt wird (Abb. 2 b); wenn nur der seitliche Teil der posterioren Facette beteiligt ist, manifestiert sich der Spalt in der Gelenkfläche als Double-density-Zeichen, dabei bleibt die normale Größe des Böhler- und Gissane-Winkels erhalten (Abb. 2 c). Die Seitenansicht ermöglicht die Einstufung der Fraktur als Joint-depression- oder Tongue-type-Fraktur [12].
Mit der a.-p.-Ansicht des Fußes lassen sich normalerweise die Ausdehnung der Frakturlinien bis in das Kalkaneokuboidgelenk sowie anterolaterale Fragmente und die Ausweitung der Seitenwand des Kalkaneus darstellen. Die axiale Ansicht des Fußes nach Harris zeigt eine Höhenminderung des Kalkaneus, eine größere Breite sowie die (typische) Varusstellung des Tuberositasfragments und macht die Gelenkfläche sichtbar. Eine a.-p.-Aufnahme in 20° Innenrotation („mortise view“) des Knöchels zeigt gewöhnlich, ob eine Beteiligung der posterioren Gelenkfläche vorliegt.
Computertomographie
Wenn die konventionellen Röntgenaufnahmen eine Erstreckung der Kalkaneusfraktur bis intraartikulär zeigen, ist eine Computertomographie- (CT-)Untersuchung indiziert. Es werden Aufnahmen in 2- bis 3-mm-Schichten in der axialen, sagittalen und semikoronalen 30°-Ebene erstellt.
Die Axial- oder Querschnitte zeigen die Ausdehnung von Frakturlinien bis in den Processus anterior und das Kalkaneokuboidgelenk sowie das Sustentaculum tali und den anteroinferioren Rand der posterioren Facette (Abb. 1 a). In den Sagittalansichten ist eine Dislokation des Tuberositasfragments nachweisbar – das Ausmaß der Beteiligung des Processus anterior einschließlich der Verlagerung des anterolateralen Fragments nach superior, die Rotation des superolateralen posterioren Facettenfragments nach anterior und die Einstufung der Fraktur als Joint-depression- oder Tongue-type-Fraktur wird so möglich (Abb. 1 b, [12]). Die semikoronalen 30°-Aufnahmen zeigen eine Verlagerung von Gelenkfragmenten in die posteriore Facette, das Sustentaculum tali, das Ausmaß der Verbreiterung und Verkürzung des Kalkaneuskörpers, die Ausweitung der Seitenwand des Kalkaneus, die Varusstellung der Tuberositas und die Lokalisierung der Peronäussehnen (Abb. 1 c).
Therapie
Konservativer Ansatz
Die konservative Therapie bleibt am besten den intraartikulären Frakturen vorbehalten, die in der CT-Aufnahme nicht disloziert sind (Sanders-Typ I; [10, 20, 21]). Zu den weiteren spezifischen Indikationen gehören Frakturen bei Patienten mit schwerer peripherer arterieller Verschlusskrankheit oder insulinpflichtigem Diabetes mellitus, anderen internistischen Begleiterkrankungen, die eine Operation nicht zulassen, und Frakturen bei älteren Patienten, die sich nur minimal (im Haus) bewegen [19].
Chirurgischer Ansatz
Eine chirurgische Behandlung ist normalerweise indiziert bei dislozierten intraartikulären Frakturen mit Beteiligung der posterioren Facette. Wir bevorzugen den erweiterbaren lateralen Zugang bei dislozierten intraartikulären Frakturen, da er durchweg eine Verkleinerung des Kalkaneuskörpers, die Wiederherstellung der Kalkaneushöhe und -breite unabhängig vom Ausmaß der Schädigung und, soweit möglich, eine Verkleinerung der Gelenkfläche erlaubt [21]. Die Operation wird im Idealfall innerhalb der ersten 3 Wochen nach Eintreten der Verletzung vor Beginn der Frakturkonsolidierung durchgeführt, muss aber aufgeschoben werden, bis die begleitende Schwellung der Weichteile entsprechend abgeklungen ist, was ein positiver „wrinkle test“ [20] anzeigt.
Geschlossene Reposition/perkutane Fixierung
Essex-Lopresti-Technik bei extraartikulären Tongue-type-Frakturen (Sanders-Typ IIC)
Der Patient wird in Bauchlage mit einer Auflage unter dem Fuß gelagert, dadurch wird der Gastrocnemius-Soleus-Komplex entspannt. Alternativ kann der Patient in lateraler Dekubitusposition gelagert werden. Zwei am Ende mit Fäden versehene 3,2-mm-Führungsdrähte werden an der oberen Kante des Tubers platziert und parallel zur zungenförmigen Frakturlinie transversal (Axialebene) eingebracht, sodass sie unmittelbar unter dem unteren Rand der Vorderkante der dislozierten posterioren Facette aus dem Frakturbereich austreten können (Abb. 3 a). Während der Fußrücken in der einen Handfläche liegt und die andere Hand die Führungsdrähte hält, werden beide Daumen etwa in der Mitte des Kalkaneus auf der Plantarseite des Fußes aufgesetzt. Die zungenförmige Fraktur wird zuerst durch Hebelwirkung auf die Führungsdrähte bei gleichzeitiger Plantarflexion des Mittelfußes aus ihrer Einklemmung gelöst.
Der Nachweis der Reposition des Zungenfragments erfolgt unter Durchleuchtung, dabei wird der Mittelfuß weiterhin in Plantarflexion gehalten und die Führungsdrähte werden bis kurz vor der plantaren Ecke des Kalkaneokuboidgelenks in den Processus anterior vorgeschoben (Abb. 3 b). Über eine Stichinzision kann ein kleiner Periostelevator bei der Reposition zu Hilfe genommen werden, wenn sich das Zungenfragment nicht lösen lässt. Die Reposition und die Lage der Führungsdrähte werden unter Durchleuchtung in a.-p.-, Lateral-, Axial- und Brodén-Aufnahmen beurteilt. Die definitive Fixation erfolgt entweder mit zwei großen kanülierten Schrauben (6,5–8,0 mm) oder mehreren Kleinfragmentschrauben (Abb. 3 c, [23]). Eine zusätzliche Kleinfragmentschraube kann benutzt werden, wenn in der koronalen Ebene noch eine Erweiterung des Spalts zwischen dem Zungenfragment und dem Sustentakulum besteht. Lässt sich das Zungenfragment nicht reponieren, wird die geschlossene Reposition in eine offene Reposition mit erweiterbarem lateralem Zugang umgewandelt.
Trotz des in letzter Zeit zunehmenden Interesses an perkutanen oder minimal-invasiven Ansätzen bei intraartikulären Verletzungsmustern liegt bei den meisten Frakturmustern eine so hohe dreidimensionale Komplexität vor, dass diese Ansätze allenfalls den einfachen artikulären Verletzungsmustern (Sanders 2A) vorbehalten bleiben sollten – und das erst bei vollständiger Beherrschung der Pathoanatomie des Kalkaneus.
Offene Reposition mit interner Fixation
Erweiterbarer lateraler Zugang bei Joint-depression-Fraktur
Lagerung, Inzision und Zugang
Der Patient wird in lateraler Dekubitusposition auf einem Sandsack gelagert. Die unteren Extremitäten werden scherenförmig gelagert, dabei ist das zu operierende Bein im Knie gewinkelt und die Knöchel sind auf die distale, hintere Ecke des Operationstisches ausgerichtet, während das nicht zu operierende Bein im Knie gestreckt wird und vom vorgesehenen Operationsfeld entfernt liegt. Eine ebene Arbeitsfläche wird mit Decken und Schaumstoffpolstern geschaffen, um so das zu operierende Bein anzuheben.
Die Operation sollte innerhalb von 120–130 min ab Blutsperre beendet sein, um das Ausmaß potenzieller Wundheilungsstörungen so gering wie möglich zu halten. Große Sorgfalt im Hinblick auf Details wie Platzierung der Inzision und schonende Behandlung der Weichteile ist außerdem von überragender Bedeutung. Die Inzision beginnt 2 cm proximal der Spitze des Malleolus lateralis, unmittelbar lateral der Achillessehne und somit hinter dem N. suralis und der lateralen Fersenarterie [3], der vertikale Teil der Inzision erstreckt sich Richtung Fußsohle. Der horizontale Teil setzt sich fort am Übergang von der Haut des lateralen Fußes in den Fersenballen, dabei verbindet eine sanft geschwungene Kurve die beiden Teile der (L-förmigen) Inzision (Abb. 4 a). Die Dissektion erfolgt proximal insbesondere auf der Höhe des Tuber calcanei „direkt bis zum Knochen“ und setzt sich fort bis zum Mittelpunkt des horizontalen Teils der Inzision.
Ein subperiostaler Vollhautlappen wird dann – an der Spitze beginnend und insbesondere unter Vermeidung des Einsatzes von Retraktoren – abgehoben, bis er von ausreichender Größe ist. Es folgt die scharfe Lösung des Lig. calcaneofibulare von der Seitenwand des Kalkaneus, und die angrenzenden Peronäalsehnen werden vom Processus trochlearis durch den knorpeligen „Flaschenzug“ gelöst. Dann wird ein Periostelevator eingesetzt, um die Sehnen vorsichtig am distalen Teil der Inzision entlang zu mobilisieren, dabei wird der anterolaterale Kalkaneus dargestellt. Die Peronäalsehnen, der N. suralis und die laterale Fersenarterie befinden sich somit vollständig innerhalb des Lappens, was zur Minimierung der Devaskularisierung der lateralen Haut führt. Die tiefe Dissektion setzt sich nach anterior fort bis zum Sinus tarsi und zum Bereich des Processus anterior, nach distal zum Kalkaneokuboidgelenk und nach posterior zum weitest superior gelegenen Teil des Tuber calcanei. Kirschner-Drähte (1,6 mm) werden in Fibula, Talushals und Kuboid platziert, um die Retraktion des Subperiostallappens in „No-touch-Technik“ durchzuführen.
Fragmentmobilisierung
Das Fragment der ausgeweiteten Seitenwand wird mobilisiert und in Kochsalzlösung auf dem Instrumententisch konserviert. Das angrenzende impaktierte superolaterale Gelenkfragment der posterioren Facette wird vorsichtig mit einem kleinen Periostelevator am plantaren Rand des Fragments innerhalb des Kalkaneuskörpers angehoben. Die Gelenkfläche des Fragments wird im Hinblick auf Knorpelschäden beurteilt, etwaige Resthämatome entfernt und das Fragment ebenfalls in Kochsalzlösung auf dem Instrumententisch konserviert. Bei der Entfernung des Gelenkfragments kommt es zur Darstellung des Sustentakulumfragments, des Tuberositasfragments und der schräg gerichteten primären Frakturlinie medial (Abb. 4 b).
Ein Periostelevator wird durch die primäre Frakturlinie eingeführt; mit ihm erfolgt eine Hebelung nach plantar, dadurch löst sich das Tuberositasfragment vom Sustentakulumfragment und stellt die Kalkaneushöhe und -länge entlang der medialen Kalkaneuswand wieder her ([4, 11]; Abb. 4 b). Eine 4,5-mm-Schanz-Schraube wird in die hintere untere Ecke des Tuber calcanei platziert, ferner erfolgt dann eine longitudinale Traktions- und eine mediale Translationsbewegung am Tuber, und es wird in Valgusstellung gebracht [2].
Reposition der Gelenkfläche und des Processus anterior
Dann richtet sich die Aufmerksamkeit auf das posteriore Facettenfragment/die posterioren Facettenfragmente: Liegt nur ein Fragment vor (Sanders-Typ-II-Fraktur), werden 1,6-mm-Kirschner-Drähte parallel zu Gelenkfläche des superolateralen Fragments platziert, um die Reposition zu erleichtern; bei zwei separaten Fragmenten (Sanders-Typ-III-Fraktur) wird zuerst das zentrale Gelenkfragment zum Sustentakulumfragment hin reponiert und provisorisch mit 1,6-mm-Kirschner-Drähten gehalten, die durch resorbierbare 1,5-mm-Nägel aus Poly-L-Lactid (PLLA) ausgetauscht werden. Mithilfe eines tragbaren Elektrokautersystems werden die hervorstehenden Nagelenden bündig mit der knöchernen Oberfläche abgeschnitten. Das superolaterale (weitest laterale Gelenk-)Fragment wird dann reponiert und provisorisch an dem zentralen und dem Sustentakulumfragment befestigt. Das Gelenkfragment/die Gelenkfragmente müssen exakt reponiert werden, damit die Ausrichtung in (superior-inferiore) Höhe, (a.-p.-) Rotation und koronale Ebene (Varus – Valgus) korrekt ist. Das Anstoßen des Tuberositasfragments an das Gelenkfragment/die Gelenkfragmente kann die Reposition unmöglich machen. Also kann es sein, dass der Chirurg die Tuberositas noch weiter mit einer in die Varusstellung gerichteten Kraft lösen oder überschüssigen Knochen von der Tuberositas entfernen muss, um den Weg für das Gelenkfragment/die Gelenkfragmente zu ebnen.
Die Fragmente des Processus anterior sind vom intakten interossären Ligament normalerweise nach oben disloziert. Mit einer dentalen Sonde werden die Fragmente nach unten gezogen und provisorisch mit 1,6-mm-Kirschner-Drähten gesichert. Häufig liegt eine Variabilität der Frakturlinien im Processus anterior vor, insbesondere bei Hochrasanzverletzungsmustern, sodass drei separate Fragmente vorhanden sein können. In diesem Fall muss der Operateur sicherstellen, dass das zentrale Fragment nicht nach oben disloziert bleibt, wenn das anterolaterale Fragment reponiert wird. Dabei kann ein Laminaspreizer zur Erleichterung der Reposition des zentralen Fragments eingesetzt werden.
Eine transverse Frakturlinie kann durch den Gissane-Winkel verlaufen, dabei kann das Sustentakulumfragment unter das anteriore Hauptfragment nach vorn rotieren. In diesem Fall muss vor der Gelenkreposition die Rotation des Sustentakulumfragments rückgängig gemacht und das Fragment reponiert und provisorisch am anterioren Hauptfragment befestigt werden, um eine Malrotation der ganzen Gelenkfläche der posterioren Facette zu verhindern.
Sobald die Gelenkfragmente der posterioren Facette reponiert sind, wird die Gelenkreposition durch eine fensterartige Darstellung verifiziert: die anteriore und posteriore Ecke des superolateralen Fragments sollten in einer Reihe stehen mit der anterioren und posterioren Ecke des Sustentakulumfragments. Eine vollständige Darstellung der Gelenkfläche hinten kann mit einem kleinen Retraktor erleichtert werden, der am Hinterrand der Gelenkfläche platziert wird. Gelingt die Darstellung der posterioren Facette nicht von beiden Seiten des „Fensters“, so kann es zu einer Fehlreposition des Fragments/der Fragmente in der Sagittalebene kommen.
Jetzt sollte die hintere Ecke des anterolateralen Fragments sich in die anterior-inferiore Ecke des superolateralen Fragments „einkeilen“, damit wird der Gissane-Winkel wiederhergestellt; die Seitenwand und der Körper des Kalkaneus sollten mit einer einfachen Bewegung der Schanz-Schraube in Valgusstellung in eine Linie gebracht werden, und das zuvor exzidierte Seitenwandfragment sollte somit in seine anatomische Lage reponiert werden. Dadurch zeigt sich zumindest, dass die laterale Säule vollständig wiederhergestellt ist. Die Reposition wird unter Durchleuchtung einschließlich Seiten-, Brodén- und Axialaufnahmen dokumentiert.
Definitive Fixation
Die posteriore Facette wird mit 3,5-mm-Kortikalis-Zugschrauben gesichert, in der Regel mit einer Schraube außerhalb der Platte und einer Schraube durch die Platte und direkt unter der Gelenkfläche platziert mit Ausrichtung distal und leicht plantar des Sustentakulums. Dann wird eine laterale Niedrigprofilneutralisationsplatte ausgewählt. Die Schraubenplatzierung unter Krafteinsatz bringt die Platte zum Knochen und verringert die Breite des Kalkaneus. Die Platte wird mit 3,5-mm-Kortikalis- oder 4,0-mm-Spongiosaschrauben gesichert, dabei wird am Processus anterior begonnen. Die am weitesten distal gelegenen Löcher in der Platte werden zur Anpassung der Ausrichtung des Kalkaneokuboidgelenks leicht nach posterior ausgerichtet. Unter Beibehaltung eines gleichzeitigen Druckes auf die Platte von lateral nach medial (mit dem Daumen des Operateurs) und einem in Valgusrichtung ausgeübten Druck auf die Unterseite des Tubers (mit dem Mittel- und Ringfinger des Operateurs) wird dann der Tuber calcanei mit der Platte gesichert. Die Hauptteile des Kalkaneus (Processus anterior, Tuberositas posterior und Gelenkfläche) werden noch weiter mit der Platte stabilisiert, indem 2 Schrauben jeden Teil durchdringen (Abb. 5 a–c). Bei schlechter Knochenbeschaffenheit des Patienten können zusätzliche Verriegelungsbolzen unterhalb des Gelenkbereichs der posterioren Facette als sparrenartige Stützen eingesetzt werden, um so die Kalkaneushöhe (Abb. 5 d) zu erhalten. Abschließend werden Aufnahmen unter Durchleuchtung angefertigt, um die Reposition und Implantatplatzierung zu dokumentieren.
Beurteilung der Peronäalsehnen
Nach Entfernung der Kirschner-Drähte wird ein Freer-Elevatorium innerhalb der Peronäalsehnenscheide bis auf die Höhe des Malleolus lateralis vorgeschoben und mit Hebelbewegungen weiter eingebracht – unter Beobachtung der darüber liegenden Haut, um die Stabilität des Retinaculum mm. peronaeorum superius und des Sehnenschafts zu beurteilen (Abb. 6 a). Wenn die Sehnenscheide vom Malleolus lateralis gelöst wird, kann das Elevatorium leicht vor die Fibula gleiten und die Rekonstruktion der Sehnenscheide erforderlich machen. Dann wird zur Darstellung der Sehnenscheide eine kleine Inzision (<3 cm) entlang der Hinterkante des Malleolus lateralis gesetzt. Sind die Peronäalsehnen in den Sulcus tendinum mm. peronaeorum reponiert, können ein bis zwei Nahtanker verwendet werden, um die abgelöste Sehnenscheide sicher am Knochen zu befestigen (Abb. 6 b, [8]).
Wundverschluss
Es erfolgt das Legen einer tiefen Drainage, deren Ausgang sich proximal in einer Linie mit dem vertikalen Teil der Inzision befindet, dann werden tiefe unterbrochene Nähte mit absorbierbaren Fäden der Stärke 0 gelegt, die an der Spitze der Inzision beginnen und sich bis zu dem proximalen und dem distalen Ende fortsetzten. Die Nähte werden mit einer Klemme gehalten, bis alle Nähte gelegt sind, dann – beginnend am proximalen und am distalen Ende und in Richtung der Spitze der Inzision vorwärtsschreitend – von Hand festgezogen, um Spannung von der Spitze der Wunde zu nehmen. Es folgt das Schließen der Hautschicht mit monofilen 3-0-Fäden in modifizierter Allgöwer-Donati-Technik. Die Blutsperre wird gelöst und eine dicke Gipsschiene angelegt.
Postoperativer Ablauf
Sobald die Inzision vollständig verschlossen und trocken ist, werden die Nähte entfernt, in der Regel nach 3–4 Wochen. Der Patient bekommt Kompressionsstrümpfe und eine Knöchelorthese, außerdem beginnt er ein frühes Bewegungstraining des Knöchels und des Subtalargelenks mit Range-of-motion-Übungen. Erst 10–12 Wochen postoperativ wird mit der Gewichtsbelastung begonnen, und der Patient kann allmählich normale Schuhe tragen.
Kombinierte Techniken bei Split-tongue-Frakturen
Intraartikuläre Tongue-type-Frakturen (Frakturen mit gesplitterter Zunge, Sanders-Typ 2A oder B und III) erfordern eine offene Reposition über einen erweiterbaren lateralen Zugang. Dabei verhindert der Zug der Achillessehne oftmals die Reposition des lateralen artikulären Zungenfragments in die richtige Rotation in der Sagittalebene. Wir benutzen für die Reposition des Zungenfragments die Technik nach Essex-Lopresti bei offenem Vorgehen. Dabei setzen wir bevorzugt eine 4,5-mm-Schanz-Schraube ein, die perkutan in das Zungenfragment eingebracht wird, dadurch werden die deformierenden Kräfte der Achillessehne neutralisiert und eine anatomische Reposition der Gelenkfläche in der Sagittalebene ermöglicht. Der übrige Ablauf erfolgt wie bereits beschrieben.
ORIF/primäre Arthrodese bei Sanders-Typ-IV-Frakturen
Eine ORIF (offene Reposition mit interner Fixation) bei primärer subtalarer Arthrodese ist nur indiziert bei intraartikulären Frakturen mit hochgradiger Zerstörung (schwere Sanders-Typ-III- und alle -Typ-IV-Frakturen), bei denen die Gelenkfläche intraoperativ als nicht rekonstruierbar beurteilt wird [21]. Standard-ORIF-Verfahren werden über einen erweiterbaren lateralen Zugang eingesetzt, um die Kalkaneushöhe, -breite und Gesamtmorphologie vollständig wiederherzustellen. Eine primäre subtalare Arthrodese wird im Fall einer unzureichenden intraartikulären Reposition, schwergradiger Knorpelablösung oder bei Fehlen eines wesentlichen Teils der Gelenkfläche durchgeführt [7].
Komplikationen
Wundheilungsstörungen
Die häufigste Komplikation nach chirurgischer Therapie einer Kalkaneusfraktur ist die Nahtdehiszenz, sie tritt in bis zu 25% der Fälle auf [1, 2, 14, 15, 16, 17, 21].
Die häufigste Komplikation nach chirurgischer Therapie einer Kalkaneusfraktur ist die Nahtdehiszenz
Die Mehrzahl der Wunden heilt letztendlich zu, denn eine tiefe Infektion und Osteomyelitis entwickelt sich nur bei 1–4% der geschlossenen Frakturen [1, 15, 16, 17]. Tritt eine Nahtdehiszenz auf, werden sämtliche Bewegungsübungen abgesetzt, und es wird mit täglicher Whirlpool-Therapie, feuchten Verbänden, die gewechselt werden, wenn sie trocken sind, und oralen Antibiotika begonnen. Sobald sich die Wunde schließt, werden die Bewegungsübungen fortgesetzt. Für schwer heilende Wunden setzen wir bevorzugt ein System zur Erzeugung von negativem Druck ein, um die Wundheilung zu fördern.
Posttraumatische subtalare Arthritis
Eine posttraumatische Arthritis kann auch nach ORIF entstehen, selbst in Fällen mit wirklich anatomischer Reposition, und zwar aufgrund des Knorpelschadens zum Zeitpunkt der Verletzung [20]. Da Kalkaneushöhe und -morphologie bereits wiederhergestellt worden sind, können die Implantatentfernung und eine subtalare In-situ-Arthrodese durchgeführt werden [13, 20, 22]. Unserer Erfahrung nach sind in diesem Fall die Ergebnisse signifikant besser bei Patienten mit Spätarthrodese als bei Patienten mit Frakturheilung des Kalkaneus in Fehlstellung, bei denen Kalkaneushöhe und -morphologie initial nicht wiederhergestellt worden waren [6, 18].
Fazit für die Praxis
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Kalkaneusfrakturen sind üblicherweise Hochrasanztraumen mit komplexen, dreidimensionalen Frakturmustern.
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Bei dislozierten intraartikulären Frakturen ist in der Regel die chirurgische Behandlung über einen erweiterbaren lateralen Zugang erforderlich.
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Ein gründliches Verständnis der relevanten Pathoanatomie und ein sorgfältiger Umgang mit den Weichteilen sind entscheidend für bestmögliche Ergebnisse bei den Patienten.
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Clare, M., Sanders, R. Kalkaneusfrakturen . Unfallchirurg 114, 869–876 (2011). https://doi.org/10.1007/s00113-011-2076-9
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