Frakturen des Beckenrings im höheren Lebensalter gewinnen zunehmend an Bedeutung [27, 28]. In vielen Fällen handelt es sich dabei um „okkulte“ oder Insuffizienzfrakturen des Beckens auf dem Boden von Erkrankungen, wie z. B. osteoporotische Frakturen, die das Skelettsystem mit betreffen [73].

Für osteoporotische Frakturen des Beckenrings ist mit einem steten Anstieg der Inzidenz, v. a. aufgrund der höheren Lebenserwartung, zu rechnen [27, 28]. Ein hoher Prozentsatz dieser Frakturen kann als Ermüdungs- oder „okkulte“ Fraktur diagnostiziert werden, bei denen kein typischer Unfallmechanismus vorliegt, mit spontanen Schmerzen ohne Trauma, häufig im Bereich des dorsalen Beckens. Ansonsten dominieren einfache Stürze aus dem Stand heraus [9]. Demgegenüber stehen die klassischen Frakturen des Beckenrings, bei denen ein spezifischer Unfallmechanismus zur Fraktur geführt hat. Aktuelle Untersuchungen zeigen, dass von allen Beckenringverletzungen etwa 1/3 auf Patienten entfällt, die älter als 65 Jahre sind [9].

Verschiedene biomechanische Studien befassen sich mit Stabilisierungstechniken für Beckenring- und Azetabulumfrakturen. In der Mehrzahl der Fälle werden interne Stabilisierungstechniken für den hinteren Beckenring analysiert, am häufigsten Beckenverletzungen mit Symphysensprengung und Sprengung des Sakroiliakal- (SI-)Gelenks, weniger auch bei Sakrum- oder Iliumfrakturen [1, 3, 4, 8, 13, 18, 24, 34, 36, 51, 52, 64, 69, 72]. Spezifische Untersuchungen zu osteoporotischen Frakturen des Beckens fehlen bisher. Allerdings wurden viele biomechanische Untersuchungen an Leichenbecken durchgeführt, die zu Lebzeiten ein Alter über 70 Jahren hatten, sodass die Ergebnisse durchaus auf die osteoporotische Situation übertragen werden können.

Im Folgenden wird ein Überblick über die derzeitigen Studien zur Biomechanik von Beckenring- und Azetabulumfrakturen gegeben. Um den Rahmen dieses Beitrages nicht zu sprengen, wird für die Beckenringverletzungen primär auf die Stabilisierung der translatorisch instabilen Typ-C-Verletzungen eingegangen. Dieses erfolgt vor dem Hintergrund, dass sich klinisch ein stabilitätsbasiertes Behandlungskonzept bewährt hat. Danach werden Typ-B-Verletzungen ausschließlich anterior stabilisiert, während Typ-C-Verletzungen mit anteriorer und posteriorer Beckenringstabilisierung die besten Therapieergebnisse aufweisen (u. a. [15, 39, 40, 53]).

Zur Beckenringklassifikation werden die Richtlinien der Orthopaedic Trauma Association (OTA) angegeben [49], die Azetabulumfrakturen werden nach Letournel u. Judet [37] klassifiziert.

Biomechanische Ergebnisse bei Beckenringfrakturen

Instabile Iliumfrakturen

Die klassische Iliumfraktur, die variabel von der Crista iliaca startet und im Bereich des Foramen ischiadicum majus ausläuft (OTA 61-C1.1) gehört zu den eher seltenen Frakturtypen im höheren Alter [53].

Simonian et al. [67] führten die bisher einzige biomechanische Studie dieses Frakturtyps an unfixierten Leichenbecken im Einbeinstand durch. Die Fraktur wurde nach primären Bohrungen im Ilium mit einem Meißel vervollständigt. Das Alter der Leichenbecken lag zum Todeszeitpunkt bei durchschnittlich 77 Jahren (71–87 Jahre). Die Messungen erfolgten mittels Dehnungsmesstechnik, wobei eine Maximalkraft von 500 N oder eine Dislokation von 4 mm als Endpunkte gewertet wurden.

Bei den analysierten 6 Stabilisationstechniken fand sich keine statistisch signifikante Differenz der Ergebnisse. Stabilisationsmethoden mit den höchsten erreichten Kräften waren Stabilisierungen mit einer 3,5-mm-Schraubenosteosynthese am Beckenkamm, kombiniert mit einer a.p.-4,5-mm-Schraubenosteosynthese im Bereich der Linea terminalis bzw. einer Plattenosteosynthese auf die Beckeneingangsebene.

Instabile Iliumfrakturen beim älteren Menschen sollten mittels Schraubenosteosynthese im Bereich der Crista iliaca und einer Osteosynthese der Beckeneingangsebene stabilisiert werden.

Sakroiliakalgelenksprengungen

Verschiedene Untersuchungen analysierten die Biomechanik von Osteosynthesen kompletter SI-Gelenk-Zerreißungen (OTA 61-C1.2; [1, 8, 13, 22, 24, 25, 36, 43, 45, 54, 55, 56, 58, 68, 70, 71, 72]). Bei 3 Untersuchungen wurden Kunststoffbecken verwendet [33, 60, 78]. Diese Analysen zeigten im Einbeinstandmodell die besten Ergebnisse nach Stabilisierung des SI-Gelenks mittels zweier transiliosakraler Schrauben, werden jedoch hier nicht weiter betrachtet. Die meisten Untersuchungen wurden im Einbeinstand durchgeführt [1, 22, 36, 43] [54, 55, 56, 70, 71, 72].

Schon früh konnten Tile et al. [72], McBroom u. Tile [43] und Hearn et al. [22] zeigen, dass bei einem Verletzungstyp mit Symphysensprengung und SI-Gelenk-Sprengung (OTA 61-C1.2 c5) die alleinige ventrale Stabilisierung des Beckenrings nicht ausreichend ist und schon bei Kräften von maximal 200 N eine Dislokation von mindestens 1 cm auftritt. Die zusätzliche posteriore Stabilisierung des verletzten SI-Gelenks führt zu einer deutlich höheren Belastungsfähigkeit des Beckens, nach anteriorer Fixateurapplikation auf ca. 1000 N und nach Doppelplattenosteosynthese der Symphyse auf knapp 2000 N [43, 70]. Die Art der posterioren Osteosynthese war dabei weitestgehend ohne Einfluss auf die Stabilität des Beckenrings.

Die ventrale Plattenosteosynthese des SI-Gelenks mit 2 Platten erreichte eine Steifigkeit von 270 N/mm, die transiliosakrale Schraubenosteosynthese von etwa 290 N/mm und die Stabilisierung mit 2 Sakralstäben von etwa 320 N/mm. Im Wesentlichen kam es dabei zu einer mediolateralen Dislokation, während eine kraniokaudale bzw. a.p.-Dislokation zu vernachlässigen war. Die Osteosynthese des SI-Gelenks mittels transiliosakraler Schrauben bzw. Sakralstäben schützte das SI-Gelenk am besten gegen eine mediolaterale Dislokation. Weitere Untersuchungen analysierten verschiedene Stabilisierungskonzepte am vorderen und hinteren Beckenring.

Stabilisierungsmethoden

Leighton et al. [36] analysierten unfixierte Leichenbecken im Einbeinstand bei einer Verletzung OTA 61-C1.2 c5. Die Symphyse wurde mit einer oder 2 Platten, das SI-Gelenk mit einer speziell entwickelten ventralen Platte oder 3 transiliosakralen Schrauben stabilisiert. Es wurden keine Unterschiede für beide posteriore Stabilisierungstechniken gefunden. Die Steifigkeit der Konstrukte war jedoch nach anteriorer Beckenringstabilisierung mit zwei Symphysenplatten höher.

Albert et al. [1] analysierten u. a. 4 frische Leichenbecken bei einer Verletzung OTA 61-C1.2 c5, bei denen die Symphyse mittels einer 4-Loch-Rekonstruktionsplatte stabilisiert wurde. Das SI-Gelenk wurde von dorsal mit einer ilioiliakalen 4,5-mm-Plattenosteosynthese oder einem Sakralstab stabilisiert. Nach Sakralstabosteosynthese fand sich eine höhere Stabilität des dorsalen Beckenrings.

Rieger [54] und Rieger et al. [55, 56] untersuchten den gleichen Verletzungstyp mit Abduktorensimulation. Die Symphyse wurde mittels Orthofix-Fixateur, Monotube-Fixateur oder einer 4-Loch-dynamischen-Kompressions- (DC-)Platte stabilisiert, das SI-Gelenk wurde mit 2 Sakralstäben, einer ventralen 3-Loch-DC-Plattenosteosynthese oder 2 transiliosakralen Schrauben stabilisiert. Die Belastung wurde bei Erreichen physiologischer Belastungen von etwa 784,8 N (80 kg Körpergewicht) oder einem Implantatversagen bei Fehlstellung von mehr als 10 mm beendet. Die zusätzliche dorsale Stabilisierung führte zu einem Stabilitätsanstieg, wobei die transiliosakrale Verschraubung höhere Kräfte aushielt als die anteriore Platten- oder die Sakralstabosteosynthese. Auf jeden Fall ermöglichte die interne Fixation der Symphyse fast doppelt so hohe Maximalbelastungen wie nach Fixateurstabilisierung.

Die Sakralstabosteosynthese und die transiliosakrale Schraubenosteosynthese des zerrissenen SI-Gelenks ergeben die höchsten Steifigkeiten im Einbeinstandmodell. Zur Vermeidung sekundärer Dislokationen ist die Stabilisierung des vorderen Beckenrings obligat.

Der Einfluss von lateralen Kompressionskräften auf die Osteosynthese des SI-Gelenks bei gleichzeitiger Symphysensprengung zeigte die höchsten Stabilitätsraten nach Plattenosteosynthese des SI-Gelenks im Vergleich zu transiliosakraler Verschraubung bzw. anteriorer Cerclagenosteosynthese des SI-Gelenks bei unterschiedlichen Stabilisierungstechniken der Symphyse [13, 24, 25].

Positionseinfluss

Der Einfluss der sitzenden oder stehenden Position wurde von Mears u. Rubash betrachtet [45]. Sie analysierten 17 frische Leichenbecken mit beidseitigen SI-Gelenk-Sprengungen und Symphysensprengung (OTA 61-C3.1 c5) ohne Muskelsimulation. Auch hier wurde die Belastung beim Erreichen physiologischer Belastungen oder einem Implantatversagen bei Fehlstellung von mehr als 15 mm beendet. Durch die posteriore Beckenringstabilisierung mittels ventraler 3-Loch-Platte oder der von Mears et al. [44] entwickelten ilioiliakalen, der sog. „double cobra plate“, konnten zum intakten Becken vergleichbare Kräfte gemessen werden. Die Art der Symphysenstabilisierung hatte keinen Einfluss auf die Steifigkeit und Stabilität des Konstrukts.

Shaw et al. [64] untersuchten ebenfalls die sitzende Position unter axialer Belastung. Nach Testung des intakten Beckens wurde eine Verletzung OTA 61-C1.2 c1 simuliert, wobei der vordere Beckenring mittels Fixateur externe und der hintere Beckenring mittels zweier Sakralstäbe stabilisiert wurde. Sie fanden eine zum fixierten intakten Becken vergleichbare intrinsische Stabilität der Becken. Die Steifigkeit war durch die dorsale Osteosynthese sowie in der sitzenden Position höher.

Sagi et al. [58] fanden im Sitzen keinen Einfluss der Art der dorsalen Osteosynthese mittels transiliosakraler Schraubenosteosynthese für eine Schraube in S1, 2 Schrauben in S1 oder je eine Schraube in S1 bzw. S2. Die zusätzliche Stabilisierung der begleitenden Symphysensprengung mit einer 2-Loch-Platte bewirkte eine Verringerung der auftretenden Fehlstellung von 0,5 auf 0,2 mm.

Comstock et al. [8] untersuchten fixierte Leichenbecken im Stehen im Rahmen einer OTA C-1.2 c1 Verletzung. Der dorsale Beckenring wurde mit zwei Sakralstäben, zwei ventralen SI-Platten, 2 transiliosakralen Schrauben oder zwei transiliosakralen Schrauben in Kombination mit 2 Sakralstäben stabilisiert, während der vordere Beckenring nicht stabilisiert wurde. Nach axialer Belastung wurden für die Osteosynthese mit 2 transiliosakrale Schrauben in Kombination mit zwei Sakralstäben, zwei transiliosakrale Schrauben und 2 Sakralstäbe Steifigkeiten von 408, 373 und 313 N/mm gemessen.

Simonian et al. [68] untersuchten an 7 frischen Leichenbecken mit einem zum Todeszeitpunkt mittleren Alter von 79 Jahren als einzige Arbeitsgruppe eine Verletzung OTA 61-B1.1 c5. Nach Testen des intakten Beckens wurde die Symphyse durchtrennt, gefolgt von einer Dissektion der ventralen SI-Gelenk- und der Beckenbodenbänder. Die Symphyse wurde mit einer 2-Loch-Platte, das SI-Gelenk mit einer 2-Loch-DC-Platte bzw. einer 7,0-mm-transiliosakralen Schraube stabilisiert. Die zusätzliche Dissektion der Beckenbodenbänder erhöhte die Instabilität hinsichtlich Dislokation oder Rotation nicht (maximale Dislokation <0,5 mm, maximale Angulation <1°). Die Osteosynthese des Beckens führte zu einer dem intakten Becken vergleichbaren Stabilität.

Zusammenfassung

  • Im Vergleich zum Einbeinstand resultiert im Sitzen bzw. Stehen eine höhere Steifigkeit mit Annäherung der Kraftverteilung auf intakte Bedingungen, v. a. bei zusätzlicher Stabilisierung des vorderen Beckenrings, unabhängig von der Art der SI-Gelenk-Stabilisierung.

  • Von biomechanischer Seite sollte der vordere Beckenring so stabil wie möglich fixiert werden. Als dorsales Osteosyntheseverfahren des instabilen SI-Gelenks eignet sich biomechanisch am besten die Stabilisierung mit Sakralstäben bzw. SI-Schrauben bei anatomischer Reposition.

  • Für die transiliosakrale Verschraubung der SI-Gelenk-Luxation ist vermutlich eine isolierte Schraube ausreichend. Klinisch zu berücksichtigen ist jedoch, dass die geschlossene anatomische Reposition eines zerrissenen SI-Gelenks nur in ca. 50% der Fälle gelingt [26, 35, 59] und mit zunehmender Fehlstellung eine Abnahme der Belastbarkeit resultiert [6, 57, 64].

Sakrumfrakturen

Instabile Sakrumfrakturen sind ebenfalls biomechanisch gut untersucht [10, 18, 51, 52, 62, 69, 74, 75, 76].

Stabilisierungsmethoden

Stocks et al. [69] untersuchten ein Frakturmodell OTA 61-C1.3.2 c5 mit intaktem LWK5 im modifizierten Einbeinstand. Die ventrale Beckenringstabilisierung erfolgte mit einem Fixateur externe nach Hoffmann bzw. einer oder 2 Symphysenplatten. Die dorsale Stabilisierung erfolgte mit 2 Sakralstäben. Die Maximalkräfte waren im Vergleich zur Fixateurstabilisierung des vorderen Beckens nach Symphysenverplattung bei bis zu 65% der Fälle höher, die entsprechende Steifigkeit um bis zu 80% höher.

Schildhauer et al. [62] untersuchten den Effekt der triangulären Stabilisierung mit zusätzlicher transiliosakraler Verschraubung im Vergleich zur isolierten transiliosakralen Verschraubung für ein Frakturmodell OTA 61-C1.3.1 c1 mit Muskelsimulation. Die Schambeinastfraktur wurde mit einer retrograden, transpubischen Schraube stabilisiert. Zwölf Leichenbecken mit einem durchschnittlichen Alter von 73,3 (56–85 Jahren) wurden untersucht. Durch die zusätzliche trianguläre Stabilisierung wurde eine erhöhte Stabilität hinsichtlich der Dislokation bei Spitzenbelastung (1,63 vs. 6,11 mm) gefunden. Nach 10.000 Belastungszyklen kam es fast ausschließlich nach isolierter transiliosakraler Schraubenosteosynthese zu signifikanten Frakturbewegungen.

Van Zwienen et al. [74, 75] untersuchten die optimale Schraubenposition bei transiliosakraler Verschraubung. In einer ersten Untersuchung wurde an 12 Leichenbecken eine Fraktur OTA 61-C3.3 c5 untersucht (bilaterale transalare Sakrumfraktur mit Symphysensprengung [75]). Die Sakrumosteosynthese wurde mit einer 6,5-mm-S1-Schraube, 2 S1-Schrauben oder je einer Schraube in S1 und S2 durchgeführt. Auf eine anteriore Beckenringfixation wurde verzichtet. Nach Messung der intakten Becken wurde zunächst eine Verletzung OTA 61-B1.1 c5 analysiert. Die resultierende maximale kraniokaudale Sakrumfehlstellung für das intakte Becken lag bei 0,44 mm und für die B-Verletzung bei 0,69 mm, während mediolaterale und ventrodorsale Fehlstellungen vernachlässigt werden konnten.

Bei den Typ-C-Verletzungen wurden die größten Fehlstellungen kraniokaudal festgestellt, mit maximaler Dislokation von 2,46 mm nach einzelner S1-Verschraubung, 1,4 mm nach 2 S1-Schrauben bzw. 1,86 mm nach S1/S2-Verschraubung. Die durchschnittliche Steifigkeit betrug 650 N/mm für das intakte Becken, 219 N/mm für die B-Verletzung und 65, 91 bzw. 69 N/mm für die C-Verletzung (S1, 2-mal S1, S1/S2). Vergleichbare Werte fanden sich für die Rotationssteifigkeit und das Implantatversagen. In einer zweiten Analyse wurde eine Verletzung OTA 61-C1.3.1 c5 mittels 4-Loch-Symphysenplatte und 2 S1-Schrauben stabilisiert [74]. Die Hauptfehlstellung lag mit durchschnittlich 6,5 mm in der kraniokaudalen Ebene, während anteriore bzw. laterale Fehlstellungen mit 0,6 bzw. 0,9 mm zu vernachlässigen waren. Auch hier zeigte die Stabilisierung mit 2 S1-Schrauben eine höhere Steifigkeit in allen Ebenen.

Pohlemann et al. [52] analysierten verschiedene Fixationstechniken der Sakrumfraktur. An 8 unfixierten Leichenbecken wurde bei einer Verletzung OTA 61-C1.3.2 c5 die Symphyse mit einer 4-Loch-DC-Platte stabilisiert. Die Sakrumfraktur wurde mit 2 Sakralstäben, einer lokalen Sakrumosteosynthese, einer speziell entwickelten lokal zu applizierenden Sakrumplatte bzw. mit 2 6,5-mm-transiliosakralen Schrauben in S1 und S2 stabilisiert. Die Belastung bis zum Implantatversagen lag bei 111,3% Körpergewicht für die Sakralstäbe, 99,6% für die lokale Sakrumosteosynthese, 109% für die neue Sakrumplatte und 113,6% für die transiliosakralen Schrauben und war damit nicht signifikant unterschiedlich.

Culemann et al. [10] konnten die biomechanisch typischen Dislokationen graphisch darstellen. Nach Sakralstabosteosynthese kommt es zu einer distalen Weitung der Fraktur, während transiliosakrale Schraubenosteosynthesen eine Rotation um die Schraubenachse zeigen und die lokale Osteosynthese eine dorsale Fehlstellung nicht sicher verhindert.

Varga et al. [76] analysierten im Zweibeinstand eine Verletzung OTA 61-C1.3.1 c5 bei frischen Leichenbecken im Aller von 75,4 (61–85 Jahren). Es erfolgte eine Doppelplatten- oder Cerclagenosteosynthese der Symphyse. Das Sakrum wurde mit je einer transiliosakralen Schraube in S1 bzw. S2 stabilisiert. Die mittlere Steifigkeit betrug etwa 60% des intakten Beckens.

Gorczyca et al. [18] wiesen bei einer Verletzung OTA 61-C1.3.1 c5 nach Symphysendoppelverplattung und Stabilisierung des Sakrums mit 2 Sakralstäben bzw. 2 transiliosakralen S1-Schrauben im Zweibeinstand eine höhere Versagensgrenze für die Sakralstäbe nach (1066 vs. 581 N).

Die Verwendung winkelstabiler Platten konnte in einer aktuellen Untersuchung keine signifikante Verbesserung der Stabilität der Osteosynthesen erzielen. Beim Vergleich zweier transiliosakraler Schrauben mit einer lokalen Sakrumosteosynthese (winkelstabil und nicht winkelstabil) konnte kein signifikanter Unterschied im Einbeinstandmodell gefunden werden [11].

Zusammenfassung

  • Die Studien unterscheiden sich hinsichtlich der Mehrzahl der gewählten Parameter, sodass klare Schlussfolgerungen nicht gezogen werden können.

  • Es werden unterschiedlich behandelte Leichenbecken verwendet (nicht fixiert [18, 51, 52, 69, 76], fixiert [74, 75] bzw. partiell fixiert [62]). Damit besteht ein möglicher Einfluss auf das mechanische Verhalten. Andere Studien konnten diesen theoretischen Einfluss nicht nachweisen [1, 54].

  • In den meisten Studien liegt das Alter der Leichenbecken zwischen 70 und 80 Jahren, sodass die Ergebnisse durchaus auf die osteoporotische Situation übertragen werden können.

  • Ansonsten bestehen Unterschiede hinsichtlich des Standmodells (Einbein- vs. Zweibeinstand [18, 72, 76]), der Art der einleitenden Kraftübertragung [74, 75], der Muskelsimulation [51, 52, 62] und der gewählten Frakturklassifikation [18, 51, 52, 62, 69, 74, 76].

Ausreißversuche mit transiliosakralen Schrauben

Die Qualität verschiedener transiliosakraler Schrauben wurde von Kraemer et al. [32] und Daum et al. [12] analysiert.

Kraemer et al. [32] fanden für 7,0-mm-Schrauben mit 16 bzw. 32 mm Gewinde und verschiedenen Schraubentiefen im Sakrum in Höhe von S1 (transalar, zentral), dass bei Lage der Schraubenspitze zentral im Sakrum höhere Ausreißkräfte für ein 32-mm-Gewinde nötig waren gegenüber 16-mm-Gewindeschrauben, die transalar bzw. zentral positioniert wurden (925 vs. 71 vs. 374 N).

Daum et al. [12] konnten keine Unterschied für 4,5-mm- und 6,5-mm-Schrauben finden. Schrauben in S1 wiesen jedoch höhere Ausreißkräfte auf.

Bei Verwendung transiliosakraler Schrauben sollten Schrauben mit einem 32-mm-Gewinde verwendet werden, die mindestens bis in die zentrale Zone des Sakrums eingebracht werden.

Zusammenfassung biomechanischer Studien zur Stabilisierung am hinteren Beckenring

  • Die Mehrzahl der biomechanischen Studien kann aufgrund des unterschiedlichen Studiendesigns nicht verglichen werden.

  • Die Mehrzahl der biomechanischen Analysen untersucht die Verletzung OTA C1.2 c5, die klinisch nur in 17% der Fälle vorkommt, während instabile Sakrumfrakturen wesentlich häufiger gesehen werden [53].

  • Typische sekundäre Dislokationen [10] werden klinisch nicht beobachtet.

  • Biomechanisch ist der möglicherweise stabilisierende Einfluss des pelvinen Weichteilmantels bisher unzureichend untersucht.

  • Die derzeit verwendeten Stabilisierungstechniken am hinteren Beckenring sind biomechanisch gut geeignet.

  • Die zusätzliche Stabilisierung des vorderen Beckenrings erhöht die Steifigkeit des Beckens. Deshalb sollten Typ-C-Verletzungen anterior und posterior stabilisiert werden. Dies wird durch viele klinische Ergebnisse bestätigt [39, 40, 53, 72].

  • Der vordere Beckenring sollte bei Typ-C-Verletzungen so stabil wie möglich sein.

  • Im Gegensatz zur klinischen Häufigkeit der Anwendung von Sakralstäben [53] scheint die Stabilisierung von Typ-C-SI-Gelenk-Verletzungen mit Sakralstäben am effektivsten zu sein. Eine einzelne transiliosakrale Schraube scheint bei anatomischer Reposition ausreichend.

  • Klinisch gelingt es, eine komplette SI-Gelenk-Zerreißung nur in etwa 60% anatomisch zu reponieren [26, 35, 53, 59]. Mit zunehmender verbleibender Fehlstellung wird die biomechanische Stabilität einer Osteosynthese reduziert [6, 57, 64].

  • Sakrumfrakturen können problemlos mit transiliosakralen Schrauben stabilisiert werden. Biomechanisch zeigen 2 Schrauben im S1-Körper die höchste Steifigkeit, während klinisch eine Schraube ausreicht [14].

  • Bei Verwendung transiliosakraler Schrauben sollten Gewindelängen von 32 mm bevorzugt werden.

  • Die trianguläre Fixationstechnik von Sakrumfrakturen scheint die stabilste Technik zu sein.

Biomechanische Ergebnisse bei Azetabulumfrakturen

Die Fraktur des Azetabulums führt zu einer wesentlichen Änderung der physiologischen Biomechanik des Hüftgelenks. Verschiedene Arbeitsgruppen analysierten verschiedene Fraktursituationen und den Einfluss von Osteosynthesen. Das Therapieziel ist auch beim älteren Menschen die anatomische und belastungsstabile Gelenksituation [9].

Die primäre Osteosynthese ist bei dislozierten Frakturen fast immer indiziert [23, 72]. Gute Ergebnisse sind nach anatomischer Reposition und Wiederherstellung der Gelenkkongruenz und fehlender signifikanter Schädigung des Hüftkopfs zu erwarten [50]. Die zusätzliche Pfannendachimpression, das sog. „gull sign“, ist jedoch zu 100% prädiktiv für einen Repositions- bzw. Fixationsverlust [2].

Biomechanische Konsequenz anatomischer Gelenkrekonstruktionen

Biomechanische Untersuchungen analysierten den Effekt der anatomischen Gelenkrekonstruktion für verschiedene Azetabulumfrakturen.

Olson et al. [46] analysierten den Effekt der anatomischen Gelenkrekonstruktion mittels Zugschrauben- und Plattenosteosynthese bei Frakturen der hinteren Wand. Nach anatomischer Rekonstruktion der Fraktur der hinteren Wand kam es zu Stresskonzentrationen im Pfannendachbereich sowie einem Abfall anterior und posterior, ohne jedoch vergleichbare Werte zum intakten Becken zu erreichen.

Schopfer et al. [63] fanden ähnliche Ergebnisse nach anatomischer Fixation von Frakturen des hinteren Pfeilers. Auch hier wurden Werte des intakten Azetabulums nicht erreicht. Im Gegensatz zu diesen Ergebnissen führte die anatomische Gelenkrekonstruktion bei einer Fraktur des vorderen Pfeilers oder der vorderen Wand nicht zu Stresskonzentration im Pfannendachbereich des Azetabulums [30, 31]. Insgesamt zeigte jedoch das Azetabulum keine zum intakten Becken vergleichbare Werte.

Die anatomische Gelenkrekonstruktion scheint das Azetabulum biomechanisch nicht vollständig wiederherstellen zu können. Das ist v. a. auf das Nichtwiederauftreten der sog. physiologischen Inkongruenz [20, 77] des Hüftgelenks zurückzuführen [21, 30, 31, 46, 47, 48].

Biomechanische Konsequenz von Gelenkstufen und -spalten

Verbliebene Stufen oder Spaltbildungen nach einer anatomischen Rekonstruktion vorderer Pfeilerfrakturen führen zu einer Stresskonzentration im Pfannendachbereich [31].

Malkani et al. [41] konnten für Querfrakturen aufzeigen, dass Stufen bis zu 1 mm tolerabel sind, während verbliebene Stufen von ≥2 mm zu einem signifikanten Anstieg der Spitzendrücke am Azetabulum führen.

Bei Querfrakturen hat die Frakturhöhe eine entscheidende Bedeutung für die Stresskonzentrationen

Hak et al. [21] zeigten, dass die Frakturhöhe bei den Querfrakturen entscheidende Bedeutung für Stresskonzentrationen hat. Eine persistierende Stufe nach transtektaler Fraktur wies die höchsten Druckmaxima auf, während verbliebene Stufen bzw. Spalten bei juxtatektalen Frakturen ohne signifikanten Einfluss waren.

Verbliebene Gelenkstufen führen mehr als verbliebene Gelenkspalten zu einem Anstieg der Spitzenkräfte v. a. im Pfannendachbereich mit dem Risiko einer posttraumatischen Arthrose.

Biomechanik verschiedener Frakturosteosynthesen

Im Folgenden werden die Ergebnisse für die einzelnen Frakturtypen nach Letournel u. Judet [37] dargestellt.

Frakturen der hinteren Wand

Olson et al. [46, 48] zeigten, dass beim intakten Azetabulum die Kontaktregion zwischen Hüftkopf und azetabulärer Gelenkfläche zu 48% superior, zu 28% anterior und zu 24% posterior gelegen war. Defekte der hinteren Wand von ca. 33% der Gelenkfläche führten zu einem Anstieg des superioren Kontakts auf 64%, während anterior bzw. posterior eine Reduktion auf 21 bzw. 15% auftrat. Mit zunehmender Defektgröße kam es zu einem weiteren Anstieg superior, jedoch zu einer geringeren Abnahme anterior und posterior.

Goulet et al. [19] analysierten Osteosynthesen nach multifragmentären Frakturen der hinteren Wand. Ein hinteres Wandfragment wurde osteotomiert und zusätzlich entweder quer (Typ A) oder konzentrisch (Typ B) gespalten. Die Stabilisierung erfolgte bei den 2 Fragmenten Typ A mit je einer Schraube/Fragment oder mit einer zusätzlichen dorsalen Rekonstruktionsplatte als Neutralisationsplatte. Mit der zusätzlichen Platte konnten signifikant höhere Steifigkeiten am jeweiligen Fragment gemessen werden, während der Vergleich der Gesamtsteifigkeit nahezu identisch war.

Die konzentrischen Frakturen vom Typ B wurden entweder mit einer Rekonstruktionsplatte allein oder einer zusätzlichen „spring plate“ [42] analysiert. Hier ergaben sich keine signifikanten Unterschiede, jedoch eine Tendenz zu höheren Steifigkeiten bei Verwendung einer zusätzlichen „spring plate“. Stahlimplantate weisen dabei höhere Steifigkeiten auf als Titanimplantate [79]. Auch führt die anatomische Rekonstruktion der hinteren Wandfraktur nicht zu einer Lastverteilung im Azetabulum wie präoperativ. Es verbleiben Druckspitzen im superioren Azetabulumbereich, während diese Parameter im anterioren und posterioren Bereich abfallen [46].

Fraktur des hinteren Pfeilers

Schopfer et al. [63] analysierten verschiedene Osteosynthesetechniken der hinteren Pfeilerfraktur. An 10 Leichenbecken wurden typische Frakturen des hinteren Pfeilers osteotomiert und in 30°- und 60°-Flexionsstellung des Hüftgelenks axial belastet. Als Osteosyntheseverfahren wurde die Frakturstabilisierung mit einer 3,5-mm-Rekonstruktionsplatte, 2 Rekonstruktionsplatten oder als Kombination einer Rekonstruktionsplatte mit zusätzlicher 4,5-mm-Zugschraube verglichen.

Mittels aller 3 Osteosynthesen wurden 80% der Festigkeit des intakten Beckens gemessen. In 30° Flexionsstellung traten keine signifikanten Unterschiede zwischen den 3 Verfahren auf, in 60° Flexionsstellung zeigte die kombinierte Platten- und Schraubenosteosynthese signifikant geringere Bewegungen als die beiden anderen Techniken.

Die Zugschraubenosteosynthese der hinteren Pfeilerfraktur, kombiniert mit einer Neutralisationsplattenosteosynthese, ist biomechanisch die effektivste Stabilisierungsmethode.

Fraktur des hinteren Pfeilers und der hinteren Wand

Biomechanische Untersuchungen zur Fraktur des hinteren Pfeilers mit zusätzlicher Fraktur der hinteren Wand liegen nicht vor.

Fraktur der vorderen Wand

Frakturen der vorderen Wand führten zu einer signifikanten Reduktion der anterioren und posterioren Kontaktfläche und der Kontaktdrücke, wobei am Pfannendach keine Änderungen auftraten [30]. Ergebnisse für Osteosynthesen von Frakturen der vorderen Wand liegen nicht vor.

Fraktur des vorderen Pfeilers

Konrath et al. [30] analysierten den Einfluss der anatomischen und nichtanatomischen Gelenkrekonstruktion nach hoher vorderer Pfeilerfraktur. An 6 Leichenbecken wurde eine typische hoch im Bereich der Crista iliaca auslaufende Fraktur des vorderen Pfeilers osteotomiert und im simulierten Einbeinstand axial belastet. Die Frakturstabilisierung erfolgte mit 2 Zugschrauben im Os ilium und einer ilioinguinalen Rekonstruktionsplatte. Es wurden eine anatomische Gelenkrekonstruktion sowie nichtanatomische Rekonstruktionen mit im Mittel 3,4 mm verbliebener Stufe bzw. Spalt gemessen.

Im Vergleich zum intakten Azetabulum kam es nach anatomischer Gelenkrekonstruktion sowie nach persistierender Spaltbildung zu einer Verminderung der Kontaktfläche im anterioren und posterioren Gelenkbereich. Nach Rekonstruktion mit der verbliebenen Stufe trat nur eine signifikante Reduktion der Kontaktfläche anterior auf. Im Bereich des Pfannendachs traten keine signifikanten Veränderungen auf. Die Analyse der Kraftspitzen zeigte einen signifikanten Anstieg im Pfannendachbereich nach der verbliebenen Stufe und dem Spalt im Vergleich zum anatomisch rekonstruierten Azetabulum.

Querfrakturen

Verschiedene Autoren analysierten die Stabilität verschiedener Osteosynthesetechniken zur Frakturstabilisierung von Querfrakturen [7, 61, 65].

Sawagushi et al. [61] analysierten experimentell das Dislokationsverhalten von Osteosynthesen bei Querfrakturen, bei denen immer eine anteriore und posteriore Stabilisierung erfolgte. Die Frakturkomponente im Bereich des hinteren Pfeilers wurde immer mittels Plattenosteosynthese stabilisiert, während die Osteosynthesetechnik der vorderen Frakturkomponente variierte. Im Bereich des hinteren Pfeilers fanden sich die geringsten Spaltbildungen bei Doppelplattenosteosynthese sowie nach Applikation einer vorderen Pfeilerschraube. Gleiches wurde für Scherkräfte an der quadrilateralen Fläche beobachtet. Im Bereich des vorderen Pfeilers waren die Spaltbildungen für alle Osteosynthesen vergleichbar. Die maximale Dislokation lag allerdings bei der Mehrzahl der Osteosynthesen in einem Bereich unter 0,1 mm [61]. Alle Osteosynthesen mit kombinierter a.p.-Stabilisierung der Querfraktur führen somit zu einer ausreichenden Stabilität.

Shazar et al. [65] analysierten verschiedene Stabilisierungstechniken bei juxtatektalen Querfrakturen am synthetischen Knochenmodell, um knochenspezifische Veränderungen des humanen Beckens unberücksichtigt lassen zu können. Im 1. Versuchsanteil wurde eine ausschließlich anteriore Rekonstruktionsplattenosteosynthese mit 4 verschiedenen Schraubenkonfigurationen durchgeführt. Im 2. Versuchaufbau wurden 6 verschiedene Osteosynthesen gemessen, eine

  • isolierte Plattenosteosynthese anterior bzw. posterior,

  • anteriore Plattenosteosynthese mit hinterer Pfeilerschraube,

  • posteriore Plattenosteosynthese mit vorderer Pfeilerschraube,

  • anteriore und posteriore Plattenosteosynthese sowie

  • posteriore Doppelplattenosteosynthese.

Es wurde ein Versuchsaufbau gewählt, der eine Krafteinleitung im Sinne eines Einbeinstandes simulierte. Die höchsten Steifigkeitswerte für die Schraubenpositionen nach anteriorer Plattenosteosynthese wurden erzielt für je eine frakturnahe sowie eine maximal frakturferne Schraubenpositionierung, entsprechend einer standardisierten Fixateurkonstruktion. Bezüglich der verschiedenen Stabilisierungstechniken fanden sich höchste Steifigkeiten nach dorsaler Platten- und anteriorer Schraubenosteosynthese am ventralen Frakturspalt sowie nach a.p.-Plattenosteosynthese sowohl am ventralen als auch dorsalen Frakturspalt.

Die biomechanisch effektivste Stabilisierungsmethode für Querfrakturen des Azetabulums ist eine kombinierte dorsoventrale Stabilisierungstechnik

Chang et al. [7] verglichen isolierte Pfeiler-Schrauben-Osteosynthesen anterior und posterior, eine reine dorsale Plattenosteosynthese sowie eine dynamische Cerclagenosteosynthese dorsal mit zusätzlicher vorderer Pfeilerschraube an Kadaverbecken mit einer transtektalen Querfraktur. Die höchsten Steifigkeiten wurden dabei mit der dorsalen Plattenosteosynthese erzielt. Allerdings wurde, bedingt durch eine nicht ausreichende Konturierung, häufig ein anteriores Öffnen der Fraktur beobachtet.

Querfrakturen mit Fraktur der hinteren Wand

Biomechanische Untersuchungen zur Querfraktur mit zusätzlicher Fraktur der hinteren Wand liegen nicht vor.

T-Frakturen

Simonian et al. [66] analysierten biomechanisch den Einfluss verschiedener Osteosynthesen einer T-Fraktur des Azetabulums an 8 Beckenhälften. Dabei wurde eine klassische transtektale Querfraktur mit vertikaler Frakturkomponente durch die quadrilaterale Fläche und den unteren Schambeinast gewählt. Drei Osteosynthesen wurden getestet, die

  • anteriore Plattenosteosynthese mit Schraubenplatzierung in den hinteren Pfeiler,

  • posteriore Plattenosteosynthese mit Schraubenplatzierung in den vorderen Pfeiler sowie

  • a.p.-Plattenosteosynthese.

Unabhängig von der Osteosynthese wurden maximale Fehlstellungen bei fast allen Kadavern von <0,5 mm beobachtet, ohne signifikante Unterschiede zwischen den einzelnen Osteosynthesen aufzuzeigen.

Die Osteosynthese einer T-Fraktur kann vom biomechanischen Standpunkt aus über einen einfachen Zugang erfolgen. Der gegenseitige Anteil der Querfraktur muss jedoch zwingend durch mindestens eine Schraube gefasst werden.

Vordere Pfeiler-/Wandfrakturen mit hinterer Hemiquerfraktur

Culemann et al. [11] stabilisierten diesen Frakturtyp im Einbeinstandmodell mittels verschiedener Osteosynthesetechniken. Die zusätzliche periartikuläre (supra- und infraazetabulär) Schraubenfixation im Rahmen einer ilioinguinalen Rekonstruktionsplattenosteosynthese am Kunststoffbecken sowie die Stabilisierung mittels einer speziellen periartikulären Plattenosteosynthese mit multidirektionaler winkelstabiler Schraubenapplikation waren im Vergleich zur konventionellen inguinalen Plattenosteosynthese mit einer geringeren Dislokationsrate vergesellschaftet. Diese Unterschiede konnten allerdings nicht an Leichenbecken bestätigt werden.

Zwei-Pfeiler-Frakturen

Levine et al. [38] analysierten den Einfluss einer sekundären Gelenkkongruenz bei simulierter Zwei-Pfeiler-Fraktur. Die Kongruenz wurde mittels supraazetabulärer und dorsaler Plattenosteosynthese gehalten. Es kam zu einem signifikanten Anstieg der resultierenden Kräfte im Pfannendachbereich und einer entsprechenden Abnahme im anterioren Azetabulum, während die Abnahme der posterioren Kräfte nicht signifikant war.

Biomechanische Konsequenzen am Hüftkopf

Im Rahmen des Unfallmechanismus bei Azetabulumfrakturen kommt es zu einer signifikanten Erhöhung der Kontaktkräfte zwischen Hüftkopf und azetabulärer Gelenkfläche.

Böhler [5] analysierte die morphologischen Veränderungen im Bereich des Hüftkopfs. Unter erheblichen Belastungen von 300–1400 kg kommt es zu Mikrofrakturierungen des Hüftkopfs. Die dabei auftretende Deformierung bildet sich jedoch weitgehend zurück und konnte radiologisch nicht nachgewiesen werden. Der Autor postuliert, dass v. a. der Knorpel geschädigt wird und das Auftreten von Hüftkopfnekrosen nach Azetabulumfrakturen Folgen dieser traumatischen Einbrüche sind. Die endgültige Hüftkopfnekrose wird als Überlastungsschaden angesehen, da der in Reparation befindliche Hüftkopf noch eine zu geringe Widerstandsfähigkeit besitzt. Als Ursache posttraumatischer Hüftkopfnekrosen ist deshalb am ehesten von einer mechanischen Schädigung auszugehen.

Zu ähnlichen Ergebnissen kamen Gay et al. [16, 17]. Sie untersuchten makro- und mikroskopisch 10 Femurköpfe verstorbener polytraumatisierter Patienten mit Azetabulumfraktur. Während sich konventionell-radiologisch keine Veränderungen am Hüftkopf nachweisen ließen, waren makroskopisch stets Knorpelverletzungen nachweisbar, die von oberflächlichen Läsionen über leichte Infraktionen bis zu schweren Knorpelbrüchen reichten. Mikroskopisch wurden erhebliche Knorpeldestruktionen mit z. T. beginnender Reparation gefunden. Die Zerstörungen der Knorpel-Knochen-Substanz wurde durch die Einstauchung des Hüftkopfs gegen die scharfkantigen Fragmente des Azetabulums erklärt.

Kommt es im Rahmen der Fraktur zur Impression am Hüftkopf, führt dies nicht zu einer Mehrbelastung des Hüftkopfs, während azetabulär die Spitzenbelastungen im Pfannendachbereich in Abhängigkeit von der Größe der femoralen Impression ansteigen [29].

Die mechanische Schädigung des Hüftkopfs bei der Azetabulumfraktur kann zur posttraumatischen Hüftkopfnekrose sowie Schädigung des azetabulären Knorpels führen.

Zusammenfassung biomechanischer Studien zu Azetabulumfrakturen

  • Die für die Fraktur des Azetabulums wichtige Biomechanik ist die physiologische Inkongruenz des Hüftgelenks. Dabei kommt der anatomischen Gelenkrekonstruktion entscheidende Bedeutung zu.

  • Alle bisher vorliegenden biomechanischen Analysen zeigten jedoch eine im Vergleich zum intakten Azetabulum veränderte Mechanik. Die physiologische Gelenkkongruenz kann wahrscheinlich trotz anatomischer Gelenkrekonstruktion nicht rekonstruiert werden, da es zu einem Verlust der intrinsischen Knochenspannung durch die Fraktur gekommen ist.

  • Verbliebene Gelenkspalten und schlimmer noch Gelenkstufen führen in den meisten Fällen zu einer signifikanten Stresskonzentration im Pfannendachbereich mit dem Risiko der sekundären Arthrose.

  • Die zusätzliche mechanische Schädigung des Hüftkopfs bei der Azetabulumfraktur kann v. a. bei einer Impression zur posttraumatischen Hüftkopfnekrose sowie zur Schädigung des azetabulären Knorpels führen.

  • Möglicherweise können winkelstabile Plattenosteosynthesen bei Azetabulumfrakturen im höheren Alter die Dislokationsgefahr verringern.

  • Es sollte gerade bei den zusammengesetzten Frakturtypen darauf geachtet werden, dass eine ausreichende und sichere Verbindung zwischen hinterem und vorderem Pfeiler geschaffen wird, dies ist durch periartikuläre Schrauben zu gewährleisten.

Fazit für die Praxis

Anhand der vorliegenden biomechanischen Daten können sowohl für die Frakturversorgung instabiler Beckenringverletzungen als auch für die Osteosynthese von Azetabulumfrakturen die gleichen Prinzipien und Techniken angewendet werden wie bei der Versorgung dieser Verletzungen beim jüngeren Menschen.

Ziel ist auf jeden Fall die stabile und anatomisch korrekte Fixation zur Vermeidung langfristiger posttraumatischer Probleme.