Die Klavikulafraktur des mittleren Drittels wurde bis zum heutigen Tage primär konservativ behandelt [9]. In den letzten Jahren wurden minimal-invasive Verfahren, wie die Applikation eines intramedullären Titannagels erfolgreich in die operative Therapie eingeführt [1, 2, 4, 5, 6]. Die klaren Vorteile einer operativen Therapie der Klavikulafraktur sind im Wesentlichen eine Verkürzung der Arbeitsunfähigkeitszeit und damit verbunden eine Senkung der Krankheitsgesamtkosten [3, 4, 5, 6, 7]. In mehreren Studien konnte eine signifikante Verbesserung des Constant- und DASH-Scors in den ersten 6 Wochen nachgewiesen werden [3, 4, 5, 6, 7].

Es besteht ein Benefit bei der operativen Versorgung in der systematischen Wiederherstellung der Länge der Klavikula, was als wichtigster Faktor für die spätere Wiedererlangung der Funktion der betroffenen Schulter gilt [6, 8]. Die Applikation der minimalen intramedullären Schienung wurde durch Probleme, insbesondere bei Stückfrakturen (C-Frakturen nach der Klassifikation der „Orthopedic Trauma Association“, entspricht der AO-Klassifikation) limitiert [1, 2, 7]. Hier wurde beobachtet, dass es zu einem Telescoping-Effekt mit sekundärer Sinterung und damit Verkürzung der Klavikula kommt [4]. Des Weiteren ist bisweilen eine Applikation des Titannagels bei A- und B-Frakturen aufgrund eines zu kleinen oder verlegten Markraumes (die Klavikula ist kein klassischer Röhrenknochen) perioperativ gescheitert [1], was in der Vergangenheit zu einer offenen Plattenosteosynthese geführt hat. Die minimal-invasive Lösung für C-Frakturen (Stückfrakturen) und als Salvageprozedur für perioperativ gescheiterte Markraumschienung mit Hilfe eines Titannagels von A- und B-Frakturen ist die hier erstmals publizierte perkutane LC-Plattenosteosynthese (LCP) der Klavikula.

Fallbeschreibung

Ein 55-jähriger Mann war bei einem Fahrradunfall auf die rechte Schulter gefallen und hatte sich eine Stückfraktur vom OTA-Typ C des mittleren Drittels der Klavikula rechts zugezogen (Abb. 1a), er gab an, intermittierend Kribbelparästhesien an der rechten Hand dorsalseitig an D1 bis D3 zu haben. Die Weichteile waren lokal, reizlos ohne drohende Durchspießung, lediglich mit subkutanem Hämatom. Weiter sensomotorische Defizite wurden nicht angegeben.

Abb. 1
figure 1

a Fraktur der Klavikula vom OTA-Typ C. b Perkutane Applikation. c Heranziehen der Fragmente mittels bikortikaler nicht winkelstabiler Kortikalisschrauben. d Abschlussbild nach Anlagerung des kaudalen Fragments mittels PDS-Faden-Anschlingung

Am 6. Tag nach dem Unfall wurde die perkutane Plattenosteosynthese mit kleinem (2 cm) Hilfsschnitt über der Fraktur durchgeführt. Über einen 1 cm großen Hautschnitt über dem Sternoklavikulargelenk wurde das Plattenlager mittels Schere und Raspatorium auf dem medialen Fragment vorbereitet. Die Platte, eine 11-Loch-LCP, wurde in den Plattenhandgriff (Abb. 2) eingespannt und perkutan bis zur Fraktur vorgeschoben (Abb. 1b–d, Abb. 3).

Abb. 2
figure 2

LCP mit Plattenhalter

Abb. 3
figure 3

a Situs der subkutan gelegenen Klavikula mit Stückfraktur im mittleren Drittel. b Perkutanes Durchschieben der LCP. c Winkelstabile Fixierung und Adaptation des kaudalen Fragments mittels PDS-Faden. d Abschlusssitus

Auf der lateralen Seite wurde das Plattenlager ebenfalls stumpf vorbereitet und die Platte nach entsprechender Reposition des lateralen Fragments durchgeschoben. Die Röntgenkontrolle in 2 Ebenen zeigt eine gute Lage der Platte am medialen und lateralen Fragment in beiden Ebenen. Nun wurde über dem Hilfsschnitt über der Fraktur das große, nach dorsokaudal dislozierte Fragment (welches drohte, die V. subclavia zu penetrieren) unter Sicht vorsichtig reponiert und mittels PDS-Faden in anatomischer Position an der Platte fixiert (Abb. 1d). Das dorsale Fragment wurde im Weichteilverbund indirekt über die Reposition der Hauptfragmente reponiert. Sodann wurden zunächst das laterale, dann das mediale Plattenende mittels Zugschraube bikortikal fixiert und durch weitere winkelstabile Schrauben bikortikal fixiert. Lateral wurden 3 und medial 4 Schrauben zur Fixierung appliziert. Die lateralen Schrauben wurden über einen 5 mm großen Schnitt im Zentrum des lateralen Fragments appliziert (das „step by step“ Vorgehen perioperativ entnehmen Sie bitte der Bilderfolge Abb. 3b–d). Postoperativ wurde der Patient sofort schmerzadaptiert bis 90° abduzierend mobilisiert. Die präoperativ beschriebene Neurologie war postoperativ nicht mehr nachweisbar. Das 6-Wochen-Follow-up zeigt eine knöchern feste Durchbauung der Fraktur. Der Patient kann die Schulter schmerzfrei ohne Bewegungseinschränkungen bewegen.

Diskussion

Bis vor wenigen Jahren war das Standardverfahren der Klavikulafraktur ohne Komplikation die konservative Behandlung. Aufgrund gestiegener Anforderungen der Patienten an eine frühe schmerzfreie Mobilisation der Schulter und gehobenen kosmetischen Ansprüchen, die zu einer geringeren Toleranz von kosmetisch unakzeptablen Symmetriestörungen durch Verkürzung der Schulter entstehen, wurde in den letzten Jahren zunehmend über operative minimal-invasive Verfahren berichtet [1, 3, 4, 5, 6, 7]. Erfolgreich wird die intramedulläre Nagelung mit Titannagel bei A- und B-Frakturen propagiert. Der Telescoping-Effekt nach einer intramedullären Naglung einer C-Fraktur stellt bis dato noch ein nicht gut gelöstes Problem dar, sodass die C-Frakturen mit einer offenen Plattenosteosynthese behandelt wurden.

Als Alternative stellen wir hier erstmals die perkutan applizierte LC-Plattenosteosynthese vor. Sie ist über einen 1 cm großen Schnitt über dem Sternoklavikulargelenk gut einschiebbar und entsprechend perkutan mit Schrauben zu belegen. Anatomische Voruntersuchungen zeigen [1, 2], dass die derzeit auf dem Markt erhältliche konventionelle Kleinfragment-LCP oder die Rekonstruktionsplatte eine gute Anlage an den Knochen erlaubt, sodass wir zunächst diese Applikation mit den derzeit handelsüblichen LCP-Implantaten durchgeführt haben. Idealerweise ist die Form der Platte an die S-Krümmung der Klavikula zu adaptieren. Die perkutan durchgeschobene Plattenosteosynthese der Klavikula kommt bei folgenden Indikationen zum Tragen:

  • geschlossen OTA-C-Frakturen ohne Komplikation (vaskulär, neurologisch),

  • Salvage-Prozedur nach gescheiterter intramedullärer Fraktur von OTA-Typ A- und B-Frakturen (z. B. bei einem lateral perforierten TEN oder bei einem nicht zu kanülierenden Markraum),

  • hypotrophe Pseudarthrosen.

Letztere Indikation muss klinisch noch erprobt werden. Es wird aber erwartet, dass die erhaltene Biologie an der hypotrophen Pseudarthrose durch das perkutane Vorgehen geschont wird und damit – bei gleichzeitiger Applikation von Span oder Spongiosa in Höhe der Frakturlinie – eine zügige Ausheilung der Pseudarthrose ermöglicht. Die hyperthrophe Pseudarthrose ist aufgrund der deutlich veränderten Anatomie mit Wulstbildung und Kallusformationen in Höhe der Pseudarthrose für ein perkutanes Vorgehen nicht geeignet.

Weitere Patienten wurden bereits in dieser Weise erfolgreich operiert. Die Ergebnisse der prospektiven Beobachtung werden zu gegebener Zeit publiziert werden.

Fazit für die Praxis

Die perkutane Plattenosteosynthese der Klavikula ist eine ideale minimal-invasive Ergänzung für die „Problemfrakturen“ der Klavikula (C-Frakturen), die bis zum jetzigen Zeitpunkt für die intramedulläre Schienung nicht in Frage kamen. Des Weiteren ist die perkutane Plattenosteosynthese bei gescheiterter TEN-Applikation über den gleichen Zugang (1 cm großer Schnitt über dem Sternoklavikulargelenk) durchzuführen, sodass es eine intraoperative Alternative bei einem Versagen des TEN-Verfahrens darstellt.