Durch eine verbesserte medizinische Versorgung polytraumatisierter Patienten im Verlauf der letzten Jahrzehnte konnte eine signifikante Reduktion der Todesrate um etwa 60% erreicht werden [80]. Die Gründe für diese Entwicklung sind vielfältig. So konnten Verbesserungen im Fahrzeugbau und der allgemeinen Verkehrssicherheit ebenso zu einer Verminderung der frühen Mortalität und der Gesamtverletzungsschwere beitragen wie die Verkürzung der Rettungszeiten, die verbesserte Ausstattung des Rettungsdienstes und die Verzahnung der präklinischen Therapie mit der Schockraumversorgung. Im Rahmen der Krankenhausbehandlung führte die Optimierung der Diagnostik, sowie die Modifikation der intensivmedizinischen und chirurgischen Therapiekonzepte zu einer Minderung der Todesrate polytraumatisierter Patienten [22].

Das Multiorgandysfunktionssyndrom (MODS) stellt bei polytraumatisierten Patienten allerdings weiterhin eine der schwerwiegendsten Komplikationen dar und ist die häufigste späte Todesursache bei diesen Patienten. So konnte in einer Studie von Nast-Kolb [60] nachgewiesen werden, dass die Inzidenz des Versagens zumindest eines Organsystems nach einem Polytrauma im Vergleich der letzten Jahrzehnte nicht abgenommen hat. Gemäß dieser Studie entwickeln immer noch 33% der schwerverletzten Patienten im klinischen Behandlungsverlauf ein vorübergehendes Versagen mindestens eines Organsystems, etwa 15% der polytraumatisierten Patienten entwickeln ein MODS [60]. Im internationalen Vergleich finden sich vergleichbare Zahlen bezüglich der Inzidenz dieser posttraumatischen Komplikation [87, 88, 93]. Aufgrund der umfassenden intensivmedizinischen Maßnahmen und neuer operativer Therapiekonzepte (Konzept des „damage control“) konnte die Inzidenz des MODS in den letzten Jahrzehnten zwar signifikant gesenkt werden, allerdings versterben immer noch bis zu 50% der polytraumatisierten Patienten, die im Behandlungsverlauf ein manifestes MODS entwickeln [15, 60]. Neben dieser überaus wichtigen medizinischen Bedeutung des MODS muss außerdem Beachtung finden, dass diejenigen Patienten, die im Rahmen ihrer intensivmedizinischen Behandlung ein MODS entwickeln, die höchsten Kosten aller polytraumatisierten Patienten verursachen [111].

Genaue Kenntnisse der pathophysiologischen Veränderungen des körpereigenen Immunsystems nach einem Polytrauma stellen hierfür einen möglichen Ansatz dar. Nach schwerem Trauma („first hit“) sowie posttraumatischen Insulten, wie operativen Eingriffen, Transfusionen oder Infekten („second hit“) konnten sowohl in klinischen als auch in experimentellen Studien signifikante Veränderungen der immunologischen Funktionen beobachtet werden [32, 72, 109]. Dabei kommt es schon in der initialen posttraumatischen Phase zu der Aktivierung einer Vielzahl von humoralen (Komplement- und Gerinnungssystem) und zellulären Systemen (Endothelzellen, neutrophile Granulozyten, Makrophagen) [112], die mit der Synthese, Expression und Freisetzung inflammatorischer Mediatoren einhergehen (Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

Zentrale Rolle der proinflammatorischen Zytokine in der Pathophysiologie des posttraumatischen MODS

Diese Veränderungen der immunologischen Funktionen führen beim polytraumatisierten Patienten zu der Entwicklung einer systemischen Entzündungsreaktion („systemic inflammatory response syndrome“, SIRS) [18]. Auch posttraumatische operative Eingriffe oder Massentransfusionen führen zu einer signifikanten Aktivierung des Immunsystems, die additiv zu der durch das Trauma induzierten Inflammation wirken kann [32, 73].

Es wird angenommen, dass proinflammatorische Zytokinen im Rahmen des posttraumatischen und postoperativen SIRS sowie der möglicherweise assoziierten Entwicklung eines MODS eine besondere Bedeutung zukommt [112]. Die Infusion rekombinanter, proinflammatorischer Zytokine kann ein reversibles MODS hervorrufen, und die Blockade dieser Zytokine kann die Entwicklung eines Kreislaufversagens im Rahmen eines MODS hemmen [82]. Des Weiteren konnten erhöhte systemische Zytokinkonzentrationen bei polytraumatisierten Patient mit manifestem MODS nachgewiesen werden [82, 89].

Neben der initialen proinflammatorischen Reaktion entwickelt sich im weiteren klinischen Verlauf eine signifikante Dysfunktion des Immunsystems [17]. Diese Immunsuppression führt zu einer erhöhten Gefährdung des Patienten, im weiteren Verlauf infektiöse Komplikationen zu entwickeln, die ebenso einen prädisponierenden Faktor für die Entstehung eines MODS darstellen. Ein wesentlicher Mediator im Rahmen dieser immunsuppressiven Vorgänge stellt das antiinflammatorische Zytokin IL-10 dar. Ein signifikanter Einfluss von chirurgischen Eingriffen im klinischen Verlauf nach einem Polytrauma auf die antiinflammatorische Immunantwort konnte durch signifikant erhöhte postoperative IL-10-Konzentrationen nachgewiesen werden [16].

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die initiale Phase nach einem Polytrauma oder elektiven Operationen im Wesentlichen von einer systemischen proinflammatorischen Inflammation (SIRS) gekennzeichnet ist, wohingegen im späteren Verlauf vor allem eine Immunsuppression oder Immunparalyse zu beobachten ist [1, 18, 82]. Dies schließt allerdings nicht aus, dass schon in der frühen Phase auch Zeichen einer eingeschränkten Immunantwort (z. B. verminderte Antigenpräsentation durch Makrophagen, vermehrte Produktion antiinflammatorischer Moleküle) beschrieben wurden. Dauer und Ausmaß dieses chirurgischen Eingriffs korrelieren hierbei mit der Aktivierung inflammatorischer Reaktionen [1].

Zytokine

Zytokine sind zentrale Regulatoren der körpereigenen Immunabwehr, deren Freisetzung durch verschiedene Faktoren, wie Infektionen, Trauma und Entzündungen initiiert werden kann. Mit einem Molekulargewicht von 8–50.000 Dalton stellen sie dabei verhältnismäßig kleine Proteine dar. In der erstmaligen Beschreibungen wurden diese Mediatoren als „Lymphokine“ oder auch als „Monokine“ beschrieben, was auf ihrem zellulären Ursprung basierte. Die Tatsache, dass die Zytokine jedoch von fast jeder zellkernhaltigen Zelle produziert werden können, führte zu dem aktuell benutzten Namen.

Eine gebräuchliche Einteilung dieser Mediatoren in pro- und antiinflammatorische Zytokine erfolgt anhand ihrer Rolle im Rahmen von Entzündungsreaktionen. Eine starre Einteilung hat sich hierbei allerdings nicht als sinnvoll erwiesen, da einige Zytokine sowohl pro- als auch antiinflammatorische Wirkungsmechanismen aufweisen.

Proinflammatorische Mediatoren

Tumornekrosefaktor (TNF)

Beim TNF handelt es sich um einen der frühesten und potentesten, proinflammatorischen Mediatoren in der Kaskade der Zytokine. Zusammen mit IL-1 erhöht TNF sowohl die Permeabilität als auch die prokoagulatorische Aktivität des Endothels [8, 62, 104] und bewirkt eine vermehrte Expression von Adhäsionsmolekülen auf Endothelzellen [79]. In experimentellen Studien konnte gezeigt werden, dass TNF in der Pathogenese der inflammatorischen Reaktionen nach Trauma und Infektion eine essenzielle Rolle einnimmt.

Es kann zwischen TNF-α und TNF-β unterschieden werden. TNF-α, das v. a. von Makrophagen, Monozyten und T-Lymphozyten gebildet wird, ist hauptsächlich im Rahmen inflammatorischer Reaktionen beteiligt [32, 102]. Die Synthese des TNF-α wird durch verschiedene Faktoren induziert. Hierzu gehören Hämorrhagie, Hypoxie, Ischämie, Endotoxine, Lipopolysaccharide (LPS), IL-1 sowie Faktoren des Komplementsystems [67]. Im Gegensatz hierzu kann die TNF-α-Freisetzung durch antiinflammatorische Interleukine (v.a. IL-10) und dem TNF-β inhibiert werden. Neben spezifisch bindenden Proteinen sind lösliche TNF-Rezeptoren dafür verantwortlich, dass TNF-α im Plasma nur eine kurze Halbwertszeit von 14–18 min aufweist, was seine Bedeutung für den klinischen Verlauf der Patienten limitiert [69].

Interleukin-1

Das Interleukin-1 (IL-1) wird intrazellulär als ein Precursor-Protein syntethisiert (Pro-IL-1), das vor der Sekretion zum aktiven IL-1 umgewandelt wird [13, 110]. Es wird zwischen dem IL-1α (18 kD) und IL-1β (17,5 kD) unterschieden, wobei IL-1β bei inflammatorischen Prozessen die bedeutendere Rolle zu spielen scheint [13, 44]. IL-1α und IL-1β werden von Monozyten, Makrophagen und Endothelzellen gebildet. Die Freisetzung wird durch Ischämie, Hämorrhagie und mikrobielle Substanzen, sowie durch inflammatorische Mediatoren, wie C5a und TNF induziert [2, 44].

Experimentelle Studien konnten belegen, dass IL-1β im Rahmen einer inflammatorischen Reaktion ähnliche Wirkungen wie das TNF-α aufweist [14, 26, 44]. In diesem Zusammenhang werden Synergismen von TNF-α und IL-1β bei der Induktion von Fieber und Hypotension, der Adhäsion von Granulozyten an Endothelzellen, der Synthese von sekundären Zytokinen und der Chemotaxie von Makrophagen beschrieben [2]. Ähnlich wie das TNF-α weist das IL-1β eine sehr kurze Halbwertszeit von etwa 6 min auf, sodass die Verwendung als klinischer Marker im klinischen Alltag nicht sinnvoll erscheint [44].

Interleukin-6

Interleukin (IL)-6 setzt sich aus 4 geraden α-Helices zusammen und wird v. a. von T- und B-Lymphozyten, Monozyten sowie von Endothelzellen gebildet. Die Induktion der IL-6 Synthese erfolgt durch LPS, IL-1β und TNF-α. In experimentellen Studien sowie im Rahmen von Versuchen an gesunden Probanden konnte gezeigt werden, dass IL-6 nach der Applikation von Endotoxin später als TNF-α oder IL-1β freigesetzt wird und dass die IL-6 Synthese durch TNF-α oder IL-1β induziert werden kann [91, 107].

IL-6, das sowohl mit dem IL-6-Rezeptor (IL-6R)-α als auch mit Plasma-Membran-Rezeptoren interagiert [29], induziert die Proliferation von B-Lymphozyten und die damit assoziierte Erhöhung der Synthese von Immunglobulinen. Des Weiteren führt IL-6 zu einer verstärkten T-Lymphozytenproliferation, einer vermehrten Differenzierung von zytotoxischen T-Zellen und einer erhöhten Aktivität der Natürlichen Killer (NK) Zellen. Ebenso wurde beschrieben, dass IL-6 die Apoptose von neutrophilen Granulozyten verzögert und somit deren potenziell schädigenden Effekte auf das Gewebe verlängern kann [44]. IL-6 induziert in der Leber die Synthese verschiedener anderer Mediatoren, wie Fibrinogen, α1-Antitrypsin, C-reaktives Protein (CRP) und Komplementfaktoren [44].

In tierexperimentellen Studien konnte nachgewiesen werden, dass IL-6 einen der wesentlichsten Mediatoren im Rahmen der pathophysiologischen Vorgänge bei Trauma und Sepsis darstellt und hohe Plasmaspiegel mit einem schlechten Outcome assoziiert sind [42]. Allerdings scheinen niedrige Plasmaspiegel für eine suffiziente Immunantwort nötig zu sein, da IL-6-knockout-Tiere im Vergleich zu genetisch nicht veränderten Mäusen ebenso eine erhöhte Mortalitätsrate aufwiesen [42]. Neben diesen proinflammatorischen Eigenschaften wird jedoch auch ein antiinflammatorischer Wirkungsmechanismus des IL-6 angenommen. So konnte gezeigt werden, dass IL-6 die Synthese von proinflammatorischen Zytokinen TNF-α und IL-1 reduziert sowie die Freisetzung von antiinflammatorischen Mediatoren, wie z. B. Glukokortikoiden, IL-1ra und löslichen TNF-Rezeptoren, erhöht [69]. Aufgrund seines im Vergleich zum TNF-α und IL-1β späteren Anstiegs und einer deutlich längeren Halbwertszeit erscheint das IL-6 als sehr gut geeigneter Parameter, um das Ausmaß und den Zeitpunkt sekundärer Operationen nach einem Polytrauma zu bestimmen [71] (Abb 2).

Abb. 2
figure 2

Perioperative IL-6-Plasmakonzentrationen, abhängig vom Versorgungszeitpunkt der Femurfraktur bei polytraumatisierten Patienten

Interleukin-8

Aufgrund der signifikanten chemotaktischen Wirkung des Interleukin (IL)-8 auf neutrophile Granulozyten wird es auch den Chemokinen zugerechnet. In hohen Konzentrationen wird es als ein Homodimer beschrieben, das aus zwei identischen Untereinheiten (Monomer) besteht. In niedrigeren Konzentrationen erscheint das IL-8 als Monomer. Diese Form scheint auch die funktionelle Form des Zytokins darzustellen. Die Synthese des IL-8 wird von IL-1, TNF-α, LPS und durch Hypoxie induziert [58]. IL-8 (Synonym: CXCL8) kann mit ähnlicher Affinität an zwei Rezeptoren (CXCR1 und CXCR2) binden. Im Rahmen einer systemischen inflammatorischen Reaktion wird die Expression des CXCR2 reduziert, wodurch CXCR1 den wesentlichen Rezeptor zur Interaktion mit dem IL-8 darstellt [27].

In experimentellen Studien konnte gezeigt werden, dass IL-8 das Lösen (Shedding) des L-Selektins von der Zelloberfläche neutrophiler Granulozyten induziert und zusammen mit TNF-α, IL-1 und IL-6 die Expression von Adhäsionsmolekülen (β2-integrins: CD11b/CD18 und CD11c/CD18) auf den Endothelzellen reguliert. Hierdurch kann eine Adhäsion der neutrophilen Granulozyten an endothelialen Monolayern induziert werden [58]. Des Weiteren stimuliert das IL-8 die anschließende Migration der neutrophilen Granulozyten durch das Endothel und die Freisetzung von gewebeschädigenden Substanzen (Proteasen, Superoxide etc.). Übereinstimmend konnte in einem Tiermodell die Infiltration der Granulozyten und der anschließende Gewebeschaden durch eine Aktivitätsminderung des IL-8 reduziert werden [58]. Neben diesen Wirkungen auf die neutrophilen Granulozyten scheint das IL-8 ebenso eine potenzielle Rolle bei der Interaktion von Makrophagen und Endothelzellen zu spielen, da auch hier durch IL-8 eine gesteigerte Adhäsion erreicht werden konnte [58]. IL-8 nimmt somit auch eine signifikante Rolle bei der Eradikation von invasiven Erregern ein.

Neben diesen für den Körper essenziellen Eigenschaften des IL-8 wurden auch potenziell schädigende Effekte nachgewiesen. In tierexperimentellen Studien konnte nachgewiesen werden, dass das IL-8 sowohl im Rahmen eines ARDS als auch eines Ischämie-Reperfusion-Syndroms nicht nur die Infiltration in das Gewebes durch neutrophile Granulozyten induziert, sondern auch durch eine Hemmung der Apoptose dieser Zellen den gewebeschädigenden Effekt verlängert [58]. Die operative Behandlungsstrategie beim polytraumatisierten Patienten scheint dabei auch die systemischen IL-8 Konzentrationen zu beeinflussen, was eine diagnostische und prognostische Bedeutung dieses Markers wahrscheinlich macht [71] (Abb. 3).

Abb. 3
figure 3

Perioperative IL-8-Plasmakonzentrationen, abhängig vom Versorgungszeitpunkt der Femurfraktur bei polytraumatisierten Patienten

Im Gegensatz zum IL-6 können TNF-α und IL-1β somit nicht als zuverlässige Marker zur Bestimmung des optimalen Zeitpunkts für sekundäre Operationen nach einem Polytrauma gelten [72, 73]. In verschiedenen Studien konnte kein signifikanter Anstieg der TNF-α und IL-1β Plasmakonzentrationen im Rahmen von posttraumatischen Operationen nachgewiesen werden [72, 73]. Auch zur Beurteilung des posttraumatischen Verlaufs zeigen die Mehrzahl der Studien keinen signifikanten Zusammenhang zwischen den Plasmakonzentrationen dieser Zytokine und dem Outcome der polytraumatisierten Patienten [33, 34, 73, 75, 98].

Nur in wenigen Studien konnten früh erhöhte TNF-α- und IL-1β-Plasmakonzentrationen beim polytraumatisierten Patienten mit einer gesteigerten Mortalitätsrate und einer erhöhten MODS und ARDS-Inzidenz assoziiert werden [10, 86, 98]. Ein ähnlicher Zusammenhang konnte im Rahmen einer Sepsis gezeigt werden, wo die Assoziationen zwischen systemischen TNF-α- und IL-1β-Spiegeln und der Entwicklung von Komplikationen, sowie der Erkrankungsschwere kontrovers diskutiert werden [7, 26, 48, 49, 66, 105].

Antiinflammatorische Mediatoren

Interleukin-10

Das IL-10 übt eine inhibierende Wirkung auf die Synthese von proinflammatorischen Zytokinen durch mononukleäre Zellen aus, indem es die Gentranskription proinflammatorischer Zytokine reduziert und den Abbau der mRNA dieser entzündungsfördernden Mediatoren induziert [19, 69]. IL-10 wird strukturell als ein Homodimer beschrieben, das sich aus 2 Proteinen zusammensetzt (je 18 kD). IL-10 wird im Wesentlichen von CD4+Th2-Zellen synthetisiert, kann aber auch von B-Lymphozyten, Monozyten und Makrophagen freigesetzt werden. Die Synthese des IL-10 kann durch TNF-α, IL-1, Endotoxin, Viren und LPS induziert werden. Das IL-10 bindet an einen zellulären Rezeptor (IL-10R) [103].

Neben der inhibierenden Wirkung auf die Synthese der proinflammatorischen Zytokine (TNF-α, IL-1, IL-6, IL-8 etc.) induziert IL-10 die systemische Freisetzung („shedding“) von TNF-Rezeptoren von der Zelloberfläche und trägt somit zu einer rascheren Inaktivierung des TNF-α bei [69]. Ebenso wird im Rahmen einer durch IL-10 induzierten Freisetzung von IL-1-Rezeptorantagonisten (IL-1ra) die systemische Wirkung des IL-1 reduziert [4]. Durch die Verminderung der systemischen IL-6-Konzentrationen kann IL-10 einen signifikanten Einfluss auf die Körpertemperatur ausüben und zur Fiebersenkung beitragen [42].

Die Signifikanz des IL-10 als das wohl wichtigste antiinflammatorische Zytokin zur Begrenzung einer lokalen oder systemischen Entzündungsreaktion konnte in verschiedenen experimentellen Studien nachgewiesen werden. In tierexperimentellen Studie konnte aufgezeigt werden, dass die Applikation von IL-10 nach Endotoxingabe auch im Rahmen eines ARDS die Überlebensrate verbessern kann [4, 69].

Neben diesem günstigen antiinflammatorischen Wirkungsprofil wird der positive Einfluss des IL-10 auf das Outcome in der Literatur jedoch auch gegensätzlich dargestellt. So erhöhte die frühe Neutralisation von IL-10 mit Antikörpern die Überlebensraten bei einer darauf folgenden Sepsis in einem Verbrennungsmodel [46] und verringerte zudem bei Sepsis die Anfälligkeit gegenüber späteren Sekundärinfektionen [97]. Der negative Effekt der Applikation von Antikörpern wurde damit erklärt, dass die frühe Neutralisierung von IL-10 zu erhöhten TNF-Plasmaspiegeln und somit zu einer erhöhten Mortalität führen kann [103], wohingegen für die spätere Blockade nach Sepsisinduktion ein positiver Effekt im Bezug auf die Überlebensrate nachgewiesen werden konnte [95].

Im Rahmen von orthopädischen Eingriffen kann das IL-10 das Ausmaß der Operation quantifizieren. So wurden bei einer aufgebohrten Femurnagelung postoperativ signifikant höhere IL-10-Plasmakonzentrationen beobachtet als beim unaufgebohrten Verfahren [94].

Rezeptoren des Tumornekrosefaktors

TNF-α bindet an zwei verschiedene membrangebundene Rezeptoren, den TNF-RI (55 kD) und den TNF-RII (75 kD), die auf allen Zelltypen außer auf Erythrozyten zu finden sind. Im Allgemeinen wird angenommen, dass der TNF-RI für die Effekte des TNF-α im Rahmen eines traumatischen Geschehens die bedeutendere Rolle spielt. So konnte die Gabe von selektiv nur am TNF-RI bindendem TNF-α einen zirkulatorischen Schockzustand hervorrufen, wohingegen ein ähnlicher Effekt durch eine selektive Bindung am TNF-RII nicht hervorgerufen werden konnte [44]. Beide Rezeptoren sind auch in löslicher Form im Plasma nachweisbar, wo sie bioaktives TNF-α binden und somit antagonistisch zu den Effekten des TNF-α wirken [76]. Neben weiteren spezifisch bindenden Proteinen sind sie dafür verantwortlich, dass TNF-α im Plasma nur eine kurze Halbwertszeit von 14–18 min aufweist.

Antagonist des IL-1-Rezeptors

IL-1 bindet an zwei verschiedenen Rezeptoren. Der Typ 1 (IL-1RI) findet sich auf Endothelzellen, Hepatozyten und T-Lymphozyten. Neben dem IL-1RI wurde der Typ 2 (IL-1RII) zusätzlich auf B-Lymphozyten, Monozyten und neutrophilen Granulozyten nachgewiesen [13]. Die Interaktion von IL-1β am IL-1RI und -RII kann durch den IL-1-Rezeptor-Antagonisten (IL-1ra) abgeschwächt werden, indem IL-1ra kompetitiv und reversibel an beiden Rezeptoren bindet ohne eine Signaltransduktion zu bewirken. Somit wird IL-1ra in der Literatur ein antiinflammatorisches Wirkungsprofil zugeschrieben.

Im Gegenzug kann IL-1ra durch lösliche Rezeptoren (IL-1RI und -RII) gebunden werden, was zu einem erneuten proinflammatorischen Signal durch die nun störungsfreie Interaktion von IL-1β und den membrangebundenen Rezeptoren führt. Dieselben löslichen Rezeptoren, aber auch der vergleichsweise rasche Abbau des IL-1 in den Nieren, der Leber und der Haut, führen dazu, dass das IL-1β eine sehr kurze Halbwertszeit von etwa 6 min aufweist [44].

Bedeutung der pro- und antiinflammatorischen Mediatoren für die operative Therapiephase bei elektiven Operationen

Proinflammatorische Mediatoren bei elektiven Operationen

Miyaoka et al. [54] konnten nachweisen, dass die Entwicklung eines SIRS am ersten postoperativen Tag nach einem elektiven Eingriff mit signifikant erhöhten IL-6-Plasmakonzentrationen assoziiert war. Am 3. postoperativen Tag konnten die SIRS-Kriterien bei keinem der Patienten mehr nachgewiesen werden. Parallel hierzu zeigte sich zu diesem Zeitpunkt auch eine signifikante Reduktion der IL-6-Plasmakonzentrationen. Die Autoren schlossen hieraus, dass IL-6 einen adäquaten Parameter zur Bestimmung des Schweregrads der postoperativen Entzündungsreaktion darstellt.

In anderen klinischen Studien konnte zusätzlich gezeigt werden, dass die postoperativen IL-6-Plasmaspiegel mit der Entwicklung von Komplikationen (Sepsis, MODS) korreliert waren [55, 56, 86]. So konnte nach einem signifikanten Operationstrauma bei einer postoperativen IL-6-Plasmakonzentration von mehr als 310 pg/μl mit einer Sensitivität von 90% die Entwicklung einer Sepsis vorhergesagt werden [56]. Auch für das IL-8 konnte ebenso ein signifikanter Anstieg der systemischen Spiegel nach abdominellen Operationen gezeigt werden. Dieser signifikante Anstieg war mit der Entwicklung eines posttraumatischen MODS assoziiert [78].

Der perioperative Anstieg der systemischen IL-6-Plasmakonzentrationen scheint erheblich vom Ausmaß [11], der Lokalisation und der Dauer [92] des chirurgischen Eingriffes abhängig zu sein [52, 65, 83, 89]. Insbesondere der Lokalisation und dem damit assoziierten Ausmaß des Gewebetraumas scheint dabei eine signifikante Bedeutung zuzukommen. So konnte gezeigt werden, dass abdominelle Eingriffe mit höheren perioperativen IL-6-Plasmakonzentrationen assoziiert sind als die Implantation einer Hüftprothese [52]. Des Weiteren waren laparoskopische Operationen am Abdomen im Vergleich zu offenen Verfahren mit einer verminderten Freisetzung von IL-6 assoziiert [52]. Übereinstimmend hiermit sind die perioperativen IL-6-Plasmaspiegel bei der Implantation einer Hüftprothese im Vergleich zu Osteosynthesen am Sprunggelenk signifikant erhöht [72].

Interessanterweise konnte in der gleichen Studie nachgewiesen werden, dass bereits in der unmittelbaren Phase nach der Einbringung der Implantate ein systemischer Anstieg der IL-6-Plasmakonzentrationen zu beobachten war. Patienten mit einer hohen perioperativen IL-6-Synthese wiesen dabei auch einen prolongierten intensivmedizinischen Verlauf auf [72].

Im Gegensatz zum IL-6 konnten in der überwiegenden Mehrzahl der Studien weder für systemische noch für lokale TNF-α- and IL-1β-Konzentrationen signifikante Assoziationen mit dem Operationstrauma und dem klinischen Verlauf hergestellt werden [23, 30, 38, 56, 73]. Diese Ergebnisse stehen zwar im Gegensatz zu der zuvor beschrieben zentralen Rolle der beiden Mediatoren in der Pathophysiologie der postoperativen Entzündungsreaktion, sind aber im Wesentlichen durch die kurzen Halbwertszeiten des TNF-α (12–16 min) und des IL-1β (6 min) zu erklären. Durch die kurzen Halbwertszeiten wird der perioperative Nachweis dieser primären Zytokine deutlich unwahrscheinlicher als beim IL-6, das 4–48 h nach operativen Eingriffen die höchsten systemischen Konzentrationen erreicht [3, 5, 12].

Diese Überlegungen werden durch die Ergebnisse einer Studie unterstützt, die mit sehr engmaschigen perioperativen Probeentnahmen einen sehr frühen und kurzen IL-1β-Anstieg nach einem chirurgischen Eingriff nachweisen konnte [3].

Antiinflammatorische Mediatoren bei isolierten chirurgischen Eingriffen

Nach operativen Eingriffen konnten auch bei den antiinflammatorischen Mediatoren Anstiege der systemischen Konzentrationen nachgewiesen werden [59, 89, 94, 99]. So konnten erhöhte IL-10-Konzentrationen mit einem verlängerten Aufenthalt auf der Intensivstation, einer längeren Gesamtliegedauer im Krankenhaus und der Entwicklung schwerer Infektionen assoziiert werden [6]. Ebenso konnte für das IL-1ra ein signifikanter Anstieg im Rahmen von Eingriffen an der unteren Extremität [89] und bei abdominellen Eingriffen [56] gezeigt werden. Dabei waren die IL-1ra-Plasmakonzentrationen bei denjenigen Patienten erhöht, die im postoperativen Verlauf infektiöse Komplikationen (Sepsis, septischer Schock) entwickelten [56]. Ähnliche Ergebnisse wurden für den postoperativen Anstieg des TNF-RI und -RII berichtet [78]. Vergleichbar mit den proinflammatorischen Zytokinen hängt auch bei den antiinflammatorischen Mediatoren das Ausmaß des perioperativen Anstiegs vom Operationstrauma ab [68, 94].

Im Rahmen einer aufgebohrten Marknagelung waren signifikant höhere systemisch IL-10-Konzentrationen nachzuweisen als bei dem unaufgebohrten Verfahren [94]. Postoperativ waren IL-10-Plasmaspiegel nur dann erhöht, wenn die Blutsperre an der unteren Extremität bestand und die dadurch verursachte Ischämie länger als 105 min dauerte [89]. Allerdings konnte in anderen Studien keine signifikante Korrelation zwischen dem klinischen Verlauf und den peri-operativen IL-10-Konzentrationen gezeigt werden [9, 31, 53].

Bedeutung der pro- und antiinflammatorischen Mediatoren für die operative Therapiephase bei polytraumatisierten Patienten

Proinflammatorisch Mediatoren

Im Rahmen eines Polytraumas konnte eine signifikante Assoziation zwischen früh nach einem Trauma erhöhten IL-6-Plasmakonzentrationen und einer hohen Verletzungsschwere nachgewiesen werden [21, 48, 73, 98]. Dabei blieben die Plasmakonzentrationen dieses Zytokins bei Patienten mit einer hohen Verletzungsschwere für mehr als 5 Tage signifikant erhöht [73]. Somit scheint IL-6 einen zuverlässigen Marker für die Schwere des traumatischen Insults darzustellen.

Klinische Studien haben Hinweise dafür gegeben, dass sowohl erhöhte IL-6-Konzentrationen als auch hohe systemische IL-8-Spiegel im frühen posttraumatischen Verlauf neben der Einschätzung der Verletzungsschwere auch einen Prädiktor für posttraumatische Komplikationen (MODS, ARDS, Tod) darstellen könnten [26, 33, 36, 43, 50, 51, 61]. Bereits innerhalb der ersten Stunde nach Trauma können anhand der systemischen IL-8-Spiegel überlebende Patienten von denjenigen unterschieden werden, die im weiteren klinischen Verlauf verstarben [43]. Seekamp et al. [89] wiesen für das IL-6 nach, dass polytraumatisierte Patienten, die im klinischen Verlauf ein MODS entwickelten, schon sehr früh nach dem Trauma signifikant höhere Plasmaspiegel aufwiesen als Patienten mit einem komplikationslosen Verlauf.

Auch ein sekundärer Anstieg der systemischen IL-6-Spiegel konnte bei polytraumatisierten Patienten mit einem bereits bestehenden MODS mit einem schlechten Outcome dieser Patienten korreliert werden [98]. Bei einer signifikanten Lungenschädigung und einem hiermit assoziierten ARDS waren erhöhte IL-6- und IL-8-Plasmakonzentrationen mit einer erhöhten Morbidität (vermehrte Anzahl der Beatmungstage) und Mortalität assoziiert [74]. Martin et al. [48] berichteten, dass initial erhöhte IL-6-Plasmakonzentrationen bei polytraumatisierten Patienten ebenso mit einem signifikant erhöhten Risiko einhergehen, im klinischen Verlauf eine Infektion zu entwickeln.

Übereinstimmend gilt IL-6 nach den Ergebnissen verschiedener Studien als einer der potentesten prädiktiven Mediatoren, um das Outcome des septischen Patienten zu beurteilen [28, 48, 50, 66, 81].

In verschiedenen Studien konnte gezeigt werden, dass die inflammatorische Immunantwort nach Polytrauma und die durch sekundäre Operationen verursachte Entzündungsreaktion additiv wirken können und mit der Entwicklung von Komplikationen assoziiert sind [70, 72, 73, 109]. Dabei scheint das Ausmaß des Operationstraumas einen entscheidenden Faktor darzustellen. Sekundäre Operationen im Bereich verschiedener Körperregionen können dabei zu signifikant unterschiedlichen Immunreaktionen führen (Becken > Oberschenkel > Wirbelsäule > Schädel) [105]. Größere Operationen (z. B. Eingriffe am Oberschenkel oder Becken) können auch bei einer moderaten posttraumatischen Inflammation zu Komplikationen führen, wohingegen Sekundäroperationen mit einem geringeren Trauma (z. B. Operationen am Mittelgesicht oder am Handgelenk) auch bei einer stärkeren posttraumatischen Trauma komplikationslos verlaufen können [20, 73, 109].

So führte eine frühe posttraumatische definitive Versorgung (Versorgung von Frakturen des Oberschenkels, der Wirbelsäule oder des Beckens) bei polytraumatisierten Patienten mit hohen initialen IL-6-Plasmakonzentrationen (>500 pg/μl) zu einer erhöhten Inzidenz eines MODS [73].

Übereinstimmend konnten Waydhas et al. [70, 109] nachweisen, dass die Inzidenz eines MODS dann signifikant erhöht ist, wenn chirurgische Eingriffe trotz einer persistierenden posttraumatischen Entzündungsreaktion durchgeführt wurden. Bei einer primären, definitiven Versorgungsstrategie von Oberschenkelfrakturen („damage control orthopaedics“, DCO) konnte nachgewiesen werden, dass bei den Patienten mit dem höchsten perioperativen Anstieg der IL-6-Plasmakonzentrationen die längsten Beatmungszeiten vorliegen. Ein signifikanter Anstieg der ARDS- und MODS-Inzidenz zeigte sich hier allerdings nicht [72].

Antiinflammatorische Mediatoren

Erhöhte IL-10-Plasmakonzentrationen konnten ebenso beim polytraumatisierten Patienten beobachtet werden. Sowohl die Verletzungsschwere als auch die Entwicklung posttraumatischer Komplikationen (Sepsis, ARDS) korrelierten dabei mit den IL-10-Plasmaspiegeln [63, 74]. Patienten mit bereits bestehendem ARDS, die im klinischen Verlauf verstarben, wiesen dabei die höchsten systemischen IL-10-Werte auf [74]. Die imunsuppressiven Eigenschaften des IL-10 könnten hierfür als wesentliche Ursache angesehen werden [94]. Aber auch eine inadäquate antiinflammatorische Immunantwort kann das Outcome von Patienten negativ beeinflussen. So waren niedrige IL-10-Konzentrationen im Rahmen einer akut auftretenden Beeinträchtigung der Lungenfunktion („acute lung injury“) mit einer Progression der Erkrankung zum ARDS assoziiert [69].

Auch bei septischen Patienten waren die IL-10-Plasmaspiegel signifikant erhöht. Die IL-10-Konzentrationen korrelierten dabei mit der Erkrankungsschwere, da Patienten im septischen Schock im Vergleich zu septischen Patienten ohne Schocksymptomatik deutlich höhere Werte aufwiesen [47]. Übereinstimmend berichteten van Dissel et al. [69], dass Patienten mit hohen IL-10-Konzentrationen im Rahmen von Infektionen ein größeres Risiko aufwiesen, an dieser Erkrankung zu versterben.

Gogos et al. [24] schlussfolgerten, dass signifikant erhöhte IL-10-Plasmakonzentrationen bei Sepsis den besten Marker für die Erkrankungsschwere und das Outcome darstellen. Allerdings muss beachtet werden, dass auch bei infektiösen Komplikationen Basiskonzentrationen des IL-10 nötig sind, um eine überschießende Inflammation (Fieber, proinflammatorische Zytokinproduktion, Aktivierung von neutrophilen Granulozyten) zu verhindern [24].

Auch sekundäre Operationen (Beckeneingriffe) bei polytraumatisierten Patienten führten für einen Zeitraum von 24 h nach der Operation zu einem signifikanten Anstieg der systemischen IL-10-Konzentrationen. Dieser Anstieg war bereits 4 h nach dem Operationsbeginn nachzuweisen. Eine signifikante Assoziation mit dem posttraumatischen Outcome konnte nicht gezeigt werden. Allerdings wurden die sekundären Operationen erst in der 2. Woche nach dem Trauma durchgeführt, sodass sich die durch das Trauma bedingte Entzündungsreaktion bereits wieder normalisiert hatte [64]. Bezüglich des prognostischen Wertes der systemischen IL-10-Konzentrationen wurden aber auch gegensätzliche Ergebnisse veröffentlicht. So konnte im Rahmen anderer klinischer Studien kein signifikanter Anstieg der systemischen IL-10-Konzentrationen aufgrund von chirurgischen Interventionen nach einem Polytrauma nachgewiesen werden [20, 73].

Auch den beiden TNF-Rezeptoren (TNF-RI und RII) scheint im Rahmen von Trauma und Sepsis eine entscheidende Rolle zuzukommen, da eine erhöhte Konzentration dieser Rezeptoren bei hohen TNF-α-Spiegel mit einer erhöhten Mortalitätsrate und einer vermehrten MODS-Inzidenz assoziiert war [7, 34, 75, 84, 96]. Allerdings scheint der TNF-RI hierbei eine größere Rolle zu spielen, da in einigen Studien nur eine signifikante Bedeutung für den TNF-RI, nicht aber für den TNF-RII nachgewiesen werden konnte [16, 66, 89].

Für das IL-1ra konnten nach einem Polytrauma bei Patienten mit posttraumatischen MODS oder ARDS signifikant höhere Konzentrationen nachgewiesen werden als bei einem unauffälligen klinischen Verlauf [34, 75]. In einer weiteren klinischen Studie wiesen auch Patienten, die nach einem Trauma verstarben, signifikant erhöhte systemische IL-1ra-Spiegel auf [16]. Des Weiteren konnten ansteigende systemische IL-1ra-Konzentrationen mit einem signifikant erhöhten Infektionsrisiko assoziiert werden [105].

Goldie et al. [25] konnten hingegen in einer klinischen Studie keinen prognostischen Wert für die systemischen IL-1ra-Werte bezüglich des Outcomes beim septischen Patienten zeigen. Ähnliche Ergebnisse wurden in einer Studie von Wakefield et al. [106] präsentiert.

Fazit für die Praxis

Unter den proinflammatorischen Zytokinen scheint das IL-6 den zuverlässigsten Parameter darzustellen, um den klinischen Zustand und das Risikoprofil der Patienten nach einem Polytrauma oder einem chirurgischen Eingriff einschätzen zu können. Auch das IL-8 könnte nach den Ergebnissen der bisherigen Studien hierfür Verwendung finden. TNF-α und IL-1β nehmen im Rahmen der Immunantwort nach Trauma, Sepsis oder sekundären Operationen zwar eine zentrale Rolle ein, systemische Konzentrationen dieser proinflammatorischen Zytokine können jedoch nicht als zuverlässige diagnostische Marker für das Outcome gelten. Eine Erklärung hierfür ist in der Pharmakokinetik zu suchen [44].

Bei den antiinflammatorischen Mediatoren weisen offenbar v. a. die löslichen TNF-Rezeptoren, und hier TNF-RI sowie IL-1ra, einen guten Vorhersagewert für die Entwicklung posttraumatischer und postoperativer Komplikationen auf. Aber auch das IL-10 scheint nach den mehrheitlichen Ergebnissen der klinischen Studien im Rahmen eines Polytraumas oder einer Sepsis als prognostischer Mediator Verwendung finden zu können, um die Progredienz der Erkrankungen im späteren klinischen Verlauf zu beurteilen [31, 66].

Polytraumatisierte Patienten repräsentieren eine sehr heterogene Patientengruppe. Somit scheint die prognostische Beurteilung des klinischen Verlaufs und des Outcomes dieser Patienten anhand eines einzigen Parameters nicht ausreichend sicher zu sein, da in einzelnen Studien auch für IL-6 und IL-8 kein signifikanter Zusammenhang mit posttraumatischen Komplikationen nachgewiesen werden konnte [26, 39, 41, 58, 66]. Dies ist allerdings auch nicht überraschend, da durch die Beurteilung der Patienten anhand eines Parameters zum einen nicht der Komplexität der posttraumatischen Entzündungsreaktion Rechnung getragen wird und zum anderen genetische Variationen innerhalb der Zytokine nicht berücksichtigt werden [107]. Des Weiteren müssen geschlechtsspezifische Unterschiede berücksichtigt werden, da in experimentellen Studien gezeigt werden konnte, dass die posttraumatische Entzündungsreaktion durch Sexualhormone signifikant beeinflusst werden kann [2].

Im Anbetracht dieser Überlegungen erscheint die Korrelation mehrerer inflammatorischer Marker (z. B. IL-6 und IL-10) [45, 54, 100, 101] als eine Möglichkeit, den prognostischen Wert der inflammatorischen Parameter zu erhöhen. Ebenso dürfte die Einbeziehung anderer Laborwerte (Laktat, Thrombozyten etc.) sowie physiologischer Parameter sinnvoll sein [61, 77].