Ursachen und Klassifizierung

In den USA stieg die Anzahl der implantierten Hüften von 1985–1989 um jährlich 5% und hat sich exponentiell gegenüber 1989 mit noch 63.000 Hüften [1] bis heute auf 170.000 fast verdreifacht. Eine weitere Verdoppelung wird bis 2030 erwartet [22]. Mit Anstieg der implantierten Hüftgelenke steigt aber auch die Zahl der Patienten, die wegen methodenimmanenter Komplikationen behandelt werden müssen. Eine der Komplikationen ist die peri- bzw. subprothetische Fraktur, die mit einer Häufigkeit von 0,8–2,3% in der Literatur gefunden wird [9, 15, 16]. Dies können jedoch nur vage Schätzungen sein, da nur ein Teil dieser Komplikationen in der Klinik der Endoprothesenerstimplantation versorgt wird.

Bei jährlich 80.000–120.000 Endoprothesenimplantationen in der Bundesrepublik [3] dürfte es etwa 1 Mio. Hüftendoprothesenträger geben, woraus sich—wieder mit Zurückhaltung—eine jährliche Inzidenz von ca. (oder mindestens) 10.000 peri-/subprothetischen Femurfrakturen hochrechnen lässt, was nach den Ermittlungen von Bernd et al. [4] die dritthäufigste Komplikation in der Hüftendoprothetik darstellt.

Das Femur kann dabei einerseits intraoperativ (in 0,6–1,6% der zementierten Prothesen, in 2,6–4% bei unzementierten Pressfitprothesen und bis zu 17,6% der Fälle bei unzementierten Revisionsprothesen) oder andererseits nach adäquaten Traumen oder als pathologische Frakturen bei schlechter Knochenqualität des Femurs frakturieren [18].

Es ist schwer, aus der Literatur mehr verlässliche Zahlen zu ermitteln zu:

  • intraoperativ entstandenen, sofort erkannten und durch adjuvante Osteosynthese (Zuggurtung, Schraube) versorgten Trochanterfissuren,

  • erst postoperativ evident gewordenen Rissen oder Sprengungen, wie sie beim Einschlagen unzementierter Schäfte oder schon durch Schaftraspeln entstehen können,

    ferner Diaphysenperforationen und damit Penetrationen der (meist) Langschaftprothesenspitzen, v. a. beim brüsken Aufraspeln osteoporotischer Kortikales oder aber auch zu:

  • Frakturen, die sich bei der iatrogenen Luxation des Prothesenkopfes oder

  • beim Herausmeißeln des "Zements" bei der Wechseloperation ergeben.

Eher wird über jene Frakturen berichtet, die sich nach einem adäquaten Trauma oder schleichend nach einer mehr oder weniger langen Schmerzphase bei gelockerter Prothese [18] oder nach unbefriedigender Implantation auf dem Boden sog. "stress riser" nach einer "Standzeit" von nur Wochen bis zu Jahren ereignen.

Nach Bernd et al. [4] ereignen sich etwa 2/3 aller Frakturen an der Prothesenspitze und 1/3 proximal davon, wobei nach Beals [2] die unzementierte Prothese sowohl zu periprothetischen wie unmittelbar in der Spitzenregion lokalisierten Frakturen neigen, gelockerte zementierte ebenfalls bevorzugt an der Spitze auftreten, ungelockerte zementierte eher subprothetische Frakturen verursachen.

Es gibt zahlreiche Klassifizierungen dieser Frakturen [2, 5, 9, 14]. Einige davon sind rein deskriptiv und anatomieorientiert und auf Grund ihres Bestrebens nach Vollkommenheit so unübersichtlich und so wenig einprägsam wie Böhlers Klassifizierung der Fersenbeinbrüche. Eine einfache, dafür aber therapiegerichtete ist die Klassifizierung von Mont u. Maar [19], die Einspaltfrakturen trochanternah (Typ 1), in Prothesenschaftmitte (Typ 2), an der Prothesenspitze (Typ 3), unterhalb der Prothesenspitze, also subprothetisch (Typ 4) und die periprothetische Mehrfragmentfraktur (Typ 5) unterscheidet (Abb. 1, Tabelle 1).

Abb. 1.
figure 1

Die Klassifikation der periprothetischen Frakturen nach Mont u. Maar [19] unterscheidet die Einspaltfraktur trochanternah (Typ 1), in Prothesenschaftmitte (Typ 2), an der Prothesenspitze (Typ 3), unterhalb der Prothesenspitze (Typ 4) und die periprothetische Mehrfragmentfraktur (Typ 5)

Tabelle 1. Frakturklassifikationen und ihre Beziehung zu der von Mont u.  Maar [19]

Literaturanalyse zur Therapie

Wie problematisch die sub- und periprothetischen Frakturen des Femurs sind, zeigt die Vielfalt an Therapiemöglichkeiten. Beals [2] gibt einen Algorithmus der Therapie an, wobei Festigkeit der Prothese, Frakturtyp nach seinem Schema, zementiert oder unzementiert, die verschiedenen Ausgangssituationen darstellen, für deren jede einzelne er jeweils mehrere Alternativbehandlungen vorschlägt, von der konservativen Behandlung über die Osteosynthese mit Platten und Cerclagen mit oder ohne Spongiosa bis zum zweizeitigen Vorgehen, also Rekonstruktion des Schafts mittels Plattenosteosynthese zur Vorbereitung für eine zementlose Zweitprothese.

Nach der Plattenosteosynthese, die ganz offensichtlich nicht nur für die wirklichen subprothetischen Frakturen Verwendung findet und zumindest für diese die operationstechnisch einfachste und für den Patienten die am wenigsten belastende, wenn auch nicht stabilste Lösung darstellt, ist die Langschaft- bzw. Tumor- bzw. (lange) Revisionsprothese allein oder in Kombination mit komplementären Osteosynthesen für die meisten Autoren zumindest für die wirklich periprothetischen Frakturen vom Typ 2, 3 und 5 nach Mont u. Maar [19] die häufigste therapeutische Antwort.

Neuerdings kommen Prothesenmodelle zum Einsatz, die distal durch Bolzen verriegelbar sind und damit die Vorteile des Nagels mit denen der Endoprothese vereinen [1, 7, 10].

Die Vielfalt der Klassifikationen und der Behandlungsmethoden, sowie die geringen Fallzahlen pro Publikationen führen zu einer Heterogenität, die einen Vergleich der verschiedenen Behandlungsverfahren nicht zulässt. Um trotzdem einen Überblick über die Effizienz der verschiedenen Behandlungsmethoden zu erhalten, haben wir die Literatur nach dem Vorbild von Mont u. Maar [19] geordnet, die verschiedenen Klassifikationen angeglichen und die publizierten Ergebnisse gegeneinandergestellt. In 55 Publikationen waren die Klassifikationen der Frakturen, die Behandlungsmethoden und die Beschreibung der Behandlungsergebnisse eindeutig, sodass 1370 peri- und subprothetischen Frakturen in die Literaturanalyse einbezogen werden konnten.

Behandlungsverfahren

Bei 752 Frakturen konnte der Frakturtyp der Behandlungsmethode zugeordnet werden. Insgesamt wurden bei 188 Frakturen (25% der zuordenbaren Frakturen) nichtoperative Verfahren (Extension, Gipsruhigstellung oder frühfunktionelle Mobilisation), bei 33 Patienten (4% der zuordenbaren Frakturen) minimal-invasive Verfahren (Schraubenosteosynthesen, Cerclagen und/oder Spongiosaplastiken), bei 264 Patienten (35% der zuordenbaren Frakturen) Plattenosteosynthesen, bei 242 Patienten (33% der zuordenbaren Frakturen) Prothesenwechsel oder intramedulläre Nagelsysteme in Verbindung mit Endoprothesen und bei 25 Patienten (3% der zuordenbaren Frakturen) weitere Operationstechniken (primäre Girdlestone-Situation, Verbundosteosynthesen und retrograde intramedulläre Verfahren) angewendet.

Bei 618 Patienten konnte das Behandlungsverfahren einer Frakturklassifikation nicht zugeordnet werden. Die Operationsmethoden sollen im Folgenden den Frakturtypen zugeordnet aufgelistet werden (Tabelle 2).

Tabelle 2. Mitteilungen über die Therapie von 1370 peri- und subprothetischen Frakturen in der Literatur

Typ 1 und 2

Von 186 Frakturen (24% der zuordenbaren Frakturen) wurden bei 51 Patienten (27%) nichtoperative Verfahren (Extension, Gipsruhigstellung oder frühfunktionelle Mobilisation), bei 12 Patienten (6%) minimal-invasive Verfahren (Schraubenosteosynthesen, Cerclagen und/oder Spongiosaplastiken), bei 40 Patienten (22%) Plattenosteosynthesen, bei 76 (41%) Patienten Prothesenwechsel oder intramedulläre Nagelsysteme in Verbindung mit Endoprothesen und bei 7 Patienten (4%) weitere Operationstechniken (primäre Girdlestone-Situation, Verbundosteosynthesen oder retrograde intramedulläre Verfahren) angewendet.

Typ 3

Von 252 Frakturen (35% der zuordenbaren Frakturen) wurden bei 60 Patienten (24%) nichtoperative Verfahren (Extension, Gipsruhigstellung oder frühfunktionelle Mobilisation), bei 13 Patienten (5%) minimal-invasive Verfahren (Schraubenosteosynthesen, Cerclagen und/oder Spongiosaplastiken), bei 64 Patienten (25%) Plattenosteosynthesen, bei 111 Patienten (44%) Prothesenwechsel oder intramedulläre Nagelsysteme in Verbindung mit Endoprothesen und bei 4 Patienten (2%) weitere Operationstechniken (primäre Girdlestone-Situation, Verbundosteosynthesen oder retrograde intramedulläre Verfahren) angewendet.

Typ 4

Von 290 Frakturen (38% der zuordenbaren Frakturen) wurden bei 77 Patienten (26%) nichtoperative Verfahren (Extension, Gipsruhigstellung oder frühfunktionelle Mobilisation), bei 5 Patienten (2%) minimal-invasive Verfahren (Schraubenosteosynthesen, Cerclagen und/oder Spongiosaplastiken), bei 160 Patienten (55%) Plattenosteosynthesen, bei 34 Patienten (12%) Prothesenwechsel oder intramedulläre Nagelsysteme in Verbindung mit Endoprothesen und bei 14 Patienten (5%) weitere Operationstechniken (primäre Girdlestone-Situation, Verbundosteosynthesen oder retrograde intramedulläre Verfahren) angewendet.

Typ 5

Von 24 Frakturen (3% der zuordenbaren Frakturen) wurden bei 3 Patienten (13%) minimal-invasive Verfahren (Schraubenosteosynthesen, Cerclagen und/oder Spongiosaplastiken) und bei 24 Patienten (87%) Prothesenwechsel oder intramedulläre Nagelsysteme in Verbindung mit Endoprothesen angewendet.

Komplikationen

In den ausgewerteten 55 Publikationen waren bei 1370 Patienten 356 Komplikationen (26%) aufgetreten. Bei insgesamt 696 Patienten aus 31 Publikationen konnten die Komplikationen den Behandlungsmethoden zugeordnet werden. Behandlungsbedingte Komplikationen waren in der Gruppe der sonstigen Verfahren (nichtoperative und minimal-invasive Behandlungstechniken) mit 10% am höchsten, gefolgt von den Prothesewechselverfahren (6%) und den Plattenosteosynthesen (2%), (Tabelle 3).

Tabelle 3. Komplikationsrate bei 696 Patienten (31 Literaturstellen), bei denen das Behandlungsverfahren der Komplikation zugeordnet werden konnte

Komplikationen während der postoperativen Phase traten bei 19% aller 1370 Patienten auf; bei 31% der mit Plattenosteosynthese versorgten, bei 19% der Patienten mit Prothesenwechseln und bei 17% der Patienten, die mit nichtoperativen und minimal-invasive Behandlungsverfahren therapiert worden waren.

Allgemeine, nicht behandlungsimmanente Komplikationen gab es in der Gruppe der nichtoperativen und minimal-invasiven Behandlungstechniken bei 5%, in der Gruppe der Prothesenwechsel bei 4%, in der Gruppe der Plattenosteosynthesen bei 2% und bei allen 1370 Patienten bei 4%.

Auffällig war die relative Häufung der Pseudarthrosen (11%) und der Implantatversager durch Plattenausriss, -lockerung und -bruch (7%) bei den Plattenosteosynthesen. Bei den Patienten, deren Prothese gewechselt wurde, traten Prothesendislokationen und -lockerungen bei 8% und Pseudarthrosen bei 3% der Patienten auf.

Die biomechanische Stabilität des Verfahrens zur Therapie der peri- und subprothetischen Frakuren ist offensichtlich ein wichtiger Faktor, der die Komplikationsrate und Rehabilitationszeit maßgeblich beeinflusst. Im Folgenden soll deshalb das Konzept des "Prothesennagels" vorgestellt werden, bei dem die biomechanischen Eigenschaften so verändert werden, dass die frühzeitige Vollbelastung der Extremität möglich wird.

Das Konzept "Prothesennagel"

Unser Konzept eines "Prothesennagels" geht nicht vom Versagen einer Hüftendoprothese aus, sondern von dem Ereignis Femurschaftfraktur, für die es zumal für den alten Menschen kein effizienteres, weil primär belastungsstabiles Osteosyntheseverfahren gibt als den Marknagel. Es drängte sich bei dieser traumatologischen Betrachtungsweise auf, einen Nagel zu konzipieren, der mit einem Hüftprothesen-Kopf-Hals-Modul konnektiert werden sollte.

Der Seniorautor dieses Artikels wurde durch eine Mitteilung von Ritter (ehemals Mainz, Literaturstelle nicht mehr auffindbar) angeregt, der einen herkömmlichen Marknagel mit einer Hüftprothese konnektierte, ebenso wie dies Olerud u. Karlström 1984 [20] berichteten, die "27 such complicated hips … treated by a femoral prosthesis driven into a intramedullary nail" und haben 1985 von einem nicht mehr auf dem Markt befindlichen Implantatehersteller ein solches Modell bauen lassen (Abb. 2a), das letztlich von der Fa. Brehm (Weisendorf) auf der Basis der modularen Revisionsprothese von Wagner zu einem kanülierten verriegelbaren "Prothesennagel" weiterentwickelt wurde (s. Abb. 2c). Die beiden Komponenten (Marknagel und Prothesenmodul) werden in situ (nach der Verriegelung) "kaltverschweißt".

Abb. 2a–c.
figure 2

Entwicklung des Prothesennagels. a Erster Prototyp 1985, b Nachfolgemodell 1992, c Modulares Prothesensystem 1999

Wir gehen vom Prinzip der gedeckten, primär voll belastbaren Nagelung aus. Wir entfernen bei zementierten Prothesen die Zementköcherspitze, verwenden nur im Ausnahmefall komplementäre Drahtcerclagen und/oder homologe Spongiosa und stabilisieren die Femurfraktur nach dem Prinzip der aufgebohrten Marknagelung mit dem Nagelmodul des "Prothesennagels", das im distalen Femur mit Bolzen verriegelt wird.

Danach erfolgt die "Kaltverschweißung" des Nagels mit dem Prothesenmodul, das zuvor in entsprechender Antetorsion, zumindest aber der Pfannenposition angepasst—im Falle nicht optimaler Anteversion—aufgesetzt wird.

Eigenes Krankengut

In den Jahren 1992–2000 wurden in unserer Klinik 28 Prothesennägel bei 26 Patienten implantiert. Das Durchschnittsalter bei 18 Frauen und 8 Männern betrug 71 Jahre (40–88 Jahre). Die Indikation zur Implantation eine Prothesennagels (modulare Revisionsprothese der Fa. Peter Brehm/Chirurgiemechanik (Weisendorf, Deutschland) waren bei 12 Patienten periprothetische Frakturen (Typ 2, 3 und 5 nach Mont u. Maar) (Abb. 3), bei 8 Patienten subprothetische Frakturen (Typ 4 nach Mont u. Maar, Abb. 4), bei 4 Patienten ein Prothesenwechsel bei schlechter Knochenqualität und bei 3 Patienten eine langstreckige Zertrümmerung des proximalen Femurs mit Beteiligung des Hüftkopfes. Je eine periprothetische und eine subprothetische Fraktur waren zuvor auswärts mit einer Plattenosteosynthese versorgt worden, die bei der Mobilisation der Patienten ausrissen (Abb. 3).

Abb. 3a–e.
figure 3

Revision eines Plattenausriss bei einer periprothetische Fraktur mit einem Prothesennagel bei einer 86-jährigen Frau. a periprothetische Fraktur, b Plattenosteosynthese, c Plattenausriss 1 Woche postoperativ, d Revisionsergebnis mit dem Prothesennagel, e Ausheilungsergebnis 1 Jahr postoperativ

Abb. 4.
figure 4

Subprothetische Fraktur vom Typ 4 nach Mont u. Maar

Bei den Prothesenwechseln wurde die Prothese aus dem frakturierten Femur entfernt, der Zement herausgemeißelt, wobei lediglich die Zementköcherspitze komplett entfernt wurde. Am Endokortex haftende Zementreste wurden belassen. Über einen Bohrdorn wurde die noch intakte Markhöhle aufgebohrt und das Nagelmodul der Prothese implantiert, wobei die Stärke des implantierten Nagels 1,5–2,0 mm kleiner gewählt wurde als die Markraumbohrung. Nach Verriegelung des distalen Anteils des Nagelmoduls wurden die Hüftprothesenmodule aufgesetzt und kalt verschweißt. Bei 6 Patienten wurde zusätzlich die Fraktur durch eine Drahtcerclage gesichert, 10 Patienten erhielten eine homologe oder autologe Spongiosaplastik. Bei einem Patienten mit einer pathologischen Femurfraktur war eine Verbundosteosynthese des Prothesennagel mit Knochenzement notwendig (Tabelle 4).

Tabelle 4. Ergebnisse der Prothesennagelimplantationen in unserer Klinik

Alle periprothetischen und subprothetischen Frakturen heilten nach Versorgung mit dem "Prothesennagel" knöchern aus. Postoperativ konnten 24 der 28 Patienten die operierte Extremität voll belasten. Bei 4 Patienten war wegen eines Pfannenaufbaus nur Teilbelastung möglich. In vier Fällen traten Komplikationen auf (Abb. 5). Bei einem Patienten kam es zu rezidivierenden Luxationen. Bei einem weiteren Patienten mit 160 kg Körpergewicht stauchte die Prothese bei Bruch der Verriegelungsbolzen ein.

Abb. 5a, b.
figure 5

Komplikationen im eigenen Krankengut. a Bruch der Verriegelungsbolzen und Einsinken des Prothesennagels bei einem 160 kg schweren Mann. b Markraumphlegmone nach Implantation eines Prothesennagels bei einer periprothetischen Fraktur, die nach Implantatentfernung als Girdlestone-Hüfte ausheilte

Ein weiterer Patient erhielt bei einer periprothetischen Fraktur einen Prothesennagel, der nach 6 Jahren und Ausheilung einer Fraktur durch eine konventionelle Kurzschaftprothese ersetzt wurde. Bei den Rehabilitatonsmaßnahmen stürzte der Patient, sodass es erneut zu einer traumatischen periprothetischen Fraktur kam. Diese Fraktur wurde erneut durch einen Prothesennagel behandelt. Bei einer weiteren Patientin brachen die Bolzen der Prothese, ohne dass ein therapeutischer Handlungsbedarf gegeben war.

Ein Patient entwickelte eine Infektion des Markraumes mit Staphylococcus epidermidis, die jedoch so milde verlief, dass die knöcherne Ausheilung der periprothetischen Fraktur unter liegendem Nagel abgewartet werden konnte. Nach Ausheilung der Fraktur wurde der Prothesennagel entfernt und eine Girdlestone-Situation erzeugt. Der Patient war danach mit Hilfe von Gehstöcken schmerzfrei gehfähig und lehnte die erneute Implantation einer Hüftprothese ab. Ein Patient erlitt eine tiefe Beinvenenthrombose, die folgenlos ausheilte. Verfahrensimmanente Komplikationen traten somit bei 18% unserer Patienten auf (s. Tabelle 4).

Diskussion

Femurfrakturen nach Implantation einer Hüftprothese stellen hohe Anforderungen an den Therapeuten. Es liegt in der Natur der Sache, dass diese Frakturen etwa im 7. Lebensjahrzehnt auftreten [6, 12, 25] und kompliziert sind durch schlechte Knochenqualität wegen Osteoporose oder Kortikalisdefekten nach Hüftrevisionen [18]. Trotz der Tatsache, dass die jährliche Inzidenz der peri- und subprothetischen Femurfrakturen ansteigen wird—diese Fraktur ist zweithäufigste Ursache für die Revision der Hüftendoprothese [17]—sind die in der Literatur mitgeteilten Erfahrungen über die Versorgung dieser Frakturen wegen der kleinen Patientenkollektive und der Inhomogenität der Behandlungskonzepte schwer zu interpretieren.

Aufbauend auf einer Literaturauswertung peri- und subprothetischer Frakturen durch Mont u. Maar 1994 [19] haben wir deshalb versucht, die verschiedenen Behandlungsmethoden und ihre Effizienz bei 1370 peri- und subprothetischen Frakturen aus 55 Publikationen zu analysieren. Um die publizierten Patientenkollektive vergleichbar zu machen, wurden die Publikationen nicht berücksichtigt, bei denen die Beschreibung der jeweiligen Methode zu ungenau war oder eine genaue Klassifikation der Frakturen nicht möglich war.

Trotz der methodischen Schwierigkeiten war für die subprothetischen Frakturen (Typ 4 nach Mont u. Maar) klar zu erkennen, dass die Plattenosteosynthese bevorzugt wurde. Für uns überraschend war, dass die Patienten in 27% der Fälle durch Gips oder Extension behandelt wurden, weil diese Verfahren in der geriatrischen Traumatologie für Schenkelhals-, pertrochantäre Femur- oder Femurschaftfrakturen seit Langem als obsolet gelten. Die Versorgung subprothetischer Frakturen durch einen endoprothetischen Ersatz waren mit 12% der Fälle in der deutlichen Minderheit. Begründet wird dies in der Hauptsache mit technischen Schwierigkeiten, eine festsitzende, zementierte oder exzessiv osteointegrierte Prothese zu entfernen [23].

Bei periprothetischen Frakturen, bei denen die Prothese durch die Fraktur gelockert und somit die Entfernung leicht ist, wird die Langschaft-, Tumor- oder sonstige Wechselprothese meist mit komplementären Osteosynthesen in immerhin 43% der Fälle bevorzugt. Immer noch überraschend hoch ist jedoch der Anteil an Plattenosteosynthesen und an konservativen Behandlungsverfahren durch Extension oder Gips in 20% der Fälle.

Die Komplikationen der Verfahren ergeben sich aus der biomechanischen Stabilität. Bei präexistenter Morbilität, reduzierter Compliance und verminderter Fähigkeit der meist greisen Patienten zum Entlasten waren die Komplikationen nach Plattenosteosynthesen verständlicherweise mit 35% am größten. Bei der Analyse der einzelnen Komplikationen zeigte sich, dass Pseudarthrosen und Implantatversager (z. B. Plattenbrüche und Plattenausrisse) bei den Plattenosteosynthesen einen großen Anteil der Komplikationen ausmachte (wie auch bei den sonstigen Verfahren, z. B. der Extensions- und Gipsbehandlung).

Über das größte Patientenkollektiv, deren periprothetische Frakturen mit der Plattenosteosynthese versorgt wurden, berichten Jansen et al. 1988 [13]. Aufgrund einer Multicenterstudie mit 139 Patienten relativieren sie die Effizienz der Platte. Sie fassen zusammen, dass eine Plattenosteosynthese in Verbindung mit einer Prothese in situ zu einer großen Anzahl von sekundären Revisionseingriffen und Pseudarthrosen führt. Dies ist eine Erfahrung, die nicht verwundert, ist doch mit der Platte selbst am biologisch hochwertigen Knochen nur Übungsstabilität zu erzielen.

Der Knochen um einen Prothesenschaft gewährt der Schraube nicht nur altersbedingt sondern auch durch den zementbedingt geschwächten Endokortex schlechten Halt, abgesehen davon, dass selbst bei denen in Höhe der Schaftspitze lokalisierten Frakturen, die proximalen Schrauben in aller Regel, wenn sie nicht extrem tangential eingedreht werden, nur einen Kortex fassen. Schraubenausrisse oder Lockerung und damit Platteninsuffizienz, ausbleibende Heilung oder Refraktur sind die von nahezu allen Autoren beobachteten lokalen Komplikationen. Überraschend für uns war außerdem die hohe Rate an Prothesendislokationen und Prothesenlockerungen bei den Patienten, deren periprothetische Frakturen durch einen Prothesenwechsel behandelt wurden.

Es wird deutlich, dass sowohl bei der Plattenosteosteosynthese als auch bei den Wechseloperationen der Hüftprothesen die Stabilität der beschriebenen Verfahren nicht ausreichend zu sein scheint. Vor diesem Problem haben Hartford et al. 1998 [11] die Prothese aus dem frakturierten Femur entfernt und den Knochen mit einem handelsüblichen Marknagel stabilisiert. In einer 2. Operation wurde nach knöcherner Ausheilung der Fraktur der Nagel durch eine Prothese ersetzt. Andress et al. [1] und Eingartner et al. [10] haben bei einer Langschaftprothese die Möglichkeit geschaffen, die Prothese distal durch Verriegelungsbolzen zu stabilisieren.

Auch wir sehen die peri- bzw. subprothetische Femurfraktur primär als Femurfraktur, die wir entsprechend der Empfehlungen zur intramedullären Osteosynthese der Femurfrakturen mit einem Hybrid aus Femurverriegelungsnagel und Hüftprothese behandeln. Wir gehen vom Prinzip der gedeckten primär voll belastbaren Nagelung aus, verwenden also nur im Ausnahmefall, wenn die Prothesenschaftexploration die Frakturfreilegung erforderlich macht oder groteske Fragmentdislokationen bestehen, komplementäre Drahtcerclagen und/oder bei weiteren Trochanterabsprengungen homologe Spongiosa, die wir dann in den intratrochantären Raum um die Konnektierungsstelle zwischen den beiden Modulen stopfen. Die aufwendige Zemententfernung entfällt, weil nur die Zementköcherspitze geborgen werden muss.

Bei dem Konzept des Prothesennagels sind wir zunächst von der Vorstellung ausgegangen, eine Fraktur primär belastungsstabil zu nageln und—um nicht eine passagere Girdlestone-Situation hinnehmen zu müssen—diesem Nagel ein kurzes Prothesen-Kopf-Hals-Modul aufzusetzen. Nach kallöser und damit belastbarer Ausheilung der Frakturzone sollte das vermeintliche Provisorium mitsamt Nagel gegen eine konventionelle Prothese ausgetauscht werden. Unsere bisherige Erfahrung ließ das Modell jedoch als definitive Lösung erkennen.

Die Absenkung unserer Komplikationsraten bei periprothetischen Frakturen von 30% in der Zeit von 1975–1988 [24] auf 18% in der Zeit von 1992–2000 ermuntert zum weiteren Einsatz bei den periprothetischen Frakturen (Mont u. Maar Typ 1, 2 und 5). Ähnlich ermutigende Ergebnisse haben Andress et al. [1] mit 17 periprothetischen Frakturen berichtet. Sie haben nicht in allen Fällen verriegelt, selten Spongiosa verwendet und fast immer mit Cerclagen zusätzlich stabilisiert.

Die Verwendung des Prothesennagels bei subprothetischen Frakturen (Mont u. Maar Typ 3 und 4) muss dagegen den Bedürfnissen des Patienten angepasst werden. Die Indikationen zum Prothesennagel in unserem Patientenkollektiv ist sicher zu weit gestellt, weil in der Zwischenzeit die weit distal lokalisierten Frakturen mit geringerem Aufwand auch durch einen retrograden Femurnagel belastungsstabil versorgbar sind. Problematisch sind jedoch die Frakturen, die an der Prothesenspitze lokalisiert sind und deshalb ein stabiles intramedulläres Osteosyntheseverfahren nicht zulassen. Bei diesen Patienten muss der Nutzen des Prothesennagels den Risiken gegenübergestellt werden.

Bei jungen, mobilen Patienten kann das Austauschen der fest sitzenden, nicht in die Fraktur einbezogene Prothese gegen einen Prothesennagel durch einen Bolzenbruch zu einer Sinterung der Prothese führen. Wir räumen außerdem ein, dass die geringe proximale Verankerung des Prothesennagels im proximalen Femurdrittel zu pendelartigen Nagelausschlägen führt, was in einigen Fällen röntgenologisch am proximalen intramedullären Kallusköcher sichtbar wird und von mobilen Patienten als unangenehm empfunden wird. Bei mobilen, biologisch jungen Patienten, die sicher an Gehstützen mobilisiert werden können, ist somit die Stabilisierung dieser Frakturen durch eine Plattenosteosynthese gerechtfertigt und wahrscheinlich mit geringeren Spätfolgen behaftet.

Bei biologisch alten Patienten aber, deren Überleben im Wesentlichen abhängig ist von einer schnellen Mobilisation unter Vollbelastung der betroffenen Extremität bei geringen Ansprüchen an die Biomechanik der Prothese, treten die Bedenken der Prothesensinterung und der unzureichenden Verankerung des proximalen Prothesenanteils in den Hintergrund. Bei diesen Patienten halten wir den Austausch auch der gut verankerten Prothese durch einen Prothesennagel für gerechtfertigt.

Derartig ausgereift dürfte der Prothesennagel nicht nur die effizienteste Antwort auf die Katastrophe periprothetischer Fraktur sein, sondern auch für zahlreiche andere Revisionsindikationen eine gute Lösung darstellen, wie z. B. bei pertrochantären Frakturen und gleichseitiger operationsbedürftiger Koxarthrose oder für den Prothesenwechsel bei schlechter Knochenqualität oder bei langstreckigen tumorösen Befall des proximalen Femurs.

Anmerkung

Die Autoren A. Probst und T. Schneider haben den gleichen Arbeitsanteil zu der Publikation beigetragen.