Hintergrund

Mit einer Prävalenz von 1–3% ist die Psoriasis vulgaris eine der häufigsten Dermatosen. Besonders schwer von der Erkrankung betroffen sind Patienten, bei denen bereits in der Kindheit psoriatische Hautveränderungen auftreten, was bei 30–45% der Betroffenen der Fall ist [15]. Aktuelle Studien zeigen eine Prävalenz unter 18 Jahren von 0,71% ohne Geschlechterpräferenz mit einem fast linearen Anstieg von 0,12% im Alter von 1 Jahr auf 1,2% im Alter von 18 Jahren [1]. In derselben Studie, die 1.344.071 gesetzlich Versicherte aus dem gesamten Gebiet der Bundesrepublik Deutschland umfasste, zeigte sich in der Gruppe der Psoriasispatienten schon im Kindesalter eine deutliche Erhöhung der Komorbiditätsrate im Vergleich zu einer gesunden Kontrollgruppe.

Im Vergleich zur adulten Psoriasis weist die Psoriasis im Kindes- und Jugendalter deutliche Unterschiede auf, was zu einer Unterteilung in eine „pediatric onset psoriasis“ (POP) und eine „adult onset psoriasis“ (AOP) geführt hat [15]. Wie im Erwachsenalter ist auch in der Kindheit die Plaquepsoriasis die häufigste Form [20]. Deutlich häufiger als bei Erwachsenen tritt in der Kindheit und Adoleszenz dagegen der Guttata-Typ auf, der mit solitär stehenden, bis zu 1 cm großen erythematosquamösen, nummulären Herden einhergeht [2]. Diese Form ist häufig mit Infektionen der oberen Atemwege durch β-hämolysierende Streptokokken der Gruppe A assoziiert. Typisch für die juvenile Psoriasis ist des Weiteren der Befall der Kopfhaut und v. a. des Gesichts [2, 10]. Seltenere Entitäten in der Population unter 18 Jahren stellen unter anderem die Psoriasis inversa, die „Windelpsoriasis“ und die generalisierte pustulöse Psoriasis dar.

Für die jungen Patienten und ihre Familien bedeutet die Erkrankung in vielerlei Hinsicht eine Belastung und kann zu einer bedeutenden Einschränkung der Lebensqualität führen [9]. Schamgefühl, insbesondere bei Befall sichtbarer Areale, krankheitsbedingte Schmerzen, verminderte physische Aktivität, unangenehme Therapieprozeduren und erkrankungsbedingte Fehlzeiten in der Schule sind nur einige Bespiele für die Einschränkungen des täglichen Lebens, unter denen Patienten mit juveniler Psoriasis zu leiden haben. Neben der physischen kann auch die psychische Entwicklung der Betroffenen nachhaltig beeinflusst werden. Dies begründet die Notwendigkeit, in dieser Patientengruppe effektive, nebenwirkungsarme Therapien mit schnellem Wirkungseintritt einzusetzen.

Die von der Deutschen Gesellschaft für Dermatologie (DDG) und dem Berufsverband der Deutschen Dermatologen (BVDD) konsentierten Versorgungsziele 2010–2015 nehmen hierauf Bezug. Im Gegensatz zur Therapie der adulten Psoriasis, bei der ein differenziertes Therapiespektrum verfügbar ist, sind bisher die zur Therapie der juvenilen Psoriasis zugelassenen Therapieoptionen sehr beschränkt. Einen präzisen, detaillierten Überblick über die derzeit für die juvenile Psoriasis zur Verfügung stehenden Therapieoptionen gibt ein kürzlich publiziertes Konsensuspapier deutscher Psoriasisexperten [18]. Zur topischen Therapie sind lediglich Kortikosteroid- und Anthralin-haltige Präparate zugelassen [3, 12]. Bei mittelschweren bis schweren Formen [Body Surface Area (BSA) > 10, Children’s Dermatology Life Quality Index (CDLQI) > 10, Psoriasis Area and Severity Index (PASI) > 10] ist für die Therapie von Patienten > 8 Jahren Etanercept, ein Tumornekrosefaktor (TNF)-Rezeptor-Fusionsprotein, in der Dosierung 0,8 mg/kg KG, 1-mal wöchentlich subkutan appliziert, als einziges systemisches Therapeutikum von der EMA (European Medicines Agency) zugelassen.

Die Notwendigkeit der Formulierung einer evidenzbasierten Leitlinie für die Therapie der juvenilen Psoriasis ist mehrfach von den Fachgesellschaften betont worden. Ziel dieser Arbeit ist es, unsere bisherigen Erfahrungen mit Etanercept in der Therapie der juvenilen Psoriasis darzustellen und in den Kontext der aktuellen Literatur einzuordnen.

Patienten und Methoden

Die Patienten der vorliegenden Fallserie befanden sich im Zeitraum zwischen Februar 2009 und November 2010 in Behandlung in einem Psoriasis-Schwerpunktzentrum am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf und erfüllten die Kriterien einer mittelschweren bis schweren Psoriasis vulgaris (BSA > 10, PASI > 10). Alle Patienten erhielten zuvor topische, zum Teil auch systemische Therapien, die jedoch allesamt ein unzureichendes Ansprechen aufwiesen.

Vor Therapiebeginn wurden die Patienten durch einen Facharzt für Pädiatrie untersucht, der in das weitere Vorgehen sowie in alle therapeutischen Entscheidungen eingebunden wurde. Außerdem erfolgten ein Tuberkuloseausschluss mittels QuantiFERON®-Gold-in-tube-Test (Cellestis, Carnegie, Australia) und eine Thoraxröntgenaufnahme in 2 Ebenen. Serologisch wurden eine akute und chronische Hepatitisinfektion (Hepatitis A, B, C) ausgeschlossen. Bei negativen Untersuchungsergebnissen erhielten die Patienten 1-mal wöchentlich eine subkutane Etanercept-Injektion in der Dosierung von 0,8 mg/kg KG. Die ersten beiden Visiten nach dem Therapiestart erfolgten nach 4 und 12 Wochen, im weiteren Verlauf alle 3 Monate. Zur Bewertung des Therapieergebnisses wurden bei jeder Visite der PASI und die BSA erhoben. Therapieziel war eine Verbesserung des PASI um mindestens 75% nach 12 Wochen Therapie.

Ergebnisse

Die Fallserie umfasste n=8 Patienten (Alter 7–16 Jahre, 6 männlich) mit mittelschwerer bis schwerer Psoriasis (Abb. 1, Abb. 2). Bei 1 Patienten lag neben den psoriatischen Hautveränderungen auch eine Psoriasisarthritis vor. Sieben der 8 Patienten erhielten zuvor eine topische Therapie, unter anderem mit Kortikosteroiden und Calcipotriol, 1 Patient wurde bereits mit Acitretin, Fumarsäureester und Methotrexat ohne ausreichende Wirksamkeit vortherapiert. Die Patientenmerkmale sind in Tab. 1 schematisch zusammengefasst.

Abb. 1
figure 1

Patient 5, Seitenansicht: klinisches Bild vor Therapiestart (PASI 12,2)

Abb. 2
figure 2

Patient 5, Rückansicht: klinisches Bild vor Therapiestart (PASI 12,2)

Tab. 1 Zusammenfassung der Patientenmerkmale 

Bei Vorliegen einer eruptiv exanthematischen Psoriasis wurden vor Therapiestart mögliche Triggerfaktoren, wie z. B. rezidivierende Tonsillitiden durch β-hämolysierende Streptokokken der Gruppe A sowie häuslicher und schulischer Stress, identifiziert und, soweit möglich, ausgeschaltet. Der vor Therapiebeginn durchgeführte Tuberkulosetest war bei 1 Patienten positiv, sodass vor Start der Etanercept-Therapie bei diesem Patienten über 3 Monate eine prophylaktische Behandlung mit einem tuberkulostatischen Kombinationspräparat (Isoniazid, Pyridoxin) gewichtsadaptiert (6–7 mg/kg KG) durchgeführt wurde. Diese Therapie wurde während der ersten 6 Monate der Etanercept-Therapie fortgeführt.

Therapieergebnisse

Die Therapiedauer in unserer Fallserie betrug zwischen 5 und 16 Monaten (Median: 11 Monate). Sechs von 8 Patienten wiesen nach 12 Wochen eine Verbesserung des PASI um 75% (PASI 75) gegenüber dem Ausgangswert auf. Bei einem Patienten zeigte sich ein verzögertes Ansprechen der Therapie mit Etanercept (Tab. 1, Patient 2: PASI 75 nach 18 Wochen). Nach 24 Wochen konnte bei 4 der 6 Patienten die Therapie aufgrund einer kompletten Abheilung oder eines sehr guten Hautbefundes pausiert werden (Abb. 3, Abb. 4). Bei 3 dieser 4 Patienten trat 3 bis 12 Monate nach Beendigung der Therapie eine Exazerbation des Hautbefundes auf, weswegen erneut eine Therapie mit Etanercept eingeleitet wurde. Bei 1 Patienten war nach Absetzen der Therapie mit Etanercept der Hautbefund unter der topischen Therapie mit Betamethason/Calcipotriol stabil. Keine Besserung des Hautbefundes zeigte sich bei 2 der 8 Patienten. Der Patient mit Psoriasis arthropathica wurde zur Vermeidung einer fortschreitenden Gelenkentzündung fortlaufend therapiert.

Abb. 3
figure 3

Patient 5, Vorderseite: klinisches Bild nach 24 Wochen Therapie mit Etanercept (PASI 0,8)

Abb. 4
figure 4

Patient 5, Rückansicht: klinisches Bild nach 24 Wochen Therapie mit Etanercept (PASI 0,8)

Unerwünschte Wirkungen

Unerwünschte Wirkungen bestanden aus lokalen Injektionsreaktionen (n = 2), die unter der Applikation topischer Kortikosteroide gut kontrolliert werden konnten. Schwerwiegende Nebenwirkungen der Therapie, die einen Abbruch der Therapie nötig gemacht oder weitergehende Maßnahmen erfordert hätten, wurden nicht beobachtet.

Diskussion

Die Behandlung der juvenilen Psoriasis ist mit therapeutischen Besonderheiten verbunden und stellt besondere Anforderungen an den behandelnden Dermatologen, die nicht zuletzt durch die begrenzte Auswahl an Therapieoptionen zum Tragen kommen. Im Erwachsenenalter hat sich Etanercept als wirksames und sicheres Medikament zur Therapie der rheumatoiden Arthritis, Psoriasis arthropathica, Psoriasis vulgaris und der ankylosierenden Spondylitis erwiesen. Die Erfahrungen mit Biologikatherapien im Kindes- und Jugendalter sind dagegen bisher noch begrenzt, auch wenn für chronisch entzündliche Erkrankungen wie Morbus Crohn, Colitis ulcerosa und juvenile idiopathische Arthritis in größeren Studien die Wirksamkeit innerhalb der beschriebenen Indikationen bei gutem Sicherheitsprofil belegt werden konnte [5, 6, 8, 11, 16, 19]. Eine Delphi-Befragung europäischer Experten auf dem Gebiet pädiatrischer, chronisch entzündlicher Hauterkrankungen ergab, dass Etanercept das am häufigsten eingesetzte Biologikum bei verschiedenen klinischen Erscheinungsformen der juvenilen Psoriasis ist und häufig auch als erstes Biologikum in der Behandlung der mittelschweren bis schweren Form der Psoriasis eingesetzt wird [17]. Zum Einsatz von Etanercept in der Therapie der juvenilen Psoriasis wurde nach mehreren Einzelfallberichten und Fallserien [4, 7, 14] 2008 eine große multizentrische, randomisierte, kontrollierte Phase-III-Studie publiziert [13]. In dieser Studie erreichten nach 12 Wochen 57% der mit Etanercept behandelten Patienten ein PASI-75-Ansprechen im Vergleich zu 11% in der Placebogruppe. Nach 36 Wochen, also nach mindestens 24 Wochen Therapie mit Etanercept, lag die PASI-75-Responserate bei 68% (Patienten der Verumgruppe) und 65% (Patienten, die in den ersten 12 Wochen Placebo erhielten). Unsere Fallserie (6 von 8 Patienten erreichten einen PASI-75-Response nach 12 Wochen) ist ein weiterer Beleg für die Wirksamkeit und Sicherheit von Etanercept in einem definierten Behandlungsintervall.

Um die langfristige Wirksamkeit und Sicherheit von Etanercept in der Therapie der juvenilen Psoriasis abschließend beurteilen zu können, werden weitere Studiendaten, v. a. aus Patientenregistern unter den Bedingungen der Versorgungsrealität, benötigt. Auch die Frage nach der langfristigen Wirksamkeit der intermittierenden Therapie mit Etanercept ist bisher noch unzureichend mit Daten unterlegt.

Kinder und Jugendliche stellen in vielerlei Hinsicht eine besondere Patientengruppe dar, die den Therapeuten vor bedeutende Herausforderungen stellt. Um eine hochwertige, an modernsten Therapiestandards orientierte Versorgung sicherstellen zu können, ist die Implementierung einer Leitlinie zur Therapie der juvenilen Psoriasis von größter Bedeutung. Nur mittels eines interdisziplinären Therapieansatzes, der in erster Linie Pädiater, Rheumatologen und Dermatologen einschließt, können junge Patienten eine an ihren individuellen Anforderungen und Bedürfnissen ausgerichtete Therapie erhalten, die alle Besonderheiten dieser Altersgruppe berücksichtigt. Vor Therapiebeginn sollte jeder Behandler unbedingt eine kritische Risiko-Nutzen-Abwägung vornehmen und in vertrauensvoller Zusammenarbeit mit den Betroffenen und deren Familien eine individualisierte, langfristig angelegte Therapieplanung erarbeiten.

Die Ziele einer erfolgreichen, nachhaltigen Therapie gehen deutlich über eine signifikante, sichtbare Verbesserung des Hautbefunds hinaus. Der Patient soll in die Lage versetzt werden, ein Höchstmaß an Kontrolle über die Erkrankung zu erhalten, die Therapie mit Unterstützung der Eltern eigenständig durchführen zu können und möglichst geringe Einschränkungen des Alltagslebens hinnehmen zu müssen.

Fazit für die Praxis

  • In der vorliegenden Fallserie erweist sich Etanercept als wirksames Medikament mit günstigem Nebenwirkungsprofil in einem definierten Behandlungsintervall.

  • Zur Beurteilung der Langzeitwirkung und -sicherheit von Etanercept werden weitere Studiendaten sowie Beobachtungen im Rahmen von Patientenregistern benötigt.