Zusammenfassung
Hintergrund
Nach § 115b Abs. 1 SGB V können Leistenhernien zukünftig nur noch unter bestimmten Voraussetzungen stationär versorgt werden. Die Methodenwahl zur ambulanten Versorgung von Leistenhernien scheint deshalb durch einfache Marktprinzipien bestimmt zu werden. Die vorliegende Arbeit untersucht die Machbarkeit ambulanter minimal-invasiver Hernienversorgungen hinsichtlich Patientenzufriedenheit, Komplikationsraten und Ökonomie.
Patienten und Methoden
Von einem Gesamtkollektiv von 571 Patienten mit Leistenhernien wurden in einem Zeitraum von einem Jahr an zwei Operationszentren 139 Patienten (131 Männer, 8 Frauen, mittleres Alter 46 Jahre, alle ASA I) ambulant mit einem endoskopischen total extraperitonealen Bruchlückenverschluss (TEP-BLV) versorgt. Die Kosten wurden mit einer ökonomischen Vorkalkulation entsprechend dem klinischen Behandlungspfad ermittelt und mit den Erlösen im EBM2000plus verglichen.
Ergebnisse
Am OP-Tag wurden 96,4% der Patienten entlassen, ohne dass eine Wiederaufnahme in der Klinik erfolgte, 54% nahmen innerhalb von 14 Tagen ihre berufliche Tätigkeit wieder auf, 88,7% der Patienten würden sich erneut ambulant mittels TEP-BLV operieren lassen. Die Erlöse nach EBM2000plus betragen durchschnittlich 565 Euro, während sich die Vollkosten entsprechend der Vorkalkulation auf 709 Euro belaufen.
Schlussfolgerung
Die ambulante minimal-invasive Leistenhernienversorgung mittels TEP-BLV stellt für ein selektioniertes Patientengut eine patientenorientierte und sichere Therapieoption dar. Trotz optimaler Prozess- und Strukturqualität ist derzeit aber eine ambulante Hernienversorgung angesichts der schlechten Erlössituation durch den EBM2000plus bei einer Unterdeckung von 20% unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten nicht akzeptabel. Der Gesetzgeber ist aufgefordert hier Nachbesserungen vorzunehmen.
Abstract
Background
Current German legislation (§ 115 b SGB V) allows groin hernia inpatient treatment only under particular circumstances. That allows the operative technique of first choice for outpatient groin hernia repair to be determined by basic market principles. The aim of this paper was to study the feasibility of outpatient minimally invasive hernia surgery with regard to complication rates, patient satisfaction, and economic considerations.
Methods
For 1 year, a total of 571 patients with inguinal hernias (131 male, eight female, mean age 46 years, all ASA I) were treated at two surgical centers. Twenty-four percent (139/571) underwent outpatient total extraperitoneal repair (TEP). Complication rates were recorded. Patient satisfaction with the procedure was evaluated by a standard questionnaire. Cost calculations were compared with revenues according to the EBM2000plus.
Results
Of the patients, 96.4% were discharged on the day of operation without subsequent rehospitalization, 84% had no fears of complications at home, 54% went back to work in less than 14 days, and 88.7% were willing to undergo TEP a second time if necessary. Calculated average total cost of €709 exceeded the revenue of €565 by 20%.
Conclusion
For a carefully selected group, outpatient TEP is patient-friendly and safe. Despite these advantages, it still remains economically unattractive to hospital management because of the 20% cover shortage. Improvements in the current legislation are urgently desired.
Avoid common mistakes on your manuscript.
Seit dem 01.01.1993 dürfen Patienten auch im Krankenhaus ambulant operiert werden. Paragraph 115 b Abs. 1 SGB V regelt seit dem 01.01.2005 die rechtlichen Rahmenbedingungen zur Durchführung ambulanter Operationen als stationsersetzende Eingriffe. Hierdurch soll eine patientengerechte und vor allen Dingen wirtschaftliche Versorgung gesichert werden. Da Deutschland mit einem ambulanten Operationsanteil von 37% bei den niedergelassenen Vertragsärzten und lediglich 3% im Krankenhausbereich (Tab. 1) weit unter dem vergleichbarer Industrieländer liegt (USA 2004, 80%), kann von einer Umsetzung dieser gesetzlich geforderten Ziele nicht gesprochen werden [3].
Während in Deutschland die Versorgung von Leistenhernien überwiegend stationär erfolgt, werden in europäischen Nachbarländern derzeit 2 von 3 Hernienoperationen ambulant durchgeführt [16]. In etwa einem Drittel erfolgt die Leistenbruchversorgung hierzulande mit einer minimal-invasiven Methode, entweder mittels transperitonealem (TAPP) oder total extraperitonealem (TEP) Bruchlückenverschluss [21]. Als Argumente gegen eine ambulante Hernienoperation werden unabhängig von der Diskussion um die Methodenwahl eine unzureichende Patientensicherheit, Patientenvorbehalte, hohes Infektionspotenzial und zu hohe Kosten genannt [5]. Weiterhin bedeutet ambulante Chirurgie für ein vorwiegend auf den stationären Betrieb ausgerichtetes Krankenhaus erhebliche organisatorische Herausforderungen, um durch straffe Ablauforganisationen die Effizienz zu steigern, damit der enge ökonomische Rahmen ambulanter Vergütungen nicht gesprengt wird.
Diese ökonomischen Vorgaben stellen die unterschiedlichen operativen Verfahren zur Leistenhernienversorgung auf den Prüfstand, da sich durch Einführung des EBM2000plus (Einheitlicher Bewertungsmaßstab) keine Verbesserung der Vergütung ambulanter Leistungen eingestellt hat. Der fortwährende Methodenstreit um die Versorgung des Leistenbruches scheint zu Ungunsten der minimal-invasiven Methoden auszugehen. Hierin besteht aber ein Widerspruch, da sich minimal-invasive Verfahren gerade wegen der geringen postoperativen Beschwerden und frühen Belastungsfähigkeit in besonderem Maße für den ambulanten Einsatz eignen. Eigene Erfahrungen aus dem stationären Patientenkollektiv zeigten, dass sich viele Patienten nach einem total extraperitonealen Bruchlückenverschluss (TEP-BLV) bereits am 1. postoperativen Tag entlassungsfähig fühlen.
Es wurde daher ein Konzept entwickelt diesem Patientenwunsch zu entsprechen. Die vorliegende Arbeit untersucht in zwei Krankhausbetrieben unterschiedlicher Kostenträger (Knappschaft und kirchliche Trägerschaft) in einem Einjahreszeitraum die Patientenzufriedenheit und das Outcome der ambulanten minimal-invasiven Leistenhernienversorgung. In dem ambulanten Operationszentrum des St.-Josef-Hospitals (A-OPZ BO) wurde darüber hinaus eine betriebswirtschaftliche Vorkalkulation zur Kosten- und Erlössituation durchgeführt.
Patienten und Methoden
Insgesamt wurden 139 Patienten bis August 2005 durch die beiden Operationszentren Knappschaftskrankenhaus Dortmund (KKH-DO) und A-OPZ BO eingeschlossen. Die Operationen erfolgten in standardisierter Technik mittels TEP-BLV. Durch pflegerische und ärztliche Dokumentation wurden perioperative Komplikationen erfasst.
Die Patientenzufriedenheit wurde durch eine Befragung innerhalb von 6 Wochen postoperativ anhand eines standardisierten Fragebogens erhoben. Dieser Fragebogen umfasste 21 Fragen, die in 5 Fragenkomplexen zusammengefasst wurden. Die verschiedenen Komplexe erfragen die subjektive Einschätzung so genannter Patientenvorbehalte, Wahrnehmung des betreuenden Umfeldes und des postoperativen Verlaufes in Bezug auf Schmerzfreiheit, Belastungs- und Arbeitsfähigkeit. Eingeschlossen in die Studie wurden alle Patienten, die sich innerhalb des definierten Studienzeitraums in den Operationszentren KKH-D oder A-OPZ BO zur Durchführung einer Leistenbruchoperation in der minimal-invasiven Technik vorstellten und nicht die allgemeinen Tatbestände erfüllten, die eine stationäre Durchführung der Operation erforderlich machen [18]. Für dieses Pilotprojekt wurden abgesehen von zwei Ausnahmen nur Patienten eingeschlossen, die den Kriterien ASA I entsprachen (American Society of Anesthesiologists, ASA I= Patienten ohne zusätzliche Erkrankung). Ausschlusskriterien waren nicht reponierbare Hernien, ausgedehnte Skrotalbrüche und der Patientenwunsch gegen eine ambulante Behandlung. Relative Ausschlusskriterien waren beidseitige Hernien und Rezidivhernien. Ein Status nach komplikationsloser Appendektomie mit Narben im rechten Unterbauch war kein Ausschlusskriterium.
Anästhesie und postoperative Analgesie
Bis 2 h vor der Narkoseeinleitung war den Patienten erlaubt klare Flüssigkeiten zu trinken. Die Prämedikation erfolgte p.o. mit 7,5 mg Midazolam (Dormicum®) und 25 mg Dexketoprofen (Sympal®). Die Einleitung der Narkose wurde mit 2–2,5 mg/kg KG Propofol und Fentanyl (0,1–0,2 mg) vorgenommen und bei entsprechender Anamnese 4 mg Dexamethason zur antiemetischen Prophylaxe verabreicht. Zur Intubation wurde Atracurium 0,5 mg/kg KG injiziert. Die Fortführung der Intubationsnarkose erfolgte inhalativ mit einem Gemisch aus Sevoflurane, O2 und Raumluft.
Während der Narkose wurden zur postoperativen Analgesie 2,5 g Novalgin i.v. gegeben und zum Ende der Operation der Patient ggf. mit Atropin 0,5 mg und Neostigmin 1 mg antagonisiert. Die Analgesie im Bereich der Aufwachzone erfolgte mit Dipidolor® i.v. (3,75–7,5 mg). Zur postoperativen Analgesie in häuslicher Umgebung wurden Novalgin-Tabletten empfohlen und ggf. mitgegeben.
Operationstechnik
In beiden Operationszentren (KKH-DO und A-OPZ BO) kam die TEP-BLV zur Versorgung der Leistenhernie zur Anwendung. Der Zugang zum präperitonealen Raum erfolgt auf dem hinteren Rektusscheidenblatt mit nachfolgender Dissektion durch einen Spacemaker unter Kamerasicht. Nach Wechseln gegen einen 12-mm-Trokar wird CO2 insuffliert mit einer Druckbegrenzung von 12 mmHg. Der präperitoneale Raum wird medial bis zur Symphyse und lateral bis in Höhe der Spina iliaca superior entwickelt. Ein 5-mm-Trokar wird 2 1/2 Querfinger unterhalb des Nabel in der Medianlinie sowie ein weiterer 5-mm-Trokar im lateralen Unterbauch positioniert.
Nach Bruchsackdissektion und Präparation von medialem und lateralem Netzlager wird ein 15×15 cm großes Netz auf die Größe 9×12 cm und 6×12 cm zugeschnitten. Das größere Basis-Mesh wird geschlitzt unter den zuvor präparierten Samenstrang durchgezogen. Zur Vermeidung einer Schlitzhernierung wird das zweite Netz als Double-Mesh so aufgelegt, dass eine insgesamt abgedeckte Fläche von etwa 12×13 cm resultiert. Anschließend wird das Gas unter Sicht und Anmodellierung des Peritoneums an das Netz desuffliert. Der Faszien- und Hautverschluss erfolgt in Standardtechnik.
Perioperative Betreuung
Die Patienten wurden postoperativ mindestens 6 h klinisch überwacht. Nach postoperativer Kontrolle im Aufwachraum erfolgte eine abschließende Untersuchung und Dokumentation unmittelbar vor Entlassung am Nachmittag und am Vormittag des 1. postoperativen Tages in der ambulanten Sprechstunde. Erfasst wurden subjektive klinische Beschwerden, Zeichen einer Nachblutung und die Verträglichkeit der Vollnarkose. Nach frühestens 6 Wochen erhielten die Patienten einen Fragebogen und ggf. eine erneute klinische Untersuchung und Befragung bei Angabe von Beschwerden.
Betriebswirtschaftliche Vorkalkulation (A-OPZ BO)
Zur wirtschaftlichen Einschätzung ambulanter TEP-Operationen im A-OPZ BO wurde ein klinischer Behandlungspfad mit vollständigem Ablauf beginnend von der Administration über Operation bis zur Entlassung erstellt, um alle Kosten auf Vollkostenbasis zu ermitteln (Abb. 1). Zusätzlich zum Personal- und Sachkostenaufwand wurden ein Infrastrukturzuschlag und ein Wagniszuschlag kalkuliert.
Der Infrastrukturzuschlag deckt alle Kosten ab, die nicht direkt dem Patienten zuzuordnen sind (z. B. Verwaltung, Hauswirtschaft, Haus- und Medizintechnik, Sterilisation, Betriebskosten, Reinigungskosten, Abschreibung). Die Höhe dieses Zuschlags ist aus der Kalkulation des Instituts für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK GmbH) für die DRG G24Z „Eingriffe bei Bauchwandhernien, Nabelhernien und anderen Hernien, Alter >0 Jahre oder beidseitige Eingriffe bei Leisten- und Schenkelhernien, Alter >0 Jahre und <56 Jahre oder Eingriffe bei Leisten und Schenkelhernien, Alter >55 Jahre“ entnommen. Hier beträgt der Anteil der sog. medizinischen und nicht medizinischen Infrastrukturkosten 30%. Mit dem Wagniszuschlag werden spezielle Risiken, wie Forderungsverluste durch Nichtzahlungen der Krankenkassen, aber auch Mehrkosten- und Ausschusswagnisse abgedeckt.
Diese theoretischen Vorgaben wurden zur Deckungsbeitragsrechnung genutzt und bildeten das kostenrechnerische Gerüst der ambulanten TEP-Operation (Tab. 2).
Statistik
Berechnet wurde der arithmetische Mittelwert (MW) mit der Standardabweichung (±SD). Die unteren und oberen Grenzbereiche von Alter und Operationszeit werden als Minimum und Maximum in Klammern nach dem Mittelwert angegeben. Ein signifikanter Unterschied wurde ab einem p<0,05 nach dem Student-T-Test angenommen.
Ergebnisse
Patientenkollektiv
In den Operationszentren KKH-DO und dem A-OPZ BO wurden in einem Zeitraum von 12 Monaten 571 TEP-Hernienoperationen durchgeführt. Durch die ASA-I-Selektion erfolgten 24% (n=139) der TEP-Versorgungen ambulant (KKH-DO n=94, A-OPZ BO n=45). In 94% wurden Männer (n=131) und in 6% Frauen (n=8) operiert. Das mittlere Alter betrug 46 Jahre (Range 18–83 Jahre). Die im KKH-DO ambulant durchgeführten Operationen erfolgten im stationären Routinebetrieb, die im St.-Josef-Hospital Bochum vorgenommen Eingriffe in einem separaten ambulant ausgerichteten Operationszentrum (A-OPZ BO) außerhalb des zentralen Operationstraktes. Von 139 operierten Patienten konnten im Verlauf von einem Jahr 133 Fälle nachkontrolliert werden. Dies entspricht einer Follow-up-Rate von 96% (Tab. 3).
OP-Daten und Komplikationen
Alle einbezogenen Patienten wurden in standardisierter TEP-BLV-Technik von zwei Operateuren operiert, eine Konversion war in keinem Fall notwendig. Die Operationszeit betrug durchschnittlich 34 min (20–60 min) und ist in beiden Zentren vergleichbar. Eine lokale Wundinfektion trat einmal auf, nicht revisionspflichtige Hämatome im Bereich des infraumbilikalen Zugangs wurden bei 5% beobachtet. Punktionswürdige Serome oder Netzinfektionen traten nicht auf, zum Zeitpunkt der Befragung wurde kein Rezidiv festgestellt (Tab. 4).
Von den ambulant geplanten Patienten konnten 134 (96,4%) entlassen werden, eine Wiederaufnahme oder stationäre Überwachung wegen Nachblutungsverdacht war in keinem Fall notwendig. Von den 5 (3,6%) stationär überwachten Patienten wurden zwei nach Nikotingenuss präkollaptisch und daher für eine Nacht beobachtet. Drei Patienten wurde wegen einer zum Operationszeitpunkt nicht sichergestellten häuslichen Überwachung geraten, die Nacht stationär zu verbringen.
Ergebnisse der Fragenkomplexe
Bei der Evaluation möglicher Patientenvorbehalte in Bezug auf ausreichende postoperative Beschwerdefreiheit und Bedenken vor häuslichen Komplikationen zeigte sich, dass 84% der Patienten keine Bedenken vor häuslichen Komplikationen hatten und sich 70% ausreichend beschwerdefrei fühlten. Eine adäquate Aufklärung über das ambulante Vorgehen bestätigten 98% der Patienten (Abb. 2). Die perioperative Betreuung, Organisation und die Verträglichkeit der Vollnarkose wurde in mehr als 85–97% der Fälle mit gut bis sehr gut beurteilt (Abb. 3). Schmerzfreiheit gaben 76% der Patienten bereits nach einer Woche nach der TEP-BLV an, mehr als die Hälfte (54%) waren nach 1–2 Wochen wieder voll arbeitsfähig. 29% der Patienten waren schon nach weniger als 7 Tagen ihrer beruflichen Tätigkeit nachgegangen (Abb. 4). Über 90% sind mit dem Operationsverfahren insgesamt als auch unter kosmetischen Aspekten zufrieden (Abb. 5).
Unter Berücksichtigung der vorangegangenen Fragenkomplexe würden 89% der operierten Patienten sich erneut ambulant mittels TEP-BLV operieren lassen, 66% schätzten die ambulante Versorgung dabei kostendeckend ein (Abb. 6).
Erlössituation nach ambulanter TEP-BLV
Die Vergütung nach EBM2000plus sieht die für eine minimal-invasive Hernienoperation die GBO-Ziffer 31163 mit 5835 Punkten vor. Des Weiteren ist eine Anästhesie (GBO-Ziffer 31823), die postoperative Überwachung (GBO-Ziffer 31505) sowie Ordination und Konsultation, Labor- und Materialkosten abrechnungsfähig. Durchschnittlich betragen die Erlöse nach EBM2000plus der im A-OPZ BO operierten Patienten 565,96 Euro. Demgegenüber stehen Kosten entsprechend der Vorkalkulation nach dem klinischen Behandlungspfad in Höhe von 709,34 Euro. Es besteht damit eine Unterdeckung von 20% pro ambulant durchgeführte TEP-Operation. Im stationären Bereich beträgt derzeit je nach Base-Rate die Erlössituation nach der DRG G24Z circa 2000 Euro (Tab. 5).
Diskussion
Durch konsequente Forderungen der Krankenkassen nach Umsetzung der im Vertragswerk § 115b SGB V vereinbarten ambulanten und stationsersetzenden Leistungen geraten die Krankenhäuser zunehmend unter Druck. Die fehlende Motivation zur Vertragserfüllung ist nicht zuletzt auf die geringen Leistungsvergütungen zurückzuführen. Anzumerken ist jedoch, dass die Deutsche Krankenhausgesellschaft als einer der Vertragspartner im § 20 Abs. 3 des Rahmenvertrages § 115 b SGB V mitbeabsichtigte, dass zum 01.01.2005 ein pauschaliertes Entgeltsystem vorzunehmen ist, bei dem die Angabe des Operations- und Diagnoseschlüssels zwingende Voraussetzung zu Leistungsabrechnung wird. Da gekennzeichnete Leistungen wie Varizen- und Leistenhernienoperationen künftig regelhaft ambulant erbracht werden sollen (§ 3Abs. 2, § 115 b SGB V), ist eine Reorganisation struktureller und prozessorientierter Abläufe im Krankenhaus kein vorgezogener Gehorsam vor den Kostenträgern, sondern die Einstellung auf vertragliche Vereinbarungen im Bereich der ambulanten Tageschirurgie. Das Argument, dass die Kernkompetenz von Krankenhäusern in der stationären Therapie liegt, wird haltlos und bedeutet zudem, dass häufige Krankheitsbilder dem stationären Budget entzogen werden. Dieses kann zu fatalen wirtschaftlichen Konsequenzen führen.
Bei dem fortwährenden Vergleich von den in Deutschland erbrachten ambulanten Operationszahlen mit denen benachbarter Länder sollte deren erheblich bessere Vergütung bei ambulanten Leistungen in Betracht gezogen werden. So zeigt ein Vergleich von Kostenberechnungen nach der OP-Blockierungszeit-Methode (OBZ) zu der US-Gebührenordnung (RBRVS), das die unrealistisch niedrige Vergütung in Deutschland durch die Komplexgebührabrechung im EBM2000plus noch geringer ausfällt und hat deshalb alle chirurgisch tätigen Kollegen enttäuscht. Unsere eigenen Kostenkalkulationen haben für die ambulante Versorgung der Leistenhernie trotz optimaler Prozess- und Strukturqualität eine nicht akzeptable Unterdeckung von mindestens 20% gezeigt. Nicht mit einberechnet in die Kosten ist die Tatsache, dass sich der durchführende Chirurg die entsprechende Expertise, zum Beispiel für eine TEP-BLV, erst aneignen muss. Daher entspricht die nach InEK GmbH kalkulierte Vergütung von 49,80 Euro pro Facharztstunde (0,83 Euro/min) nach unserem Erachten in keiner Weise der notwendigen, mindestens 8-jährigen Ausbildung zum Viszeralchirurgen, der es Bedarf, um diese Operation in der geforderten Qualität und Sicherheit durchführen zu können.
Unabhängig von der Wirtschaftlichkeit geben unsere Ergebnisse ein klares Bild über den tatsächlichen Patientenwunsch. Die häufig angeführten angeblichen Patientenvorbehalte in Bezug auf postoperative Beschwerden, Narkoseverträglichkeit und Bedenken vor häuslichen Komplikationen waren in den Antworten unserer Patienten nicht erkennbar. Im Gegenteil war die Zufriedenheit mit dem Operationsverfahren und der raschen Rekonvaleszenz so hoch, dass sich 89% der Patienten erneut ambulant mittels TEP-BLV wieder versorgen lassen würden. Nach Ablauf von 14 Tagen gingen bereits 75% der Patienten ihrer beruflichen Tätigkeit nach, wobei sich zwei Drittel auch sportlich als vollbelastbar einstuften. Bei der Bewertung muss aber berücksichtigt werden, dass es sich in der vorliegenden Untersuchung entsprechend der ASA-Klassifikation um ein hochselektioniertes Patientengut ohne Begleitmorbiditäten, also um ASA-I-Patienten handelt. Zweifellos können Patienten mit einer ASA-II-Einstufung (Patienten mit leichter Allgemeinerkrankung ohne Einschränkung) ebenfalls ambulant mit einer TEP-BLV versorgt werden. Bei einer methodenvergleichenden Veterians Affair Study [10] zeigte sich, dass 47% der Patienten mit Leistenhernien nach ASA II eingestuft wurden. Allein durch Erweiterung dieses Selektionskriterium wäre dann aber eine Verdoppelung des Patientenaufkommens denkbar, die für eine ambulante TEP in Frage kommen.
Das Komplikationspotenzial minimal-invasiver Hernienoperationen ist bei entsprechender chirurgischer Erfahrung als gering einzustufen [15, 20]. Metaanalysen zeigen sogar, dass die absolute postoperative Morbidität nach minimal-invasiver Hernienversorgung signifikant geringer ist als nach Durchführung eines konventionellen Verfahrens nach Shouldice [3]. Der wichtigste Faktor für die Patientensicherheit ist dabei ein hohes Maß an Expertise bei minimal-invasiven Operationsverfahren [2]. Hierbei manifestiert sich die Nachblutung als schwerste Komplikation im unmittelbaren postoperativen Verlauf oder aber spätestens bis zum nächsten Morgen [4]. Durch klinische Untersuchung, Laborkontrolle und Sonographie lässt sich diese Komplikation sicher ausschließen. Nach unserer Erfahrung ist ein wesentlicher Aspekt im Sicherheitsstandard, dass der Operateur unmittelbar postoperativ und vor Entlassung eine klinische Kontrolle selbst vorgenommen hat. Bei unauffälligem klinischem Erscheinungsbild über mindestens 6 h postoperativ ist nach unkomplizierter Operation ein weiterer Aufenthalt des Patienten in häuslicher Umgebung unkritisch. Bei revisionspflichtigen Nachblutungen gehen intraoperative Unwegbarkeiten voraus, in solchen Fällen verbietet sich eine Entlassung am OP-Tag. Die in unserem Kollektiv nicht ambulant weitergeführten Patienten (n=5) waren ausschließlich wegen einer orthostatischen Kollapsneigung oder nicht sichergestellter häuslicher Versorgung stationär verblieben.
Wichtige Voraussetzungen für die Patientensicherheit ambulanter Operationen sind die ständige pflegerische und ärztliche Präsenz, die von den Patienten auch als Ausdruck intensiver Betreuung wahrgenommen wird und neben rascher Rekonvaleszenz und gutem medizinischem Umfeld der Grund für die gute bis sehr gute Beurteilung des Operationsverfahrens insgesamt ist. Dieses deckt sich mit einer Befragung zu Patientenerwartungen vor elektiven Leistenhernienoperationen, bei der als wichtigste Punkte Rezidivfreiheit, das persönliche Arztgespräch, geringe postoperative Beschwerden, gutes medizinisches Umfeld und kurze Rekonvaleszenz identifiziert wurden [22]. Vorbehalte bezüglich eines erhöhten lokalen Infektionsrisikos bei ambulanten Hernienoperationen widerlegen die Daten der AMBU-KISS-Qualitätskontrolle [9]. Eine grundsätzliche Ablehnung minimal-invasiver ambulanter Operationen sollte es nicht geben, da die Argumente zum Teil vorgeschoben erscheinen und in angelsächsischen Ländern viele Untersuchungen die Machbarkeit und Sicherheit ambulanter laparoskopischer Cholezystektomien bei 40–60% aller Elektivpatienten gezeigt haben [8, 12, 17].
Unabhängig von Studienergebnissen scheinen letztendlich die ökonomischen Rahmenbedingungen die Methodenwahl der ambulanten Leistenbruchoperation maßgeblich zu beeinflussen. Auch wenn die Durchführbarkeit ambulanter minimal-invasiver Hernienoperationen belegt wurde [6, 11], bleibt in Deutschland unter den derzeitigen EBM2000plus- und DRG-Bedingungen der ökonomische Zwang einer stationären Behandlung, da keine kostendeckende Situation für die ambulante TEP-BLV besteht, wenn auf der anderen Seite bei der stationären Behandlung der DRG-Erlös bei knapp 2.000 Euro liegt. Dies dürfte auch für die anderen offenen Techniken der Leistenbruchversorgungen der Fall sein. Aber auch für die stationäre Versorgung ist unklar, inwieweit die Vergütung ausreichend kostendeckend abgebildet wird, da belastbare Kostenerhebungen für operative Leistungen im stationären Sektor durch Kostenträgerrechnungen nicht zur Verfügung stehen [14]. Im ambulanten Bereich geht man derzeit davon aus, dass abhängig von der Fachrichtung durchschnittlich nur 31% der Kosten einer ambulanten Operation abgebildet werden [7]. Es ist also problematisch bei der bestehenden Mindervergütung mit der TEP-BLV ein Operationsverfahren auszuwählen, das perioperativ zwar weniger Beschwerden macht, aber deutlich teurer als konventionelle Verfahren ist [19]. Diesen ökonomischen Vorgaben steht der Wunsch von knapp einem Drittel aller Patienten (139/571) in unserem Beobachtungszeitraum gegenüber, ambulant mit dieser Technik operiert zu werden. Trotz der Möglichkeit diesem Wunsch entsprechen zu können, kollidiert die ambulante Durchführung der minimal-invasiven Hernie mit den Vorgaben der Kostenträger. Der Gesetzgeber ist hier aufgefordert, die Erlössituation deutlich zu verbessern.
Ein Ausweg aus dieser Situation ist beispielsweise durch Ausgleichzahlungen für laparoskopische Operationen zu erreichen (im EBM2000plus ist wegen einer Kategorisierung der Operationen der laparoskopische Zuschlag entfallen). Hier kommen zwei Möglichkeiten in Betracht. Der Ausgleich könnte z. B. durch eine patientenseitige Zuzahlung ähnlich dem Versorgungssystem von Zahnersatz erfolgen. Hierdurch würde aber nicht nur das eigentliche Ziel des § 115 b verfehlt, sondern auch einer Zweiklassenmedizin ein Vorschub geleistet. Eine andere Möglichkeit wäre die Wiedereinführung eines laparoskopischen Zuschlages, damit in spezialisierten Zentren die TEP-BLV ambulant durchgeführt werden kann. Da in Metaanalysen [1, 13] für Patienten nach minimal-invasiver Operation eine signifikant (p<0,00001) raschere Wiederaufnahme der beruflichen Tätigkeit im Vergleich zu allen konventionellen Verfahren mit und ohne Netzimplantation nachgewiesen wurde, ist von einer Art volkswirtschaftlichen Gegenfinanzierung auszugehen.
Fazit für die Praxis
Die Rechtslage zum ambulanten Operieren ist eindeutig. Es gilt nach § 115 b Abs. 1 SGB V der Grundsatz „ambulant vor stationär“. Durch Verbesserung operativer und anästhesiologischer Techniken ist die ambulante TEP-Operation für Patienten ohne zusätzliche Erkrankungen (ASA I) sicher und mit hoher Patientenzufriedenheit durchführbar. Bei Erweiterung der Patientenselektion auf ASA II wären bis zu 50% der Leistenhernienoperationen als ambulante TEP-BLV durchführbar. Ökonomische Voraussetzung dafür ist eine Effizienzsteigerung durch Verbesserungen von Struktur- und Prozessqualität im Krankenhaussektor. Ambulante TEP-Hernienchirurgie ist aber derzeit auch unter optimalen Voraussetzungen nicht kostendeckend umsetzbar. Weil eine adäquate Vergütung für ambulante TEP-Operationen nicht stattfindet, bleibt weiterhin zu befürchten, dass ambulante minimal-invasive Operationen nur zögerlich eingeführt werden. Bei einem gut selektionierten Patientenkollektiv dürfen sich Patientenwunsch und ambulante minimal-invasive Chirurgie nicht gegenseitig ausschließen. Dies gilt insbesondere für berufstätige und ansonsten gesunde Patienten, die eine rasche Wiederaufnahme Ihrer beruflichen Tätigkeit wünschen. Die auch in Bezug auf Rezidivrate und Versorgungsqualität den konventionellen Methoden signifikant überlegene TEP-Operationstechnik sollte in spezialisierten Zentren als ambulante Therapieoption angeboten werden. Zur praxisbezogenen Umsetzung ambulanter minimal-invasiver Operationen ist eine Punktwertanhebung der entsprechenden GBO-Ziffer im EBM2000plus dringend zu fordern, um die derzeit bestehende Unterdeckung von 20% aufzuheben und den betriebswirtschaftlich notwendigen Mindesterlös erreichen zu können.
Literatur
Bittner R, Sauerland S, Schmedt CG (2005) Comparsion of endoscopic techniques vs Shouldice and other open nonmesh techniques for inguinal hernia repair. A meta-analysis of randomized controlled trials. Surg Endosc 19: 605–615
Bobrzynski A, Budzynski A, Biesiada Z et al. (2001) Experience – the key factor in successful laparoscopic total extraperitoneal and transabdominal preperitoneal hernia repair. Hernia 5(2): 80–82
Brökelmann J, Reydelet J (2005) Zahl der Operationen in Deutschland 2003 – eine Annäherung. http://www.mao-bao.de/artikel/2005JB_ZahlOperationen
Davis CJ, Arregui ME (2003) Laparoscopic repair for groin hernias. Surg Clin North Am 83: 1141–1161
Jähne J (2004) Möglichkeiten und Grenzen ambulanter und kurzzeitstationärer Chirurgie. Chirurg 75: 111–112
Lau H (2004) Outpatient endoscopic totally etraperitoneal ingiunal hernioplasty. J Laparoendosc Adv Surg Tech A 14(2): 93–96
Lauterbach K et al. (2004) Bestandsaufnahme der Rolle von Ambulanzen der Hochschulkliniken in Forschung, Lehre und Versorgung an ausgewählten Standorten. Asgard
Maggiore D (2002) Outpatient laparoscopic cholecystectomy: a reality. JLS 6: 369–371
Mlangeni D, Babikir R, Dettenkofer M (2005) AMBU-KISS quality control in ambulatory surgery. Am J Infect Control 33(1): 11–14
Neumayer L et al. (2004) Open mesh versus laparoscopic mesh repair of inguinal hernia. N Engl J Med 350(18): 1819–1827
O‚Riordain DS, Kelly P, Horgan PG et al. (1999) Laparoscopic extraperitoneal inguinal hernia repair in the day-care setting. Surg Endosc 13: 914–917
Richardson WS, Fuhrmann GS, Burch E et al. (2001) Outpatient laparoscopic cholecystectomy. Outcomes of 847 planned procedures. Surg Endosc 15: 193–195
Schmedt CG, Sauerland S, Bittner R (2005) Comparsion of endoscopic procedures vs Lichtenstein and other open mesh techniques for inguinal hernia repair. A meta-analysis of randomized controlled trials. Surg Endosc 19: 188–199
Strehl R (1995) Hindernisse und deren Überwindung bei der Erbringung ambulanter Leistungen durch Krankenhäuser. Krankenhaus-Report 95
Tamme C, Garde N, Klingler A et al. (2005) Totally extraperitoneal hernioplasty with titanium-coated lightweight polypropylene mesh: early results. Surg Endosc (Epup)
Tidsskr Nor Laegeforen (2005) Inguinal and femoral hernia repair in Norway 1990–2003. 125(10): 1338
Tilleman EH, Kok C, Gouma DJ (2003) Laparoscopic cholecystectomy in day care. Implementation of a guidline for clinical practice. Ned Tijschr Geneeskd 147: 760–763
Vertrag nach § 115b Abs.1 SGB V – Ambulantes Operieren und stationsersetzende Eingriffe im Krankenhaus – Sozialgesetzbuch Fünftes Buch Gesetzliche Krankenversicherung, 4. Kap, 4. Absch http://www.bmgs.bund.de/download/gesetze_
Wellwood J, Sculpher MJ, Stoker D (1998) Randomized controlled trial of laparoscopic versus open mesh repair for inguinal hernia: outcome and cost. BMJ 317: 103
Winslow ER, Quasebarth M, Brunt LM (2004) Perioperative outcomes and complications of open vs. Laparoscopic extraperitoneal inguinal hernia repair in a mature surgical practice. Surg Endosc 18: 221–227
Wojtyczka N, Wente MN, Wenning M et al. (2003) Chirurgen lernen lernen. Chirurg 74: 353–360
Zieren J, Paul M, Neuss H, Müller JM (2004) Patientenerwartungen vor elektiver Leistenhernienoperation. Chirurg 75: 515–518
Interessenkonflikt
Es besteht kein Interessenkonflikt. Der korrespondierende Autor versichert, dass keine Verbindungen mit einer Firma, deren Produkt in dem Artikel genannt ist, oder einer Firma, die ein Konkurrenzprodukt vertreibt, bestehen. Die Präsentation des Themas ist unabhängig und die Darstellung der Inhalte produktneutral.
Author information
Authors and Affiliations
Corresponding author
Rights and permissions
About this article
Cite this article
Weyhe, D., Winnemöller, C., Hellwig, A. et al. Das Aus für die minimal-invasive Leistenhernienversorgung durch § 115 b SGB V. Chirurg 77, 844–855 (2006). https://doi.org/10.1007/s00104-006-1208-1
Issue Date:
DOI: https://doi.org/10.1007/s00104-006-1208-1
Schlüsselwörter
- Minimal-invasive Chirurgie
- Ambulante Hernienversorung
- Total extraperitonealer Bruchlückenverschluss
- TEP
- EBM2000plus
- DRG
- Ökonomie