Von psychischer Komorbidität bei somatischen Erkrankungen spricht man, wenn bei Patienten in einem definierten Zeitraum neben einer körperlichen (Index-)Erkrankung mindestens eine psychische Krankheit vorliegt [1, 2]. Epidemiologische Studien haben eine erhöhte Prävalenz psychischer Krankheiten bei Patienten mit somatischen Krankheiten aufgezeigt [3, 4]. Beispielsweise fanden Gili et al. [3], dass somatisch erkrankte Patienten im Vergleich zu somatisch Gesunden ein um 46% höheres Risiko hatten, unter einer psychischen Krankheit zu leiden. Außerdem ist das Risiko für eine psychische Komorbidität umso höher, je mehr somatische Krankheiten ein Patient aufweist: Patienten mit drei somatischen Krankheiten hatten gegenüber somatisch Gesunden bereits ein fast dreifach erhöhtes Risiko für eine psychische Krankheit.

Psychische Komorbidität ist oftmals mit schlechteren klinischen und psychosozialen Outcomes und Beeinträchtigungen der gesundheitsbezogenen Lebensqualität assoziiert. So ist zum Beispiel das Vorliegen depressiver Symptome mit einem signifikant erhöhten Risiko verbunden, nach einem Herzinfarkt zu versterben [5], und Patienten mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen haben bei Vorliegen psychischer Komorbidität eine deutlich reduzierte Lebensqualität [6]. Weiterhin fanden zum Beispiel Moussavi et al. [7], dass eine komorbide Depression bei einer chronischen somatischen Krankheit, verglichen mit der Komorbidität zweier chronischer somatischer Krankheiten, mit einem signifikant höheren Verlust an subjektiv wahrgenommener Gesundheit einhergeht.

Aus gesundheitsökonomischer Sicht ist es besonders relevant, dass psychisch komorbide Patienten zusätzlich zum schlechteren gesundheitlichen Outcome auch eine höhere Inanspruchnahme sowohl von psychiatrischen als auch somatischen Versorgungsleistungen zeigen als Patienten, die nur an der somatischen Indexerkrankung leiden. Diese zusätzliche Inanspruchnahme ist mit Kosten für das Gesundheitssystem verbunden, die möglicherweise durch geeignete Interventionen gegen die psychische Komorbidität reduziert werden können. Die gesundheitsökonomische Forschung kann mithilfe ihres Methodenspektrums analysieren, welchen Einfluss psychische Komorbidität auf das Inanspruchnahmeverhalten und die daraus resultierenden Krankheitskosten hat. Darüber hinaus kann sie auf die Behandlung der komorbiden Population ausgerichtete Interventionen hinsichtlich ihrer Wirtschaftlichkeit evaluieren. Diese Informationen sind insbesondere für Entscheidungsträger relevant, die über die Finanzierung solcher Interventionen im Rahmen der gesetzlichen oder auch privaten Krankenversicherung entscheiden müssen.

Der vorliegende Beitrag widmet sich gesundheitsökonomischen Aspekten psychischer Komorbidität bei somatischen Krankheiten. Neben grundlegenden theoretischen und methodischen Aspekten von Krankheitskostenstudien und ökonomischen Evaluationen auf dem Gebiet der psychischen Komorbidität werden jeweils die in der internationalen Literatur verfügbaren gesundheitsökonomischen Studienergebnisse für das Beispiel der komorbiden Depression bei Diabetes mellitus vorgestellt. Das Beispiel wurde ausgewählt, da es eine große epidemiologische Relevanz aufweist (Übersicht 1) und hierfür vergleichsweise viele gesundheitsökonomische Studien vorliegen, die in einer systematischen Literatursuche in PubMed identifiziert wurden.

Auswirkungen psychischer Komorbidität auf die Krankheitskosten

Zielsetzung und Methodik von Krankheitskostenstudien

Mit Krankheitskostenstudien kann die ökonomische Bedeutung einzelner Krankheiten oder Krankheitskombinationen bestimmt werden. So lässt sich mit Krankheitskostenstudien der Einfluss psychischer Komorbidität auf die gesamten Krankheitskosten aufzeigen. Diese Informationen können für gesundheitspolitische Entscheidungen auf verschiedenen Ebenen des Gesundheitssystems eine Rolle spielen. Man muss jedoch beachten, dass bei einer ausschließlichen Kostenbetrachtung keine Beurteilung der Wirtschaftlichkeit der Ressourcenverwendung erfolgen kann, da hierfür stets auch gesundheitliche Effekte betrachtet werden müssen (siehe Kapitel „Ökonomische Evaluation der Behandlung der psychischen Komorbidität“).

Kostenarten

In der Gesundheitsökonomie werden zwei grundlegende Arten von Kosten unterschieden: Direkte Kosten spiegeln im Wesentlichen die Kosten der Gesundheitsversorgung wider. Medizinische direkte Kosten umfassen beispielsweise die Kosten der ambulanten und stationären Versorgung sowie der Arznei-, Heil- und Hilfsmittel, während zu den nicht-medizinischen direkten Kosten beispielsweise die Kosten der komplementären Versorgung oder auch der informellen häuslichen Pflege durch Familienangehörige und Freunde zählen. Im Zusammenhang mit psychischer Komorbidität sind alle diese Kosten relevant, da sich psychische Komorbidität sowohl auf die Inanspruchnahme somatischer, als auch psychiatrischer und psychosozialer Gesundheitsleistungen auswirkt.

Indirekte Kosten beschreiben den morbiditäts- und mortalitätsbedingten volkswirtschaftlichen Produktionsverlust, der im Zusammenhang mit psychischer Komorbidität vor allem in Form von reduzierter Produktivität am Arbeitsplatz, Arbeitsunfähigkeit und Erwerbsunfähigkeit auftritt.

Studienansatz

Bezüglich der Zeitspanne, für die Krankheitskosten ermittelt werden, wird zwischen einem Prävalenz- und einem Inzidenzansatz unterschieden. Ermittelt man die Kosten einer Krankheit mit dem Prävalenzansatz, so werden die Kosten aller prävalenten Fälle einer bestimmten Periode (in der Regel ein bestimmtes Jahr) berücksichtigt. Im Gegensatz dazu werden beim Inzidenzansatz nur diejenigen Fälle berücksichtigt, die innerhalb einer bestimmten Periode neu erkrankt sind. Für diese werden dann jedoch die gesamten Restlebenszeitkosten durch die Erkrankung ermittelt. Da für die Ermittlung des Inzidenzansatzes relativ umfangreiche Informationen benötigt werden, wird in Krankheitskostenstudien meist der Prävalenzansatz verwendet.

Zur Ermittlung von Krankheitskosten stehen verschiedene Datenquellen zur Verfügung. Einerseits kann die Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen auf der Patientenebene gemessen und anschließend monetär bewertet werden. Zu diesem Zweck können Fragebögen, medizinische Unterlagen (Krankenakten), Abrechnungssysteme von Krankenhäusern oder Krankenkassen verwendet werden. Da man die so gewonnenen Daten anschließend (theoretisch) auf die Gesamtpopulation der Erkrankten hochrechnen kann, wird hier von einem Bottom-up-Ansatz gesprochen.

Bei einem Top-down-Ansatz werden hingegen in der Regel hoch aggregierte Routinedaten (zum Beispiel von Krankenkassen oder vom Statistischen Bundesamt) verwendet, um die Gesamtkosten einer Erkrankung in einer Population zu ermitteln, die dann (theoretisch) auf den durchschnittlichen Patienten heruntergerechnet werden können.

Für die Analyse der Auswirkungen von psychischer Komorbidität auf die Krankheitskosten ist vor allem der Bottom-up-Ansatz relevant, da er im Gegensatz zum Top-down-Ansatz Analysen auf individueller Ebene zulässt. Darüber hinaus ist es bei Routinedaten oftmals gar nicht möglich, Inanspruchnahme aufgrund psychischer Komorbidität zu identifizieren. Gerade Letzteres ist aber unbedingt erforderlich, wenn man die sogenannten Excess-Kosten der psychischen Komorbidität ermitteln möchte.

Unter Excess-Kosten werden diejenigen Kosten verstanden, die bei Patienten mit psychischer Komorbidität verglichen mit Patienten ohne psychische Komorbidität zusätzlich auftreten. Eine Möglichkeit, die Excess-Kosten psychischer Komorbidität zu ermitteln, besteht darin, ihre Erfassung auf solche Kosten zu beschränken, die der psychischen Komorbidität eindeutig zugeordnet werden können (zum Beispiel für psychiatrische Gesundheitsleistungen). Dieses Verfahren ist relativ einfach durchzuführen, wird jedoch meist eine erhebliche Unterschätzung der Excess-Kosten zur Folge haben, da eine eindeutige Zuordnung von Krankheitskosten zu psychischer Komorbidität oft gar nicht möglich ist. Excess-Kosten psychischer Komorbidität manifestieren sich meistens nicht nur als Inanspruchnahme psychiatrischer Leistungen, sondern auch als verstärkte somatische Inanspruchnahme und in erhöhten Arbeitsausfallzeiten. Die Methode der Wahl, um Excess-Kosten psychischer Komorbidität zu ermitteln, besteht daher darin, die bei einer Stichprobe von Patienten mit der Indexerkrankung und psychischer Komorbidität gemessenen Kosten mit den Kosten einer Kontrollgruppe zu vergleichen, die nur an der Indexerkrankung leidet.

Beispiel: Krankheitskostenstudien für komorbide Depression bei Diabetes mellitus

Tab. 1 präsentiert für sechs Krankheitskostenstudien jeweils drei ausgewählte Kostenkategorien (psychiatrische Kosten, Diabetes-bezogene Kosten, Gesamtkosten) für die in den Studien verglichenen Patientengruppen. Die Werte wurden zur besseren Vergleichbarkeit mithilfe des Consumer-Price-Index der OECD auf das Jahr 2009 inflationiert [8]. Alle Studien stammen aus den USA, wurden zwischen 2000 und 2007 veröffentlicht, sind prävalenzbasiert und betrachteten ausschließlich direkte Kosten. Sie folgen dem Bottom-up-Ansatz und vergleichen spezifische Kostenkategorien (zum Beispiel ambulant, stationär, Diabetes-bezogen) sowie die gesamten Kosten für Versorgungsleistungen von Diabetikern mit komorbider Depression (DMD) und Diabetikern ohne komorbide Depression (DM).

Tab. 1 Diabetes und komorbide Depression: Krankheitskostenstudien

Fünf dieser Untersuchungen ermittelten einen signifikanten Unterschied zwischen den gesamten Versorgungskosten für DMD und DM [9, 10, 11, 12], ebenso wie für DMD mit unterschiedlichem Schweregrad der Depression [11, 13]. Einzig Nichols et al. [14] fanden keinen signifikanten Unterschied zwischen den Versorgungskosten beider Gruppen. Die Excess-Kosten von DMD lagen zwischen 35% [12] und 350% [10] der Kosten von DM. DMD wiesen im Vergleich zu DM bei allen Kostenkategorien höhere Kosten auf, nicht nur im Bereich psychiatrischer Leistungen. Die Studien von Le et al. [9] und Simon et al. [11] wiesen die zur Behandlung des Diabetes aufgewendeten Kosten gesondert aus. Diese lagen für die DMD in beiden Studien deutlich über den Kosten für DM, selbst nach der Kontrolle möglicher Confounder wie Alter, Geschlecht und Komorbiditäten. Ein Teil der Exzess-Kosten der DMD-Patientengruppe kann demnach der Behandlung diabetisch-medizinischer Komplikationen zugeschrieben werden [11]. Im Lichte der negativen Assoziation einer Depression mit vielen klinischen Diabetes-Parametern überraschen diese Ergebnisse nicht. Ein wesentlicher Grund für den nachteiligen Krankheitsverlauf bei DMD liegt vermutlich darin, dass die Anweisungen des Arztes zur Behandlung des Diabetes (Compliance), insbesondere hinsichtlich Ernährung, Tabak- und Alkoholkonsum, Bewegung, Blutzuckerkontrolle und Medikation, deutlich schlechter umgesetzt werden als von vergleichbaren DM [13, 15, 16].

Auch wenn in den oben beschriebenen Krankheitskostenstudien nur direkte Kosten gemessen wurden, zeigen die Ergebnisse zweier Untersuchungen aus den USA, dass komorbide Depression bei Diabetikern aufgrund ihrer verminderten Produktivität am Arbeitsplatz und der höheren Zahl an Arbeitsunfähigkeitstagen mit indirekten Kosten assoziiert ist [17, 18]. So hatten DMD im Vergleich zu DM in einer Studie von von Korff et al. [18] ein 1,7- bis 2,8-fach erhöhtes Risiko, im vorangegangenen Monat mehr als fünf Arbeitstage versäumt zu haben, und ein 3,15- (leichte Depression) bis 4,5-faches (schwere Depression) Risiko, schwerwiegende Probleme mit der Erfüllung von Arbeitsaufgaben zu haben. Es sei darauf hingewiesen, dass in diesen Untersuchungen nur (nicht-monetäre) Indikatoren indirekter Kosten gemessen, jedoch keine indirekten Kosten berechnet wurden.

Ökonomische Evaluation der Behandlung der psychischen Komorbidität

Zielsetzung der ökonomischen Evaluation

Eine entscheidende Schwäche der oben vorgestellten Krankheitskostenstudien besteht darin, dass sie keine Beurteilung der Wirtschaftlichkeit von Versorgungsleistungen erlauben. Informationen über die Wirtschaftlichkeit von Gesundheitsleistungen sind für Entscheidungsträger, die über die Verwendung von Ressourcen im Gesundheitssystem entscheiden (also zum Beispiel ob eine neue Therapie eingeführt werden soll) wesentlich wichtiger als reine Kostendaten. Die Wirtschaftlichkeit von Gesundheitsleistungen ist Gegenstand der ökonomischen Evaluation. In diesem Kontext ist psychische Komorbidität in zweierlei Hinsicht relevant: Einerseits besteht die Möglichkeit, dass sich psychische Komorbidität auf die Wirtschaftlichkeit von Interventionen bei der somatischen Indexerkrankung auswirkt (zum Beispiel indem sie die Effektivität der Intervention reduziert). Andererseits sollten Interventionen für die psychische Komorbidität ihrerseits wirtschaftlich sein.

Methodik der ökonomischen Evaluation

Grundsätzlich werden bei ökonomischen Evaluationen immer mindestens zwei Handlungsalternativen miteinander verglichen (zum Beispiel Therapie A und Therapie B), wobei eine der Alternativen die interessierende Intervention ist und die Vergleichsalternative in der Regel aus dem aktuellen Goldstandard besteht (siehe Übersicht 2). Die Vergleichsalternative kann aber auch „usual care“ oder „nichts tun“ sein. Weiterhin werden bei einer vollständigen ökonomischen Evaluation immer auch gesundheitliche Effekte berücksichtigt. Je nachdem, welches Maß für die gesundheitlichen Effekte verwendet wird, werden verschiedene Typen vollständiger gesundheitsökonomischer Evaluationen unterschieden, die im Weiteren näher vorgestellt werden.

Abb. 1
figure 1

Kosteneffektivitätsebene

Studientypen und Effektmessung

Nach der Art der Effektmessung werden drei wesentliche Typen ökonomischer Evaluationen unterschieden: Bei der Kosten-Minimierungs-Analyse wird davon ausgegangen, dass beide Alternativen dieselben gesundheitlichen Effekte erzielen – daher kann auf deren Berücksichtigung verzichtet und die Analyse auf die Betrachtung der Kosten beschränkt werden. Sind die Effekte nicht gleich oder unbekannt, liegt eine reine Kostenvergleichsanalyse vor, die keine Aussagen über die Wirtschaftlichkeit zulässt.

Bei der Kosten-Effektivitäts-Analyse werden typischerweise klinische Parameter (zum Beispiel depressionsfreie Tage) als Effektmaß verwendet. Der Vorteil dieses Typs besteht darin, dass das Effektmaß optimal an die untersuchte Alternative angepasst werden kann. Von Nachteil ist jedoch, dass das Ergebnis eventuell nur schwer interpretierbar ist (zum Beispiel Kosten pro Einheit an Verbesserung eines Psychopathologiemaßes), wesentliche Effekte womöglich ignoriert werden (zum Beispiel Auswirkung psychischer Komorbidität auf die Lebensqualität bei Verwendung eines klinischen Effektmaßes) und die Ergebnisse von Studien mit unterschiedlichen Effektmaßen nicht vergleichbar sind.

Kosten-Nutzen-Analysen versuchen, die genannten Probleme zu lösen, indem als Effektmaß sogenannte qualitätsgewichtete Lebensjahre (quality adjusted life years, QALYs) verwendet werden. QALYs werden gebildet, indem die Lebenszeit mit einem Indexmaß von gesundheitsbezogener Lebensqualität gewichtet wird. Die Vorteile von QALYs liegen in der Abdeckung vieler Effektdimensionen, in ihrer indikationsübergreifenden Vergleichbarkeit und leichten Interpretierbarkeit. Von Nachteil ist, dass für die Ermittlung des Indexes der gesundheitsbezogenen Lebensqualität meist generische Fragebögen (zum Beispiel EQ-5D, SF-6D) eingesetzt werden, die vor allem bei psychischen Beschwerden eine relative schlechte Veränderungssensitivität besitzen. Dadurch werden kleine Effekte möglicherweise nicht erfasst, was sich sehr ungünstig auf die berechnete Kosteneffektivität auswirken kann.

Beispiel: Wirksamkeit und Kosteneffektivität von Gesundheitsleitungen für komorbide Depression bei Diabetes mellitus

Die oben skizzierten empirischen Ergebnisse deuten darauf hin, dass sich depressive Störungen ungünstig auf den Diabetes-Verlauf auswirken, da eine verminderte Compliance zu einer schlechteren Stoffwechseleinstellung führt, die wiederum diabetisch-medizinische Komplikationen nach sich zieht [16, 19]. Daher liegt es nahe, bei diesen Patienten der Behandlung der Depression stärkere Aufmerksamkeit zu widmen.

Im Rahmen einer umfassenden systematischen Literaturübersicht fassen Petrak und Herpertz [20] insgesamt elf randomisierte kontrollierte Studien (RCTs) zur Behandlung von Depressionen bei Diabetikern zusammen: vier mit pharmakologischen, drei mit psychologischen und vier mit kombinierten Interventionen. Fast alle Interventionen erwiesen sich als wirksam, wobei kombinierte Behandlungsansätze aus Psycho- und Pharmakotherapie mit Antidepressiva die größte Wirksamkeit mit Blick auf eine Abmilderung der Depression besaßen. Allerdings wurde in nur drei der RCTs zusätzlich eine signifikante Verbesserung diabetischer Parameter beobachtet. Die RCTs betrachteten mit den gesundheitlichen Wirkungen ausschließlich die Effektseite (jedoch nicht die Kosten) der Interventionen.

Unsere Literaturrecherche ergab zwei Kosteneffektivitätsanalysen [21, 22] und eine Kostenvergleichsanalyse [23]. In diesen wurde über einen Beobachtungszeitraum von zwei beziehungsweise fünf Jahren je eine Intervention zur Behandlung von Depressionen bei Diabetikern evaluiert (Tab. 2). Den Analysen lag jeweils ein RCT zugrunde, in dem die rekrutierten Patienten (DMD) zufällig einer Interventions- oder Kontrollgruppe (usual care) zugeteilt wurden. Die Studien wurden in Managed Care Organisationen (MCOs) in den USA durchgeführt.

Tab. 2 Diabetes und komorbide Depression: Kosteneffektivitätsanalysen (KEA) und Kostenvergleichsanalyse (KVA)

In der Kosteneffektivitätsanalyse von Katon et al. [21] wurde die Improving-Mood-Promoting-Access-to-Collaborative (IMPACT)-Intervention an Patienten aus acht MCOs in fünf Bundesstaaten der USA evaluiert. In der abgestuften einjährigen Intervention nahmen alle Patienten in den ersten zwei Monaten an einem Verhaltensaktivierungsprogramm teil. Auf der zweiten Stufe (Monate drei bis zwölf) konnten die Teilnehmer zwischen einer problemorientierten Psychotherapie oder einer intensivierten Behandlung mit Antidepressiva wählen. Aufgrund der – im Gegensatz zu usual care – intensiveren Behandlung innerhalb der Interventionsgruppe waren die Kosten für die psychiatrischen Leistungen bei diesen Patienten im Laufe des zweijährigen Beobachtungszeitraumes durchschnittlich um 1142 USD höher als für die Kontrollgruppe. Diese Kosten wurden jedoch aufgrund niedrigerer somatischer Versorgungskosten von 2188 USD mehr als kompensiert, sodass die Gesamtkosten für die Interventionsgruppe am Ende der zwei Jahre um 1046 USD geringer waren als für die Kontrollgruppe. Hinsichtlich der gesundheitlichen Effekte, die über den klinischen Parameter „depressionsfreie Tage“ gemessen wurden, erwies sich die Intervention als wirksam. So hatten die Patienten der Interventionsgruppe im Vergleich zur Kontrollgruppe am Ende der zwei Jahre durchschnittlich 115,4 zusätzliche depressionsfreie Tage. Daraus resultierte eine inkrementelle Kosten-Effektivitäts-Relation (IKER) von −8,9 USD je depressionsfreiem Tag. Damit war die IMPACT-Intervention kosteneffektiv und dominant. Basierend auf früheren empirischen Ergebnissen zu gewonnenen QALYs durch depressionsfreie Tage, konnten die Autoren zusätzlich die inkrementellen Kosten je QALY berechnen. Damit wurde die Studie zu einer Kosten-Nutzwert-Analyse erweitert. Die mit der Impact-Intervention assoziierten 115,4 depressionsfreien Tage entsprachen 0,063 bis 0,126 QALYs. Daraus ergab sich eine IKER von −8302 USD bis −16.603 USD pro QALY.

Die Kosteneffektivitätsanalyse von Simon et al. [22] untersuchte die Wirtschaftlichkeit der einjährigen Pathways-Intervention. Diese ähnelte der IMPACT-Intervention, ging in der Betreuung der Patienten bei ähnlichen Kosten jedoch noch darüber hinaus. Je nach Erfolg der Psycho- oder Pharmakotherapie hatten die Teilnehmer in der Interventionsgruppe weitere Behandlungsmöglichkeiten, wie beispielsweise eine intensivierte Betreuung in einer psychiatrischen Spezialklinik. Am Ende des zweijährigen Beobachtungszeitraumes hatten die Teilnehmer der Interventionsgruppe im Durchschnitt 53 zusätzliche depressionsfreie Tage. Kosten wurden nur für den ambulanten Bereich ermittelt und waren in der Interventionsgruppe um durchschnittlich 1564 USD geringer als in der Kontrollgruppe. Damit war die Pathways-Intervention ebenfalls kosteneffektiv und dominant. Die inkrementellen ambulanten Kosten lagen bei −29,5 USD je depressionsfreiem Tag.

Katon et al. [23] führten für die Pathways-Intervention eine Kostenvergleichsanalyse mit einem Beobachtungszeitraum von fünf Jahren durch. Die Analyse betrachtete ausschließlich die Kosten. Für den gesamten Beobachtungszeitraum ergaben sich für die Patienten der Interventionsgruppe im Vergleich zur Kontrollgruppe geringere medizinische Gesamtkosten von −8544 USD. Obwohl sich die Kosten für die Interventions- und Kontrollgruppe nicht signifikant voneinander unterschieden, war die Intervention in jedem einzelnen Jahr mit geringeren medizinischen Gesamtkosten assoziiert. Unter Mitberücksichtigung der Ergebnisse von Simon et al. [22] führte die Pathways-Intervention in den ersten zwei Jahren zu 53 zusätzlichen depressionsfreien Tagen, ohne dass sie innerhalb von fünf Jahren zusätzliche Kosten verursachte. Geht man von gleichen Effekten für die Teilnehmer beider Gruppen innerhalb der letzten drei Jahre aus, so deuten diese Ergebnisse darauf hin, dass die Pathways-Intervention auch langfristig kosteneffektiv und dominant ist.

Die Ergebnisse der drei Studien legen nahe, dass spezielle und intensivierte Behandlungen der komorbiden DMD-Patientengruppe wirksam und wirtschaftlich sind. Durch die Implementierung dieser Behandlungen lässt sich (im Lichte der dargestellten Ergebnisse) für DMD-Patienten bei geringeren Kosten eine verbesserte Gesundheit erreichen.

Diskussion

Die vorgestellten Krankheitskostenstudien zur komorbiden Depression bei Diabetes mellitus zeigen deutlich, dass psychische Komorbidität die anfallenden direkten und indirekten Krankheitskosten stark beeinflussen kann. So waren die direkten Krankheitskosten bei Patienten mit komorbider Depression je nach Studie zwischen 35% und 350% höher als bei Patienten ohne komorbide Depression. Besonders auffällig war, dass der Großteil der bei komorbider Depression auftretenden zusätzlichen Kosten aus der Inanspruchnahme somatischer und nur ein relativ kleiner Teil aus der Inanspruchnahme psychiatrischer Behandlungsmaßnahmen resultierte. Diese Ergebnisse decken sich mit denen anderer Studien, die gezeigt haben, dass depressive Patienten mehr somatische Gesundheitsleistungen in Anspruch nehmen als Personen, die nicht an Depression erkrankt sind [24, 25, 26]. Die Ergebnisse der vorgestellten Studien legen folglich nahe, dass psychische Komorbidität auch die Kosten für die Indexerkrankung erhöht. So wirkte sich eine komorbide Depression in den gezeigten Studien auch auf die rein diabetesbezogenen Kosten aus. Ursache für dieses Phänomen scheint vor allem eine aufgrund der Depression geringere Compliance der Patienten bei ihrer Diabetestherapie zu sein [16, 19].

Die hier beispielhaft vorgestellten Ergebnisse für komorbide Depression bei Diabetes mellitus finden sich auch bei anderen somatischen Erkrankungen [27, 28]. So zeigten beispielsweise Sayers et al. [27], dass eine psychische Komorbidität mit erhöhten Behandlungskosten bei Patienten mit Herzinsuffizienz verbunden ist. Ähnliches fanden Johansson et al. [28] für Patienten mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen. Insgesamt ist die gesundheitsökonomische Literatur zu diesem Thema bisher jedoch noch recht begrenzt.

Die gilt insbesondere für Publikationen, die sich mit einer vollständigen ökonomischen Evaluation von Interventionen für psychische Komorbidität bei somatischen Erkrankungen befassen. Während wir beispielsweise noch sechs Krankheitskostenstudien zu komorbider Depression bei Diabetes mellitus fanden, ergab die Suche nur drei Beitrage zu ökonomischen Evaluationen. Zwei von ihnen untersuchten auf das Krankheitsmanagement der komorbiden Depression ausgerichtete Interventionen. Alle drei Studien zeigten für die Interventionsgruppe im Vergleich zur Kontrollgruppe höhere psychiatrische Versorgungskosten, die vor allem aus der Intervention selbst resultierten. Diese zusätzlichen Kosten für die psychosozialen Interventionen wurden jedoch durch deutlich niedrigere somatische Versorgungskosten überkompensiert, sodass die Interventionen insgesamt kostensparend waren.

Erschwerend für die gesundheitsökonomische Forschung in diesem Themenfeld ist, dass die Kombination „eine somatische Erkrankung plus eine psychische Komorbidität“ nur eine von vielen Möglichkeiten darstellt. So können Patienten auch zugleich an mehreren somatischen Erkrankungen und/oder mehreren psychischen Erkrankungen erkrankt sein, was die Zuordnung von (krankheitsunspezifischen) Kosten zu einzelnen Krankheiten nahezu unmöglich macht. Dies gilt umso mehr, als sich die einzelnen Krankheiten bei Komorbidität oder Multimorbidität oftmals gegenseitig beeinflussen und zahlreiche komplexe Wechselwirkungen zwischen ihnen vorliegen. So wirkt die psychische Komorbidität nicht nur auf die somatische Inanspruchnahme. Vielmehr ist in der Literatur auch der umgekehrte Fall beschrieben, dass eine somatische Komorbidität den Verlauf psychischer Erkrankungen beeinflussen kann [29]. Dies legt es nahe, vor allem einzelne Kombinationen von Krankheiten zu betrachten (wie zum Beispiel die komorbide Depression bei Diabetes mellitus). Allerdings dürfte diese Vorgehensweise der tatsächlichen Morbiditätssituation insbesondere in älteren Populationen nur teilweise gerecht werden. Es besteht zu dieser Frage nach wie vor großer Forschungsbedarf, insbesondere was die Interaktionen zwischen komorbiden Erkrankungen betrifft.

Fazit

Psychische Komorbidität bei somatischen Erkrankungen ist mit erhöhten Behandlungskosten verbunden, die zumindest teilweise bei der somatischen Versorgung anfallen. Ursache hierfür sind Wechselwirkungen zwischen der psychischen und der somatischen Erkrankung. Durch geeignete Interventionen können diese Zusatzkosten wahrscheinlich reduziert werden und womöglich sogar die aus dieser Intervention resultierenden Kosten überkompensieren. Diese Vermutung sollte jedoch für jede Intervention gesondert überprüft werden. Insgesamt besteht zu diesem Themenfeld noch erheblicher Forschungsbedarf, insbesondere zu den Wechselwirkungen zwischen komorbiden Erkrankungen und zur Kosteneffektivität spezifischer (psychosozialer) Interventionen.