Zusammenfassung
Hintergrund
Die Prävalenz von Vibrio vulnificus hängt entscheidend von der Temperatur und dem Salzgehalt des Meerwassers ab. Am ehesten bedingt durch den Klimawandel sind auch an den deutschen (Ostsee)-Küsten zunehmend Fälle von V.-vulnificus-bedingter Sepsis mit letalem Verlauf zu verzeichnen.
Ziel der Arbeit
Aufmerksamkeit generieren für eine lebensbedrohliche Infektion mit steigender Inzidenz in Deutschland.
Material und Methoden
Dieser Artikel stellt eine Übersicht der aktuellen Literatur dar, gefolgt von exemplarischen Schilderungen von Fällen mit V.-vulnificus-Sepsis nach Kontakt mit Ostseewasser, die im Sommer 2018 an der Universitätsmedizin Greifswald behandelt wurden.
Ergebnisse
Beim Vorhandensein von Risikofaktoren wie Leber- und Nierenerkrankungen, Immunsuppression oder männlichem Geschlecht besteht bei Kontakt geschädigter Haut mit kontaminiertem Meereswasser die Gefahr für eine schwere Sepsis. Häufig zeigt sich schon bei Aufnahme eine ausgeprägte Organdysfunktion. In diesen Fällen muss der Verdacht rasch gestellt werden und frühzeitig mit einer chirurgischen Sanierung und antiinfektiven Therapie (beispielsweise eine Kombination von Tetrazyklinen und Cephalosporinen der 3. Generation) begonnen werden.
Diskussion
Die V.-vulnificus-bedingte Sepsis wird vermutlich in den kommenden Jahren zunehmen. Da in einigen Fällen eine zeitliche Latenz zwischen Infektion und Beginn der Sepsis besteht, müssen Ärzte auch außerhalb der Küstenregion über dieses Krankheitsbild informiert sein.
Abstract
Background
The prevalence of Vibrio vulnificus heavily depends on the temperature and salinity of the sea water. In the course of climate change an increase in cases of fatal sepsis caused by V. vulnificus at the German Baltic Sea coast could be detected.
Objective
To generate awareness for a life-threatening infection with increasing incidence in Germany.
Material and methods
This article presents an overview of the current state of the literature followed by an exemplary description of cases with V vulnificus sepsis caused by contact with water in the Baltic Sea, which were treated at the Medical University in Greifswald in summer 2018.
Results
In the presence of risk factors, such as liver and kidney diseases, immunosuppression and male sex, there is a danger of severe sepsis if damaged skin comes into contact with contaminated sea water. A pronounced organ dysfunction can frequently be found on admission. In these cases the diagnosis must be made promptly and timely surgical cleansing and antibiotic treatment should be initiated (e.g. a combination of tetracyclines and third generation cephalosporins).
Conclusion
Sepsis due to V. vulnificus will probably increase over the coming years. Because there is a latency in some cases between infection and onset of sepsis, physicians beyond the coastal region must also be informed about this disease.
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Einleitung
Die Sommer 2018 und 2019 waren durch überdurchschnittlich hohe Temperaturen über einen langen Zeitraum gekennzeichnet, sodass auch die Wassertemperatur der Ostsee anstieg. Mit dem Anstieg der Wassertemperatur kam es zu einer Häufung an schweren Sepsisfällen mit hoher Letalität, hervorgerufen durch den Erreger Vibrio vulnificus (V. vulnificus). Während die Mikrobiologen und Intensivmediziner der Ostseeregion zunehmend mehr Expertise auf dem Gebiet erlangen, stellt sich die Frage: „Sollten alle Anästhesisten in Deutschland über die Infektionen mit Vibrio vulnificus informiert sein?“
Methoden
Dieser Artikel stellt eine Übersicht der aktuellen Literatur dar, gefolgt von einer exemplarischen Schilderung von Fällen mit V.-vulnificus-Sepsis nach Kontakt mit Ostseewasser, die im Sommer 2018 an der Universitätsmedizin Greifswald behandelt wurden. Eine systematische Suche unter dem Stichwort „Vibrio vulnificus“ wurde bei PubMed durchgeführt. Dabei wurden im ersten Teil Artikel aus 2017 und 2018 und im zweiten Teil Veröffentlichungen zu V. vulnificus in Ost- und Nordsee gesucht. Hinzu kommen Artikel mit hoher Bedeutung, die in den einzelnen Veröffentlichungen zitiert wurden. Eingeschlossen in den Übersichtsartikel wurden Arbeiten und Fallberichte in englischer oder deutscher Sprache. Auf eine ausführliche Beschreibung der Studien zu molekularen Mechanismen wird verzichtet.
Mikrobiologische Kennzahlen
Vibrio vulnificus ist ein gramnegatives, bewegliches, gekrümmtes Bakterium aus der Familie der Vibrionaceae, welches obligat halophil (salzliebend) ist [46]. Es kommt weltweit an Meeresküsten und Mündungsgebieten vor [7, 26]. Von den über 100 Vibrionenarten sind 12 als humanpathogen bekannt [1, 19]. Vibrio vulnificus verursacht außer gastrointestinalen Symptomen auch schwere Sepsisverläufe, besonders bei Patienten mit Vorerkrankungen [1, 46]. Durch die hohe Replikationszahl des Bakteriums können die klinischen Verläufe fulminant sein [7].
V. vulnificus ist eine heterogene Spezies mit großer Diversität und kann in 3 Biotypen unterschiedlicher Virulenz und unterschiedlichen Vorkommens eingeteilt werden, wobei diese Einteilung kontrovers diskutiert wird [6, 17, 32, 35, 37, 44]. Die Virulenz unterscheidet sich zwischen den einzelnen Stämmen [6, 7]. Als einer der Hauptvirulenzfaktoren wurde die Lipopolysaccharidkapsel identifiziert [1, 15].
Epidemiologie
Die Prävalenz von V. vulnificus hängt entscheidend von der Temperatur und dem Salzgehalt des Meerwassers ab [41]. Infektionen treten am häufigsten auf, wenn die Wassertemperaturen ≥18 °C sind und der Salzgehalt etwa 15–25 ‰ beträgt [3, 17, 46]. Dabei wird die Häufigkeit von weiteren Faktoren beeinflusst, z. B. Chlorophyll- und Kohlenstoffgehalt [30, 44]. In Südkorea wurde eine Inzidenz von 0,28 Fällen/100.000 Personenjahren in den Jahren 2001 bis 2009 berichtet [28]. Aus Küstenregionen in den USA wurde für 2010 eine Inzidenz von 0,04/100.000 berichtet [29] Die meisten Infektionen treten in den subtropischen Regionen von April bis November auf [26]. Im Rahmen der globalen Erwärmung und Zunahme der Hitzewellen wird jedoch eine zunehmende Verbreitung in weiteren Regionen gesehen. Auch in der Ostsee wird eine Zunahme beobachtet [5, 42]. Da das Vorkommen von V. vulnificus von der Wassertemperatur abhängt, postuliert Baker-Austin, dass die Prävalenz von V. vulnificus als Indikator für den Klimawandel benutzt werden kann [5]. In Nordeuropa konnte ein deutlicher Zusammenhang zwischen Hitzewellen und dem Auftreten von V.-vulnificus-Infektionen gesehen werden [5]. So traten beispielsweise bei der Hitzewelle 2014 Infektionen in Oulu in Nordfinnland auf [4]. Auf dem durch die Europäische Union geförderten Portal E3 Geoportal (European Centre for Disease Prevention and Control, Solna, Schweden) werden tagesaktuell Informationen zu Vibrionen auf einer Landkarte dargestellt [12, 39]. Die errechnete Wahrscheinlichkeit für das Vorkommen von V. vulnificus in der südlichen Ostsee in den Monaten Juni bis September im Vergleich der Jahre 2017 und 2018 zeigt Abb. 1. Die Wahrscheinlichkeit wird anhand eines von Baker-Austin entwickelten Algorithmus berechnet, in den neben der Oberflächentemperatur des Meeres auch der Salzgehalt eingeht [4, 39]. Deutlich zu erkennen ist eine Steigerung des Risikos zwischen 2017 und 2018.
Unterhalb von 13 °C geht V. vulnificus für Monate in eine inaktive Form über, in der zwar kein weiteres Wachstum stattfindet, aber eine Infektion noch möglich ist [3, 19]. In Sedimenten kann V. vulnificus ganzjährig nachgewiesen werden [19]. Daher sind Infektionen auch bei kälteren Wassertemperaturen möglich.
V. vulnificus kommt frei im Wasser vor und akkumuliert in Meeresfrüchten, ohne diese in Aussehen, Geruch und Geschmack zu beeinträchtigen, sodass eine Besiedlung ohne Laboruntersuchung nicht erkennbar ist [17, 26]. Im Gegensatz zu V. cholerae wird V. vulnificus nicht von Mensch zu Mensch übertragen, sodass keine Pandemien auftreten [1].
Situation in Deutschland
Der erste publizierte Fall einer V.-vulnificus-induzierten Sepsis in Deutschland trat 1994 bei einer 71-jährigen Patientin auf, die als Urlauberin 5 Tage zuvor im Ostseewasser spazierte [18]. Nach dem warmen Sommer 2003, in dem die Wassertemperatur der Ostsee fast 3 Wochen lang über 20 °C betrug, wurde der erste Todesfall V.-vulnificus-induzierter Sepsis in Deutschland publiziert [38]. In den letzten Jahren konnte eine deutliche Zunahme der Infektionen mit V. vulnificus in Deutschland und Nordeuropa gesehen werden [5, 7, 27, 30, 42]. Die Ostsee bietet mit ihrem geringen Salzgehalt (1,8–0,3 %) und als ein sich sehr schnell erwärmendes Gewässer einen idealen Nährboden für Vibrionen [6, 7, 19]. Daher gibt es in der Ostsee ein hohes Vorkommen an V. vulnificus [10, 19]. Jedoch kommen auch in der Nordsee (Salzgehalt ca. 3 %) sowie besonders in den Mündungsgebieten von Ems und Weser (Salzgehalt ca. 1,5–2,5 %) hochpathogene V.-vulnificus-Stämme vor [7, 9, 19]. Im Gegensatz zu den USA findet die Übertragung in Deutschland fast ausschließlich über direkten Meereswasserkontakt (z. B. Schwimmen oder Spazierengehen im Wasser) und nicht über den Konsum von Meeresfrüchten statt [6, 19]. Daher überprüfen seit 2004 die Landesgesundheitsämter von Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen in den Sommermonaten routinemäßig Wasserproben aus Ost- und Nordsee [19]. Dabei haben die Isolate eine hohe genetische Varianz und unterschiedliche Pathogenität [19]. In der Resistenztestung konnten Bier et al. zeigen, dass die isolierten V.-vulnificus-Stämme aus der Ostsee, Nordsee, Ems und Weser in vitro noch sensibel auf die gängigen Antiinfektiva waren [8].
Zwischen 1994 und 2013 wurden in Deutschland 13 Fälle einer V.-vulnificus-bedingten Sepsis mit 5 Todesfällen registriert, wobei bei fehlender Meldepflicht die Dunkelziffer wahrscheinlich deutlich höher liegt [19]. In Mecklenburg-Vorpommern werden Infektionen mit Vibrionen mit klinischer Ausprägung vom Landesamt für Gesundheit und Soziales nach § 6 Absatz 1 Nr. 5 IfSG in M‑V in der Kategorie „Weitere bedrohliche Krankheiten (WBK)“ erfasst. Die Anzahl der Patienten mit V.-vulnificus-Sepsis, die dem Landesamt für Gesundheit und Soziales Mecklenburg-Vorpommern im Verlauf der letzten Jahre angezeigt wurden, zeigt Abb. 2. Hierbei ist eine deutliche Zunahme in Abhängigkeit von der Temperatur zu verzeichnen (Vergleich: Abb. 1). Das Robert Koch-Institut weist darauf hin, dass bei entsprechender Klinik und zurückliegendem Meerwasserkontakt differenzialdiagnostisch stets an eine V.-vulnificus-Infektion gedacht werden sollte [36].
Übertragungsweg und Risikofaktoren
Die Übertragung des Erregers V. vulnificus erfolgt über 2 Wege: (a) Konsum von kontaminierten Meeresfrüchten und (b) Hautkontakt mit kontaminiertem Meereswasser [46]. V. vulnificus hat eine hohe Pathogenität und ist verantwortlich für über 95 % aller meeresfrüchteassoziierten Todesfälle in den USA [1, 20].
Risikofaktoren für eine Infektion sind neben chronischen und akuten Lebererkrankungen auch chronische Niereninsuffizienz, Diabetes mellitus, Tumorerkrankungen, Immunsuppression und Hämochromatose [17, 45]. Da eine Leberzirrhose häufig mit einer Immunsuppression und Einschränkungen des Komplementsystems und der Zytokinproduktion einhergeht, sind diese Patienten besonders gefährdet [11]. Zusätzlich besteht die Möglichkeit, dass die Vibrionen bei portalem Hypertonus direkt in die Pfortader gelangen [11]. Die erhöhten Eisenspiegel bei Lebererkrankungen und Hämochromatose stellen einen weiteren Risikofaktor dar, da Vibrionen als Siderophile Eisen zum Wachstum speichern [1, 11, 21]. Patienten mit einer Leberzirrhose haben ein bis zu 80-fach erhöhtes Risiko für das Auftreten einer V.-vulnificus-Sepsis [1]. Männer sind deutlich häufiger von einer V.-vulnificus-Infektion betroffen als Frauen (ca. 80:20), wahrscheinlich beeinflusst durch Östrogen und die Prävalenz von Lebererkrankungen [1, 3, 46].
Klinische Manifestationen
Nach oraler Aufnahme roher infizierter Meeresfrüchte können gastrointestinale Symptome mit wässriger Diarrhö, abdominellen Schmerzen, Übelkeit und Erbrechen auftreten [46]. Die Gastroenteritis ist per se selten lebensbedrohlich, jedoch können die Symptome Frühzeichen einer Sepsis sein [46]. Neben gastrointestinalen Beschwerden werden häufig plötzliches Fieber und Schüttelfrost in Verbindung mit multiplen metastatischen Haut- und Weichteilinfektionen (v. a. an der unteren Extremität) beobachtet [46].
Bei Eintritt über vorgeschädigte Haut (z. B. Wunden) treten Haut- und Weichteilinfektionen isoliert nur an den Stellen auf, die mit kontaminierten Wasser Kontakt hatten [17]. Es können Bullae, Ekchymosen, nekrotisierende Fasziitis und Gangrän entstehen [17]. Metastatische Streuungen treten nicht auf. Auch kleinste und lediglich oberflächliche Wunden wie ein frisch gestochenes Tattoo [37] sind als Eintrittspforte ausreichend. Solche Wunden können in der klinischen Untersuchung leicht übersehen werden. Eine Infektion des Unterschenkels mit hämorrhagischen Bullae zeigt Abb. 3.
Die Inkubationszeit bei oraler Aufnahme beträgt 48 h, während Wundinfektionen häufig bereits nach 16 h auftreten [1]. Die Inkubationszeiten können bei Risikopatienten auch noch kürzer sein. Die kürzeste publizierte Inkubationszeit betrug nur 3 h [31, 34]. Vibrionen gehören zu den Bakterien mit dem schnellsten Wachstum [2, 7]. Die Symptome der Infektion können aber auch mit einer zeitlichen Verzögerung von 7 bis 14 Tagen auftreten [17]. Dies kann die Diagnosestellung erheblich erschweren.
Sowohl die orale Aufnahme als auch die Infektion über Hautdefekte kann eine Sepsis mit foudroyantem Verlauf auslösen. Häufige Symptome einer Sepsis sind ein schweres Krankheitsgefühl, ein veränderter Mentalstatus oder eine Hypotension [9]. Prinzipiell können alle mit einer Sepsis assoziierten Symptome auftreten. Eine Infektion mit V. vulnificus kann sich auch als Pneumonie, Peritonitis oder Meningoenzephalitis manifestieren [1, 38]. Kommt es zu einer Sepsis, so liegt die Letalität bei etwa 50 % [46].
Diagnose
Die Diagnose wird anhand des klinischen Bildes und einer mikrobiologischen Untersuchung gestellt. Die Kultivierung der Stuhlisolate erfolgt auf einem „thiosulfate-citrate-bile sucrose (TCBS) agar“, auf dem V. vulnificus grüne Kolonien bildet [1]. Bei der Untersuchung von Wundmaterialien und Blutkulturen lässt sich der Erreger auf Blutagar anzüchten. Da die Blutkulturen zeitaufwendig sind und durch Gabe von Antiinfektiva falsch-negativ sein können, hat die „real-time Polymerase-Kettenreaktion (PCR)“ einen zunehmenden Stellenwert [43]. In Proben aus den Hautläsionen können häufig höhere DNA-Spiegel bestimmt werden als aus Blutkulturen [24, 46]. Vor Beginn der Antibiotikatherapie sollten möglichst immer lokale Abstriche und 3 Blutkutursets abgenommen werden.
Therapie
Bei Sepsis durch V. vulnificus sollte eine antiinfektive Therapie so schnell wie möglich erfolgen, um die Letalität zu verringern [46]. Als Herdsanierung der Haut- und Gewebeinfektionen (z. B. Fasziitis) müssen schnellstmöglich chirurgische Interventionen, wie Débridement und Fasziotomie und im Verlauf teilweise die Amputation, durchgeführt werden [33, 46]. Bei nekrotisierender Fasziitis führen frühzeitiges Débridement und Fasziotomie zu einem signifikant höheren Überleben [23].
V. vulnificus hat eine natürliche Resistenz gegenüber Colistin, aber ist sensibel gegenüber Cephalosporinen der 3. Generation (z. B. Ceftriaxon), Piperacillin-Tazobactam, Carbapenemen (z. B. Meropenem), Tetrazyklinen (z. B. Doxycyclin), Aminoglykosiden (z. B. Gentamicin), Fluorchinolonen (z. B. Ciprofloxacin) und Sulfamethoxazol-Trimethoprim [46]. Häufig wird, wie in Infobox 1 vorgestellt, eine Kombination aus Cephalosporinen der 3. Generation mit Tetrazyklin oder Ciprofloxacin für 7 bis 14 Tage durchgeführt [1, 17, 22, 40, 46].
Infobox 1 Therapievorschlag Antiinfektiva
Antiinfektive Therapiemöglichkeit
1 g Ceftriaxon i.v. einmal täglich oder 2 g Ceftazidim i.v. 3‑mal täglich
in Kombination mit
100 mg Doxycyclin i.v. 2‑mal täglich oder 400 mg Ciprofloxacin i.v. 2‑mal täglich
für 7 bis 14 Tage
Dabei ist zu bedenken, dass in Proben aus Meeresfrüchten bereits eine zunehmende Resistenz gegenüber Antiinfektiva nachgewiesen werden kann [14]. Dies beruht u. a. auf der prophylaktischen Gabe von Antiinfektiva zum Schutz der Aquakulturen [13, 16]. So zeigen sich weltweit sowohl in Isolaten aus der Umwelt als auch in Isolaten von Patienten zunehmend Resistenzen gegenüber Penicillinen, Ampicillin und Tetrazyklin [13]. Dies könnte zu Einschränkungen in der Medikamentenwahl bei der Behandlung einer Vibrionensepsis führen.
Prävention
Die Prävention umfasst regelmäßige Kontrollen des Meereswassers und der Zubereitung von Meeresfrüchten. Weiterhin ist die Aufklärung der Bevölkerung essenziell. So haben die amerikanischen „Centers for Disease Control and Prevention“ Empfehlungen für die Bevölkerung veröffentlicht [3]. Hierzu gehören sowohl die Information zur Übertragung über rohe Meeresfrüchte (z. B. Austern) als auch über (kleinere) offene Wunden beim Kontakt mit Meereswasser und die Aufklärung über Risikofaktoren.
Prognose
Eine durch V. vulnificus verursachte Sepsis hat eine Letalität von etwa 50 % [20, 25]. Als Prognosemarker wurde neben der V.-vulnificus-DNA-Last eine initiale Acidose mit einem pH-Wert <7,35 mit hoher Sensitivität und Spezifität identifiziert [46, 47]. Durch eine frühe Erkennung und einen unverzüglichen Therapiebeginn mit chirurgischer Herdsanierung und antiinfektiver Therapie kann die Prognose verbessert werden [1].
Fallbeispiele
Im Sommer 2018 (Juli bis September) wurden in der Universitätsmedizin Greifswald 5 Patienten aufgrund einer V.-vulnificus-Infektion nach dem Baden in der südlichen Ostsee (Pommersche Bucht) intensivmedizinisch behandelt. Von diesen hatte eine Frau eine Sepsis, und 2 Männer und 2 Frauen hatten einen septischen Schock. Eintrittspforte war immer die untere Extremität: eine Wundheilungsstörung nach einer Sprunggelenkfraktur, ein offener diabetischer Fuß, eine kleine offene Wunde am Schienenbein und in 2 Fällen Bagatellverletzungen am Unterschenkel bzw. am Fuß. Bis auf einen Patienten bestanden chronische Vorerkrankungen wie Diabetes, Z. n. Splenektomie, Tumorerkrankungen, Prednisolondauertherapie, Adipositas und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Auffallend war eine Vormedikation mit Antikoagulanzien bei 3 von 5 Patienten. Da bei einem Patienten primär eine Endokarditis und ein Erysipel vermutet wurden, erhielt dieser Patient initial Penicillin, Clindamycin und Piperacillin-Tazobactam. Der massiv vorerkrankte Patient kam erst mehr als 24 h nach auswertiger stationärer Aufnahme zur operativen Sanierung und verstarb am 3. Behandlungstag. Bei den anderen 4 Patienten erfolgte die Herdsanierung innerhalb von 6 h bzw. zwischen 6 und 12 h nach der primären stationären Aufnahme. Alle Patienten wurden primär hochdosiert mit Ceftazidim (3-mal 4 g) und Ciprofloxacin (2-mal 800 mg) mit einer Dosisreduktion nach 3 Tagen über insgesamt 12 bis 17 Tage behandelt.
Die klinischen und laborchemischen Parameter der 5 Patienten, die im Sommer 2018 in der Universitätsmedizin Greifswald aufgrund einer V.-vulnificus-Sepsis intensivmedizinisch behandelt wurden, zeigt Tab. 1. In allen Fällen zeigten sich schon im Aufnahmelabor pathologische Lactat‑, Kreatinin- und deutliche erhöhte Prokalzitoninwerte. Klinisch kam es vor der stationären Aufnahme innerhalb weniger Stunden zu einer deutlichen lokalen und systemischen Verschlechterung mit Schüttelfrost und Vigilanzbeeinträchtigung.
Es empfiehlt sich bei rötlich-lividen blasenbildenden Infektionen (besonders an den unteren Extremitäten) im Sommer immer eine Badeanamnese in leicht salzigem Wasser (Ostsee) zu hinterfragen, sofort Abstriche und Blutkulturen abzunehmen, eine kalkulierte hochdosierte Therapie mit einem Drittgenerationscephalosporin und Ciprofloxacin (14 Tage Therapiedauer) zu beginnen und den Patienten mit Notarztbegleitung in die nächstgelegene Klinik zu verlegen, die eine operative Sanierung und Intensivtherapie bei Sepsis durchführen kann.
Fazit
Am ehesten bedingt durch den Klimawandel treten auch in Deutschland zunehmend schwere Infektionen mit Erregern auf, die vorher weitgehend unbekannt waren und hauptsächlich Urlauber in tropischen Gebieten betrafen [4]. Vermutlich durch die Erwärmung von Ost- und Nordsee ist die Prävalenz von V. vulnificus im Meereswasser angestiegen und damit auch die Rate der V.-vulnificus-Sepsis [19, 30, 42]. Die Übertragung erfolgt entweder durch Konsum infizierter Meeresfrüchte (z. B. Muscheln) oder durch Kontakt geschädigter Haut (z. B. Ulcus cruris) mit infiziertem Meereswasser [17, 46]. Um die hohe Letalität der V.-vulnificus-Sepsis zu reduzieren, ist es essenziell, eine zielgerichtete Therapie frühestmöglich zu beginnen. Hierzu zählt neben der chirurgischen Herdsanierung die kalkulierte antiinfektive Therapie von Cephalosporinen der 3. Generation mit Tetrazyklinen oder Ciprofloxacin [17, 22, 46]. Da die Symptome einer V.-vulnificus-Infektion mit einer zeitlichen Latenz bis zu 2 Wochen auftreten können und die Sepsis mit einer hohen Letalität verbunden ist [17], ist es wichtig, dass nicht nur Ärzte in Meeresnähe die Symptome erkennen, sondern auch die Ärzte, bei denen sich die Urlauber nach der Rückreise mit den Symptomen vorstellen.
Fazit für die Praxis
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Vibrio vulnificus kann in Ost- und Nordsee bei hohen Temperaturen des Meereswassers auftreten.
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Eine Infektion mit V. vulnificus ist sowohl durch den Verzehr von infizierten Meeresfrüchten als auch durch den Kontakt geschädigter Haut mit kontaminiertem Meereswasser möglich.
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Risikofaktoren für das Auftreten einer V.-vulnificus-Sepsis sind Leber- und Nierenerkrankungen, männliches Geschlecht und Immunsuppression.
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Die Therapie der V.-vulnificus-Sepsis umfasst die chirurgische Herdsanierung sowie die frühzeitige kalkulierte antiinfektive Therapie, z. B. mit Cephalosporinen der 3. Generation in Kombination mit Tetrazyklinen oder Ciprofloxacin.
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Bei Vorliegen von plötzlich aufgetretenen Bullae, Ekchymosen, nekrotisierender Fasziitis und Gangrän bei positiver Anamnese für bekannte Hautverletzungen und Kontakt mit Meereswasser sollte an eine Infektion mit V. vulnificus gedacht werden.
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C. Metelmann, B. Metelmann, M. Gründling, K. Hahnenkamp, G. Hauk und C. Scheer geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Für diesen Beitrag wurden von den Autoren keine Studien an Menschen oder Tieren durchgeführt. Für die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort angegebenen ethischen Richtlinien.
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Metelmann, C., Metelmann, B., Gründling, M. et al. Vibrio vulnificus, eine zunehmende Sepsisgefahr in Deutschland?. Anaesthesist 69, 672–678 (2020). https://doi.org/10.1007/s00101-020-00811-9
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