Jedes Jahr erhalten weltweit ca. 75 Mio. Patienten eine Operation in Allgemeinanästhesie. Unbehandelt erleidet etwa ein Drittel davon postoperative Übelkeit und/oder Erbrechen („postoperative nausea and vomiting“, PONV) [9, 16, 30]. Häufig wird dies von den betroffenen Patienten schlimmer als der postoperative Schmerz beschrieben [15, 20]. Deshalb überrascht es nicht, dass die Vermeidung von PONV durch eine entsprechende Prophylaxe die Zufriedenheit gefährdeter Patienten verbessert [7]. Erbrechen erhöht die Gefahr von Aspiration und kann mit Komplikationen, wie Nahtdehiszenz, Ösophagusruptur, subkutanem Emphysem und sogar bilateralem Pneumothorax, assoziiert sein [6, 23]. Auch führt PONV immer wieder zu verzögerter Entlassung aus dem Aufwachraum und ist die Hauptursache für eine stationäre Wiederaufnahme nach einem elektiven ambulanten Eingriff [12]. In den USA werden die jährlichen Kosten durch PONV auf mehrere 100 Mio. Dollar geschätzt [14, 31].

In den bisher mehr als 1000 randomisierten kontrollierten Studien wurden pharmakologische Methoden zur Prävention und Behandlung von PONV untersucht. Die am besten untersuchten Antiemetika sind die Serotonin-(5-Hydroxytryptamin)-Rezeptor-Typ-3-Antagonisten (z. B. Ondansetron), Dexamethason und Droperidol. Eine alternative Möglichkeit zur Reduktion des PONV-Risikos bietet die Vermeidung von emetogenen Einflüssen. Dazu gehören der Einsatz von Propofol anstatt volatiler Anästhetika, Luft anstatt Lachgas und die Verwendung von Remifentanil—ein ultrakurz wirksames Opioid—anstatt Fentanyl [3, 8].

Die begrenzte Wirksamkeit einer antiemetischen Monotherapie [28] führte zur Untersuchung von verschiedenen Kombinationstherapien [24]. Es gab jedoch in jüngerer Zeit keine Studie zu PONV mit adäquatem Design und ausreichender „power“, um sowohl alle wichtigen pharmakologischen Interventionen gleichzeitig zu untersuchen, als auch das Ausmaß zu bestimmen, in dem eine Kombination verschiedener Interventionen die Ergebnisqualität verbessern könnte. In einer kürzlich stattgefundenen Konsensuskonferenz konnte daher noch keine definitive Aussage über den Vorteil einer Kombination von verschiedenen Strategien gemacht werden [11]. Wir führten eine große randomisierte kontrollierte Multizenterstudie mit mehrfach-faktoriellem Design durch, die sowohl die Wirksamkeit von 6 antiemetischen Interventionen als auch den Effekt der Kombination von 2 oder 3 Interventionen untersuchen und bewerten konnte.

Methoden

Nach Befürwortung durch die Ethikkommissionen aller 28 teilnehmenden Zentren wurden 5199 Patienten eingeschlossen, die für einen elektiven chirurgischen Eingriff unter Allgemeinanästhesie von mindestens 1-h-Dauer vorgesehen waren. Auf der Grundlage einer vereinfachten Risikoabschätzung [1] hatten alle Patienten ein Risiko von mehr als 40%, an PONV zu leiden, basierend auf dem Vorhandensein von mindestens 2 der folgenden Risikofaktoren: weibliches Geschlecht, Nichtraucherstatus, PONV oder Reisekrankheit in der Anamnese, erwarteter Einsatz von postoperativen Opioiden [2, 22]. Patienten mit Kontraindikationen gegen die in der Studie eingesetzten Medikamente, Patienten unter antiemetischer Therapie oder unter Einnahme von emetogenen Pharmaka innerhalb der letzten 24 h vor dem operativen Eingriff, Patienten, für die eine postoperative Beatmung erwartet wurde sowie schwangere und stillende Frauen wurden von der Studie ausgeschlossen. Alle Patienten gaben ihr schriftliches Einverständnis zur Studienteilnahme.

Studienprotokoll

Nach einem 2×2×2×2×2×2-faktoriellen Design wurde jeder Patient für eine der folgenden 6 Interventionen randomisiert:

  • 4 mg oder kein Ondansetron,

  • 4 mg oder kein Dexamethason,

  • 1,25 mg oder kein Droperidol,

  • Propofol oder ein volatiles Anästhetikum (Isofluran, Desfluran oder Sevofluran),

  • Luft oder Lachgas,

  • Remifentanil oder Fentanyl [5].

Diese 6 Interventionen führten zu 64 (26) möglichen Behandlungskombinationen. Weil Propofol mit einem reduzierten Risiko für PONV assoziiert ist [26], wurden für die Propofolgrupppe doppelt so viele Patienten randomisiert wie für die Gruppe mit einer Inhalationsanästhesie, um eine ausreichende Fallzahl zur Quantifizierung der antiemetischen Wirksamkeit auch in der Propofolgruppe sicherzustellen (Randomisierungsverhältnis von 2:1). Es entstanden somit permutierte Blöcke von je 96 (23×3×22) Patienten. Jedes Zentrum erhielt 4 solcher Blöcke. Diese wurden mithilfe eines Computers randomisiert, in Listenform fortlaufend nummeriert, in nichttransparenten Umschlägen verschlossen und erst kurz vor der Einleitung der Anästhesie geöffnet. Die für das intraoperative Management unverblindeten Anästhesisten waren nicht mit der postoperativen Behandlung befasst.

Die Verabreichung von zusätzlichem Sauerstoff soll antiemetisch wirken [19, 27], wenngleich diese Behauptung nicht ohne Widerspruch ist [18, 21]. Es wurden deshalb in 3 Zentren Patienten für 30% Sauerstoff in Lachgas oder 30% Sauerstoff in Luft oder 80% Sauerstoff in Luft in einen Randomisierungsverhältnis von 1:1:1 zugeteilt. Somit waren mindestes 144 (3×48) Patienten pro Block notwendig. Um eine ausreichende Power zu gewährleisten, wurden in jedem dieser Zentren doppelt so viele Patienten (288) untersucht.

Zur Prämedikation erhielten alle Patienten ein Benzodiazepin. Drei Minuten vor Einleitung der Anästhesie wurde—je nach Randomisierung—entweder ein Bolus Fentanyl (200–300 µg) verabreicht oder eine Infusion mit Remifentanil (0,25 µg*kg KG−1*min−1) gestartet. Die Anästhesie wurde mit Propofol 2–3 mg*kg KG−1 eingeleitet; zur Intubation wurde Rocuronium verabreicht. Die Aufrechterhaltung erfolgte entweder mit Propofol oder mit einem volatilen Anästhetikum. Die Konzentrationen wurden nach klinischer Notwendigkeit angepasst. Bei einem Anstieg von Herzfrequenz oder Blutdruck um mehr als 20% der präoperativen Werte wurde ein intravenöser Bolus Fentanyl (50–100 µg) gegeben oder die Infusionsrate von Remifentanil erhöht. Patienten, die 4 mg Dexamethason oder 1,25 mg Droperidol erhalten sollten, bekamen das entsprechende Medikament 20 min nach Narkoseeinleitung intravenös verabreicht [14, 19]. Patienten, die Ondansetron erhalten sollten, erhielten 4 mg Ondansetron während der letzten 20 min des Eingriffs [27].

Alle Patienten erhielten postoperativ Sauerstoff per Inhalation. Zur postoperativen Analgesie wurde bereits intraoperativ ein nichtsteroidales Antiphlogistikum verabreicht. Patienten, die intraoperativ Remifentanil erhalten hatten, bekamen am Ende des Eingriffs entweder Morphin 50 µg/kg KG oder die äquivalente Dosis eines anderen Opioids. Die postoperative Opioidgabe lag im Ermessen des verantwortlichen Anästhesisten. Patienten, die eine antiemetische Therapie benötigten, erhielten initial 4 mg Ondansetron. Bei fortbestehender oder erneuter Symptomatik wurden nachfolgend zunächst 4 mg Dexamethason und dann 1,25 mg Droperidol verabreicht.

Zielvariablen

Primäre Zielvariablen waren das Auftreten von Übelkeit, emetischen Episoden (Würgen oder Erbrechen) oder beidem (postoperative Übelkeit und Erbrechen) innerhalb der ersten 24 postoperativen Stunden. Nach 2 und nach 24 h postoperativ wurden die Zeitpunkte bisheriger emetischer Episoden von unabhängigen, bezüglich des intraoperativen Managements und der Randomisierungszuordnung geblindeten Untersuchern dokumentiert. Zusätzlich wurde die maximale Intensität der emetischen Episoden auf einer visuellen Analogskala (0–10 cm) erfasst; hierbei sollte „0“ kein und „10“ das schlimmste vorstellbare Ereignis bezeichnen.

Statistische Auswertung

Es wurden verschiedene Stichprobengrößenberechnungen durchgeführt. Dabei zeigte sich, dass für eine Interaktionsanalyse von 3 Faktoren eine Anzahl von ca. 5000 Patienten notwendig ist. Für Interaktionsanalysen von weniger Faktoren ist eine weitaus geringere Patientenzahl ausreichend [5]. Eine Interaktion lag per definitionem dann vor, wenn sich die Wirksamkeit der Kombination von 2 Faktoren signifikant von den miteinander multiplizierten Wirksamkeiten der Einzelfaktoren unterschied, ausgedrückt als Odds ratio.

Für alle 6 Interventionen wurden die Inzidenzen für PONV sowie die relativen PONV-Risikoreduktionen berechnet. Die Berechnung der Haupteffekte erfolgte mithilfe des ϰ2-Tests. Zur Quantifizierung der relativen Wirksamkeiten der 6 Interventionen (Odds ratios) und zum Ausschluss möglicher Interaktionen wurde eine logistische Regressionsanalyse durchgeführt. Gleiches erfolgte für die spezifischen Kovariaten (weibliches Geschlecht, Nichtraucherstatus, Alter des Patienten, PONV oder Reisekrankheit in der Anamnese, Einsatz von postoperativen Opioiden, Art des chirurgischen Eingriffs, Studienzentrum). Dabei wurde eine 2-seitige Irrtumswahrscheinlichkeit mit p<0,05 als statistisch signifikant angenommen.

Ergebnisse

Die Patientenrekrutierung erfolgte vom 02.02.2000 bis 30.07.2002 in 28 Zentren. In die Studie wurden 5199 Patienten aufgenommen. Bei 38 Patienten waren die Daten unvollständig; von 5161 Patienten konnten vollständige Datensätze ausgewertet werden. In einem Zentrum wurde für die Variablen Trägergasgemisch (n=424), Remifentanil vs. Fentanyl (n=191) oder beide Variablen (n=181) nicht randomisiert. In 3 Zentren wurden 280 Patienten für 80% Sauerstoff in Luft randomisiert (als dritte Alternative zu 30% Sauerstoff in Luft oder 30% Sauerstoff in Lachgas). Insgesamt standen Datensätze von 4086 vollständig randomisierten Patienten zur Verfügung (Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

Flussdiagramm des faktoriellen Studiendesigns. Gemäß dem faktoriellen Design erfolgte die Randomisierung simultan auf verschiedene Gruppen. Es wurden 5199 Patienten randomisiert auf 4 Gruppen zugeteilt; von 5161 Patienten lagen zu Studienabschluss auswertbare Daten vor. Jeweils ein Zentrum war nicht randomiert für den Behandlungsarm von Luft oder Lachgas (n=424), Remifentanil oder Fentanyl (n=191) bzw. beiden Faktoren (n=181). Schlussendlich wurden gemäß dem faktoriellen Design deshalb 4123 Patienten randomisiert allen 6 Interventionen zugeteilt. Auswertbare Ergebnisdaten lagen bei 4086 Patienten vor

Von den 5161 Patienten waren 81,5% Frauen, 81,2% waren Nichtraucher, 54,5% hatten PONV oder Reisekrankheit in der Anamnese, 78,1% hatten postoperativ Opioide erhalten. Bei 2,8% der Patienten wurde eine Herniotomie, bei 7,7% eine Cholezystektomie, bei 16,9% eine Hysterektomie, bei 5,9% ein Schilddrüseneingriff, bei 2,8% ein Mammaeingriff, bei 3,5% eine Hüftoperation, bei 2,2% eine Arthroskopie des Kniegelenks, bei 2,5% ein arm- oder handchirurgischer Eingriff, bei 9% ein kopf- oder halschirurgischer Eingriff (einschließlich Augeneingriffe), bei 28,2% ein gynäkologischer Eingriff (nicht Hysterektomie), bei 6,6% ein knochenchirurgischer Eingriff und bei 11,7% ein anderer chirurgischer Eingriff durchgeführt. Dabei waren die Charakteristika der den einzelnen Interventionen zugeordneten Patienten, wie z. B. biometrische Daten, Risikofaktoren für PONV, jeweils vergleichbar (Details s. Tabelle S1 unter http://www.ponv.org/documents/IMPACTTableS1).

Insgesamt litten 1731 von 5161 Patienten (34%) an postoperativer Übelkeit und Erbrechen. Die mit 59% höchste Inzidenz für PONV hatten Patienten, die ein volatiles Anästhetikum, Lachgas, Fentanyl und kein Antiemetikum erhalten hatten, die niedrigste Inzidenz von 17% zeigte sich bei den Patienten mit Propofol, Luft, Remifentanil, Ondansetron, Dexamethason und Droperidol. Es hatten 1617 Patienten (31%) Übelkeit, 734 Patienten (14%) waren von Erbrechen betroffen. Der Median (Mittelwert) für die maximale Intensität der Übelkeit lag bei den betroffenen Patienten bei 5 (5,7), der Median für die Anzahl emetischer Episoden war 1 (1,5). Die bivariate Regressionsanalyse zeigt, dass die Inzidenz von PONV durch jedes eingesetzte Antiemetikum um etwa 26% reduziert wurde. Die Kombination mehrerer Antiemetika reduzierte die PONV-Inzidenz von 52% (ohne Antiemetikaprophylaxe) auf 37%, 28% und 22%, wenn jeweils 1, 2 oder 3 Antiemetika eingesetzt worden waren (Abb. 2). Dies entspricht einer relativen Risikoreduktion für Übelkeit und Erbrechen von jeweils etwa 26% für jedes zusätzlich verabreichte Antiemetikum [95%-Konfidenzintervall (95%-CI): 23–30%]. Darüber hinaus gab es, einschließlich unerwünschter Ereignisse, keinen signifikanten Unterschied zwischen den einzelnen Antiemetika (ϰ2-Test=0,01; 2 df; p=1,00) sowie zwischen den möglichen Zweierkombinationen (ϰ2-Test=0,42; 2 df; p=0,81). Propofol reduzierte die Inzidenz von PONV um 19%; der Einsatz von Luft senkte die Inzidenz um etwa 12% (Tabelle 1). Dabei traten Hypotension, Gebrauch von intraoperativen Vasokonstriktoren und Muskelzittern bei jedem Antiemetikum etwa in gleicher Häufigkeit auf. Propofol war im Vergleich zu volatilen Anästhetika mit deutlich geringerem Einsatz von Vasokonstriktoren assoziiert (15% vs. 20%, p=0,001). Der Einsatz von Remifentanil konnte im Vergleich zu Fentanyl die Inzidenz von PONV nicht signifikant reduzieren. Jedoch kam es häufiger zum intraoperativen Einsatz von Vasokonstriktoren (21% vs. 13% mit Fentanyl; p<0,001) und zu Kältezittern (6,7% vs. 3,3% mit Fentanyl; p<0,001).

Abb. 2
figure 2

Häufigkeit von PONV nach antiemetischer Prophylaxe. Dargestellt ist die Inzidenz von postoperativer Übelkeit und/oder Erbrechen in Prozent (± 95%-CI) ohne antiemetische Prophylaxe, nach Gabe von entweder Ondansetron, Dexamethason oder Droperidol, ihren verschiedenen Zweifachkombinationen und ihrer Dreifachkombination. Ausgewertet wurden die Daten von 5161 Patienten. (♦) Mittelwerte aller Patienten mit 0, 1, 2 oder 3 Antiemetika, (#) Patienten mit Ondansetron, (§) Patienten mit Dexamethason, (*) Patienten mit Droperidol

Tabelle 1 Inzidenzen mit relativem Risiko für alle Patienten mit Übelkeit und/oder Erbrechen, die der entsprechenden Intervention randomisiert zugeteilt wurden

Die Wirksamkeit der anästhesiologischen Interventionen und ihrer Kombinationen wurde an den 4086 Patienten untersucht, die für alle 6 Interventionen randomisiert waren. Die durchschnittliche Inzidenz für PONV lag für Patienten, die ein volatiles Anästhetikum und Lachgas erhalten hatten bei 41%, für Patienten mit volatilem Anästhetikum und Luft bei 34%, für Patienten mit Propofol und Lachgas bei 32% und für Patienten, die Propofol und Luft erhalten hatten bei 29%. Abbildung 3 zeigt die jeweiligen Inzidenzen in Abhängigkeit von der Anzahl der eingesetzten Antiemetika. Es gab keine statistisch signifikante Interaktion zwischen Propofol und Luft (ϰ2-Test p=0,94, 2 df, nach Likelihood-Verhältnis-Test p=0,33). Die Art des volatilen Anästhetikums (Desfluran, Isofluran, Sevofluran) hatte im multivariaten Modell keinen signifikanten Einfluss auf das Auftreten von PONV (p=0,3). Ohne signifikanten Einfluss blieb auch die intraoperative Ventilation mit erhöhter Sauerstoffkonzentration. Von den Patienten, die 80% Sauerstoff in Luft erhalten hatten, litten 31% an PONV, während von den Patienten, die 30% Sauerstoff in Luft erhalten hatten, 24% betroffen waren (p=0,07).

Abb. 3
figure 3

Häufigkeit von PONV nach antiemetischen Interventionen. Dargestellt ist die Häufigkeit (± 95%-CI) in Prozent von postoperativer Übelkeit und/oder Erbrechen bei 4086 Patienten, die für alle Interventionen in Abhängigkeit vom verwendeten Anästhetikum (volatiles Anästhetikum bzw. Propofol) randomisiert wurden, unter Beatmung mit einem Lachgas-Sauerstoff- bzw. einem Luft-Sauerstoff-Gemisch und der Gabe von 0, 1, 2 oder 3 Antiemetika. Die Gabe von Remifentanil erwies sich ohne signifikanten Einfluss auf die Häufigkeit von PONV und ist daher in dieser Abb. nicht dargestellt. Alle Interventionen erwiesen sich in ihrem Einfluss auf die Häufigkeit von PONV als unabhängig voneinander

Die Ergebnisse der multivariaten logistischen Analyse aller 5161 Patientendatensätze und der Datensätzen der 4086 Patienten, die für alle 6 Interventionen randomisiert waren, sind in Tabelle 2 dargestellt. Es fanden sich keine Interaktionen zwischen den einzelnen Interventionen. Wurden potenzielle Einflussfaktoren (wie z. B. die Art des chirurgischen Eingriffs oder das Geschlecht) mit in die Analyse aufgenommen, zeigte sich eine Interaktion zwischen Droperidol und dem Geschlecht (p=0,003). Droperidol konnte die Inzidenz von PONV nur bei Frauen signifikant reduzieren. Bei Männern zeigte sich dagegen keine Wirksamkeit der Prophylaxe. Von 2106 Frauen, die kein Droperidol erhalten hatten, litten 910 an PONV (43%), verglichen mit 662 von 2101 Patientinnen mit PONV (32%, Odds-ratio 0,61; 95%-CI 0,53–0,69; p<0,001), die Droperidol erhalten hatten. Dieser Effekt war unabhängig vom Menstruationszyklus oder eingetretener Menopause. Im Gegensatz dazu kam es bei 79 von 482 Männern, die kein Droperidol erhalten hatten, zu PONV (16%) verglichen mit 80 von 472, die Droperidol erhalten hatten (17%, Odds-ratio 1,04; 95%-CI 0,74–1,46; p=0,82). Diese Ergebnisse blieben konstant, unabhängig davon, ob bei der Analyse 4086 Datensätze, alle 5161 Datensätze oder potenzielle Einflussfaktoren (Tabelle 2) mitausgewertet wurden. Von den untersuchten Operationen waren lediglich Hysterektomien und Cholezystektomien unabhängige Prädiktoren für PONV; auch diese hatten keinen Einfluss auf die Wirksamkeit der antiemetischen Strategien (s. Tabelle S2 unter http://www.ponv.org/documents/ImpactData4086in64groups.pdf). Unter der Voraussetzung, dass eine totale intravenöse Anästhesie (TIVA) oder der Einsatz eines Antiemetikums das PONV-Risiko um etwa 26% reduziert, wurden die PONV-Inzidenzen für 5 bestehende Basisrisiken (entsprechend dem Vorhandensein von keinem bis 4 Risikofaktoren) und dem jeweiligen Einsatz von 4 Interventionen berechnet (Tabelle 3).

Tabelle 2 Ergebnisse der multiplen logistischen Regressionsanalyse von 5161 (randomisiert für Ondansetron, Dexamethason, Droperidol, Propofol) und 4086 Patienten (randomisiert für alle 6 Interventionen)
Tabelle 3 Geschätzte Inzidenzen von PONV für die verschiedenen Basisrisiken, unter der Annahme, dass jede Intervention das relative Risiko um 26% reduziert

Diskussion

Der Einschluss einer großen Patientenzahl sowie das faktorielle Studiendesign erlaubten erstmalig die vergleichende Prüfung von 3 antiemetischen und 3 anästhesiologischen Interventionen sowie aller möglichen Kombinationen von 2 oder 3 Interventionen. Alle untersuchten Antiemetika zeigten sich ähnlich effektiv. Ondansetron und andere 5-Hydroxytryptamin-Rezeptor-Typ-3-Antagonisten gelten bezüglich ihrer Nebenwirkungen als sicher, sind jedoch um ein Mehrfaches teurer als Dexamethason oder Droperidol. Droperidol kann jedoch, auch in niedriger Dosierung, zu Dysphorie führen [18, 21]. Zwar ergänzte die amerikanische Arzneimittelbehörde (Food and Drug Administration, FDA) die Gebrauchsinformation des Medikamentes durch eine „Black-box-Warnung“—hier wird das Auftreten von schweren Rhythmusstörungen (z. B. Torsade-de-pointes-Tachykardie) als potenziell letale Nebenwirkung beschrieben—Es gibt jedoch keinen Hinweis, dass diese Ereignisse durch die sehr niedrige antiemetische Dosis getriggert werden könnten [10]. Bisher sind in keiner Studie Nebenwirkungen durch eine antiemetische Dosis von Dexamethason berichtet worden; möglicherweise verfügen sogar Metaanalysen nicht über eine hinreichend große Fallzahl, um etwaige Nebenwirkungen aufdecken zu können [13]. Die Kombination aus geringen Kosten und vermutlich geringen oder fehlenden Nebenwirkungen bei Einmalgabe machen Dexamethason zu einer Prophylaxe der ersten Wahl für PONV.

Die bivariate Analyse zeigte, dass die Substitution eines volatilen Anästhetikums durch Propofol das PONV-Risiko um etwa 19% reduzieren konnte; die Substitution von Lachgas durch Luft führte zu einer Reduktion um etwa 12%. Wurden beide anästhesiologischen Interventionen kombiniert (z. B. in Form einer TIVA), konnte das Risiko etwa so weit gesenkt werden wie durch den prophylaktischen Einsatz eines Antiemetikums. Im Gegensatz dazu ergab der Ersatz von Fentanyl durch Remifentanil keine signifikante Risikoreduktion für PONV.

Weil die mit der jeweiligen Intervention einhergehende relative Risikoreduktion unabhängig vom absoluten PONV-Risiko des Patienten war, werden Interventionen, die das relative Risiko in ähnlichem Ausmaß reduzieren, die stärkste absolute Risikoreduktion bei Hochrisikopatienten bewirken. Zum Beispiel reduziert eine prophylaktische antiemetische Intervention bei einem Hochrisikopatienten das absolute PONV-Risiko von 80% auf 59% (relative Risikoreduktion 26%, absolute Risikoreduktion 21%). Dies entspricht einer „number needed to treat“ (NNT) von etwa 5, d. h. 5 Patienten müssen prophylaktisch behandelt werden, um Übelkeit und Erbrechen bei einem Patienten verhindern zu können. Im Gegensatz beträgt die absolute Risikoreduktion bei einem Patienten mit niedrigem Ausgangsrisiko (z. B. 10%) nur etwa 2,6%. Dies entspricht einer NNT von 38, d. h. 38 Patienten müssten prophylaktisch behandelt werden, um Übelkeit und Erbrechen bei einem Patienten verhindern zu können. Somit erscheint eine antiemetische Prophylaxe bei niedrigem Ausgangsrisiko hinsichtlich Kosten und Risiken nicht gerechtfertigt. Die Effektivität einer Intervention muss daher kritisch in Abhängigkeit vom Ausgangsrisiko des Patienten betrachtet werden.

Interessanterweise konnten keine Interaktionen zwischen den antiemetischen Interventionen, den Anästhetika oder deren Kombinationen nachgewiesen werden. Das relative Risiko für die Kombination von 2 Interventionen kann also direkt aus dem Produkt der einzelnen relativen Risiken berechnet werden. Infolgedessen ist die absolute Risikoreduktion durch das Hinzufügen einer zweiten oder dritten Intervention geringer, als durch die initiale Intervention zu erreichen war (unabhängig davon, welche Kombination gewählt wurde). Eine 70%ige Reduktion des relativen Risikos ist somit das maximal Erreichbare, selbst durch die Kombination einer TIVA mit 3 Antiemetika. Die Kombination prophylaktischer Interventionen führt also zu einer deutlichen Erhöhung der Kosten und des Risikos für Nebenwirkungen, während der Gewinn an absoluter antiemetischer Wirkung zunehmend geringer wird. Die Kombination multipler Interventionen macht daher nur bei Patienten mit einem hohen oder sehr hohen PONV-Risiko oder bei solchen Patienten Sinn, für die PONV mit einem erhöhten Risiko an medizinischen Komplikationen verbunden ist. Weil durch den Einsatz jedes einzelnen Antiemetikums und durch eine TIVA das relative PONV-Risiko in ähnlicher Weise reduziert wurde, sollte—als logische Konsequenz—die sicherste und kostengünstigste Intervention zuerst eingesetzt werden.

In der Auswertung der gesamten Studienpopulation konnte gezeigt werden, dass Droperidol das PONV-Risiko bei Frauen in gleicher Weise reduzierte wie die anderen Antiemetika. Östrogene oder andere hormonelle Faktoren spielen in Bezug auf PONV keine Rolle, weil sich die Wirksamkeit von Droperidol unabhängig von Menstruationszyklus oder Menopause darstellte. (Daten hier nicht aufgeführt.) Möglicherweise ist Dopamin als Triggersubstanz für PONV nur bei Frauen von größerer Bedeutung, so dass hier eine Erklärung für die geschlechtsspezifische Wirkung von Droperidol liegen könnte.

Bekanntermaßen variiert die PONV-Inzidenz mit der Art des chirurgischen Eingriffs erheblich. Jedoch war mit Ausnahme der Hysterektomie und möglicherweise Cholezystektomie das relative Risiko für alle Eingriffe in etwa gleich, wenn die Hauptrisikofaktoren weibliches Geschlecht, Nichtraucherstatus, PONV oder Reisekrankheit in der Anamnese und postoperativer Einsatz von Opioiden einbezogen wurden. Das erklärt auch, warum Risikoabschätzungen, die die Art des chirurgischen Eingriffs miteinbeziehen [9, 25], keine größere Aussagekraft besitzen als vereinfachte Scores [2, 22]. Nachdem sich keine Interaktionen zwischen den Interventionen und der Art des chirurgischen Eingriffs errechnen ließen und somit die Art der Operation keinen Einfluss auf die Wirksamkeit einer TIVA oder von Antiemetika hatte, erscheint es nicht sinnvoll, Antiemetikastudien für diverse chirurgische Eingriffe separat durchzuführen oder gar zu wiederholen [4, 28].

Fazit für die Praxis

Techniken, wie z. B. eine TIVA, können nicht mehr angewandt werden, wenn PONV bereits begonnen hat. Ähnliches gilt für Dexamethason, das PONV — möglicherweise durch Reduktion einer chirurgisch induzierten Entzündungsreaktion — nur dann verhindert, wenn es am Beginn der Operation verabreicht wird [29]. Weiterhin sind „Rescue-Medikamente“ nicht effektiv, wenn sie bereits als prophylaktische Substanz gegeben wurden [17]. Postoperative Behandlungsoptionen sind also im Vergleich zu prophylaktischen Maßnahmen nur begrenzt vorhanden. Daher sollte bei Risikopatienten der Prophylaxe der Vorzug vor einer Therapie gegeben werden. Eine vernünftige Strategie zur Vermeidung von PONV bei erhöhtem Risiko wäre die Gabe von Dexamethason als Prophylaxe erster Wahl. Alternativ, oder bei hohem Risiko auch zusätzlich, kann eine TIVA empfohlen werden. Serotoninantagonisten und Droperidol könnten dann bei Versagen der Prophylaxe für die Behandlung von PONV vorgehalten werden.