Lernziel: Nach chirurgisch oder traumatisch bedingten Blutverlusten ist der Anästhesist nach Korrektur der Hypovolämie oft mit einer normovolämischen Anämie konfrontiert. Die Frage, ob eine Bluttransfusion indiziert ist, kann nur nach sorgfältigem Abwägen der Nutzen und Risiken einer Bluttransfusion in der gegebenen Situation beantwortet werden. Hierbei ist die Kenntnis der physiologischen Grundlagen von entscheidender Bedeutung, welche es ermöglicht, physiologische Transfusionstrigger zuverlässig zu bestimmen und so der individuellen Situation eines einzelnen Patienten gerecht zu werden.

Nach Lektüre dieses Beitrags wird der Leser die physiologischen und nummerischen Transfusionskriterien verschiedener Patientengruppen und die Risiken von Bluttransfusionen kennen und somit in der Lage sein, Transfusionsentscheide zu fällen, welche das geringste Risiko für den Patienten in sich bergen.

Risiken

Die Risiken von Bluttransfusionen können in infektiöse und immunologische Risiken unterteilt werden (Tabelle 1).

Tabelle 1 Risiken der allogenen Bluttransfusion. (Mod. nach [37])

Infektiöse Risiken

Das Risiko einer mittels Bluttransfusion übertragenen viralen Infektion mit HIV, HBC oder HCV hat in den vergangenen Jahren durch verfeinerte Testmethoden und die daraus resultierende Verminderung des diagnostischen Fensters stark abgenommen [1].

Im Gegensatz dazu sind bakterielle Infektionen und Sepsis nach Bluttransfusionen häufiger und stellen in westlichen Industrieländern ein größeres Problem dar [2]. Hier ist jedoch die Kontamination von Thrombozytenkonzentraten häufiger als die Transfusion von bakteriell kontaminierten Erythrozytenkonzentraten. Der Grund dafür liegt bei der Lagerungstemperatur der Konzentrate: während Erythrozytenkonzentrate bei 4°C gelagert werden, werden Thrombozytenkonzentrate bei 20–24°C aufbewahrt, was das Wachstum von Bakterien begünstigt. Bei Angaben zur Häufigkeit von durch Bluttransfusion übertragenen bakteriellen Infektionen (Tabelle 1) muss beachtet werden, dass die Diagnosekriterien einer solchen Infektion variieren können [3].

Ein aktuell vielbeachtetes Thema im Zusammenhang mit durch Bluttransfusionen übertragenen Infektionen ist die neue Variante der Creutzfeld-Jakob-Krankheit (vCJD). Kürzlich wurden die ersten zwei möglichen Fälle einer vCJD-Infektion durch Bluttransfusion beschrieben [4, 5], was Großbritannien nun veranlasste, erweiterte Ausschlusskriterien für potenzielle Blutspender ab April 2005 zu beschließen [6]. Seit April 2004 gilt dort die Bestimmung, dass Personen, welche seit dem 1. Januar 1980 eine Bluttransfusion erhalten hatten, nicht mehr als Blutspender zugelassen sind. Ab Oktober 2004 tritt diese Regelung auch in der Schweiz in Kraft. In anderen europäischen Ländern gilt diese Regelung bereits (Großbritannien, Frankreich, Irland) oder ist vorgesehen.

Beide Fälle hatten gemeinsam, dass nichtleukozytendepletiertes Blut transfundiert wurde und dass die Blutspender nach der Spende Symptome von vCJD entwickelten. Die vom ersten Fall abgeleitete Wahrscheinlichkeit, dass die vCJD-Infektion nicht durch diese Bluttransfusion übertragen wurde, lag bei 1:15.000 bis 1:30.000. Zudem wurde eine theoretische Inkubationszeit von ca. 6,5 Jahren nach Erhalt der Bluttransfusion errechnet.

Der zweite Fall war insofern bemerkenswert, als dass beim Empfänger der Bluttransfusion die vCJD-Infektion bis zum Tod asymptomatisch war und die Krankheit erst bei der Autopsie festgestellt wurde. Diese relativ lange hypothetische Inkubationszeit, zusammen mit der Möglichkeit von aymptomatischen vCJD-Infektionen, birgt nicht nur die Gefahr der iatrogenen vCJD-Übertragung durch Bluttransfusionen, sondern auch durch kontaminierte chirurgische Instrumente [5].

Immunologische Risiken

Bluttransfusionen haben einen immunmodulierenden Effekt. Obwohl einige Studien diesen Effekt den Leukozyten zugeschrieben haben, konnte bisher keine Arbeit die verantwortlichen Blutkomponenten definieren. Die geschätzten Häufigkeiten von immunologischen Komplikationen nach Bluttransfusion sind in Tabelle 1 wiedergegeben.

Die Autoren möchten den Leser hierbei insbesondere auf eine Komplikation aufmerksam machen, den transfusionsassoziierten akuten Lungenschaden (TRALI,„transfusion-related acute lung injury“). TRALI ist zeitlich assoziiert mit der Verabreichung einer Bluttransfusion, wobei die meisten Fälle innerhalb der ersten 6 h nach Transfusion auftreten (Tabelle 2).

Tabelle 2 Klinische Präsentation des transfusionassoziierten akuten Lungenschadens (TRALI, „transfusion-related acute lung injury“)

Es gibt jedoch keine standardisierte Definition dieser Komplikation, weshalb die stark unterschiedlichen Häufigkeitsangaben von 1:5000 [7] bis zu ca. 1:500.000 [8] nicht erstaunlich sind. Experten sind sich jedoch einig, dass die tatsächliche Häufigkeit von TRALI unterschätzt wird [3, 9], da dieser Komplikation einerseits nicht genügend Aufmerksamkeit geschenkt wird, andererseits, da die Diagnose von TRALI aufgrund der Symptome und Zeichen mit anderen Krankheitsbildern wie ARDS, Volumenüberladung oder Herzinsuffizienz verwechselt werden kann.

Grundprinzipien der perioperativen Volumensubstitution

Blutverluste in der perioperativen Phase resultieren in zwei für den Anästhesisten relevanten Problemen: der Hypovolämie und dem Abfall der Hämoglobinkonzentration. Es ist wichtig, diese Aspekte bei der Entscheidung zu einer Bluttransfusion getrennt zu betrachten.

Die Behandlung der Hypovolämie hat erste Priorität beim Management von Blutverlusten in der perioperativen Phase. Eine optimale Füllung des Herzens mit Kristalloiden und Kolloiden ist hierbei notwendig zur Aufrechterhaltung einer adäquaten Organperfusion und führt zu einer Verminderung der postoperativen Morbidität.

Die Transfusion von Blut hingegen darf einzig die Erhöhung des Hämoglobinwertes zum Ziel haben und sollte nur nach Sicherstellung einer optimalen Volämie erfolgen. Aus diesem Grunde wird im Folgenden nur auf die Situation der normovolämischen Anämie eingegangen.

Physiologische und nummerische Transfusionstrigger

Die systemische Sauerstoff- (O2-)Transportkapazität (DO2) wird aus dem Produkt des Herzzeitvolumens (CO) und dem Sauerstoffgehalt des arteriellen Blutes (CaO2) berechnet (Abb. 1). Theoretisch führt demnach eine Bluttransfusion über eine Erhöhung der Hämoglobinkonzentration zu einem erhöhten CaO2 und—bei konstantem CO—zu einer erhöhten DO2.

Abb. 1
figure 1

O2-Transport. DO2Sauerstoff- (O2-)Transportkapazität in ml/min, CO Herzzeitvolumen in l/min, CaO2Sauerstoffgehalt des arteriellen Blutes in ml/l, SaO2arterielle O2-Sättigung in % (bei 99% Sättigung ist 0,99 in die Formel einzusetzen), 1,34 O2-Transportkapazität von Hämoglobin in ml O2/g Hämoglobin (theoretisch 1,39 ml O2/g Hämoglobin, praktisch wird die Transportkapazität jedoch durch die Anwesenheit von anomalen Hämoglobinformen wie Methämoglobin und Carboxyhämoglobin bis auf 1,31 ml O2/g Hämoglobin reduziert), [Hb] Hämoglobinkonzentration in g/l, 0,03 Plasmalöslichkeitskoeffizient (Bunsen-Löslichkeitskoeffizient) von O2 in ml O2/[l × mmHg] (falls PaO2 in kPa angegeben wird, ist 0,23 (ml O2/[l × kPa]) in die Formel einzusetzen), PaO2 O2-Partialdruck von arteriellem Blut in mmHg

Wichtig zur Beurteilung der Notwendigkeit einer Bluttransfusion ist hierbei die Beziehung von DO2 zum systemischen O2-Verbrauch (VO2) (Abb. 2). VO2—und nicht DO2—dient zur direkten Beurteilung der O2-Versorgung des Organismus, der Abfall von VO2 kommt durch eine Minderversorgung mit O2 unter eine kritische Schwelle zustande. Bei Verminderung von DO2 (durch Abfall der Hämoglobinkonzentration) bleibt VO2 über einen weiten Bereich konstant.

Abb. 2
figure 2

VO2-DO2-Diagramm. VO2-DO2-Beziehung: Zwei beispielhafte Patienten mit unterschiedlichem Grundumsatz (und somit unterschiedlichem VO2-Niveau unter Normalbedingungen) sind dargestellt. Der kritische DO2-Wert ist individuell verschieden und abhängig vom Grundumsatz und der individuellen Kompensationsfähigkeit

Hierbei spielen diverse Kompensationsmechanismen eine entscheidende Rolle: das Herzzeitvolumen wird durch Anstieg des Schlagvolumens erhöht, durch regionale Umverteilung der Blutversorgung werden die vitalen Organe (Herz, Hirn) vor einer Minderversorgung mit O2 geschützt und durch mikrozirkulatorische Veränderungen wird die O2-Extraktion gesteigert [10].

Bei einem weiteren Abfall von DO2 unter einen kritischen Schwellenwert, DO2 CRIT, sind die Kompensationsmechanismen jedoch ausgeschöpft und es kommt zu einem Abfall von VO2, was das Auftreten einer Gewebshypoxie mit Laktazidose bedeutet.

Analog zu DO2 CRIT können nun an dieser Schwelle andere Parameter bestimmt werden wie die kritische O2-Extraktion (O2-Ex) oder der kritische gemischt-venöse O2-Partialdruck (PvO2). Solche Parameter, welche die Dringlichkeit einer Bluttransfusion—basierend auf der mangelhaften O2-Versorgung des individuellen Patienten—aufzeigen, werden physiologische Transfusionstrigger genannt.

Im Gegensatz dazu steht die Hämoglobinkonzentration als nummerischer Transfusionstrigger. Auch wenn die kritische Hämoglobinkonzentration, d. h. die Hämoglobinkonzentration, bei welcher der VO2 absinkt, beim jungen gesunden Patienten nicht genau definiert ist, so deuten verschiedene klinische Studien darauf hin, dass ein Abfall der Hämoglobinkonzentration auf 5 g/dl ohne Beeinträchtigung der O2-Versorgung bleibt [11, 12].

Im Bezug auf die klinische Anwendbarkeit scheinen die Richtlinien der American Society of Anesthesiologists und des College of American Pathologists zur Hämoglobinkonzentration deshalb sinnvoll: unter 6 g/dl ist eine Bluttransfusion meistens indiziert, aber nicht in jedem Fall zwingend; zwischen 6 und 10 g/dl sollen Faktoren zur Entscheidungsfindung herangezogen werden, die das Risiko des einzelnen Patienten, Komplikationen aufgrund einer inadäquaten O2-Versorgung zu erleiden, miteinbeziehen; über 10 g/dl ist eine Bluttransfusion kaum je indiziert [13, 14].

Nach den oben genannten physiologischen Überlegungen muss nun also zur Beurteilung der Effizienz einer Bluttransfusion nicht nur eine Erhöhung von CaO2 und DO2, sondern—als entscheidender Parameter—eine Erhöhung von VO2 herangezogen werden. Aus physiologischer Sicht ist also jede Bluttransfusion, welche nicht auch eine Erhöhung von VO2 zur Folge hat, von fraglichem Wert [15].

In einer kürzlich publizierten Übersichtsarbeit untersuchten Hébert et al. den Effekt von Bluttransfusionen auf die O2-Versorgung [16]. Es wurden 18 publizierte Studien identifiziert, welche den Effekt von Bluttransfusion auf DO2 und VO2 untersuchten. Alle Studien konnten eine signifikante Erhöhung des Hämoglobinwertes nach Verabreichung der Bluttransfusion zeigen, bei 4 Studien war DO2 nach der Bluttransfusion jedoch nicht erhöht. Außerordentlich war jedoch, dass in nur 5 der 14 Studien mit einer Erhöhung des DO2 auch VO2 erhöht war. Möglicherweise war diese fehlende Effizienz der Bluttransfusionen durch eine fehlende O2-Schuld vor der Transfusion bedingt.

Experimentelle Studien konnten den Zusammenhang zwischen einer VO2/DO2-Abhängigkeit (Abb. 2) vor und dem Anstieg des VO2 nach Bluttransfusion zeigen [17, 18]. Casutt et al. konnten in einer klinischen Studie mit herzchirurgisch behandelten Patienten zeigen, dass ein tiefer VO2 vor einer Bluttransfusion sehr gut mit einem Anstieg des VO2 nach Bluttransfusion korrelierte [19]. In einer retrospektiven klinischen Studie wurde gezeigt, dass eine Erhöhung der O2-Ex auf 45%—d. h. eine weitgehende Ausschöpfung dieses Kompensationsmechanismus mit drohender Hypoxie—als wichtige Entscheidungshilfe für eine Bluttransfusion gedient hätte [20].

Eine weitere mögliche Erklärung für die fehlende Effizienz von Bluttransfusionen (d. h. fehlender VO2-Anstieg) in den meisten Studien stellen auch die Veränderungen dar, welche die Erythrozyten während der Lagerung erfahren. So führen eine Verminderung des Adenosintriphosphat- (ATP-) und 2,3-Diphosphoglycerol- (DPG-)Gehalts während der Lagerung zu einer Linksverschiebung der O2-Dissoziationskurve und somit verschlechterter O2-Abgabe im Gewebe [21]. Zusätzlich nimmt die Verformbarkeit der Erythrozyten ab, was die Mikrozirkulation beeinträchtigen könnte.

Eine inadäquate O2-Versorgung kann gobal den Gesamtorganismus betreffen oder nur für einzelne Organe vorliegen. Parameter zur Beurteilung der globalen O2-Minderversorgung sind die Stabilität der Hämodynamik und die bereits erwähnten physiologischen Transfusionstrigger wie O2-Ex, PvO2 und VO2.

Eine anämiebedingte hämodynamische Instabilität kann—nach Ausschluss einer Hypovolämie und nach Optimierung der Anästhesie—beim Vorliegen einer relativen Tachykardie und/oder einer relativen Hypotension angenommen werden. In diesem Zusammenhang definieren wir eine relative Tachykardie als Herzfrequenz >120–130% des Ausgangswertes oder >110–130/min und eine relative Hypotension als arteriellen Mitteldruck <70–80% des Ausgangswertes oder <60 mmHg (<55 mmHg bei jungen, gesunden Patienten, <70–80 mmHg bei Patienten mit KHK, CVE und Hypertonie, bei schwerer Hypertonie sogar noch höher).

Erschwerend kommt hierbei dazu, dass beim anästhesierten anämischen Patienten die kompensatorische Erhöhung des Herzzeitvolumens hauptsächlich durch das erhöhte Schlagvolumen erfolgt, ein wesentlicher Anstieg der Herzfrequenz jedoch ausbleibt. Bei Fehlen eines invasiven Monitorings (Pulmonaliskatheter) hat der Anästhesist also hauptsächlich diese weniger informativen physiologischen Parameter (Frequenz, Blutdruck) zur Verfügung, sodass er sich zusätzlich auf die Hämoglobinkonzentration als nummerischen Transfusionstrigger und Angaben über den Blutverlust (aktiv, kontrolliert) stützen muss.

Bei Patienten mit Pulmonaliskatheter hingegen können die nummerischen Transfusionstrigger durchaus unterschritten werden, wenn einfacher zu interpretierende physiologischen Transfusionstrigger wie O2-Ex, PvO2 und VO2 nicht erreicht werden. Hierbei sind, basierend auf den Resultaten verschiedener Arbeiten, eine O2-Ex >50%, ein PvO2 <4,3 kPa (32 mmHg) oder ein Abfall des VO2 >10% sichere Transfusionskriterien.

Beim VO2 als Transfusionskriterium ist zu beachten, dass er beim anästhesierten Patienten durch eine Reihe von Faktoren wie Anästhesietiefe, Grad der Muskelrelaxation und Körpertemperatur beeinflusst wird. Deshalb müssen diese Faktoren bei der Verwendung des VO2 als Transfusionstrigger ausgeschlossen werden. Die physiologischen und nummerischen Transfusionstrigger für verschiedene Patientenkategorien sind in Tabelle 3 zusammengefasst.

Tabelle 3 Hämoglobinbasierte und physiologische Transfusionstrigger in Funktion patientenbezogener und logistischer Faktoren. (Mod. nach [37])

Spezialsituationen

Patienten mit kardialen Vorerkrankungen

Patienten mit kardialen Vorerkrankungen stellen eine Risikogruppe dar, welche eine verminderte Toleranz gegenüber einem isolierten Abfall der Hämoglobinkonzentration hat. Dies beruht auf zweierlei Tatsachen: einerseits weil das Myokard eine bereits unter Ruhebedingungen hohe O2-Ex aufweist, welche nur noch gering zu steigern ist, sodass ein erhöhtes O2-Angebot hauptsächlich über eine gesteigerte Koronarperfusion erfolgen muss. Andererseits ist die linksventrikuläre Myokardperfusion im Wesentlichen auf die Diastole begrenzt, sodass bei einer (relativen) Tachykardie die Perfusion und damit die myokardiale O2-Versorgung vermindert ist.

Koronare Herzkrankheit

Bei Patienten mit koronarer Herzkrankheit (KHK) besteht aus oben genannten Gründen bei einem zu starken Abfall der Hämoglobinkonzentration die Gefahr der Myokardischämie. Interessanterweise zeigen Patienten mit KHK trotzdem eine beträchtliche Toleranz gegenüber einer moderaten Hämodilution mit Hämoglobinkonzentrationen um 10 g/dl [22, 23, 24].

Diese Hämodilutionstoleranz wird ermöglicht durch eine Erhöhung des poststenotischen Blutflusses. Zudem bleibt unter Einfluss der Anästhesie ein Anstieg der Herzfrequenz und damit eine Verkürzung der Diastole aus, was sich günstig auf die Koronarperfusion auswirkt. Weiterhin wird unter Einfluss der Allgemeinanästhesie, der neuromuskulären Blockade und der mechanischen Beatmung der systemische O2-Verbrauch reduziert, was sich zusätzlich positiv auf die Toleranz gegenüber akuter normovolämischer Anämie auswirkt.

Für den einzelnen Patienten mit KHK ist es nun jedoch—wie auch beim Patienten ohne KHK—wenig hilfreich, einen fixen nummerischen Transfusionstrigger anzuwenden, da die Anämietoleranz des Myokards vom Grad der Koronarstenose und von der Anzahl der betroffenen Koronargefäße abhängt. Deshalb sollten hier—wie auch auf Ebene des Gesamtorgansimus—die Zeichen einer ungenügenden O2-Versorgung die Entscheidung zur Transfusion leiten.

Die myokardiale Ischämie kann im 5-Ableitungs-EKG in den Ableitungen II und V5 oder mittels transösophagealer Echokardiographie (TEE) gezeigt werden. Neu aufgetretene ST-Streckensenkungen >0,1 mV oder neue ST-Streckenhebungen >0,2 mV während mindestens 1 min weisen auf eine Ischämie hin. Entscheidend bei der Berücksichtigung dieser physiologischer Transfusionskriterien ist die Reversibilität der Myokardischämie und der damit verbundenen Zeichen.

So konnte sowohl experimentell als auch klinisch gezeigt werden, dass im Rahmen einer akutenisovolämischen Hämodilution aufgetretene ST-Streckenveränderungen und regionale Motilitätsstörungen reversibel waren. Dies konnte durch Senkung der Herzfrequenz erreicht werden und durch Anheben der Hämoglobinkonzentration um ca. 2 g/dl. Die einzige prospektive randomisierte Studie zeigte in einer Analyse der Mortalität und Morbidität dieser Untergruppe von Patienten keinen negativen Einfluss einer restriktiven Transfusionsstrategie mit einer Hämoglobinkonzentration von 7 g/dl als Transfusionstrigger [25].

Patienten mit KHK benötigen deshalb im Vergleich zu Patienten ohne KHK keine grundsätzlich verschiedenen Transfusionsrichtlinien. Aufgrund der verminderten Toleranz gegenüber einer akuten Verminderung des Hämoglobinwertes ist es jedoch ratsam, bei diesen Patienten die Transfusionsschwelle etwas höher anzusetzen. Ein Transfusionstrigger von 8 g/dl bei Vorliegen einer schweren KHK scheint angemessen ([26]; Tabelle 3).

Dieser Richtwert ist gerechtfertigt, wurde doch in einer kürzlich veröffentlichten Studie gezeigt, dass Patienten mit akutem Koronarsyndrom und einem Hämatokritwert im Bereich von 20–25% (bzw. Hämoglobinkonzentration von ca. 7–8 g/dl) nach Erhalt einer Bluttransfusion keine unterschiedliche 30-Tage-Mortalität gegenüber Patienten ohne Bluttransfusion aufwiesen [27]. Interessanterweise führten in dieser Studie Bluttransfusionen bei denjenigen Patienten mit akutem Koronarsyndrom, welche Hämatokritwerte von 30% und mehr (bzw. Hämoglobinkonzentration von 10 g/dl und mehr) hatten, zu einer deutlich erhöhten 30-Tage-Mortalität.

In einer anderen Studie wurde gezeigt, dass Patienten mit schwerer KHK unter Therapie mit β-Blockern eine gute Toleranz gegenüber einer akuten normovolämischen Hämodilution mit einem Hämoglobinwert von 8,6 g/dl zeigten [28]. Bei personell oder logistisch bedingtem vermindertem Überwachungsgrad (Fachwissen des medizinischen Personals, Abteilung) sollte der nummerische Transfusionstrigger etwas höher gelegt werden, mit einem Hämoglobinwert von z. B. 9 g/dl.

Herzklappenvitien

Die gute Toleranz einer Hämodilution auf 10 g/dl bei Patienten mit Mitralinsuffizienz wurde in einer Studie gezeigt [29]. Der kompensatorische Anstieg des Herzzeitvolumens und der O2-Ex resultierten dabei in einem unveränderten VO2. Es existieren zurzeit keine ausreichenden Daten, welche die Aufstellung sicherer Transfusionsrichtlinien für weitere Valvulopathien erlauben würden. Aufgrund pathophysiologischer Überlegungen ist anzunehmen, dass Patienten mit valvulärer Aorten- oder Pulmonalisstenose eine verminderte Anämietoleranz aufweisen. Es ist davon auszugehen, dass hier der kompensatorische Anstieg des Schlagvolumens durch die valvuläre Stenose behindert wird, weshalb bei diesen Patienten eine liberalere Transfusionsstrategie angewandt werden sollte.

Herzinsuffizienz

Bei Patienten mit eingeschränkter linksventrikulärer Ejektionsfraktion besteht grundsätzlich die Gefahr eines fehlenden oder inadäquaten kompensatorischen Anstiegs des Herzzeitvolumens im Falle einer akuten normovolämischen Anämie. Im Rahmen einer isovolämischen Hämodilution auf einen Hämoglobinwert von 10 g/dl zeigte sich jedoch der kompensatorische Anstieg des Herzzeitvolumens unabhängig von der präoperativen linksventrikulären Ejektionsfraktion, welche sich über einen weiten Bereich erstreckte (26–83%) [22]. In einer weiteren Studie hatte die präoperative Ejektionsfraktion (Bereich: 25–87%) keinen Einfluss auf das Herzzeitvolumen des individuellen Patienten nach Erhöhung des Hämoglobinwertes von 8,1 (±0,1) auf 9,0 (±0,1) g/dl durch eine Bluttransfusion [19].

Ein wesentlicher limitierender Faktor bei diesen beiden Studien war jedoch, dass nur eine geringe Anzahl Patienten eine Ejektionsfraktion <40% hatten, sodass diese Resultate wohl kaum ohne weiteres auf Patienten mit stark eingeschränkter linksventrikulärer Funktion zu übertragen sind. Deshalb sollten diese Patienten bei höheren Hämoglobinwerten transfundiert werden.

Zerebrovaskuläre Erkrankungen

Die akute isovolämische Hämodilution bis zu einem Hämoglobinwert von 7 g/dl wurde von gesunden jungen Probanden ohne Beeinträchtigung der kognitiven Funktion toleriert [30]. Unter einer Hämoglobinkonzentration von 6 g/dl stellte sich jedoch eine verlängerte Reaktionszeit ein, unter 5 g/dl traten Gedächtnisveränderungen auf. Wichtig bei dieser Studie war die vollständige Reversibilität der kognitiven Störungen nach Anheben der Hämoglobinkonzentration auf 7 g/dl durch Erythrozytentransfusion [30].

Die zerebrale O2-Versorgung ist im Falle einer normovolämischen Anämie über einen weiten Hämoglobinbereich konstant. Hierbei ist die Kapazität zur Erhöhung des zerebralen Blutflusses und zur Steigerung der O2-Ex von entscheidender Bedeutung. Zusätzlich hat die Hämodilution eine verminderte Blutviskosität zur Folge, was den Blutfluss im Bereich von Gefäßstenosen verbessert. In zahlreichen klinischen und experimentellen Studien wurde deshalb die Hämodilution als Therapie für den zerebrovaskulären Insult untersucht, ohne jedoch einen vorteilhaften Effekt nachweisen zu können.

Theoretisch stellt das Vorliegen einer zerebrovaskulären Erkrankung per se keine Indikation für eine—im Vergleich zum gesunden Patienten—wesentlich höhere Transfusionsschwelle dar. Aufgrund der eingeschränkten klinischen Anwendbarkeit von Messtechniken zur Überwachung der O2-Versorgung des Hirns empfiehlt sich jedoch, bei Patienten mit zerebrovaskulärer Erkrankung die Transfusionsschwelle leicht höher anzusetzen (Tabelle 3).

Alter

Patienten in fortgeschrittenem Alter (>65 Jahre) ohne kardiale Vorerkrankung vermögen einen Hämoglobinabfall von 11,6 (±0,4) auf 8,8 (±0,3) g/dl im Rahmen einer Hämodilution durch Anstieg des CO und der O2-Ex voll zu kompensieren [31]. Die individuelle Antwort auf eine Bluttransfusion, gemessen an der Veränderung des Herzindexes und der Oxygenationsparameter DO2 und VO2, ist unbeeinflusst vom Alter [19].

Fortgeschrittenes Alter per se ist deshalb kein Grund, die Transfusionsschwelle höher als bei jungen Patienten anzusetzen. Aufgrund der geringen Anzahl von Patienten mit über 80 Jahren in diesen Studien und der deshalb nur begrenzten Anwendbarkeit dieser Resultate auf diese Patientengruppe, sollten bei Patienten mit über 80 Jahren weniger restriktive Transfusionstrigger angewendet werden (Tabelle 3).

Postoperative Phase

In der postoperativen Phase gelten theoretisch dieselben Transfusionsrichtlinien wie in der intraoperativen Periode. Praktisch jedoch ist die Hämodynamik oft weniger gut kontrolliert, was die Gefahr von Episoden mit Tachykardie und/oder Hypotension mit sich bringt. Tachykardieepisoden können insbesondere bei Vorliegen von tiefen Hämoglobinwerten ST-Streckensenkungen hervorrufen. Es wurde gezeigt, dass die Kontrolle der postoperativen Herzfrequenz das Auftreten von ST-Streckensenkungen verhindert [32]. Die Kontrolle der Herzfrequenz ist deshalb entscheidend bei Patienten mit niedrigen Hämoglobinwerten und KHK.

Zusätzlich ist die postoperative Oxygenierung im Vergleich zur intraoperativen Oxygenierung mit einer hohen inspiratorischen O2-Fraktion weniger gut gewährleistet. Oft ist auch der O2-Verbrauch postoperativ gesteigert, z. B. bei Kältezittern („shivering“) oder Schmerzen.

Eine weitere Besonderheit der postoperativen Phase besteht darin, dass der Überwachungsgrad je nach logistischer und personeller Situation unterschiedlich hoch ist. So ist es z. B. auf einer Normalstation nicht möglich, die Vitalparameter und damit die Parameter zur Bestimmung der physiologischen Transfusionstrigger konstant zu überwachen. Außerdem ist das Fachwissen des medizinischen Personals auf einer Normalabteilung weniger geeignet, das Erreichen der Transfusionskriterien zuverlässig bestimmen zu können. Aus diesem Grunde wird empfohlen, auf einer Normalstation den numerischen Transfusionstrigger bei Risikopatienten um ca. 1 g/dl anzuheben (Tabelle 3).

Schwangere

In der Schwangerschaft erhöht sich das Plasmavolumen um 45%, während sich das Gesamtvolumen der Erythrozyten nur um 20% erhöht. Daraus resultiert die physiologische Schwangerschaftsanämie, mit einem Minimum um die 25.–26. Gestationswoche. Eine Anämie während der Schwangerschaft liegt deshalb erst unter einem Hämoglobinwert von 10 g/dl vor. Die Anämietoleranz von Schwangeren ist gut, weshalb sich die Transfusionstrigger für schwangere und nichtschwangere Patientinnen nicht unterscheiden.

Bei Schwangeren sind Zytomegalievirus- (CMV-)seronegative Erythrozytenkonzentrate indiziert, insbesondere wenn deren CMV-Serostatus negativ oder unbekannt ist. In einigen Zentren wird es jedoch als genügend sicher angesehen, Schwangeren leukozytendepletiertes Blut zu verabreichen, ohne vorher dessen CMV-Serostatus zu testen.

Transfusion in der Pädiatrie

Die klinische Evidenz von Transfusionstriggern bei pädiatrischen Patienten ist sehr gering und nicht ausreichend, um klare Transfusionsrichtlinien aufzustellen. So ist es nicht überraschend, dass in der pädiatrischen Literatur Hämoglobinkonzentrationen, die als nummerische Transfusionstrigger empfohlen werden, weit auseinandergehen — mit Werten von 4,0 bis 16,0 g/dl [33]. Diese Empfehlungen stützen sich weitgehend auf Expertenmeinungen, geläufige Praktiken und übertragene Kenntnisse, welche aus klinischen Studien mit Erwachsenen gewonnen wurden.

Kinder ohne schwere Begleiterkrankungen können—bei Normovolämie—auch noch sehr niedrige Hämoglobinwerte tolerieren. Deshalb scheinen den Autoren die Schlussfolgerungen einer kürzlich publizierten Übersichtsarbeit sinnvoll [34]: in den meisten Fällen ist bei Hämoglobinwerten <5,0 g/dl eine Transfusion indiziert, bei Hämoglobinwerten zwischen 5,0 und 7,0 g/dl bringt ein Transfusion wahrscheinlich einen Nutzen mit sich und ab 7,0 g/dl ist der Nutzen einer Transfusion zweifelhaft. Diese Transfusionsrichtlinien sollten jedoch erst ab einem Alter von 3–4 Monaten in Betracht gezogen werden, da es bei Kindern mit besonders niedrigem Alter einige physiologische Besonderheiten [33] zu beachten gilt.

So ist die myokardiale Compliance bei Neugeborenen eingeschränkt, was, zusammen mit der relativ hohen Herzfrequenz in Ruhe, die Fähigkeit, das Herzminutenvolumen zu steigern, vermindert. Zusätzlich verursacht das fetale Hämoglobin eine Linksverschiebung der O2-Dissoziationskurve und hat—aufgrund der schlechteren Verformbarkeit der Erythrozyten—eine erhöhte Blutviskosität zur Folge.

Im Weiteren entwickelt sich in den ersten Lebenswochen eine physiologische Anämie mit einem Absinken der mittleren Hämoglobinwerte. So ist der Hämoglobinwert bei Neugeborenen mit 18–20 g/dl relativ hoch, sinkt aber im Rahmen der Trimenonanämie bis zum 3. Monat auf ein Minimum ab, mit Werten um 10 g/dl. Es scheint deshalb sinnvoll, für pädiatrische Patienten mit besonders niedrigem Alter (<3–4 Monate) höhere Transfusionstrigger anzuwenden [35].

Art und Verwendung von Erythrozytenkonzentraten

Leukozytendepletiertes Erythrozytenkonzentrat in Additivlösung

Leukozytendepletierte Erythrozytenkonzentrate enthalten weniger als 1×106 Leukozyten. Die routinemäßige Leukozytendepletion ist heute in weiten Teilen Europas Standard und hat somit das buffy-coat-freie Erythrozytenkonzentrat (<1×109 Leukozyten) weitgehend ersetzt.

Es können prinzipiell zwei verschiedene Filtrationsmethoden zur Herstellung von leukozytendepletierten Erythrozytenkonzentraten unterschieden werden: Filtration vor oder Filtration nach Zentrifugation des Blutes. Bei ersterer wird das Vollblut einer Blutspende vor der Zentrifugation filtriert, anschließend werden die Erythrozyten durch Zentrifugation vom Plasma getrennt und schlussendlich in Additivlösung suspendiert. Bei der zweiten Methode wird das Vollblut einer Blutspende zentrifugiert, die Erythrozyten werden anschließend von Plasma und „buffy coat“ getrennt, filtriert und in Additivlösung suspendiert.

Während in Europa die Transfusion von leukozytendepletierten Erythrozytenkonzentraten weitgehend bereits Standard ist, ist in den USA diese Technik noch nicht routinemäßig eingeführt worden. Der Nutzen der routinemäßigen Leukozytendepletion wird von Experten auf dem Gebiet der Transfusionsmedizin heftig diskutiert, weshalb hier im Folgenden kurz darauf eingegangen wird. Bis heute gibt es nur drei gesicherte Nutzen der Leukozytendepletion:

  • Verminderung der Häufigkeit von febrilen nichthämolytischen Transfusionsreaktionen,

  • Verminderung der Übertragung von CMV und

  • Verminderung der refraktären Thrombozytentransfusion nach vorgängiger HLA-Alloimmunisierung.

Die Leukozytendepletion aller Blutkomponenten wurde in weiten Teilen Europas, so auch in Deutschland, Österreich und der Schweiz erst nach 1999 eingeführt, um das Risiko der vCJD-Übertragung zu vermindern. Die Effizienz dieser Maßnahme ist jedoch nicht belegt, und neueste Studienresultate haben gezeigt, dass die Infektivität bei übertragbaren bovinen spongiformen Enzephalopathien vorwiegend plasmatisch bedingt ist [36].

Im Weiteren postulierten verschiedene Studien eine Verminderung von Tumorrezidiven und eine Reduktion der Mortalität und postoperativer Infektionen nach Transfusion von leukozytendepletierten (im Vergleich zu nichtleukozytendepletierten) Erythrozytenkonzentraten. Die klinischen Studien zu diesen Themen sind allerdings noch widersprüchlich.

Bestrahltes leukozytendepletiertes Erythrozytenkonzentrat

Die Bestrahlung von leukozytendepletierten Erythrozytenkonzentraten erfolgt mit einer Strahlendosis von 25–30 Gy und erfolgt bis zum 14. Tag nach Herstellung des Erythrozytenkonzentrats. Die Indikationen für bestrahlte leukozytendepletierte Erythrozytenkonzentrate sind in Tabelle 4 zusammengefasst.

Tabelle 4 Indikation für bestrahlte Erythrozytenkonzentrate. (Mod. nach [38])

Bei immunsupprimierten oder immundefizienten Patienten kann die Transfusion von immunkompetenten, vermehrungsfähigen Lymphozyten zu einer Graft-versus-Host-Reaktion (GvHR) führen.

Auch bei immunkompetenten Empfängern von Bluttransfusionen kann eine GvHR auftreten, wenn das Spenderblut eine HLA-Kompatibilität aufweist. Deshalb ist bei gerichteten Blutspenden von Blutsverwandten die Bestrahlung der Erythrozytenkonzentrate indiziert (Tabelle 4).

Kryokonserviertes Erythrozytenkonzentrat

Bei der Herstellung von kryokonservierten Erythrozytenkonzentraten werden die Erythrozyten innerhalb von 7 Tagen mit einem Kryokonservierungsmittel versetzt und tiefgefroren. Diese gefrorenen Erythrozyten können so mehrere Jahre bei −80°C aufbewahrt werden. Solche Erythrozytenkonzentrate von Spendern mit seltenen Blutgruppen werden in geringer Menge gelagert und sind für Notfälle bestimmt.

Gewaschenes Erythrozytenkonzentrat

Zur Herstellung von gewaschenen Erythrozytenkonzentraten werden die leukozytendepletierten Erythrozytenkonzentrate mit isotonischer Lösung mehrmals gewaschen, wobei die restlichen Leukozyten, Thrombozyten und Plasmaproteine entfernt werden. Diese Präparate enthalten unter 1 ml Plasma (<25 ml bei leukozytendepletierten Erythrozytenkonzentraten in Additivlösung). Anschließend werden die Erythrozyten in Additivlösung oder isotonischer Lösung suspendiert. Solche Erythrozytenkonzentrate müssen sofort transfundiert werden.

Anwendung finden gewaschene Erythrozytenkonzentrate bei Patienten, welche Unverträglichkeitsreaktionen auf leukozytendepletierte Erythrozytenkonzentrate in Additivlösung zeigen oder klinisch relevante Antikörper gegen IgA oder andere Plasmaproteine haben.

CMV-seronegative Erythrozytenkonzentrate

Die Indikationen für CMV-seronegative Erythrozytenkonzentrate sind in Tabelle 5 aufgelistet.

Tabelle 5 Indikation für CMV-seronegative Erythrozytenkonzentrate. (Mod. nach [39])

Geographische Aspekte

Die bisherigen Ausführungen bezüglich Transfusionsrichtlinien gelten streng genommen nur für Länder mit einem hohen Entwicklungsstandard. In Entwicklungsländern sind jedoch bestimmte Risiken von Bluttransfusionen viel höher, sodass aufgrund des unterschiedlichen Nutzen-Risiko-Verhältnisses nicht dieselben Transfusionskriterien anwendbar sind.

So ist in Ländern mit niedrigem Entwicklungsstandard das Infektionsrisiko bei Bluttransfusionen sehr hoch, insbesondere das Risiko der Übertragung viraler Infektionen wie HIV, HBV, HCV mit geschätzten Risiken pro transfundiertem Erythrozytenkonzentrat von bis zu 1:50 für HIV, 1:74 für HBV und 1:2578 für HCV [37]. Gründe dafür sind die hohe Seroprävalenz dieser Infektionskrankheiten in der Bevölkerung dieser Länder, schlecht organisierte Blutspendesysteme und die geringe Sensitivität der dort verfügbaren Testmethoden.

Die Erhöhung der Transfusionssicherheit in diesen Regionen wird deshalb im großem Maße von internationaler Beteiligung abhängen. Aus diesen Gründen scheint es sinnvoll, die Transfusionstrigger tiefer anzusetzen, mit imminentem Kreislaufversagen und Myokardischämie als physiologischen Transfusionstriggern und einer Hämoglobinkonzentration von 5 g/dl als nummerischem Transfusionstrigger [37].

Vorgehensweise

Der Entscheidung für oder gegen eine Bluttransfusion sollte primär eine Beurteilung der physiologischen Transfusionskriterien zugrunde liegen. Somit kann bestimmt werden, ob beim individuellen Patienten aufgrund einer inadäquaten globalen oder regionalen (Herz) O2-Versorgung eine Bluttransfusion indiziert ist.

Nummerische Transfusionstrigger, welche auf der Hämoglobinkonzentration basieren, sollten komplementär als Entscheidungshilfen betrachtet werden. Es ist deshalb beim sicheren Fehlen von physiologischen Transfusionstriggern durchaus möglich, den entsprechenden nummerischen Transfusionstrigger zu unterschreiten. Zudem können bei ungenügender personeller oder apparativer Überwachungsmöglichkeit (z. B. Normalstation) die nummerischen Transfusionstrigger an Gewicht gewinnen.

Fazit

Entscheidend bei Transfusionsentscheidungen ist die Erfahrung des Anästhesisten in der Beurteilung und Interpretation der klinischen Parameter des Patienten unter Berücksichtigung anderer Faktoren wie der Stärke, Kontrolle und Vorhersagbarkeit der Blutung oder logistischer Faktoren wie der Zeit für Hämoglobinkonzentrationsbestimmung oder der Lieferzeit für Erythrozytenkonzentrate.

Fragen zur Zertifizierung

(Nur eine Antwort ist möglich.)

1. Welche Aussage trifft nicht zu?

Wichtige Kompensationsmechanismen bei einem Abfall der systemischen O2-Transportkapazität sind:

a):

Erhöhung des Herzzeitvolumens

b):

Regionale Umverteilung des Blutflusses zugunsten von Herz und Hirn

c):

Erhöhung der O2-Extraktion

d):

Kompensatorische Verminderung des O2-Verbrauchs

e):

Mikrozirkulatorische Veränderungen

2. Kein physiologischer Transfusionstrigger ist:

a):

Relative Tachykardie

b):

Relative Hypotension

c):

Neue ST-Strecken-Hebung >0,2 mV

d):

PvO2 <4,3 kPa (32 mmHg)

e):

SaO2 <80%

3. Welche der folgenden Aussagen zur Indikation der perioperativen Bluttransfusion trifft nicht zu?

a):

Eine Hämoglobinkonzentration <6 g/dl ist nicht in jedem Fall ein obligatorischer Transfusionstrigger.

b):

Numerische Transfusionstrigger können je nach personeller und logistischer Situation variieren.

c):

Intraoperativ können bei Patienten mit KHK Hämoglobinwerte von bis zu 8 g/dl toleriert werden.

d):

Für alle Transfusionstrigger wird eine Normovolämie vorausgesetzt und eine Anämie als einzig mögliche Ursache angenommen.

e):

Zur Bestimmung der physiologischen Transfusionstrigger ist ein invasives Monitoring (Pulmonaliskatheter) unabdingbar.

4. Welche der folgenden Aussagen zu den infektiösen Risiken von Bluttransfusionen trifft nicht zu?

a):

Bakterielle Infektionen sind in Ländern mit hohem Entwicklungsstandard im Vergleich zu viralen Infektionen relativ häufig.

b):

Die potenzielle Übertragung von vCJD durch Bluttransfusionen führte in mehreren europäischen Ländern zu einem Ausschluss von potenziellen Blutspendern, welche seit dem 1. Januar 1970 eine Bluttransfusion erhalten hatten.

c):

Das Risiko einer HIV- oder HCV-Infektion durch eine Bluttransfusion in Ländern mit hohem Entwicklungsstandard ist kleiner als 1:1.000.000.

d):

Aufgrund des hohen Infektionsrisikos müssen in Ländern mit niedrigem Entwicklungsstandard restriktivere Transfusionstrigger angewendet werden.

e):

Bei unbekanntem oder negativem CMV-Serostatus sind bei Schwangeren CMV-seronegative Erythrozytenkonzentrate indiziert.

5. Welche Aussage zum transfusionsassoziierten akuten Lungenschaden (TRALI) trifft zu?

a):

TRALI geht mit einer signifikanten Hypoxämie (PaO2/FiO2 ≤40 kPa bzw. 300 mmHg) einher.

b):

TRALI kann aufgrund der typischen Befunde in der klinischen, radiologischen und laboratorischen Untersuchung eindeutig von anderen Formen des akuten Lungenversagens unterschieden werden.

c):

TRALI tritt meistens erst nach einem Intervall von 6 h nach einer Bluttransfusion auf.

d):

TRALI tritt nur nach Thrombozytentransfusion auf.

e):

Eine Neutrophilie ist obligatorisch.

6. Eine Veränderung der O2-Extraktion stellt einen physiologischen Transfusionstrigger dar, wenn sie

a):

mehr als 30% beträgt.

b):

mehr als 40% beträgt.

c):

mehr als 50% beträgt.

d):

um mehr als 50% des Ausgangswertes absinkt.

e):

um mehr als 50% des Ausgangswertes zunimmt.

7. Welche Aussage zur postoperativen Phase trifft zu?

Der numerische Transfusionstrigger für Patienten mit KHK auf der Normalstation

a):

beträgt 7 g/dl.

b):

beträgt 8–9 g/dl.

c):

beträgt 10 g/dl.

d):

verliert gegenüber den physiologische Transfusionstriggern im Vergleich zur intraoperativen Phase an Gewicht.

e):

kann durch eine Steigerung der Herzfrequenz herabgesetzt werden.

8. Welche der folgenden Situationen ist keine Indikation für bestrahlte Erythrozytenkonzentrate?

a):

Patienten mit ausgeprägten Immundefektsyndromen

b):

Neugeborene bis 3 Monate

c):

Transfusion bei M. Hodgkin

d):

Frühgeborene <1500 g

e):

Transfusion von HLA-kompatiblen Blutprodukten

9. Ab welchem Hämoglobinwert ist bei Kindern, die älter als 3–4 Monate sind, eine Bluttransfusion von zweifelhaftem Nutzen?

a):

5 g/dl

b):

6 g/dl

c):

7 g/dl

d):

8 g/dl

e):

9 g/dl

10. Die Leukozytenanzahl in leukozytendepletierten Erythrozytenkonzentraten beträgt weniger als:

a):

1×105.

b):

1×106.

c):

1×107.

d):

1×108.

e):

1×109.