Pharmakokinetische Untersuchungen gibt es schon seit etwa Mitte des vorletzten Jahrhunderts, seitdem es chemisch ausreichend definierte Arzneistoffe gibt. Der Begründer der antiinfektiven Chemotherapie, Paul Ehrlich, führte erste systematische Untersuchungen zur Pharmakokinetik von chemischen Substanzen durch. Darunter sind das von ihm in der Infektiologie bei der Behandlung der Schlafkrankheit und Malaria getestete Methylenblau [1719] und sein „magic bullet“ Arsphenamin (Salvarsan®), das erste Syphilismedikament [20] zu nennen. Ehrlichs pharmakokinetische Untersuchungen [18], damals noch nicht so bezeichnet, führten u. a. zur Beschreibung der Blut-Hirn-Schranke durch seinen Schüler Goldman [23] und zur Beschreibung der heute als Arzneimitteltransporter bezeichneten Proteine. Ehrlich nannte sie „Lastwagen“ [16], heute sagt man dazu Carrier. Methylenblau könne sogar als eine Art Schiene für den Transport in schwierig erreichbare Kompartimente dienen [16]. Im Jahr 1953 fasste der deutsche Kinderarzt Hartmut Dost in seinem Lehrbuch Der Blutspiegel die bis dahin bekannten Grundlagen der Pharmakokinetik zusammen und bezeichnete sie als die „quantitative Auseinandersetzung des Organismus mit dem Pharmakon“ [14].

Moderne Definitionen, wie „Pharmakokinetik ist das, was der Körper mit dem Pharmakon macht“ [24], sind sehr ähnlich. Die Befassung mit der Wirkung eines Arzneimittels blieb lange ein Thema, das der experimentellen Pharmakologie vorbehalten blieb. In ihren pharmakologischen Versuchen wurde meistens mit gleichbleibenden konstanten Arzneistoffkonzentrationen gearbeitet. Ab den 1960er-Jahren gab es dann Versuchsanordnungen, die man heute unter dem Begriff „Pharmakodynamik“ zusammenfasst: „was ein Medikament im Körper verursacht“, das Pendant zur Definition von Pharmakokinetik [24]. Dabei stand die Bemühung im Vordergrund, einfach zu messende pharmakodynamische Parameter zu finden, deren zeitabhängige Veränderungen im Körper durch das Pharmakon gut zu bestimmen sind. Im Fall der Antiinfektiva wurde früh die minimale Hemmkonzentration (MHK) eines Antiinfektivums gegen ein infektiöses Agens als geeigneter pharmakodynamischer Surrogatparameter erkannt. Mittels PK-PD-Beziehungen, wie man die Beziehung zwischen Wirkstoffkonzentration und Effekt des Wirkstoffs heute nennt, wird versucht, retrospektiv oder prospektiv eine Vorstellung von der Wirkung eines Antiinfektivums im kranken und gesunden menschlichen Körper zu erhalten.

Sachstand im Jahr 2016

Überlegungen zur Pharmakokinetik und Pharmakodynamik haben seit Beginn der Antibiotikaforschung Chemiker, Mikrobiologen, Pharmakologen und Kliniker interessiert. Ehrlich prägte dafür den Begriff „Chemotherapie“ und schlug eine „Therapia sterilisans magna“ die „Sterilisation mit einem Schlage“ (Originalzitat Paul Ehrlich) vor, die auch dem alten therapeutischen Axiom („frapper fort et frapper vite“) entsprach. Dass er die „Quantitative Auseinandersetzung mit dem Organismus“ sehr ernst nahm, ist bekannt. Kurz nachdem Domagk im Jahr 1935 den Azofarbstoff Prontosil in die Therapie eingeführt hatte, zeigten französische Wissenschaftler, dass Prontosil ein Prodrug ist, das in aktives Sulfanilamid umgewandelt wird. Als Penicillin Anfang der 1940er-Jahre in zu kleinen Mengen für Therapieversuche am Menschen zur Verfügung stand, versuchte man die im Urin ausgeschiedenen aktiven Mengen des Antibiotikums zurückzugewinnen. Später wurde Probenecid entwickelt, das die Ausscheidung des Penicillins verlangsamte und damit länger zu höheren Konzentrationen im Blut führte.

Die Penicillindauerinfusion zur Erreichung langanhaltender Wirkspiegel wurde bereits früh eingeführt

Ein anderer Weg, lang anhaltende Wirkspiegel zu erreichen, die Dauerinfusion von Penicillin, wurde ebenfalls schon früh nach Beginn des breiten Einsatzes zur Wirkungsoptimierung eingeführt. Sie gilt auch heute vielen Klinikern wieder als Ultima Ratio bei Schwerstkranken. Damit stellt sich natürlich die Frage, was in den 75 Jahren nach der ersten Infusion von Penicillin am 12. Februar 1941 an Wissen erlangt wurde und ob und, wenn ja, welche Fortschritte seit den Anfangstagen der Penicilline erzielt wurden. Damit soll sich diese Publikation kritisch auseinandersetzen.

Minimale Hemmkonzentration

Die Bestimmung der MHK stellt einen pharmakodynamischen Parameter eines Antiinfektivums gegen einen bestimmten Erreger dar [2, 41]. Bei ihrer Bestimmung wird die niedrigste Konzentration eines Antiinfektivums bestimmt, bei der in vitro über eine bestimmte Zeit ein sichtbares Wachstum der Bakterien verhindert wird. Die MHK bezieht sich immer auf einen bestimmten Bakterienstamm und das interessierende Antibiotikum. Die Konzentrationseinheit ist µg/ml (mg/l). Für die Bestimmung der MHK wird die Mikrodilutionsmethode mit Bouillon auf Mikrotiterplatten nach Deutsche Industrie Norm (DIN) 58940-8 verwendet. Die Methode ist gut standardisierbar, effizient und durchaus kostengünstig.

Daneben gibt es die minimale bakterizide Konzentration (MBK), die in der Routine und selbst in wissenschaftlichen PK-/PD-Studien selten verwendet wird. Zwischen verschiedenen Agenturen, etwa dem Clinical and Laboratory Standards Institute (CLSI, Wayne, PA 19087, USA, früher NCCLS), dem European Committee on Antimicrobial Susceptibility Testing (EUCAST, Växjö, Schweden) und der DIN, gibt es Unterschiede in technischen Details der Durchführung, die oft auch zu unterschiedlichen MHK-Werten führen. Wenn MHK-Werte heute überwiegend zur Erarbeitung von PK-PD-Beziehungen verwendet werden, dann liegt das auch daran, dass es keine weitere Methode gibt, mit der sich die Empfindlichkeit eines Bakteriums gegenüber einem antiinfektiven Agens im Vergleich zu anderen so einfach und effizient in jedem Labor bestimmen lässt. Es kann jedoch nicht deutlich genug darauf hingewiesen werden, dass es sich bei der MHK-Bestimmung um eine In-vitro-Methode handelt, die den Ort der Infektion in keinster Weise widerspiegelt. Überraschenderweise wird diese vergleichsweise einfache Methode bis heute verwendet und wurde in den letzten Jahrzehnten nicht entscheidend modifiziert, wohingegen die Methoden zur Bestimmung der Konzentration des Antibiotikums im Blut oder Gewebe große Fortschritte und richtige Technologiesprünge gemacht haben.

Analytische Methoden zur Quantifizierung

Schon nach der Entdeckung des Penicillins und dem Beginn der modernen Antibiotikaära bestand großes Interesse an der Bestimmung von Antibiotika in Blut und Geweben. Obwohl es zu diesem Zeitpunkt schon analytische Methoden zur Bestimmung etwa der Sulfonamide gab, stellten die Penicilline eine große Herausforderung dar, da die chemische Struktur von Penicillin seine chemische Bestimmung in Plasma, Serum oder Geweben äußerst schwer bzw. fast unmöglich machte. Man war anfangs auf störanfällige mikrobiologische Methoden angewiesen [46]. In den letzten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts wurde die Bestimmung von Antibiotika in biologischem Material durch die rasante Entwicklung der Hochleistungsflüssigkeitschromatographie (HPLC) bestimmt, zumeist mit der Ultraviolett(UV)-, Fluoreszenz- und elektrochemischen Detektion und später durch die Kopplung der HPLC mit der Tandemmassenspektrometrie (LC-MS/MS).

Dieses überlegene Nachweisverfahren ist längst zur State-of-the-art-Technik geworden und hat zu einem besseren Verständnis der PK-PD-Beziehungen von β‑Laktamen, Makroliden und Aminoglykosiden beigetragen, Substanzen, die früher nicht immer leicht zu bestimmen waren. Allerdings gibt es genügend Hinweise, dass die Technik heute oft unkritisch verwendet wird [32]. Wie wichtig Expertise ist, fassen Carlier et al. [7] zusammen:

„Liquid chromatography coupled to tandem mass spectrometric (LC-MS/MS) detection is a very powerful tool and has many advantages, such as enhanced specificity and the ability to simultaneously measure multiple analytes in highly complex biological matrices, but the adoption for clinical use has been limited because of instrument cost, expertise, training, quality assurance and standardization“.

In anderen Worten: Es handelt sich um eine Technik, die die Analytik von Arzneistoffen in Blut und Geweben revolutioniert hat und in die richtigen Hände gehört [12, 50, 51].

Wahl der geeigneten Detektionsmethode

Antibiotika können bei gesunden Probanden mit verschiedenen chromatographischen Methoden gemessen werden. Als Detektionsverfahren kommen UV-Photometrie (z. B. für β‑Laktame), Fluoreszenzdetektion (z. B. für Fluorchinolone) oder die elektrochemische Detektion (z. B. für Makrolide) infrage. Einfache immunologische Verfahren werden seit vielen Jahren für Aminoglykoside und Glykopeptide verwendet. Diese Verfahren können bei richtiger Anwendung und Laborerfahrung zu zuverlässigen Ergebnissen führen. Die Autoren dieser Übersicht konnten in Zusammenarbeit mit einem mikrobiologischen Labor zeigen, dass selbst die als störanfällig betrachtete mikrobiologische Bestimmung bei Gesunden zu zuverlässigen Werten führen kann, wenn mikrobiologische Laboratorien die Anforderungen für Plasmaspiegelbestimmungen im pharmakologischen Bereich berücksichtigen.

Im Plasma Schwerstkranker kumulieren verabreichte Substanzen und endogene Stoffe

Bei Schwerstkranken ist dies allerdings eine andere Situation. Selbst die chromatographischen Methoden mit UV-Fluoreszenz oder elektrochemischer Detektion sind nach Erfahrung der Autoren dieser Übersicht nicht geeignet, diese komplexen Gemische sicher zu analysieren. Im Plasma dieser Patienten kommt es nicht nur zur Kumulation der verabreichten Substanzen (selten weniger als 10) sondern auch zu einer Kumulation endogener Stoffe. In diesem Fall ist der Tandemmassenspektrometrie [31, 42] immer der Vorzug zu geben, denn nur sie erlaubt die spezifische und empfindliche Bestimmung der Antibiotika. Allerdings erfordert die Methode die größte Erfahrung im Vergleich zu allen derzeit verwendeten Nachweismethoden [50, 51].

Gewebespiegelmessungen

Die analytische Bestimmung von Antibiotika im Gewebe stellt aus den vorgenannten Gründen eine besondere Herausforderung dar. Hinzu kommt, dass vor der Messung ein teils aufwendiges Extraktionsverfahren stattfinden muss. Am Beispiel der Messung der Knochenpenetration von Antibiotika wurde diese Frage ausführlich diskutiert [29]. Ob die Messungen der Gewebespiegel der Antibiotika überhaupt sinnvoll sind, wird im Folgenden noch diskutiert.

Relevante Indizes zur Antibiotikadosierung

Die PK-PD-Beziehungen von Antibiotika sind in Abb. 1 dargestellt.

Abb. 1
figure 1

Pharmakokinetik und Pharmakodynamik von Antibiotika. AUC Fläche unter der Plasmaspiegelkurve, c max maximal erreichbare Plasmakonzentration, MHK minimale Hemmkonzentration

Um eine Optimierung der Antibiotikadosierung beim kritisch kranken Patienten zu erzielen, müssen bestimmte substanzspezifische PK-PD-Indizes erreicht werden [10, 11, 15, 3437, 39, 48]:

  • Zeit innerhalb eines Applikationsintervalls, in der die freie Plasmakonzentration oberhalb der MHK liegt (%T > MHK); z. B. für β‑Laktame sowie Clindamycin, Fosfomycin, Makrolide u.a.:

    • Eine optimale Wirksamkeit mit gleichzeitiger Minimierung von Resistenzentwicklung und Toxizität wird für die bei kritisch Kranken am häufigsten eingesetzten β‑Laktamantibiotika bei einer 4‑ bis 5‑fachen Konzentration der MHK angenommen. Ein Einhalten dieser optimalen Konzentration über das gesamte Zeitintervall (100 % T > 4‑ bis 5‑mal MHK) kann möglicherweise die Dauer der Infektion verkürzen.

  • Verhältnis der Spitzenkonzentration zu MHK (Cmax/MHK; z. B. für Aminoglykoside, Daptomycin und Fluorochinolone):

    • Hier müssen hohe Maximalkonzentrationen erreicht werden, um unter Beachtung möglicher Toxizität den antibakteriellen Effekt zu maximieren.

  • Verhältnis der Fläche unter der Konzentrations-Zeit-Kurve zur MHK (AUC/MHK; z. B. für Colistin, Fluorchinolone, Linezolid, Makrolide, Tetracycline und Vancomycin).

Um die so definierten PK-PD-Indices zu optimieren, sollten die Talkonzentration (Cmin), die Spitzenkonzentration (Cmax) und eine Zwischenkonzentration bestimmt werden.

Bedeutung einer validen Analytik

Für erfahrene Mikrobiologen und Arzneimittelanalytiker stellt die Bestimmung der MHK bzw. der Plasmakonzentrationen der Antibiotika in der Regel kein Problem dar. Besonders wichtig ist die Verwendung geeigneter Referenzsubstanzen. Für diese stehen die unterschiedlichsten Quellen zur Verfügung, die oft nur mangelhafte Angaben zur Aktivität, Salzform oder Wassergehalt des jeweiligen Antibiotikums machen. Darüber hinaus müssen Labore sicherstellen, dass neu hergestellte Standards über Jahre mit früheren Standards übereinstimmen. Dies ist ein scheinbar triviales Thema. Die Erfahrung zeigt jedoch, dass hier nicht selten die Ursachen für nicht vergleichbare Ergebnisse verschiedener Labore liegen.

Für die Bewertung der Plasmakonzentrationen der Antibiotika gibt es keine dem EUCAST oder dem CLSI vergleichbaren Agenturen, die Normal- oder Grenzwerte festlegen, weshalb die Messungen strikt nach den bioanalytischen Leitlinien der europäischen und amerikanischen Arzneimittelzulassungsbehörden (europäische Arzneimittelagentur, EMA; Food and Drug Administration, FDA) erfolgen sollten und besonders kritisch überprüft werden müssen. Streng genommen sollten zur Erarbeitung von PK-PD-Beziehungen nur Daten verwendet werden, die von den Zulassungsbehörden auf ihre Validität überprüft sind oder nachweislich alle Kriterien für Zulassungsunterlagen erfüllen. Verbindliche Ringversuche als Alternative zu einem solchen strengen Vorgehen gibt es in der Pharmakokinetik im Gegensatz zur Mikrobiologie nicht. Deshalb fällt der Scientific Community die Aufgabe zu, Antibiotikakonzentrationsmessungen kritisch zu überprüfen, was in Publikationen und Übersichtsarbeiten oder den Gremien wissenschaftlicher Gesellschaften geschieht. Wie eine kritische Bewertung pharmakokinetischer Arbeiten erfolgen sollte, wird in Tab. 1 exemplarisch dargestellt: Sie enthält einige Daten zur Pharmakokinetik von Piperacillin seit seiner Markteinführung. Den Anspruch auf Vollständigkeit erhebt sie nicht. Es wird sofort deutlich, dass sich die Werte für die totale Clearance von Piperacillin in verschiedenen Publikationen auf Basis der Mittelwerte um das bis zu 1,84-Fache unterscheiden, die Halbwertszeiten nur gering. Wie bereits im Jahr 1987 beschrieben ist eine solche Datenlage nicht selten und überlässt es dem Untersucher, welche Werte er zum Vergleich mit seinen Daten für Dosierungsempfehlungen heranzieht.

Die totale Clearance stellt die Gesamteliminationsleistung des Körpers für einen Fremdstoff dar

Dies ist kein akzeptabler Weg. Um die richtige Auswahl bestimmter Daten nachvollziehbar zu machen, wird die totale Clearance betrachtet. Die totale Clearance ist eine physiologische Größe, die die Gesamteliminationsleistung des Körpers für einen Fremdstoff darstellt. Bei Gesunden sollte diese nur geringfügig variieren. Größere Abweichungen, wie in Tab. 1 gezeigt, lassen also vermuten, dass bei den Studien unterschiedliche Bedingungen geherrscht haben müssen. Oft wird als Erklärung das Vorhandensein unterschiedlicher Probandenkollektive als Ursache angegeben. Dies ist nach Meinung der Autoren dieser Übersicht eher unwahrscheinlich, da es sich bei den Probanden um demographisch und genetisch recht homogene Kollektive handelt. Die Ursachen dürften nach ihrer Einschätzung eher bei der Durchführung der Studie selbst liegen. Beginnend mit der Applikation des Antibiotikums, Abnahme und Aufbewahrung der Proben am Studienort (viele Antibiotika sind instabil) wurden Probleme berichtet. Diese präanalytische Phase ist äußerst kritisch und wird oft unterschätzt. In der analytischen Phase kommt es auf eine absolut akribische Aufarbeitung von Plasmaproben an. Es ist natürlich nicht zu beurteilen, ob die Unterschiede in der totalen Clearance von Piperacillin in der präanalytischen Phase oder der Analytik entstanden. Warum kleinste Abweichungen in den Referenzsubstanzen oder Kalibrierungen große Folgen haben, lässt sich über den Berechnungsweg für die totale Clearance zeigen, bei dem die Dosis in Milligramm oder Gramm durch die Fläche unter der Plasmaspiegelkurve (AUC) geteilt wird (Abb. 1). Wenn beispielsweise die Dosis nicht vollständig verabreicht wird – was leider auch in den besten Studienzentren vorkommt – und die Konzentrationsmessung um einen bedeutenden Faktor in die gleiche Richtung abweicht, dann weicht die totale Clearance natürlich besonders stark ab. Auch auf den Intensivstationen ist die nicht vollständige Verabreichung von Substanzen kein seltenes Problem, wenn Restmengen in den Schläuchen verbleiben. Genau das wird in Tab. 1 gezeigt, in der auch ein Beispiel gegeben wird, wie die totale Clearance bei Klinikpatienten [26] leicht von den Daten bei gesunden Probanden abweicht. Die Analytik von Antibiotika erfordert die Beachtung von Störfaktoren und deren Beseitigung bei der Messung (Infobox 1). Tab. 1 zeigt, wie die Vorgehensweise der Kalibrierung und besonderen Beachtung der Langzeitkonstanz der quantitativen Messung Früchte trägt. Obwohl erste Daten zu Piperacillin bei Gesunden schon im Jahr 1994 [45] mit der HPLC-UV-Methode in einer deutschen Klinik erzielt wurden, zeigte eine neuere Studie mit LC-MS/MS an einem nordamerikanischen Zentrum [56] praktisch keine Abweichung der Ergebnisse. In anderen Studien des Instituts der Autoren dieser Übersicht lag die Abweichung im Bereich von 20–30 %, was durch Gewichtsunterschiede bei den Probanden zu erklären ist, die gezielt so geplant waren. Wie Abb. 1 zeigt, wirken sich die Abweichungen nicht nur auf die totale Clearance aus, sondern auch auf die PK-PD-Beziehungen. Abweichungen, die in die gleiche Richtung gehen, können zu völlig unterschiedlichen Dosierungsüberlegungen führen.

Infobox 1 Gründe für Unterschiede in den Konzentrationsmessungen von Antibiotika (Auswahl)

  • Antimikrobielle Störsubstanz in der Probe

  • Ultravioletthochleistungsflüssigkeitschro matographie (HPLC-UV): Störung an der Stelle im Chromatogramm, an der das zu messende Antibiotikum eluiert

  • Tandemmassenspektrometrie (LC-MS/MS): Matrixeffekte können zu niedrigeren oder höheren Konzentrationsmessungen führen

Für alle Methoden gilt

  • Kalibrierbereich definieren, Linearität prüfen

  • Reproduzierbarkeit der Messungen belegen

  • Stabilität in der Matrix prüfen

  • Wiederfindung prüfen

Tab. 1 Pharmakokinetische Parameter für Piperacillin nach intravenöser Einzelgabe von Piperacillin/Tazobactam an gesunden Probanden oder Patienten mit fast normaler Nierenfunktion

Metabolismus und Dosierung bei Leberinsuffizienz

Bei den auf der Intensivstation eingesetzten Antibiotika handelt es sich meist um überwiegend renal ausgeschiedene Substanzen. Die extrarenale Elimination ist nur bei Substanzklassen, wie den Fluorchinolonen, Makroliden oder Oxazolidinonen, gut untersucht. Auch β‑Laktame haben eine teils beträchtliche extrarenale Clearance. Diese wurde jedoch nicht einmal bei Gesunden zufriedenstellend untersucht, was auch an der schwierigen Analytik von Metaboliten der β‑Laktame liegt. Zur Pharmakokinetik der Antibiotika bei leberinsuffizienten Patienten fehlen ebenfalls ausreichende Daten [47]. Meist wird empfohlen, Dosierung und Dosierungsfrequenz an der Kreatininclerance zu orientieren, die bei diesen Patienten meist verringert ist.

Die Niere als Modellorgan

Antibiotika unterliegen wie alle Arzneimittel pharmakokinetischen Interaktionen. Die Niere kann hier als Modellorgan dienen [27, 28, 47]. Die meisten in der Literatur beschrieben Interaktionen betreffen die orale Applikation und Patienten, die sich in der ambulanten Therapie bei einem niedergelassenen Arzt befinden. Die wichtigsten in der Intensivmedizin eingesetzten Antibiotika, wie β‑Laktame, Glykopeptide und Linezolid, neigen wenig zu klinisch relevanten Arzneimittelinteraktionen. Die Niere ist der wichtigste Ort für Arzneimittelinteraktionen von Antibiotika.

Das Organ besitzt im proximalen Tubulus Transportproteine für Säuren und Basen. Die Gruppe der β‑Laktame hat bei physiologischem pH-Wert Säureeigenschaften und wird fast ausschließlich über den Säuretransporter im proximalen Tubulus ausgeschieden. Deshalb wurde modellhaft die Interaktion auf der Ebene der proximalen Tubuli mit den dort sezernierten β‑Laktamen Piperacillin und Flucloxacillin beim Gesunden untersucht. Piperacillin hemmt dosisabhängig sowohl die tubuläre Sekretion als auch die extrarenale Elimination von Flucloxacillin [27]. In einer weiteren Untersuchung wurde gezeigt, dass der Hemmer der Säuresekretion Probenecid nicht nur die bereits erwähnte Säuresekretion von Penicillinen hemmt, sondern auch die Ausscheidung von Ciprofloxacin, einer Substanz mit Betainstruktur, verlangsamt [29].

Pharmakokinetik bei eingeschränkter Nierenfunktion

Eine scheinbar einfache Frage ist die nach der Dosierung von Antibiotika bei Niereninsuffizienz [47]: „Antibiotika müssen nach ihrem Anteil an renaler Elimination an die Nierenfunktion angepasst dosiert werden“. Bei Einsatz von Nierenersatzverfahren ist eine Kenntnis etwa der Dialysierbarkeit und generell der Membrangängigkeit zu prüfen. Im wohl wichtigsten Lehrbuch der Pharmakologie dem Goodman und Gilman: The Pharmacological Basis of Drug Treatment [24] findet man Daten zu vielen Antibiotika. Was die Grundlage für die Wahl der jeweiligen Publikation ist, wird jedoch nicht erwähnt. Ebenso wenig ist ein Grund angegeben, warum Daten zu einem so wichtigen Antibiotikum wie Piperacillin fehlen. In Tab. 2 wurden deshalb zusätzlich auch Informationen aus den Fachinformationen verwendet. Eine ausführlichere Diskussion zu Dosierungsfragen bei Niereninsuffizienz soll einer späteren Publikation vorbehalten bleiben.

Infobox 2 Wichtige Hinweise zur Blutentnahme bei Antibiotika

  • Genauen Zeitpunkt der Blutentnahme erfassen

  • Anfang und Ende der Infusion dokumentieren

  • Angabe, ob venöses oder arterielles Blut abgenommen wurde

  • Sicherstellen, dass die gesamte Menge des Antibiotikums infundiert wurde, Schläuche „nachspülen“

  • Zu beachten: Blutentnahme nicht ohne vorherige Spülung des Infusionszugangs, insbesondere langer Schläuche

  • Nach der Blutentnahme Probe sehr vorsichtig mindestens 4‑mal um 180° kippen, um eine ausreichende Durchmischung des Bluts mit dem Antikoagulans zu erreichen

  • Wenn instabile Substanzen, wie β‑Laktame oder Aminoglykoside, gemessen werden sollen: schnelles Verbringen der Blutprobe in Eiswasser, nach dem Abkühlen über etwa 5 min Zentrifugation bei +4 °C und sofortiges Tiefgefrieren bei −80 °C, wenn die Konzentrationsmessung nicht am gleichen Tag erfolgt

  • Manche Substanzen, wie Chinolone oder Makrolide, sind allerdings äußerst stabil; sie können bei höheren Temperaturen gelagert werden

Tab. 2 Renale Elimination von Antibiotika. (Nach [24]a und Fachinformationb)

Pharmakokinetik bei krankhaft Übergewichtigen

Der Anteil übergewichtiger Patienten in der Gesamtbevölkerung Deutschlands steigt seit vielen Jahren an, ebenso die Zahl der krankhaft Übergewichtigen. Mussten vor 20 Jahren solche Untersuchungen noch in Nordamerika durchgeführt werden, hat sich das Bild gewandelt. Auch in der Klinik der Autoren dieser Übersicht nimmt der Anteil krankhaft übergewichtiger Patienten mit einem Gewicht über 140 kg zu. Patienten über 200 kg sind zwar noch selten, aber sie kommen vor. Die Untersuchung der Pharmakokinetik bei diesen Patienten ist für Intensivmediziner von erheblichem Interesse.

Die Autoren dieser Übersicht beobachten diese Patientenpopulation in ihrem therapeutischen Drugmonitoring (TDM) sehr genau, um die Therapie bei diesen Patienten zu optimieren. Für Ciprofloxacin konnten sie zeigen, dass in Dosierungsüberlegungen der Anteil fettfreier Körpermasse berücksichtigt werden muss [1]. Um den Effekt großer Gewichtsunterschiede auf die Pharmakokinetik zu untersuchen, haben sie vergleichende Studien bei normalgewichtigen gesunden Probanden und Mukoviszidosepatienten durchgeführt. Letztere haben ein sehr niedriges Körpergewicht. Die Ergebnisse weisen in die gleiche Richtung [5, 6, 44].

Daten zu Gewebespiegeln

Immer wenn in der Diskussion von Plasmakonzentrationen keine schlüssige Interpretation möglich ist und das rationale klinische Vorgehen unklar bleibt, wird gerne auf das Fehlen von Gewebespiegeln hingewiesen, „die man doch bräuchte“. Diese sind in der Regel auch nicht beim individuellen Patienten verfügbar. Man ist also auf die Literatur angewiesen, wo an selektierten Patienten und unter den Bedingungen einer klinischen Studie Daten gesammelt wurden. Die Interpretation wird fast unmöglich, wenn man auch noch die eingeschränkte Aussagekraft von solchen „Pentrationsstudien“ berücksichtigt. Landersdorfer et al. [28] haben die Daten exemplarisch für die Penetration von Antibiotika in den Knochen zusammengefasst. Schon einfacher gestaltet sich die Bestimmung in Körperflüssigkeiten. Die Messung etwa der Liquorkonzentration macht auch klinisch durchaus Sinn, wie in einer Übersichtsarbeit gezeigt wurde [37].

Kontroverse Diskussionen verfügbarer Daten

Vergleichskollektive

Wie bereits diskutiert besteht bei der Auswahl von Vergleichskollektiven das Problem, dass es keine anerkannten Kriterien gibt, welches Kollektiv bei mehreren zur Verfügung stehenden Studien heranzuziehen ist. Deshalb empfiehlt es sich, bei solchen Fragen ein eigenes Vergleichskollektiv zu untersuchen. So wirken sich Probleme in der Messung auf beide Kollektive gleich aus. In einer früheren Untersuchung konnte am Kollektiv der Mukoviszidosepatienten der Frage nachgegangen werden, ob diese Patienten eine gleiche, erhöhte oder erniedrigte totale Clearance im Vergleich zu Gesunden besitzen oder ob dies von der Auswahl und damit den Hypothesen des Untersuchers abhängt. Inzwischen ist klar, dass diese Patientengruppe keine erhöhte Ausscheidungsfunktion in der Niere besitzt, wie früher aufgrund falsch ausgewählter Patientenkollektive behauptet wurde. Literaturvergleiche sind in der Hand des Unerfahrenen problematisch. Schwerstkranke Intensivpatienten sind keine Mukoviszidosepatienten, es besteht jedoch die gleiche Fragestellung: Wie unterscheiden sich die pharmakokinetischen Parameter der Schwerkranken von Gesunden und anderen Patientengruppen, die einer intensivmedizinischen Behandlung unterzogen werden müssen.

Bedeutung der Proteinbindung

Es gibt bis heute keine eindeutigen Studien, die ein einheitliches Bild zu diesem Thema erlauben. Kliniker sollten nicht dazu ermuntert werden, Plasmakonzentrationen zu korrigieren und auf der Basis freier Konzentrationen eines Antibiotikums PK-/PD-Überlegungen und/oder eigene Berechnungen (!) anzustellen. Bestenfalls können interdisziplinär zusammengestellte Arbeitsgruppen mit mindestens einem Naturwissenschaftler mit ausreichender pharmakologischer Expertise in ausführlichen Einzelfallbesprechungen der gemessenen Konzentrationen für den betreffenden Patienten zu Dosisänderungen kommen. Einfach aufgrund von Literaturdaten eine „Korrektur“ durchzuführen, ist inakzeptabel, auch weil es zur Verwirrung führt, wenn dann nicht die Plasmakonzentrationen jeder Substanz in der Klinik korrigiert werden. Die freie Konzentration sollte durch konkrete Messungen der Plasmaprobe bestimmt werden. Dass auch die Werte für die Plasmaproteinbindung von Labor zu Labor verschieden sein können, bedarf hier in Anbetracht der obigen Bemerkungen fast keiner Erwähnung mehr [43, 46, 54]. Den Autoren dieser Übersicht ist kein Labor bekannt, das die freie Konzentration misst. Sie führen solche Messungen auf Sonderwunsch oder in wissenschaftlichen Studien durch, nicht jedoch im täglichen TDM.

Intermittierende Gabe vs. Dauerinfusionen

Schon früh nach der Entdeckung des Penicillins wurde über die Dauerinfusion nachgedacht. Vor 2,5 Jahrzehnten führten Ergebnisse aus Tierversuchen aus der Arbeitsgruppe von Bill Craig zur Neubewertung der Dauerinfusion von Antibiotika [9]. Viele Kliniken in Deutschland wenden die Dauerinfusion an und berichten von „guten Erfolgen“. In einer Metaanalyse, die im Februar 2016 publiziert wurde, hat die Arbeitsgruppe um Roberts und Lipman in Brisbane [40] Hinweise gefunden, dass eine kontinuierliche Infusion von β‑Laktamen sowohl die Letalität reduzierte als auch eine höhere Heilungsquote erreichte.

Sicher sind sich die Autoren aber nicht, denn in ihren Schlussfolgerungen fordern sie eine randomisierte kontrollierte Studie bei schwerer kranken Patienten mit dem Risiko einer Infektion mit weniger empfindlichen gramnegativen Nichtfermentern und ohne ein Nierenersatzverfahren. Auf jeden Fall ist bei kontinuierlicher Gabe ein TDM zu fordern, um eine dauerhafte suboptimale Konzentration zu verhindern (Wirksamkeit, Resistenzentwicklung!). Ohne Blutspiegelkontrolle eine kontinuierliche Infusion durchzuführen, ist eine Art Blindflug! Bis ausreichend Daten verfügbar sind, müssen Kliniker wissen, dass sie ein unsicheres Verfahren wählen!

Therapeutisches Drugmonitoring

Die Ausführungen zur Vergleichbarkeit von Ergebnissen zur Pharmakokinetik und Pharmakodynamik von Antibiotika zeigt, dass es gegenwärtig sinnvoll erscheint, sich für die Station oder Klinik ein genaues Bild zu verschaffen, wie effektiv und auch wirksam die Antibiotikatherapie ist. Erfahrungen der Autoren dieser Übersicht auch mit angesehenen auswärtigen Kliniken bestätigen ihre eigenen Beobachtungen: Wenn Intensivstationen mit Daten zur Pharmakokinetik und Pharmakodynamik versorgt werden, steigt auch das Interesse an einer maßgeschneiderten Antibiotikatherapie. Ein TDM gibt es seit Jahrzehnten für Antiepileptika und andere nebenwirkungsreiche Arzneimittel, bei den Antibiotika für Glykopeptide und Aminoglykoside. Für die neueren Substanzen führen jetzt immer mehr Kliniken ein TDM ein, weil man inzwischen auch andere wichtige Vorteile, nämlich Wirksamkeit und Verhinderung von Resistenzbildungen, in der Klinik erkannt hat [7, 55]. Dies gilt natürlich auch für die Minimierung von Nebenwirkungen. Einige wichtige technische Details eines TDM von Antibiotika sind in Infobox 1 und 2 zusammengefasst. Anders als z. B. Antiepileptika sind Antibiotika im Plasma oft sehr instabil.

Konzentrationsgesteuerte Antibiotikatherapie (PEAK)

Am Klinikum der Paracelsus Medizinischen Universität Nürnberg wird seit mehreren Jahren bei Patienten der operativen Intensivstation ein umfangreiches TDM (PEAK = Paul Ehrlich Antibiotika Konzentrationsmessung) mit folgenden Antibiotika durchgeführt: (in alphabetischer Reihenfolge) Ampicillin/Sulbactam, Cefazolin, Ceftazidim, Ciprofloxacin, Flucloxacillin, Fosfomycin, Imipenem/Cilastatin, Linezolid, Meropenem, Moxifloxacin, Piperacillin/Tazobactam, Sulfamethoxazol/Trimethoprim und Tigecyclin. Darüberhinaus werden in dem Programm Antimykotika wie die Azole gemessen. Eine Zwischenauswertung wird derzeit durchgeführt. Ein Einblick in einige Fälle wird in Abb. 2 gegeben. Die Plasmakonzentrationen von Patienten der operativen Intensivstation werden im Vergleich zu gesunden Probanden dargestellt.

Dazu liegen die In-House Daten zur Pharmakokinetik von über 200 gesunden Probanden vor. Die bisherigen Erfahrungen zeigen, dass nicht selten überhöhte aber genauso auch zu niedrige Plasmaspiegel vorliegen. Sie zeigen auch, dass ein TDM nur dann sinnvoll ist, wenn die Teams der Intensivmedizin und des Analyselabors einige wichtige Kriterien erfüllen, die nachfolgend diskutiert werden. Die Genauigkeit, die für solche Messungen erforderlich ist, beginnt mit der präanalytischen Phase, der Zuverlässigkeit der Blutentnahme und sofortigen Kühlung sowie der Dokumentation des exakten Zeitpunkts der Blutentnahme, was nach Erfahrungen der Autoren dieser Übersicht in vielen Kliniken nicht immer einfach durchzuführen ist (Infobox 2).

Abb. 2
figure 2

Pharmokinetik-Pharmakodynamik-Darstellungen bei Intensivpatienten und gesunden Probanden. a Piperacillin/Tazobactam. b Ceftazidim, c Meropenem: hier sind die Konzentrationen von 2 Probanden gezeigt, um die erheblichen interindividuellen Unterschiede auch bei gesunden Probanden zu demonstieren. d Imipenem/Cilastatin. e Linezolid: hier sind die Konzentrationen von 2 Patienten gezeigt, um die erheblichen interindividuellen Unterschiede zu demonstieren. Plasmakonzentrationen bei gesunden Probanden und kritisch kranken Patienten auf der operativen Intensivstation am Klinikum Paracelsus Medizinische Universität Nürnberg. (Es wurden die EUCAST Clinical Breakpoints 6.0 vom 01.01.16 verwendet). MHK minimale Hemmkonzentration, q8h alle 8 Stunden, q12h alle 12 Stunden

Die Messgenauigkeit wird bereits in der präanalytischen Phase beeinflusst

Auf der Intensivstation der Autoren dieser Übersicht werden die genannten Antibiotikakonzentrationen über 3 Tage während eines Dosierungsintervalls (gewöhnlich das Intervall mit einer prolongierten Infusion über 3 Stunden um 4 Uhr morgens) bestimmt. Es wird die Konzentration am Ende der Infusion, 2–4 Stunden nach Ende der Infusion und vor Beginn der nächsten Infusion gemessen. Es werden etwa 5 ml Blut entnommen, die Mindestmenge liegt bei 0,2 ml. Die Blutproben werden gegen 12.00 Uhr mittags abgeholt. Die Messergebnisse liegen in der Regel bis 15.00 Uhr vor. Wenn es sich um besonders schwierige Fälle handelt, kann das Ergebnis auch innerhalb von 45 min übermittelt werden. Auswärtige Kliniken erhalten die Daten am nächsten Tag bis 10.00 Uhr, wenn die Proben um 8.00 Uhr morgens im Labor eintreffen. Das ist heute kein logistisches Problem mehr. In der Regel wird Ethylendiamintetraessigsäure(EDTA)-Plasma verwendet. Neben den genannten Antibiotika besteht die Möglichkeit der Messung von weiteren 100 nichtantibiotischen Substanzen, die z. B. für eine Interaktion infrage kommen. Alle Messungen werden mit Tandemmassenspektrometrie durchgeführt.

Bisherige Messungen auf den Intensivstationen des Klinikum Nürnberg haben relativ stabile Werte für die Carbapeneme Imipenem/Cilastatin und Meropenem ergeben, während sich für Piperacillin/Tazobactam, Ceftazidim und das Oxazolidinon Linezolid gerade bei den schwerstkranken Patienten mit extrakorporaler Membranoxygenierung (ECMO) und/oder Nierenersatztherapie eine hohe inter- und intraindividuelle Variabilität zeigte.

Seit Herbst 2016 wird PEAK bundesweit für Antibiotikamessungen, die den in dieser Arbeit diskutierten Ansprüchen an Zuverlässigkeit der Analysenmethode entsprechen, zur Verfügung stehen. Ebenso steht ab Anfang 2017 eine Datenbank zur Verfügung, die ausreichend Daten von Gesunden und schwerkranken Patienten für Vergleiche enthält. Daten aus dieser derzeit entstehenden Datenbank sind in Abb. 2 dargestellt. Die Messung von Antimykotikaspiegel ist seit Herbst 2016 möglich.

Der Fokus zukünftiger Untersuchungen liegt auf Fragen zur Pharmakokinetik von Antibiotika bei krankhaft Übergewichtigen und den Einflüssen von anderen pathophysiologischen Faktoren, die diese beeinflussen können. Dazu gehören ECMO und Nierenersatzverfahren.

Optimale Dosierung von Vancomycin

Auch wenn Penicillin sowohl historisch als auch wegen seiner breiten Anwendung gemeinhin als „Jahrhundertmedikament“ gilt, war die Zahl der Studien, die sich mit Konzentrationsmessungen bei Schwerkranken beschäftigten, über die ersten 5,5 Jahrzehnte seines therapeutischen Einsatzes gerade im Vergleich zu Vancomycin eher gering. Das lag daran, dass es für Vancomycin einfache Nachweisverfahren gab und es früh als nebenwirkungsreiche Substanz erkannt wurde.

Für den Nachweis von Vancomycin im Plasma oder Serum gibt es einfache Analysenverfahren

Therapieoptimierung gerade auch mit Verhinderung schwerer Nebenwirkungen stand im Interesse des Intensivmediziners. Kürzlich wurde in einer retrospektiven Studie bei Patienten mit Infektion durch methicillinresistenten Staphylococcus aureus (MRSA) gezeigt, dass der Parameter AUC/MHK für eine erfolgreiche Therapie bei über 400 liegen sollte [21]. Die Schlussfolgerungen der Autoren zeigen, dass selbst nach so langer Erfahrung mit der Substanz noch Forschungsbedarf bei PK-PD-Beziehungen besteht:

„As this was a retrospective observational study, these findings need to be validated in a multi-center vancomycin AUC dose-optimized randomized outcomes trial before they can be incorporated into clinical practice“.

Dies ist nach 6 Jahrzehnten Therapie mit dieser Substanz eine ziemlich ernüchternde Feststellung.

Ausblick

Die zunehmende Multiresistenz von Bakterien stößt in Politik und Öffentlichkeit auf steigendes Interesse. Dabei hatte schon Alexander Fleming den rationalen resistenzvermindernden Einsatz von Antibiotika angemahnt. Wirklich wahrgenommen wurde seine Sorge in den vergangenen 7,5 Jahrzehnten nach Erstanwendung von Penicillin aber kaum.

Die Entwicklung von Strategien zur Eindämmung bakterieller Resistenz wird inzwischen auch von nationalen wie internationalen Organisationen finanziell gefördert. Was viele Jahrzehnte als einzige Antwort auf steigende Resistenz galt, die Entwicklung neuer Antibiotika, ist an seine Grenzen gestoßen. Nun scheint die Zeit gekommen zu sein, in der der Wille da ist, mit den vorhandenen Substanzen und Neuentwicklungen verantwortungsbewusst umzugehen. Die Einschränkung des Antibiotikaverbrauchs ist da ebenso ein Mittel, wie die Analyse des Konzentrationsverlaufs eines Antibiotikums im Körper und die Maßschneiderung von Dosierung und Dosierungsschema, die sich am pathophysiologischen Geschehen und an der MHK orientiert. Wie In-vitro-Ergebnisse dabei helfen können, wurde vor Kurzem gezeigt [38]. Ob eine optimale Dosierung und hohe Wirksamkeit der Antibiotika auch die Verhinderung einer Resistenz ermöglicht, wird die Zukunft zeigen müssen. Vorerst ist das Ziel nicht aus den Augen zu verlieren, eine möglichst kurze Therapiedauer anzustreben – wo immer das möglich ist.

3-Schritte-Konzept zur Antibiotikatherapie

Erfreulicherweise gibt es heute kaum eine Veranstaltung oder Publikation zu einer rationalen Antibiotikatherapie, in der nicht auch ein Beitrag zu PK-PD-Beziehungen vorgestellt wird. Das hat allerdings auch dazu geführt, dass unbewiesene PK-PD-Konzepte oft unkritisch ohne weitere Überprüfung übernommen und als „quasi bewiesen“ präsentiert werden [46]. Nach Ansicht der Autoren dieser Übersicht sollte jede intensivmedizinische Einrichtung ein 3‑Schritte-Konzept zur Durchführung einer rationalen Antibiotikatherapie in Betracht ziehen. Vor Schritt 1 ist jedoch eine Bestandsaufnahme zu machen, „wie und warum“ Antibiotika an der betreffenden Einheit „gerade so und nicht anders“ angewendet werden.

Nicht alles, was in Kliniken bisher ohne Konzentrationsbestimmungen der Antibiotika gemacht wurde, muss falsch gewesen ein. Die Erfahrung zeigt, dass mit Beginn von Konzentrationsmessungen oft viel zu schnell und unbegründet therapeutische Gewohnheiten verlassen werden. Bei der Auswahl des Labors zur Durchführung von Plasmaspiegelmessungen sollte die Erfahrung in der Messung von Antibiotika – belegt durch wissenschaftliche Publikationen in internationalen Journalen mit einem funktionierenden Begutachtungssystem – die entscheidende Rolle spielen, da die Analytik von Antibiotika gegenüber anderen Arzneimittelgruppen einige Besonderheiten besitzt. Ebenso sollte der Nachweis erbracht werden, dass das Labor nach den Kriterien der guten Laborpraxis (GLP) arbeitet und sich an Ringversuchen beteiligt, die es derzeit beispielsweise für Betalaktame allerdings nur in kleinem Kreise gibt.

Schritt 1

Über einen Zeitraum von mindestens 3 Monaten sind Plasmakonzentrationsmessungen unter der Aufsicht eines Arztes durchzuführen, der mindestens 3 Jahre klinische Erfahrung auf der betreffenden Station oder in der Klinik besitzt. Die Therapieregime werden unmittelbar vor oder während dieser Zeit nicht verändert. Danach werden die erhaltenen Plasmaspiegel der Patienten der Station mit der Literatur verglichen und es wird der Versuch unternommen, die durchgeführte Therapie durch Plasmaspiegel zu bestätigen oder offensichtliche Widersprüche zu erkennen.

Schritt 2

Zunächst wird eine Besprechung der Ergebnisse von Phase 1 mit erfahrenen Klinikern, Mikrobiologen und Pharmakologen vorgenommen. Wenn solche Fachdisziplinen lokal nicht zur Verfügung stehen, sind externe Fachleute hinzuzuziehen. Ziel dieser Analyse ist es, einen Beschluss der Klinikleitung zur Einführung eines TDM herbeizuführen, der die Option enthält, auf Plasmaspiegelmessungen mit Dosisanpassung zu reagieren. Dieser Phase dauert etwa 2 Monate.

Schritt 3

Mit Schritt 3 beginnt die konzentrationsgesteuerte Antibiotikatherapie (PEAK). Interne und externe Berater aus den Bereichen Mikrobiologie und Pharmakologie unterstützen die Station oder Klinik. Die Phase der Etablierung sollte mindestens ein Jahr dauern und sich auch nach der Zahl der Fälle richten. Gleichzeitig wird der Aufbau einer Datenbank mit allen Patientendetails vorgenommen, die auch weniger erfahrenen Ärzten ohne pharmakologische Ausbildung jederzeit eine konzentrationsgesteuerte Antibiotikatherapie und ein rationales TDM erlauben soll. Ein etabliertes TDM-System kann klinische Erfahrung zwar nicht ersetzen, aber durch die gemessenen Plasmakonzentrationen die Sicherheit geben, dass mögliche Misserfolge oder Nebenwirkungen nicht auf eine inadäquate Dosis oder Dosierungsfrequenz zurückzuführen sind. Der Kliniker also nach anderen Ursachen suchen muss. Jede Station oder Klinik sollte Normalwerte für Plasmakonzentrationen ermitteln, die von ihrer behandelnden Klinik stammen.

Externe Qualitätssicherung

Zu wünschen wäre, dass jede sorgfältig arbeitende intensivmedizinische Einheit ihre Erfahrungen einer externen „Beratung“ unterzieht, indem sie ihre Ergebnisse zur Publikation in einem – möglichst internationalen – Journal mit funktionierendem Begutachtungssystem einreicht. Kleinere Einheiten sollten das gemeinsam versuchen, um ausreichend große Fallzahlen zu erreichen oder die Zusammenarbeit mit wissenschaftlichen Gesellschaften suchen. Nur so kann sich die antibiotische Therapie mit alten wie neuen Substanzen lokal und global fortentwickeln und „verantwortungsbewusst“ genannt werden.

Rechtlicher Hinweis

Für die in diesem Artikel gemachten Dosierungs- und Verabreichungsempfehlungen übernehmen die Autoren keine Verantwortung. Arzneimittel sind nach den in der Fachinformation angegebenen Vorschriften zu verabreichen.

Fazit für die Praxis

  • Es erstaunt, dass mehr als 100 Jahre nach Einführung der antiinfektiven Chemotherapie durch Paul Ehrlich und 75 Jahre nach der Erstinfusion von Penicillin keine wissenschaftlich überzeugenden Konzepte zu einer adäquaten Antibiotikatherapie bestehen.

  • Bei der Behandlung von Schwerstkranken wird die Durchführung eines therapeutischen Drugmonitorings (TDM) empfohlen. Die erhaltenen Plasmakonzentrationen können in Beziehung zu den bisher bekannten PK-PD-Beziehungen gesetzt werden und bei ausreichender Erfahrung zu Änderungen der Dosis für den individuellen Patienten führen.

  • Jede Klinik sollte an ihrem Patientenkollektiv eigene Erfahrungen sammeln, die nach einer angemessenen Zeit Einzug in das standardisierte Behandlungsregime finden können. Kleinere Kliniken sollten den Kontakt zu in PK/PD erfahrenen Kliniken suchen.