Hintergrund

Vorhofflimmern stellt die häufigste Arrhythmieform im klinischen Alltag dar. Die Prävalenz steigt mit dem Alter und ist abhängig von multiplen bekannten Risikofaktoren wie z. B. arteriellem Hypertonus, Vorhandensein einer strukturellen Herzerkrankung und Klappenvitien oder extrakardialen Ursachen wie Schilddrüsendysfunktion, Diabetes mellitus und Schlafapnoe-Syndrom [1]. Die aktuell verfügbaren Therapiemöglichkeiten können unterteilt werden in nichtinvasive pharmakologische und invasive Therapien in Form der Radiofrequenzablation. Im Bereich der therapeutischen Möglichkeiten wird viel geforscht, und es wurden auch Fortschritte in den letzten Jahren erzielt. Der Therapieerfolg sowohl der pharmakologischen als auch der interventionellen Therapien ist jedoch immer noch nicht wirklich zufriedenstellend [1, 2]. Während die Vorhofflimmer- bzw. Pulmonalvenenablation mittlerweile zwar ein etabliertes Verfahren für die Therapie des paroxysmalen Vorhofflimmerns darstellt, sind die Erfolgsraten v. a. beim persistierenden Vorhofflimmern deutlich geringer und meist auch mit multiplen und zeitintensiven Prozeduren verknüpft. Im Hinblick auf weitere Verbesserungen der Therapien, das klare Identifizieren der bestmöglichen Therapie für den individuellen Patienten sowie für das frühzeitige Erkennen eines Patienten, welcher ein hohes Risiko besitzt, Vorhofflimmern zu entwickeln, ist die Entschlüsselung der zugrunde liegenden Mechanismen der Vorhofflimmerentstehung und -unterhaltung unabdingbar. In den letzten Jahren wurden große Fortschritte im Hinblick auf die genetische Prädisposition von Vorhofflimmern erzielt und verschiedene Genloci identifiziert, welche mit Vorhofflimmern vergesellschaftet sind [3]. Neben den Fortschritten der Genetik bestimmte jedoch v. a. ein komplett neues Gebiet die kardiovaskuläre Grundlagenwissenschaft in den letzten Jahren: die micro-RNA (miRNA). Hierbei handelt es sich um kurze RNA-Fragmente, die direkt in die posttranslationale Regulation der Proteinexpression eingreifen. Diese miRNAs stellen damit sowohl neue Regulatoren zur Vermittlung von Remodelling-Vorgängen als auch neue therapeutische Ziele dar, welche in den nächsten Jahren weiter erforscht werden sollen. Des Weiteren ergaben neueste Untersuchungen, dass miRNAs in Form von Vesikeln stabil im Blut zirkulieren und ihnen damit ggf. auch eine potenzielle Rolle als Biomarker, z. B. bei der koronaren Herzerkrankung oder der Herzinsuffizienz, zukommen könnte [4, 5, 6].

Dieser Artikel soll einen Überblick über die neuesten Forschungsergebnisse im Hinblick auf die microRNA im Bereich der Vorhofflimmermechanismen liefern. In diesem Zusammenhang wird primär kurz auf die Hauptmechanismen des Vorhofflimmerns eingegangen, anschließend die potenzielle Rolle verschiedener miRNAs in diesen Paradigmen beschrieben sowie am Ende ein Ausblick auf die mögliche Rolle der miRNAs als therapeutische Ziele und Biomarker dargelegt.

MicroRNA

Bei miRNAs handelt es sich um nichtkodierende kurze, etwa 20 bis 25 Nukleotide lange RNA-Fragmente, welche ubiquitär vorkommen und direkt in die Genregulation des Transkriptions-Translations-Prozesses eingreifen. Die miRNAs sind eine Art „Feintuner“ der Genexpression: Während die Genexpression primär über eine veränderte Quantität der abgeschriebenen Messenger-RNA (mRNA) reguliert wird, wirken miRNAs an der Feinregulation nach dem Transkriptionsprozess mit. MiRNAs sind funktionell reine Repressoren der Genexpression, d. h. sie sind in der Lage, den Umschreibevorgang der mRNA zu Proteinen zu unterbinden und damit zu einer reduzierten Expression des betreffenden Zielproteins zu führen. Der Mechanismus funktioniert durch die Bindung der kurzen miRNA an komplementäre Sequenzen der 3’-UTR-Region der proteinspezifischen mRNA, welche dadurch entweder nicht weiter verarbeitet werden kann (d. h. ein Ablesen der mRNA ist dann nicht mehr möglich) oder eine direkte Degradation der mRNA im Zytoplasma zur Folge hat. Kurz zusammenfassend fungiert die miRNA als spezifischer Hemmregulator für die Proteinexpression, und zwar einen Schritt nach dem Transkriptions-Translations-Prozess, und ist damit der allgemeinen Genexpression, welche u. a. durch Transkriptionsfaktoren reguliert wird, als Feinregulator nachgeschaltet. Diese Regulation der Proteinexpression scheint u. a. bei der Ausbildung der Herzhöhlen und des elektrischen Reizleitungssystems eine wichtige Rolle in der kardialen Embryogenese einzunehmen. In den letzten Jahren wurden viele neue miRNAs entdeckt und ihre Bedeutung für die kardiale Physiologie bzw. Pathophysiologie weiter untersucht [7]. Es wird vermutet, dass mehr als 1000 miRNAs im menschlichen Genom kodiert werden. Basierend auf der spezifischen, jedoch kurzen Zielsequenz innerhalb der 3’-UTR-Region des miRNA-Zielgens ist es einer spezifischen miRNA auch möglich, an verschiedene Zielgene zu binden und damit Cluster von verschiedenen Proteinen gleichzeitig zu regulieren. Dies scheint u. a. wichtig für pathophysiologische Umbauprozesse, z. B. im Rahmen von atrialer Dilatation oder nach einem Myokardinfarkt, bei denen verschiedene profibrotische Proteine vermehrt produziert werden müssen, um entsprechend die extrazelluäre Matrix aufzubauen. In diesem Fall kann die verminderte Produktion einer einzelnen spezifischen miRNA zur vermehrten Produktion (durch Wegfall der miRNA-Hemmung) verschiedener profibrotischer Proteine führen.

Pathophysiologie des Vorhofflimmerns

Die allgemeine Pathophysiologie des Vorhofflimmerns lässt sich grob in zwei zugrunde liegende arrhythmogene Hauptmechanismen unterteilen, nämlich Ektopie und Reentry (kreisende Erregung). Die Ursachen für die Entstehung atrialer Ektopie und für atriales Reentry generieren sich aus multiplen Veränderungen z. B. der Ionenkanalaktivität und -expression, Veränderungen der zellulären Kalziumhomöostase, strukturellen Umbauvorgängen des Vorhofs (einschließlich atrialer Dilatation und atrialer Fibrose) oder z. B. verstärkter atrialer Automatizität. Alle diese Veränderungen beeinflussen, direkt oder indirekt, die Entstehung und/oder die Unterhaltung des Vorhofflimmerns, indem sie für einen arrhythmogenen „Trigger“ oder für ein arrhythmogenes „Substrat“ sorgen. Diese funktionellen und strukturellen Veränderungen am Vorhof werden übergreifend als atriales Remodelling bezeichnet. Im Folgenden soll kurz auf diese Remodelling-Vorgänge und ihre direkten arrhythmogenen Effekte eingegangen werden; eine detaillierte Beschreibung der pathophysiologischen Grundlagen des Vorhofflimmerns kann in der Literatur nachgelesen werden [8, 9]

Ektopie

Es scheint weitgehend akzeptiert, dass v. a. die paroxysmale Form des Vorhofflimmerns mit einer verstärkten supraventrikulären Ektopie vergesellschaftet ist. Im Fokus stehen hier, v. a. im Hinblick auf die interventionelle Therapie, die Pulmonalvenen mit ihren ektopen Muskelfasern, welche wohl maßgeblich zu der Initiierung des Vorhofflimmers beitragen. Neben den Pulmonalvenen können supraventrikuläre Ektopien natürlich auch von anderen Orten des atrialen Myokards ausgehen und damit zum Auftreten von Vorhofflimmern beitragen [10].

Fokale atriale Ektopie basiert prinzipiell auf drei verschiedenen Mechanismen (Abb. 1; [8]):

  • vermehrte Automatizität,

  • späte Nachdepolarisationen (DADs, „delayed after depolarizations“),

  • frühe Nachdepolarisationen (EADs, „early after depolarizations“).

Abb. 1
figure 1

Mechanismen ektoper Erregungsbildung

In diesem Zusammenhang wird beim Vorhofflimmern v. a. der veränderten Kalziumhomöostase und den späten Nachdepolarisationen (DADs) eine wichtige Rolle zugeschrieben [11]. Sowohl in experimentellen Tiermodellen als auch an humanem Gewebe von Patienten mit Vorhofflimmern konnten Veränderungen der Kalziumhomöostase nachgewiesen werden [8]. Es scheint, dass durch eine pathologisch erhöhte intrazelluläre Kalziumionenkonzentration in der Diastole das Auftreten von DADs verursacht wird. Dies führt zu einer vermehrten zellulären getriggerten Aktivität und damit zu einer ausgeprägten erhöhten Ektopieneigung [12, 13]. Das Auftreten von frühen Nachdepolarisationen wird v. a. bei genetischen Prädispositionen bei Ionenkanalveränderungen vermutet, welche mit einer Verlängerung der Aktionspotenzialdauer vergesellschaftet sind. Daher scheint wohl auch eine Assoziation verschiedener Long-QT-Syndrome mit Vorhofflimmern zu existieren [8, 12, 13]. Hinsichtlich einer vermehrten Automatizität gibt es Hinweise, dass es bei gewissen Krankheitsbildern (z. B. Herzinsuffizienz) zu einer vermehrten Expression der sog. Schrittmacher-Ionenkanäle, der „funny channels“ („I f current“), kommt [4].

Reentry

Eine weitere pathophysiologische Grundlage stellt das Auftreten kreisender Erregungen („re-entry“) dar bzw. die Fähigkeit des Atriums, kreisende Erregungen zu generieren. In Hinblick auf Reentry gibt es grundsätzlich zwei prädisponierende Faktoren (Abb. 2 a,b,c,d):

  • funktionelles Remodelling mit Verkürzung der Refraktärzeit (Abb. 2 b) oder Verlangsamung der Leitungsgeschwindigkeit (Abb. 2 c),

  • strukturelles Remodelling, z. B. im Sinne einer atrialen Fibrosierung, welches ein anatomisches Substrat für Reentry bildet (Abb. 2 d).

Abb. 2
figure 2

Reentry-Mechanismen

Elektrisches (funktionelles) Remodelling

Bezüglich des sog. elektrischen Remodellings gibt es viele Daten, die nahelegen, dass eine Verkürzung der Aktionspotenzialdauer und damit eine Verkürzung der effektiven atrialen Refraktärzeit (AERP) als Grundlage für das Auftreten und die Unterhaltung des Vorrhofflimmerns eine entscheidende Rolle beim Progress der Erkrankung spielen. Die Gruppe um Maurits Allessie konnte 1995 an einem Ziegenmodell zeigen [14], dass es durch das Auftreten bzw. die Induktion von Vorhofflimmern zu einer selbstinduzierten Progression der Erkrankung kommt. Hierbei scheint eine Verkürzung der AERP die pathophysiologische Grundlage zu bilden. Als Folge der hohen atrialen Frequenz während des Vorhofflimmerns kommt es zu einer zellulären Kalziumüberladung. Die Zelle reagiert mit einer Verkürzung des Aktionspotenzials, um den Kalziumeinstrom quantitativ zu verringern und damit der Kalziumüberladung entgegenzuwirken. Diese Verkürzung der AERP begünstigt dann jedoch wiederum das Auftreten von Reentry und damit eine weitere Progression des Vorhofflimmerns. In diesem Zusammenhang wird den Strömen zweier Ionenkanälen eine kritische Rolle zugeschrieben, nämlich dem plateaubildenden L-Typ-Kalzium-Strom und dem repolarisierenden Kaliumstrom I K1. Initial kommt es zu einer Reduktion des L-Typ-Kalziumstroms mit einer Verkürzung der Plateauphase des Aktionspotenzials. Anschließend kommt es zu einer Erhöhung des I K1 Strom, welcher zu einer akzelerierten Repolarisation und damit zu einer weiteren Verkürzung der Aktionspotenzialdauer beiträgt [4]. Eine weitere Rolle wird dem acetylcholinsensitiven Kaliumkanal I K,ACh zugeschrieben, welcher im Rahmen des Vorhofflimmerns konstitutiv aktiviert wird [8].

Strukturelles Remodelling

In den letzten Jahren wurde die Rolle der atrialen Fibrosierung bei Vorhofflimmern intensiv studiert. Es scheint, dass eine vermehrte atriale Fibrose, welche im Rahmen einer atrialen Dilatation z. B. bei linksventrikulärer Herzinsuffizienz entsteht, substanziell zur Bildung eines arrhythmogenen Substrats beiträgt. Die Fibrosierung am Vorhof erscheint kaum reversibel bzw. irreversibel [15] und trägt maßgeblich dazu bei, Vorhofflimmern im fortgeschrittenen Stadium der Erkrankung (persistierend-permanent) zu unterhalten. Daher wird auch viel Aufwand betrieben, um die zugrunde liegenden molekularen Mechanismen zu entschlüsseln und neue Therapieansätze zu generieren, welche prophylaktische Maßnahmen zur Verhinderung der atrialen Fibrosierung zum Ziel haben. Das atriale strukturelle Remodelling läuft über multiple Signalkaskaden; u. a. scheinen das Renin-Angiotensin-System, TGF („transforming growth factor)-β1 und oxidativer Stress eine wichtige Rolle zu spielen [16]. Es gibt auch klinische, mittels Magnetresonanztomographie gewonnene Daten, die nahelegen, dass ein struktureller Umbau des Vorhofs mit schlechteren Erfolgsaussichten einer Ablationstherapie assoziiert ist [17, 18]. Insgesamt scheint der strukturelle Umbau des Vorhofs ein potenziell wichtiges Surrogat für den Therapieerfolg darstellen zu können. In diesem Hinblick wird auch die Rolle von verschiedenen Biomarkern diskutiert.

Potenzielle Rolle der miRNA im Rahmen des Vorhof-Remodellings

Rolle der miRNAs bei elektrischen Remodelling-Vorgängen

Im Rahmen des elektrischen Remodellings stehen v. a. die Verkürzung der Aktionspotenzialdauer und die damit assoziierte Veränderung spezifischer Ionenkanalexpression und -aktivität im Vordergrund. In diesem Zusammenhang sind bis zum heutigen Zeitpunkt bereits einige miRNAs untersucht und beschrieben worden. Eine der wichtigsten kardialen miRNAs ist die miR-1, welche wohl eine wichtige Rolle innerhalb der elektrischen Leitungseigenschaften im Myokard einnimmt. Es konnte gezeigt werden, dass die miR-1 das Protein Kir2.1, welches eine Untereinheit des I K1 darstellt, supprimiert und damit die Repolarisation potenziell beeinflusst. Zudem besteht eine direkte Regulation des Connexin-43 [19], eines Proteins, welches für die Zell-Zell-Kopplung wichtig und damit auch für die Erregungsausbreitung verantwortlich ist. Girmatson et al. konnten zeigen, dass in atrialem Gewebe von Patienten mit persistierendem Vorhofflimmern miR-1 signifikant reduziert ist und auch mit einer erhöhten Expression der I K1-Untereinheit Kir2.1 vergesellschaftet war [20]. Zudem gelang es den Autoren, einen direkten kausalen Zusammenhang zwischen tachykarder Stimulation, miR-1-Reduktion und erhöhter Kir2.1-Expression ex vivo nachzuweisen. Des Weiteren konnten Terentyev et al. eine Rolle der miR-1 in Zusammenhang mit Ca2+-assoziierten zellulären Veränderungen an ventrikulären Myozyten nachweisen, welche zu späten Nachdepolarisationen führen und damit als potenziell arrhythmogen zu werten sind [21].

Darüber hinaus wurde auch miR-26 näher untersucht, und man konnte nachweisen, dass miR-26, wie auch miR-1, die I K1-Untereinheit Kir2.1 reguliert. In tierexperimentellen Versuchen an Mäusen konnte gezeigt werden, dass eine Suppression der miR-26-Expresssion mit miR-26-Antagonisten (miR-26 antagomiR) zu einer erhöhten Vulnerabilität bezüglich Vorhofflimmern führt. Man stellte die Hypothese auf, dass durch eine reduzierte miR-26-Expression eine erhöhte Expression der I K1-Untereinheit resultiert, welche potenziell zu einer akzelerierten Repolarisation führt und damit zum Auftreten von Vorhofflimmern beiträgt [4].

Für miR-328 konnte kürzlich gezeigt werden, dass ein direkter und wohl relevanter Zusammenhang zwischen miR-328 und dem L-Typ-Ca2+-Strom (I CaL) besteht. Lu et al. konnten zeigen, dass miR-328 sowohl in atrialem Gewebe von Vorhofflimmerpatienten als auch in Vorhöfen von Hunden nach 8-wöchiger hochfrequenter atrialer Stimulation signifikant hochreguliert war [22]. Zudem konnte man nachweisen, dass die von miR-328 regulierten Untereinheiten des I CaL (α1c, β1) signifikant herunterreguliert waren und eine Überexpression von miR-328 mit einer vorhofflimmerbegünstigenden Aktionspotenzialverkürzung assoziiert war. Insgesamt weisen diese Daten darauf hin, dass eine vermehrte Expression von miR-328 mit Vorhofflimmern assoziiert sein könnte.

Rolle der miRNA in strukturellem Remodelling

Auch im Hinblick auf das atriale strukturelle Remodelling konnten verschiedene miRNAs als potenziell interessant identifiziert werden. So konnten Shan et al. zeigen, dass in einem Hundemodell mit prominenter atrialer Fibrose sowohl miR-133a als auch miR-590 in atrialen Fibroblasten vermindert waren und mit einer vermehrten Expression des TGF-β1 und des TGF-β1-Rezeptors einhergingen, welche als direkte Zielgene dieser miRNAs identifiziert werden konnten [23]. Duisters et al. konnten nachweisen, dass miR-133 und miR-30 auch direkt in die Fibrosekaskade eingreifen, indem sie den profibrotischen „connective tissue growth factor“ (CTGF) regulieren und damit eine Fibrose unterdrücken [24]. Chen et al. konnten schließlich in einem Herzinsuffizienz-Hundemodell mit atrialer Fibrose die profibrotische reduzierte Expression von miR-133, miR-30, miR-29b und eine erhöhte Expression von miR-21 nachweisen [25]. Hier stellt die miR-29b einen interessanten Befund dar. Unsere Arbeitsgruppe konnte zeigen, dass miR-29b einen wichtigen Regulator der atrialen Kollagenproduktion darstellt. In einem Hundemodell konnten wir die direkte Korrelation der miR-29b-Reduktion mit einer erhöhten Kollagenexpression sowohl in vitro als auch in vivo nachweisen [26]. Darüber hinaus gelang es uns, auch im Gewebe von Patienten mit persistierendem Vorhofflimmern eine signifikant reduzierte miR-29b-Expression im Vergleich zu Sinusrhythmuspatienten nachzuweisen. Hinsichtlich der miR-21, welche wohl indirekt (durch erhöhte Expression) profibrotisch zu wirken scheint, konnte zudem durch die Arbeitsgruppe von Prof. U. Laufs eine potenzielle Rolle der miR-21-Hochregulation hinsichtlich des Krankheitsbildes Vorhofflimmern und atrialer Fibrose beschrieben werden [27].

Ein Überblick über alle potenziell für das Vorhofllimmern relevanten miRNAs und ihre möglichen arrhythmogenen Funktionen ist in Tab. 1 dargestellt.

Tab. 1 Funktionelles und strukturelles Remodelling

Ausblick und mögliche klinische Perspektiven

Therapeutischer Einsatz

Die zukünftige Rolle der microRNA in der kardiovaskulären Medizin und auch speziell beim Vorhofflimmern erscheint potenziell sehr interessant und vielversprechend. Dies basiert v. a. auf zwei Punkten:

  • MiRNAs scheinen in viele verschiedene Remodelling-Vorgänge einzugreifen und bieten sich damit natürlich als ein interessantes therapeutisches Ziel an.

  • MiRNAs können relativ einfach und gezielt mittels Einbringen von spezifischen miRNA-Antagonisten (Antagomir, LNAs) in ihrer Funktion manipuliert werden, indem diese komplementärsträngigen Antagonisten die miRNA spezifisch binden und damit ausschalten [28]. Das Einbringen dieser Antagonisten kann z. B. über den Kreislauf oder intramuskuläre Injektion erfolgen. Dies ist bereits auch an verschiedenen pathologischen Tiermodellen erfolgreich geschehen [28].

Auch in anderen Bereichen der Medizin wird bereits die klinische Erprobung der miRNA-Manipulation getestet, z. B. bei Leberneoplasien oder auch bei der renalen Fibrose [29, 30]. Gerade die Möglichkeit, fibrotische Prozesse zu unterbinden, ist im Hinblick auf das Vorhofflimmern wahrscheinlich eine interessante Möglichkeit, um dem strukturellen Remodelling entgegenzuwirken. Allerdings ist es zum aktuellen Zeitpunkt noch viel zu früh, um bereits an die klinische Erprobung bei Vorhofflimmern zu denken. Dazu müssen weitere Studien im tierexperimentellen Rahmen erfolgen, um klare Konzepte zu entwickeln und die Bedeutung der miRNA beim Vorhofflimmern weiter zu entschlüsseln.

Biomarker

Während der therapeutische Einsatz der miRNA in der Klinik noch weiter in der Zukunft liegt, ist eine Bedeutung der miRNA als Biomarker im klinischen Alltag doch denkbar. Wie anfangs beschrieben, wurde die miRNA bereits als Biomarker bei verschiedenen klinischen Krankheitsbildern untersucht (z. B. Herzinsuffizienz, koronare Herzerkrankung, Lebererkrankungen usw.; [5, 31, 32]). Im Hinblick auf die Rolle der miRNA als Biomarker bei Vorhofflimmern untersuchte unsere Gruppe insgesamt 90 Patienten mit Vorhofflimmern und Herzinsuffizienz oder beiden Krankheitsbildern [26]. In unserem Patientenkollektiv untersuchten wir miRNAs, welche potenziell in das strukturelle atriale Remodelling eingreifen. Hierbei konnten wir nachweisen, dass die miR-29b im Plasma von Patienten mit Vorhofflimmern (ohne Herzinsuffizienz) im Vergleich zu herzgesunden Patienten signifikant erniedrigt ist. Auch Patienten mit Herzinsuffizienz zeigten die miR-29b-Erniedrigung im Plasma im Vergleich zum Kontrollkollektiv. Interessanterweise zeigten Patienten mit Vorhofflimmern und Herzinsuffizienz eine noch weitere Reduktion der miR-29b-Plasmaspiegel im Vergleich zu Patienten mit jeweils nur einem der beiden Krankheitsbilder [26]. Diese Daten legen nahe, das miR-29b als Biomarker bei Vorhofflimmern eine potenzielle Rolle einnimmt und basierend auf den grundlagenwissenschaftlichen Erkenntnissen (profibrotische Rolle) möglicherweise als Surrogatmarker für das Ausmaß des atrialen Remodellings fungieren könnte, was natürlich wichtige Implikationen für die patientenspezifische Vorhofflimmertherapie zur Folge hätte.

Diese Annahmen sind aktuell zwar rein hypothetisch und müssen weiter untersucht werden, doch die miRNA scheint ein sehr interessanter neuer Spieler im Bereich der kardiovaskulären Forschung und Medizin zu sein. Insgesamt sollte man jedoch aktuell noch vorsichtig sein mit zu frühen Vorschusslorbeeren, denn erst die nächsten Jahre werden zeigen, ob die miRNA all die großen Erwartungen erfüllen kann.