Zusammenfassung
Als Marnie 1964 in die Kinos kam, stieß der 49. Kinofilm Alfred Hitchcocks bei Publikum und Kritik zum überwiegenden Teil auf Indifferenz und Ablehnung. Von heute aus betrachtet könnte diese Reaktion den für die damalige Zeit ungewöhnlichen Inhalten geschuldet sein, die Hitchcock mit illusionslosem Blick in einem seiner emotionalsten Werke behandelte. Der Aufsatz arbeitet davon zwei Aspekte heraus. Zum einen macht er deutlich, dass Marnie aufzeigt, wie es einer Frau der 1960er-Jahre gelingt, aus dem Stoff von Traumatisierung und seelischer Vernachlässigung das Bild einer in einigen Punkten zwar eingeschränkten, dabei aber auch ungemein starken und unabhängigen Frau zu formen. Hitchcock machte damit deutlich, welch eine gestaltende, ja verwandelnde Kraft seelische Produktionen erreichen können. Die zweite, in der Mitte des 20. Jahrhunderts nicht goutierte „Wahrheit“ könnte das im Film durchscheinende Bild von der Liebe betreffen. Denn in dieser Beziehung zeigt Hitchcock auf, dass es sich bei der Liebe nicht etwa um ein „Gefühl“ handelt. Liebe, das macht das späte Werk auf eindringliche Weise spürbar, ist ein schwergängiger Kultivierungsprozess roher seelischer Gestaltungen wie Bemächtigung, Aneignung und Zerstörung. Inzwischen haben sich Teile der Kultur solche psychoanalytischen Desillusionierungen zu eigen gemacht. Auch deshalb kann Marnie heute als ein psychologische Tiefen auslotendes, reifes Werk Alfred Hitchcocks rezipiert werden.
Access this chapter
Tax calculation will be finalised at checkout
Purchases are for personal use only
Similar content being viewed by others
Literatur
Durgnat R (1974) The strange case of Alfred Hitchcock. Faber and Faber, London
Hobbes T (1986 [1651]) Leviathan: Erster und zweiter Teil. Reclam, Stuttgart
McGilligan P (2003) Alfred Hitchcock. A life in darkness and light. HarperCollins Publishers, London
Salber W (2008) Die eine und die andere Seite. Reise in ein Verzauber-Land. Bouvier, Bonn
Salber W, Pütz C, Conrad M (2015) Seele macht Filme. Filme machen Seele. HPB University Press, Berlin
Sindelar B (2017) Der rettende Ehemann. In: Poltrum M, Rieken B (Hrsg) Seelenkenner Psychoschurken. Psychotherapeuten und Psychiater in Film und Seele. Springer, Berlin/Heidelberg, S 319–332
Spoto D (2015 [1999]) The dark side of genius. The life of Alfred Hitchcock. Kindle Edition. Dansker Press, New York
Truffaut F (1997 [1973]) Mr. Hitchcock, wie haben Sie das gemacht? Wilhelm Heyne, München
Author information
Authors and Affiliations
Editor information
Editors and Affiliations
Rights and permissions
Copyright information
© 2021 Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer-Verlag GmbH, DE, ein Teil von Springer Nature
About this chapter
Cite this chapter
Blothner, D. (2021). „You Freud, me Jane?“ – Bilder von Weiblichkeit und Liebe in Alfred Hitchcocks Marnie (US 1964). In: Pramataroff-Hamburger, V., Hamburger, A. (eds) Von La Strada bis The Hours - Leidende und souveräne Frauen im Spielfilm. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-62681-8_13
Download citation
DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-662-62681-8_13
Published:
Publisher Name: Springer, Berlin, Heidelberg
Print ISBN: 978-3-662-62680-1
Online ISBN: 978-3-662-62681-8
eBook Packages: Psychology (German Language)