Zusammenfassung
Im Rahmen des Beitrags wird der Frage nachgegangen, inwiefern der konstatierte Strukturwandel der Medizin einen neuen Typus von Professionalität hervorbringt, in dem sich Wissen und Wertorientierung medizinischer Herkunft und manageriale Handlungsorientierung verschränken. Argumentiert wird im Rückgriff auf eine empirische Studie im Feld der Krebsmedizin, die sich in besonderer Weise durch das widersprüchliche Verhältnis zwischen wissenschaftlichem Antrieb und der Suche nach neuen therapeutischen Behandlungsmöglichkeiten sowie Heilungschancen einerseits und den Verwerfungen einer von hohem Investitionsrisiko, internationalem Wettbewerb und beispielloser Kapitalspekulation getriebenen Branche andererseits auszeichnet. Vor diesem Hintergrund wird der Frage nachgegangen, ob und inwiefern sich fachliche und berufsethische Orientierungen mit den kommerziellen Zwängen der industriellen Wirkstoffforschung vereinbaren lassen und welchen Einfluss die Tätigkeit für die pharmazeutische Industrie auf das professionelle Selbstverständnis hat. Analytische Kriterien wie Autonomie, Expertise, Wertorientierung, professionelle Identitäten und kollegiale Bindungen werden anschließend materialbasiert systematisiert, theoretisch interpretiert und in die aktuelle professionssoziologische Debatte eingeordnet.
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Notes
- 1.
Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird in diesem Kapitel teilweise das generische Maskulinum verwendet. Dieses impliziert natürlich immer auch die weibliche Form.
- 2.
Der Titel des Forschungsprojektes lautet „Zwischen Moral und Effizienz. Zum professionellen Selbstverständnis von Mediziner_innen in der industriellen Krebsforschung“ und wurde von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (SCHN952 8-1) gefördert. Das Projekt wurde von der Autorin geleitet und bearbeitet.
- 3.
Als Theorien mittlerer Reichweite bezeichnet man Erklärungsmodelle, die nicht beanspruchen, eine allgemeine Gesellschaftstheorie zu sein, aber auch nicht nur auf Aussagen zu Einzelphänomenen begrenzt sind. Vielmehr werden komplexe Zusammenhänge eines gesellschaftlichen Teilbereiches herausgearbeitet.
- 4.
Diese allgemeinen Tendenzen in den Professionen gelten für die Medizin zwar auch, aber in geringerem Umfang, da in dieser Berufsgruppe die Homogenität von Herkunft, Einstellungen und Lebensstil im Vergleichszeitraum und im Vergleich zu anderen Professionen sehr stabil ist (Kap. 14).
- 5.
Im Rahmen der Studie wurden verschiedene Materialtypen erzeugt, die aus umfassenden Dokumentenanalysen, ethnografischen Beobachtungen (insbesondere auf zwei mehrtägigen Fachtagungen), qualitativen Interviews mit 14 krebsmedizinischen Experten (bspw. in der Rolle der Leitung von Tumorzentren oder -kliniken sowie als Repräsentanten von Organisationen) und mit MedizinerInnen, die für die pharmazeutische Industrie tätig waren, stammen. Methodologisch wurde bei der Auswertung auf das Repertoire der interpretativen Soziologie zurückgegriffen. Bei 11 qualitativen Tiefeninterviews wurde ein berufsbiografischer Ansatz verfolgt, der mit Elementen des problembezogenen narrativen Interviews kombiniert wurde.
- 6.
Aus Gründen der zugesicherten Anonymisierung entfällt eine genauere Bezeichnung des Symposiums.
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Schnell, C. (2018). Zum Strukturwandel der Medizin am Beispiel der Krebsforschung. In: Klinke, S., Kadmon, M. (eds) Ärztliche Tätigkeit im 21. Jahrhundert - Profession oder Dienstleistung. Springer-Lehrbuch. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-56647-3_9
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