Zusammenfassung
Wissen über Sprache entsteht nicht erst, wenn Sprache im Deutschunterricht thematisiert wird. Die metasprachliche Entwicklung beginnt viel früher und speist sich aus den Erfahrungen mit Sprachnutzung und der Reflexion über das eigene Sprachkönnen sowie den eigenen und fremden Sprachgebrauch. Wie die so entstandenen Vorstellungen über Sprache bzw. sprachbezogene Konzepte bei Drittklässler*innen beschaffen sind und wie diese im adaptiven Deutschunterricht genutzt werden können, steht im Fokus des vorliegenden Beitrags. Auf der Grundlage der Ergebnisse aus dem Forschungsprojekt MehrSprachen werden Implikationen für einen adaptiven Deutschunterricht formuliert.
Abstract
Knowledge about language does not only emerge when language is discussed in German lessons. The metalinguistic development begins much earlier. It draws on the experiences with language use, the reflection on one’s own language skills as well as one’s own and foreign language use. The focus of this article is on the nature of the resulting ideas of third-graders about language or language-related concepts and how they can be used in adaptive German lessons. Based on the results of the research project MultiLanguages, implications for adaptive German teaching are specified.
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28 June 2024
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Gefördert durch das BMBF.
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Das BMBF geförderte Projekt „MehrSprachen“ untersucht Auswirkungen eines Deutschunterrichts, in dem Mehrsprachigkeit als eine Ressource zur Sprachreflexion und zum Sprachvergleich genutzt wird, auf die Sprachbewusstheit mono- und multilingualer Schülerinnen und Schüler am Ende der Primarstufe.
Im Vorfeld der Untersuchung wurde zusammen mit Expertinnen und Experten ein Konzept eines integrativen Sprachvergleichs im Deutschunterricht der Grundschule entwickelt, das Mehrsprachigkeit als Ressource zur Reflexion über Sprache integrativ, situations- und schülerorientiert, gleichzeitig aber auch systematisch in den Deutschunterricht einbindet. Dieses wurde den Lehrkräften der Experimentalgruppe (N = 18) in einer 6-monatigen Fortbildung vermittelt.
Die Untersuchung der Sprachbewusstheit von Schülerinnen und Schülern (N = 400) erfolgte im Experimental- und Kontrollgruppendesign mit direkt nach der Intervention und sechs Monate danach. Auf der Schülerebene wurden vor der Intervention sowohl in der Experimental- als auch in der Kontrollgruppe Hintergrunddaten erhoben (Sprachkompetenzen in der deutschen Sprache mit dem Verfahren Tulpenbeet, IQ (CFT 20-R) sowie Daten zum Sprachgebrauch im familiären Umfeld und mit Peers). Die Erhebung von Sprachbewusstheit erfolgte mit dem Elizitationsverfahren M-SPRA (Wildemann et al. 2016). Dieses arbeitet mit metasprachlichen Impulsen und elizitiert Sprachbewusstheit auf fünf linguistischen Ebenen: graphematisch, phonologisch, lexikalisch, morphologisch, syntaktisch und pragmatisch.
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Wildemann, A., Bien-Miller, L. (2024). Sprachbezogene Konzepte mono- und multilingualer Schülerinnen und Schüler und ihr Potenzial für einen adaptiven Deutschunterricht in der Grundschule. In: Bien-Miller, L., Michalak, M. (eds) Aufgabenstellungen für sprachlich heterogene Gruppen. Edition Fachdidaktiken. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-42822-8_1
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