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Das politische System Hongkongs

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Die politischen Systeme Ostasiens
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Zusammenfassung

Die hier vorgenommene Darstellung des politischen Systems der chinesischen Sonderverwaltungsregion (SVR) Hongkong steht im Zeichen der zunehmenden Erosion des von der chinesischen Regierung für Hongkong konzipierten Modells „ein Land, zwei Systeme“. Mit der am 1. Juli 1997 vollzogenen Eingliederung der ehemaligen britischen Kronkolonie in die VR China ist ein formaler Rahmen gesetzt worden, innerhalb dessen die chinesische Zentralregierung eine wirtschaftlich und politisch weitgehende Selbständigkeit Hongkongs in Einklang mit ihren eigenen Souveränitätsansprüchen und nationalen Modernisierungszielen versprach. Jedoch geriet die Autonomie Hongkongs im Laufe der Jahre, und vor allem seit dem Beginn der Ära Xi Jinping 2012 in der VR China, zunehmend unter Druck. In diesem Kapitel wird, nach einem kurzen Aufriss der politischen Geschichte Hongkongs seit dem handover, zunächst das Regierungs- und Parteiensystem Hongkongs dargestellt. Es folgt eine knappe Analyse der Hongkonger Zivilgesellschaft, die sich nach dem handover dynamisch entwickelte und deren politischer Aktivismus in der „Regenschirm-Revolution“ des Jahres 2014 und den Protesten gegen ein von der SVR-Regierung initiiertes „Auslieferungsgesetz“ 2019 kulminierte. Mit der Entstehung einer distinkten Hongkonger Identität und ihrer Politisierung im Hongkonger „Lokalismus“ wird auf eine Problematik im Spannungsverhältnis zwischen Hongkong und der VR China verwiesen, die ungeachtet der nach 2019 einsetzenden Repression weiter wirksam sein wird. Abschließend geht der Beitrag auf die Erosion des Modells „ein Land, zwei System“ ein, die spätestens seit dem Machtantritt Xi Jinpings als zunehmender Bedeutungsverlust der Hongkonger Autonomierechte klar erkennbar ist.

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Notes

  1. 1.

    „Chinesische Oberhoheit“ bedeutet, dass die Auslegung des Basic Law in letzter Instanz dem Nationalen Volkskongress, dem chinesischen Zentralparlament, obliegt und die SVR Hongkong der Hoheitsgewalt des chinesischen Staates unterworfen ist.

  2. 2.

    Die offizielle Fassung des Basic Law findet sich auf der offiziellen Website der SVR-Regierung unter https://www.basiclaw.gov.hk/en/basiclaw/index.html.

  3. 3.

    So lautet der entscheidende Passus in Artikel 159: „The power to propose bills for amendments to this Law shall be vested in the Standing Committee of the National People’s Congress, the State Council and the Hong Kong Special Administrative Region.“

  4. 4.

    In dem spektakulären rights of abode-Fall hatte der Hongkonger Court of Final Appeal (CFA) Ende Januar 1999 entschieden, dass Kinder mit einem Elternteil mit Aufenthaltsrecht in der SVR dazu berechtigt wären, dieses Recht ebenfalls in Anspruch zu nehmen. Dieser Grundsatz sollte unabhängig von der Frage gelten, ob die Eltern zum Zeitpunkt der Geburt bereits ein Aufenthaltsrecht in der SVR genossen oder nicht. Das Urteil hätte angeblich bis zu 300.000 auf dem Festland geborenen Kindern ein sofortiges Aufenthaltsrecht in Hongkong eingeräumt, sofern nicht bestimmte Altersbeschränkungen dekretiert würden. Die Hongkonger Regierung befürchtete zudem, dass über die nächsten zehn Jahre ca. 1,6 Mio. Festlandchinesen sich auf das Urteil des Court of Final Appeal berufen würden, um in der SVR zu leben. Die Hongkonger Medien zeichneten daraufhin das Bild einer Immigrationswelle, die die wegen der Asienkrise bereits angeschlagene Wirtschaft ruinieren würde. Es entstand eine heftige innenpolitische Debatte, die die SVR-Regierung schließlich dazu veranlasste, den Ständigen Ausschuss des Nationalen Volkskongress in Beijing anzurufen und nach einer Auslegung der relevanten Artikel 22(4) und 24(2,3) des Basic Law zu ersuchen. Am 26. Juni 1999 legte der Ständige Ausschuss des NVK seine Interpretation vor, der zufolge ein Aufenthaltsrecht in Hongkong nur dann besteht, wenn mindestens ein Elternteil zum Zeitpunkt der Geburt des Kindes dieses Recht bereits besaß. Dem CFA blieb nichts anderes übrig, als dem NVK zu folgen und sein Urteil entsprechend zu korrigieren. Zudem mussten Festländer nunmehr bei den chinesischen Behörden eine vorherige Genehmigung zur Einreise nach Hongkong erwirken, bevor sie dort einen Antrag auf eine unbefristete Aufenthaltsgenehmigung stellen konnten. Diese Regelungen gelten bis heute; vgl. dazu auch Wong (2000).

  5. 5.

    Der Artikel 23 stellt Landesverrat, Sezession, Subversion und politische Agitation in der SVR unter Strafe. Zur Verfolgung dieser Straftatbestände mussten jedoch von der SVR-Regierung noch spezielle gesetzliche Regelungen geschaffen werden.

  6. 6.

    Manche Zahlen lagen noch wesentlich höher. Der große Zahlenunterschied beruht auf den sehr unterschiedlichen Schätzungen der Polizei einerseits und der Veranstalter andererseits, die nicht empirisch zu überprüfen waren bzw. sind.

  7. 7.

    Dabei handelte es sich um den Secretary of Justice, den Financial Secretary sowie um den an der Spitze der Hongkonger Verwaltung stehenden Chief Secretary of Administration.

  8. 8.

    Nach dem handover gab es 28 Funktionswahlkreise, in denen 30 der 70 Mandate des Legislative Council gewählt wurden. Es handelt sich um jeweils einen Vertreter der großen Wirtschafts- und Industrieverbände sowie Berufsvereinigungen, drei Vertreter der Gewerkschaften sowie einen Vertreter der 18 District Councils. Das 2021 von der Zentralregierung verfügte neue Wahlsystem hat an der absoluten Zahl der in den Funktionswahlkreisen gewählten Abgeordneten nichts geändert.

  9. 9.

    Die Annexe I und II des Basic Law, die die jeweilige Methode bei der Wahl des Chief Executive und des Legislative Council festlegen, ermöglichten prinzipiell die Einführung umfassender Direktwahlen für 2007 und 2008. Allerdings wurde dieser Schritt durch eine 2004 getroffene Entscheidung des Nationalen Volkskongresses in Beijing suspendiert. In den späteren Reformvorschlägen der chinesischen Zentralregierung, die schließlich zur „Regenschirm-Revolution“ des Jahres 2014 führten, wurde zudem deutlich, dass der Begriff „allgemeines Wahlrecht“ (universal suffrage) von Beijing anders interpretiert wurde als von der demokratischen Bewegung Hongkongs: So sollte sich dieses Recht lediglich auf die Wahl zuvor nominierter Kandidaten, nicht aber auf die Auswahl dieser Kandidaten selbst beziehen.

  10. 10.

    Die jüngste, im Mai 2022 durchgeführte, Wahl zum Chief Executive gewann John Ka-shu Lee, bis dato Chefbeamter der Hongkonger Verwaltung. Er folge auf Carrie Lam, die 2017 als erste Frau in dieses Amt gewählt worden war. Auch sie stand zuvor an der Spitze des Civil Service, sodass diese Ämterfolge sich zukünftig durchaus verstetigen könnte.

  11. 11.

    Die Delegierten Hongkongs beim Nationalen Volkskongress und der Politischen Konsultativkonferenz des Chinesischen Volkes werden ihrerseits von einem speziellen Gremium, der Electoral Conference, gewählt. Dessen Mitglieder werden von der chinesischen Zentralregierung ernannt. Sie gehören überwiegend pro-chinesischen Gewerkschaften und Berufsverbänden an oder sind Wirtschaftsvertreter. Die Chinese General Chamber of Commerce und die Hong Kong Federation of Trade Unions gelten als die wichtigsten Rekrutierungsorganisationen für diese Abgeordnetengruppen. Dem 13. NVK (2018–2023) gehören 36 Abgeordnete aus Hongkong an, der 13. Politischen Konsultativkonferenz 124 Hongkonger Abgeordnete.

  12. 12.

    Die Zusammensetzung des neuen Election Committee erfolgt weiterhin entlang der in Annex I des Basic Law ausgelegten Strukturierung, wobei nunmehr 27 Delegierte aus festlandchinesischen Verbänden sowie weitere 100 Delegierte aus „relevanten nationalen Organisationen“ in das Wahlkomitee entsendet werden.

  13. 13.

    Für die sich aus der schrittweisen Aufstockung der Direktmandate ergebende gleichzeitige Reduzierung der Zahl der von einem komplex zusammengesetzten Wahlkollegium indirekt gewählter Abgeordneter von 10 (1998) auf sechs (2000) und schließlich null (2004) wurde eine spezielle Regelung im Basic Law getroffen. Nach 2004 gab es bis zur Wahlrechtsreform von 2021 nur noch Direkt- bzw. Funktionswahlkreise.

  14. 14.

    Die dreißig Mandate der Funktionswahlkreise wurden bis 2016 in 28 Subsektoren von dort angesiedelten Verbänden gewählt, u. a. für „Landwirtschaft und Fischerei“, „Transport“, „Bildung“, „Gesundheitswesen“, „Immobilien“, „Tourismus“, „Handel“, „Industrie“, „Finanzen“, „Rechtswesen“. Der Subsektor „Arbeit“ entsendet drei Abgeordnete. Dabei wurde entweder nach dem Prinzip der einfachen Mehrheit der abgegebenen Stimmen (first past the post) für eine bestimmte Anzahl zuvor nominierter Kandidaten abgestimmt oder das Prinzip des Instant Runoff Voting angewendet, in dem die Wahlberechtigten ihre Kandidaten in eine Präferenzordnung bringen und der Kandidat gewinnt, der auf den verschiedenen Präferenzlisten am häufigsten oben steht. Der Subsektor „Arbeit“ entsendete seine Delegierten wiederum durch „Blockwahl“, in der aus einer beliebigen Anzahl von nominierten Kandidaten die drei mit den meisten Stimmen gewinnen. Nach den Reformen von 2021 wird in den 28 teilweise restrukturierten Funktionswahlkreisen nur noch einheitlich nach first past the post gewählt.

  15. 15.

    Dies ist dann möglich, wenn der Chief Executive die notwendige Unterschrift unter ein mit Zweidrittelmehrheit vom Legislative Council wiederholt eingebrachtes Gesetz nicht leisten will, oder aber der Legislative Council ein zustimmungspflichtiges Gesetz (etwa zum Haushalt der SVR) des Chief Executive verwirft.

  16. 16.

    Sollte der neu gewählte Legislative Council einem vom Chief Executive eingebrachten Gesetzesentwurf weiterhin die Zustimmung verweigern oder aber einen zuvor vom Chief Executive abgelehnten Gesetzesentwurf erneut mit Zweidrittelmehrheit einbringen, so muss der Chief Executive nachgeben oder seinen Rücktritt einreichen (BL Art. 52). Eine solche Konstellation ist angesichts der Mehrheitsverhältnisse im Legco allerdings kaum vorstellbar.

  17. 17.

    Mit Fillibustering ist die parlamentarische Praxis angesprochen, bei der die Minderheit durch langandauernde Reden Abstimmungen verhindert oder verzögert, die von der Mehrheit angestrebt werden.

  18. 18.

    Dazu gehören der Chief Secretary des Hongkonger Civil Service, der Financial Secretary, der Secretary of Justice, die Direktoren von 13 weiteren Verwaltungsbehörden (Directors of Bureaux) sowie die Spitzenbeamten der Hongkonger Polizei, der Anti-Korruptionsbehörde, des Rechnungshofes, der Zollbehörde und der Einwanderungsbehörde.

  19. 19.

    Die Bezeichnungen „chinakritisch“ bzw. „chinafreundlich“ werden hier konsequent in Anführungszeichen gesetzt, weil es sich um eine von regierungskritischen Kreisen eingeführte bzw. von politischen Beobachtern in ihrer subjektiven Bewertung des Hongkonger Parteiensystems vorgenommene Unterscheidung handelt.

  20. 20.

    Ein Sitz ging an einen „unabhängigen“ Vertreter eines Funktionswahlkreises.

  21. 21.

    Ein Sitz aus einem Funktionswahlkreis wurde von der Gruppierung Third Side gewonnen, einer Partei, die sich selbst jenseits des pro-chinesischen bzw. pan-demokratischen Lagers verortet.

  22. 22.

    Unter dem Gesichtspunkt der Geschlechterparität steht das Regierungssystem der SVR Hongkong, vor allem im Vergleich zu Taiwan, nicht besonders gut da: Lediglich 17 der im Dezember 2021 gewählten 90 Abgeordneten des Legco sind Frauen (18,9 %). Nur fünf Frauen zählten 2021 zu den 32 Mitgliedern des Exekutivyuans (15,6 %). Unter den 1160 Mitgliedern des Election Committee, das den Chief Executive wählt, betrug der Anteil weiblicher Delegierter 2020 lediglich 16,5 %. Die entsprechenden Angaben finden sich in https://www.legco.gov.hk/en/members/legco-members/members-biographies.html sowie https://www.eoc.org.hk/EOC/Upload/DiscriminationLaws/OtherResources/Gender%20Equality-Eng%20%28Aug%202021%29.pdf (Zugriff 14/05/2022).

  23. 23.

    Insgesamt soll das Liaison Office ca. 800 pro-chinesischen Organisationen in Hongkong koordinieren.

  24. 24.

    Einen Teil der Erklärung für die Erfolge des „pro-chinesischen Lagers“ liefert auch die beständige Zuwanderung von Festländern nach Hongkong. Nach einer Vereinbarung zwischen der chinesischen Zentralregierung und der SVR-Regierung dürfen jeden Tag (!) bis zu 150 Bürger der VR China nach Hongkong übersiedeln, vor allem aus Gründen der Familienzusammenführung. Dabei haben die Hongkonger Behörden allerdings keinen Einfluss auf die Auswahl dieser Personen. Durch Zuwanderung über dieses, bereits 1980 eingeführte, One-Way Permit Scheme wuchs die Hongkonger Bevölkerung in den ersten 20 Jahren nach dem handover um ca. eine Million Menschen.

  25. 25.

    So wurde nach den sozialen Unruhen von 1966/67 zunächst ein sog. City District Officer Scheme etabliert, aus dem 1971 das Home Affairs Department hervorging. Diesem wurde dann die Verantwortung für das 1982 ins Leben gerufene District Administration Scheme übertragen, dessen zentrale Institutionen bis heute die 18 Hongkonger District Councils und die District Management Committees sind. Mit diesen Maßnahmen sollte u. a. die Versorgung der Bevölkerung mit öffentlichen Gütern verbessert werden.

  26. 26.

    Eine wichtige Rolle spielte in diesem Kontext die Gründung des Joint Committee for the Promotion of Democratic Government 1986, eine Dachorganisation für 190 zivilgesellschaftliche Organisationen aus unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereichen, die sich unter der Führung von Szeto Wah und Martin Lee für demokratische Reformen einsetzte und zur Keimzelle der 1994 gegründeten Democratic Party wurde.

  27. 27.

    Heritage politics, also der Umgang mit dem kolonialen Erbe Hongkongs, wurde im Laufe der 2010er Jahre zu einem wichtigen Bezugspunkt zivilgesellschaftlichen Aktivismus in Hongkong und ist es bis heute geblieben (vgl. Cartier 2008).

  28. 28.

    Im Jahr 2020 galten nach offiziellen Angaben 7,9 % der Gesamtbevölkerung Hongkongs (ca. 554.000 Personen) sowie 10,2 % aller Haushalte als arm. Sowohl das Einkommensgefälle als auch die Einkommenskonzentration sind seit dem handover im Vergleich zur Kolonialzeit rapide angestiegen. 2020 verfügten 10 % der reichsten Haushalte über 4,7mal mehr Einkommen als die 10 % der ärmsten Haushalte. Dabei lag die Armutsquote der Frauen in der SVR im Durchschnitt der Jahre 2009 bis 2020 mit 24,2 % um 1,2 % höher als die der Männer; siehe Government of the Hong Kong Special Administrative Region (2021).

  29. 29.

    Als internationales Akronym dieser Bewegung hat sich AELABM durchgesetzt: Anti-Extradition Law Amendment Bill Movement.

  30. 30.

    Die Identitätsformierung in Hongkong ist in den letzten Jahren zunehmend zum Gegenstand der Forschung geworden; vgl. etwa Lam und Cooper (2018).

  31. 31.

    Nur wenige radikale Gruppierungen bzw. Parteien des „lokalistischen“ Lagers, wie etwa die im September 2018 verbotene Hong Kong National Party schrieben sich die Erlangung einer staatlichen Unabhängigkeit Hongkongs auf die Fahnen und stellten sich damit schon vor der Verabschiedung des Nationalen Sicherheitsgesetzes im Mai 2021 außerhalb des in Hongkong geltenden Rechtsrahmens. Für eine Annäherung an die unterschiedlichen „lokalistischen“ Strömungen in Hongkong vgl. Veg (2017); Ng und Kennedy (2019).

  32. 32.

    So sollten in den anstehenden Wahlen 2012 das den CE wählende Election Committee von 800 auf 1200 Mitglieder und die Zahl der Legco-Mandate von 60 auf 70 erhöht werden. Auch sollten die fünf zusätzlichen Sitze für die District Councils nach dem Verhältniswahlrecht bestimmt werden.

  33. 33.

    Sinnbild dieser Protestbewegung wurden gelbe Regenschirme, mit denen sich die demonstrierenden Menschen vor dem Tränengas schützten, das die Polizei massiv einsetzte.

  34. 34.

    Die notwendige Zweidrittel-Mehrheit für die Annahme des Reformpakets hätten die „chinafreundlichen“ Parteien zwar nicht erreicht, aber die Abgeordneten wollten durch Verlassen des Saales eine Verzögerung der Abstimmung erreichen, um auf einen verspäteten Kollegen zu warten und dann, in voller Stärke, für den Reformvorschlag zu votieren. Eine solche Aufschiebung sah die Geschäftsordnung des Legco aber nicht vor und die Abstimmung wurde in Abwesenheit der meisten pro-chinesischen Abgeordneten durchgeführt.

  35. 35.

    So nahmen, neben der allgemeinen politischen Unzufriedenheit, auch die Ressentiments gegen festlandchinesische Immigranten und Touristen spürbar zu. Diese explosive Gemengelage kulminierte in der Nacht vom 8. auf den 9. Februar 2016 in gewaltsamen Auseinandersetzungen in Mong Kok, einem Stadtteil von Kowloon, als die Polizei gegen unlizensierte Straßenverkäufer vorging und damit Proteste aufgebrachter Bürger auslöste. Mehr als 700 Akademiker und Professionals unterzeichneten daraufhin eine Petition, in der eine unabhängige Untersuchung der Ausschreitungen gefordert wurde. Die SVR-Regierung lehnte dies strikt ab. Der „Mong Kok-Aufstand“ hat sich im Rückblick als Vorbote der Protestbewegung von 2019 erwiesen.

  36. 36.

    Anders als die „Regenschirm-Revolution“ des Jahres 2014 war die Protestbewegung gegen das Auslieferungsgesetz bis zuletzt nicht zentral organisiert, sondern verfolgte vor allem in der letzten, besonders gewaltsamen, Phase eine Guerilla-Taktik, die weitgehend über die sozialen Medien und spezielle Messenger-Dienste koordiniert wurde. Es gab keine Aktivisten oder Aktivistinnen, die für die Bewegung sprechen konnten. Mit dieser Strategie zogen die demokratischen Kräfte die Konsequenzen aus der „Regenschirm-Revolution“, die ihnen gezeigt hatte, dass eine zentrale Organisation zu anfällig für Sanktionsmaßnahmen der Regierung war und außerdem die Opportunitätskosten für die Aufrechterhaltung und Geschlossenheit des Widerstands erhöhte.

  37. 37.

    Die genaue Bezeichnung lautete Fugitive Offenders and Mutual Legal Assistance in Criminal Matters Legislation (Amendment) Bill 2019.

  38. 38.

    Da es kein Rechtshilfeabkommen zwischen Hongkong und Taiwan gibt, sahen sich die Hongkonger Strafverfolgungsbehörden außerstande, den Täter nach Taiwan auszuliefern oder Mordanklage in der SVR zu erheben. Er wurde lediglich wegen Kreditkartendiebstahl angeklagt und zu 29 Monaten Gefängnis verurteilt.

  39. 39.

    Drei Ereignisse stachen in der Konfrontation auf Hongkongs Straßen heraus: Die kurzzeitige Besetzung des Legislative Council durch Demonstranten am 1. Juli; eine Attacke auf das Liaison Office der chinesischen Regierung in Hongkong am 21. Juli; und der am Abend desselben Tages erfolgende Angriff auf Demonstranten und friedliche Passanten durch Schlägertrupps in der U-Bahnstation von Yuen Long, hinter denen man pro-chinesische Triaden vermutete, die offenkundig von der Hongkonger Polizei gedeckt wurden.

  40. 40.

    Die chinesische Zentralregierung ordnete das NSG einfach dem Annex III des Basic Law zu, der die in Hongkong zu befolgenden Gesetze der VR China auflistet. Zuvor hatte sie kundgetan, sich nicht länger an den Art. 22 des Basic Law gebunden zu fühlen, der ein Interventionsverbot für zentralchinesische Institutionen in die Verwaltung Hongkongs festlegt. Die offizielle englische Fassung des NSG findet sich unter https://www.elegislation.gov.hk/fwddoc/hk/a406/eng_translation_(a406)_en.pdf (Zugriff 18/06/2022).

  41. 41.

    Daneben wurde noch ein vom Chief Executive geleitetes „Komitee zum Schutz der Nationalen Sicherheit“ auf der Ebene der SVR-Regierung eingerichtet. Aus den relevanten Artikeln 12–14 des NSG wird allerdings nicht klar, welche Bedeutung das Komitee in der neuen „Sicherheitsarchitektur“ Hongkongs besitzt. Offensichtlich soll es Richtlinien zur Konkretisierung des Konzepts der Nationalen Sicherheit erarbeiten, die der Polizei und dem Rechtssystem Hongkongs Orientierung geben könnten.

  42. 42.

    Besonders scharfe Kritik wurde weltweit an weiteren Bestimmungen des NSG geübt, die sich auf Nicht-Bürger der SVR beziehen und deren Deportation im Falle von Verstößen gegen das NSG vorsehen (Art. 34), sowie die Verfolgung von Personen, sowohl Bürger als auch Nicht-Bürger der SVR, verlangen, die sich außerhalb Hongkongs strafbar gemacht haben (Art. 34, Art. 37–38). Damit kann Jeder und Jede sich an jedem Ort auf der Welt eines Vergehens gegen das NSG schuldig machen!

  43. 43.

    Ungeachtet des drakonischen NSG arbeitet die SVR-Regierung derzeit (Juni 2022) an einem eigenen Ausführungsgesetz zu Artikel 23 des Basic Law, wie es die Regierung Tung Chee-Hwa bereits 2003 vergeblich auf den Weg zu bringen versuchte. Da das NSG nur vier der sieben Straftatbestände des Artikel 23 erfasst, soll diese Gesetzeslücke offensichtlich bald geschlossen werden. Konkret werden die in Art. 23 explizit genannten Verbrechen Hochverrat, Diebstahl von Staatsgeheimnissen und die Etablierung von Kontakten mit ausländischen politischen Organisationen oder Gruppierungen vom NSG nicht geregelt.

  44. 44.

    Ca. 90.000 Hongkonger sollen nach amtlichen Angaben der SVR zwischen Mitte 2020 und 2021 emigriert sein. Neben den „traditionellen“ Hauptdestinationen Kanada, USA und Australien ist zunehmend auch Taiwan ein Zielland für SVR-Bürger, die für sich und ihre Familien keine Zukunft mehr in Hongkong sehen. So sind 2020 nach offiziellen Zahlen der taiwanischen Einwanderungsbehörden 9501 und zwischen Januar und November 2021 bereits 9772 Hongkonger Bürger nach Taiwan gelangt. Sie erhalten dort zunächst eine befristete Aufenthaltsgenehmigung, die es ihnen ermöglicht zu arbeiten oder taiwanische Schulen und Universitäten zu besuchen. Nach einer gewissen Zeit können sie eine permanente Aufenthaltsgenehmigung erhalten, die die taiwanischen Behörden jedoch nur zögerlich ausstellen. So will Taiwan aufgrund seiner politischen Exponiertheit gegenüber der VR China nicht zu einem Destinationsland für politische Flüchtlinge aus Hongkong werden. Als ehemalige Kolonialmacht hat Großbritannien nach der Verabschiedung des Nationalen Sicherheitsgesetzes zugesagt, jedem SVR-Bürger mit einem Pass, der sie als British National (Overseas) ausweist, ein unbefristetes Aufenthaltsrecht in Aussicht zu stellen. BNO-Pässe wurden bis zum handover allen Hongkongern ausgestellt, die ein permanentes Aufenthaltsrecht in der Kronkolonie besaßen.

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Schubert, G. (2023). Das politische System Hongkongs. In: Derichs, C., Heberer, T., Schubert, G. (eds) Die politischen Systeme Ostasiens. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-39485-1_4

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