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Das politische System Hongkongs

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Die politischen Systeme Ostasiens
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Zusammenfassung

Die Darstellung des politischen Systems der chinesischen Sonderverwaltungsregion Hongkong steht im Zeichen der offenen Fragen, die sich aus dem von der chinesischen Regierung für Hongkong konzipierten Modell „ein Land, zwei Systeme“ ergeben. Mit der am 1. Juli 1997 vollzogenen Eingliederung der ehemaligen britischen Kronkolonie in die VR China ist ein formaler Rahmen gesetzt worden, innerhalb dessen die chinesische Zentralregierung eine wirtschaftlich und politisch weitgehende Selbständigkeit Hongkongs in Einklang mit ihren eigenen Souveränitätsansprüchen und nationalen Modernisierungszielen zu bringen versucht. In diesem Kapitel wird zunächst das Regierungs- und Parteiensystem Hongkongs dargestellt. Es folgt eine knappe Analyse der Hongkonger Zivilgesellschaft, die sich im Zuge der Auseinandersetzungen um die Ausführungsgesetzgebung zum Artikel 23 des Basic Law neu formiert hat. Mit der allmählichen Entstehung einer eigenen kulturellen Identität des postkolonialen Hongkongs wird abschließend auf einen besonderen Aspekt des Verhältnisses der Sonderverwaltungsregion zur VR China verwiesen.

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Notes

  1. 1.

    „Chinesische Oberhoheit“ bedeutet, dass die Auslegung des Basic Law in letzter Instanz dem Nationalen Volkskongress, dem chinesischen Zentralparlament, obliegt und die SVR Hongkong integraler Bestandteil der VR China ist, an deren Spitze der chinesische Staatspräsident steht.

  2. 2.

    In dem spektakulären rights of abode-Fall hatte der Hongkonger Court of Final Appeal (CFA) Ende Januar 1999 entschieden, dass Kinder von Eltern, von denen mindestens ein Teil ein Aufenthaltsrecht in der SVR besaß, dieses ebenfalls in Anspruch nehmen konnten. Dies sollte unabhängig von der Frage gelten, ob die Eltern zum Zeitpunkt der Geburt bereits ein Aufenthaltsrecht in der SVR genossen oder nicht. Dieses Urteil räumte angeblich bis zu 300.000 auf dem Festland geborenen Kindern ein sofortiges Aufenthaltsrecht in Hongkong ein, sofern nicht bestimmte Altersbeschränkungen dekretiert würden. Die Hongkonger Regierung befürchtete zudem, dass über die nächsten zehn Jahre ca. 1,6 Mio. Festlandchinesen auf das Urteil des Court of Final Appeal berufen würden, um in der SVR zu leben. Die Medien in der SVR zeichneten daraufhin das Bild einer Immigrantenwelle, die die wegen der Asienkrise bereits angeschlagene Wirtschaft ruinieren würde. Es entstand eine heftige innenpolitische Debatte, die die SVR-Regierung schließlich dazu veranlasste, den Ständigen Ausschuss des Nationalen Volkskongress in Beijing anzurufen und nach einer Auslegung der relevanten Artikel 22(4) und 24(2,3) des Basic Law zu ersuchen. Am 26. Juni 1999 legte der NPC seine Interpretation vor, der zufolge ein Aufenthaltsrecht in Hongkong nur dann besteht, wenn mindestens ein Elternteil zum Zeitpunkt der Geburt des Kindes dieses Recht bereits besaß. Dem CFA blieb nichts anderes übrig, als dem NPC zu folgen und sein Urteil entsprechend zu korrigieren. Zudem mussten Festländer nunmehr bei den chinesischen Behörden eine vorherige Genehmigung zur Einreise nach Hongkong erwirken, bevor sie dort einen Antrag auf eine unbefristete Aufenthaltsgenehmigung stellen konnten. Diese Regelungen gelten bis heute.

  3. 3.

    Der große Zahlenunterschied beruht auf den sehr unterschiedlichen Schätzungen der Polizei einerseits und der Veranstalter andererseits, die nicht empirisch zu überprüfen waren bzw. sind.

  4. 4.

    Der Artikel 23 stellt Landesverrat, Sezession, Subversion und politische Agitation in der SVR unter Strafe.

  5. 5.

    Dabei handelte es sich um den Secretary of Justice, den Financial Secretary sowie um den an der Spitze dieser Trias stehenden Chief Secretary of Administration.

  6. 6.

    In den 28 Funktionswahlkreisen werden 30 der 70 Mandate des Legislative Council gewählt. Es handelt sich um jeweils einen Vertreter der großen Wirtschafts- und Industrieverbände sowie Berufsvereinigungen, 3 Vertreter der Gewerkschaften sowie einen Vertreter der 18 District Councils. Sie werden auf verschiedene Weise gewählt, z. B. durch die einzelnen Mitglieder der einem Funktionswahlkreis zugeordneten Verbände; durch corporate voting, also der Stimmabgabe durch eine ganze Vertretungs- bzw. Standesorganisation; oder durch eine Mischform dieser beiden Varianten.

  7. 7.

    Die Annexe I und II des Basic Law, die die jeweilige Methode bei der Wahl des Chief Executive und des Legislative Council beschreiben, ermöglichten prinzipiell die Einführung umfassender Direktwahlen für 2007 und 2008. Allerdings wurde dieser Schritt durch eine Entscheidung des NVK von 2004 suspendiert.

  8. 8.

    Die Delegierten Hongkongs beim Nationalen Volkskongress (NVK) und der Politischen Konsultativkonferenz des chinesischen Volkes (PKK) werden ihrerseits von einem speziellen Gremium, der Electoral Conference, gewählt. Dessen Mitglieder werden von der chinesischen Zentralregierung ernannt. Sie gehören überwiegend „pro-chinesischen“ Gewerkschaften und Berufsverbänden an oder sind Wirtschaftsvertreter. Die Chinese General Chamber of Commerce und die Hong Kong Federation of Tade Unions gelten als die wichtigsten Rekrutierungsorganisationen für diese Abgeordnetengruppen. Dem 12. NVK (2013–2018) gehören 36 Abgeordnete aus Hongkong an. 124 Delegierte aus Hongkong wurden in die 12. PVKK (2013–2018) entsandt.

  9. 9.

    Für die sich aus der schrittweisen Aufstockung der Direktmandate ergebende Differenz zu den indirekten Mandaten von zehn (1998) bzw. sechs (2000) Sitzen wurde eine spezielle Regelung im Basic Law getroffen. Diese Abgeordneten wurden von einem Wahlkollegium komplexer Zusammensetzung bestimmt, also indirekt gewählt. Seit 2004 gibt es – nur noch Direkt- bzw. Funktionswahlkreise.

  10. 10.

    Die dreißig Mandate der Funktionswahlkreise werden in 28 Subsektoren gewählt, u. a. für „Landwirtschaft und Fischerei“, „Transport“, „Bildung“, „Gesundheitswesen“, „Immobilien“, „Tourismus“, „Handel“, „Industrie“, „Finanzen“, „Rechtswesen“. Auch die 18 District Councils entsenden einen Abgeordneten. Der Subsektor „Arbeit“ entsendet drei Abgeordnete. Dabei wird in den verschiedenen Subsektoren entweder nach dem Prinzip der einfachen Mehrheit der abgegebenen Stimmen („first past the post“) für eine bestimmte Anzahl zuvor nominierter Kandidaten gewählt, oder das Prinzip des Instant Runoff Voting angewendet, in dem die Wahlberechtigten ihre Kandidaten in eine Präferenzordnung bringen und der Kandidat gewinnt, der auf den verschiedenen Präferenzlisten am häufigsten oben steht. Der Subsektor „Arbeit“ entsendet seine Delegierten wiederum durch „Blockwahl“, in der aus einer beliebigen Anzahl von nominierten Kandidaten die drei mit den meisten Stimmen gewinnen. Bei den letzten Legco-Wahlen im September 2012 trat in 15 Subsektoren nur ein Kandidat an, es gab also keine Konkurrenzwahl.

  11. 11.

    Die SVR Hongkong ist in nur fünf Direktwahlkreise aufgeteilt: Hong Kong Island (sieben Mandate); Kowloon West (fünf Mandate); Kowloon East (fünf Mandate); New Territories West (neun Mandate); New Territories East (neun Mandate). Da die Mitglieder der District Councils direkt gewählt sind, werden die von ihnen in den Legislative Council entsendeten Abgeordneten häufig den direkt gewählten Abgeordneten des Legco zugerechnet. Dann erhöht sich die Zahl der Direktmandate im Hongkonger Parlament auf 40.

  12. 12.

    Dies ist dann möglich, wenn der Chief Executive die notwendige Unterschrift unter ein mit Zweidrittelmehrheit vom Legislative Council wiederholt eingebrachtes Gesetz nicht leisten will, oder aber der Legislative Council ein zustimmungspflichtiges Gesetz (vor allem im Hinblick auf den Haushalt) des Chief Executive verwirft.

  13. 13.

    Sollte der neu gewählte Legislative Council einem vom Chief Executive eingebrachten Gesetzesentwurf weiterhin die Zustimmung verweigern oder aber ein vom ihm zuvor abgelehntes Gesetz wieder mit Zweidrittelmehrheit einbringen, so muss der Chief Executive nachgeben oder seinen Rücktritt einreichen (BL Art. 52).

  14. 14.

    Dazu gehörten der Chief Secretary des Hongkonger Civil Service, der Financial Secretary, der Secretary of Justice und Direktoren der elf Regierungsämter.

  15. 15.

    Im April 2004 entschied der Nationale Volkskongress in Beijing durch eine Auslegung des Basic Law, dass der nächste Chief Executive (2007) und der nächste Legislative Council (2008) nicht durch direkte Wahlen bestimmt werden sollten, da die Bedingungen dafür noch nicht reif seien. Im Dezember 2007 stellte der NVK dann Direktwahlen beider Organe für das Jahr 2017 in Aussicht. Diese müssen insofern als das wichtigste Projekt der neuen SVR-Regierung von Leung Chung-ying betrachtet werden.

  16. 16.

    Über die Arbeit der 124 Hongkonger Delegierten bei der Politischen Konsultativkonferenz des chinesischen Volkes ist wenig bekannt. Ihre politische Bindung an die SVR Hongkong ist jedoch noch schwächer als die der NVK-Abgeordneten, da es erstens kein parlamentarisches Gremium in Hongkong gibt, das der PKK vergleichbar wäre, und zweitens die PKK lediglich eine Beratungsfunktion ausübt, insofern also nur eine sehr mittelbare Bedeutung für den chinesischen Gesetzgebungsprozess besitzt.

  17. 17.

    Die Bezeichnungen „demokratisch“ und „pro-chinesisch“ werden hier in Anführungszeichen gesetzt, weil es sich dabei um eine von regierungskritischen Kreisen eingeführte bzw. von politischen Beobachtern in ihrer Bewertung des Hongkonger Parteiensystems vorgenommene Unterscheidung handelt.

  18. 18.

    Schon seit den späten 1960er Jahren gab es eine sehr lebhafte Szene zivilgesellschaftlicher Organisationen. Diese formierten sich im Anschluss an die politischen und sozialen Unruhen der Jahre 1966/67. Im April 1966 kam es in Kowloon zu zahlreichen Protestmärschen und gewaltsamen Zusammenstößen zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften, nachdem die Ticketpreise für die Kowloon und Hongkong Island verbindende Star Ferry erhöht worden waren. Im Mai 1967 führte die Verhaftung von 21 Arbeitern einer Plastikblumenfabrik in San Po Kong – ebenfalls Kowloon – zu Arbeitsniederlegungen, Straßenschlachten mit der Polizei und sogar Bombenanschlägen, die offensichtlich von prokommunistischen Kräften initiiert und gelenkt wurden. Diese beiden Ereignisse gelten in Hongkong als historischer Einschnitt, der die Epoche einer apolitischen Migrantenbevölkerung von der neuen Ära einer politisch und sozial engagierten Zivilgesellschaft trennt. Diese stellte die britische Herrschaft zwar nie infrage, zwang sie jedoch zu verschiedenen institutionellen Reformen des Kolonialsystems.

  19. 19.

    Beispielhaft können hier die Etablierung des City District Officer Scheme in den frühen 1970er Jahren oder die Einführung von Direktwahlen zu den District Boards 1982 genannt werden.

  20. 20.

    Eine wichtige Rolle spielte in diesem Kontext die Gründung des Joint Committee for the Promotion of Democratic Government 1986, eine Dachorganisation für 190 zivilgesellschaftlichen Organisationen aus unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereichen, die sich unter der Führung von Szeto Wah und Martin Lee für demokratische Reformen nach dem handover einsetzte und zur Keimzelle der 1994 gegründeten Democratic Party wurde.

  21. 21.

    Daraus entstand eine neue heritage-Bewegung. Heritage politics wurde zum wichtigen Bezugspunkt zivilgesellschaftlichen Engagements in Hongkong und ist es bis heute.

  22. 22.

    Am 1. Juli 2012, dem 15. Jahrestag des handover, an dem auch der neue Chief Executive CY Leung vor dem chinesischen Staatspräsidenten Hu Jintao seinen Amtseid ablegte, nahmen die Massenproteste die möglicherweise größten Ausmaße seit 2003 an. Die Veranstalter reklamierten die Zahl von 400.000 Teilnehmern, die Schätzungen der Hongkonger Polizei beliefen sich allerdings auf lediglich 63.000. Diese Diskrepanz hat in Hongkong Tradition.

  23. 23.

    Zwischen 1997 und 2007 sind etwa eine halbe Million „Festländer“ legal nach Hongkong eingewandert – pro Tag erlaubt die SVR-Regierung die Zuwanderung von 150 Chinesen aus der VR China. Allerdings liegen die tatsächlichen Zuwanderungszahlen beträchtlich höher. Die illegale Immigration ist inzwischen ein ernstes Problem für die Hongkonger Behörden.

  24. 24.

    Die Hongkonger Regierung hatte geplant, ein neues obligatorisches Curriculum für die Grund- und Sekundarschulen einzuführen mit dem Ziel, den chinesischen Patriotismus der Bürger Hongkongs zu fördern. Dabei sollte eine weitgehend positive Sicht auf die politische Entwicklung in der VR China vermittelt werden. Die demokratischen Kräfte Hongkongs widersetzten sich diesem aus Ihrer Sicht manipulativen Eingriff in die Autonomie Hongkongs durch massive Straßenproteste, die die SVR-Regierung noch vor Abhaltung der Legco-Wahlen im September 2012 zum Rückzug zwangen. Die entsprechenden Kurse sollen nunmehr optional für die Schulen sein.

Weiterführende Literatur

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    Google Scholar 

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Schubert, G. (2013). Das politische System Hongkongs. In: Derichs, C., Heberer, T. (eds) Die politischen Systeme Ostasiens. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-01988-4_4

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  • Publisher Name: Springer VS, Wiesbaden

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