Zusammenfassung
Aus sozialisationstheoretischer Perspektive stellt Familie ein generatives Beziehungsgeflecht dar, das sich auf die Gestaltung des Familienlebens und dessen diversen Beziehungskonstellationen ebenso auswirkt wie auf die Persönlichkeitsentwicklung der einzelnen Familienmitglieder. Im Zentrum der Aufmerksamkeit stehen all jene Prozesse, die Familie zu dem machen, was sie aus sozialisationstheoretischer Perspektive ist: ein sich im alltäglichen Miteinander stets neu herzustellender und sich zu bewährender Erfahrungs- und Beziehungszusammenhang, der durch gemeinsames Tun, und eine spezifische Art der Lebensführung, konkret vollzogen und gestaltet wird. Diese relationalen familialen Verhältnisse sind Impulsgeber für die Entwicklung der darin eingebundenen Personen. Ein sozialisationstheoretisches Verständnis von Familie richtet ihren analytischen Fokus also auf jene nach innen und außen weisenden Prozesse, über die sich Familienangehörige aufeinander beziehen und im Zuge dessen einen auf Dauer angelegten Lebenszusammenhang in einem spezifischen sozialen Umfeld etablieren. Dabei kommen auch ökonomische, politische, soziokulturelle, institutionelle und personale Wirkfaktoren in den Blick, die Familien als eine intra- und intergenerative Sozialformation kennzeichnen. Für eine angemessene Bestimmung von Familie und Sozialisation sind daher komplexe Modellierungen familialer Beziehungskonstellationen erforderlich, die für das prozessuale Geschehen sensibilisieren.
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Grundmann, M., Wernberger, A. (2022). Familie und Sozialisation. In: Arránz Becker, O., Hank, K., Steinbach, A. (eds) Handbuch Familiensoziologie. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-35215-8_15-1
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