Zusammenfassung
Durch Corona erhält die zwischenmenschliche Komplexität in Pflegeheimen neue Sichtbarkeit und Relevanz. Welches Miteinander wurde hier eigentlich ‚abgeriegelt‘ und so nochmals verdichtet? Und auf welcher zwischenmenschlichen Basis baut eine Bewältigung der Krise auf? Dieser Ausgangssituation widmet sich der ethnologische Beitrag u. a. mittels Einblicken in die Teilnehmende Beobachtung unter Bewohnerinnen und Bewohnern sowie in die Mitarbeit im Pflegeheim. Er fordert Interventionen und Methoden, die dem Pflegeheim ganzheitlich und langfristig zu zwischenmenschlicher Entlastung und Verbesserung verhelfen.
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Notes
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Was die große Resonanz zu Ursula Koch-Straubes „Fremde Welt Pflegeheim: Eine ethnologische Studie“ (2002) bereits zeigte.
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Trotz des Austausches mit meinem Feld über mein wissenschaftliches Arbeiten und Anliegen, habe ich mich entschlossen einen bestmöglichen Schutz zu gewährleisten und entsprechende Einrichtungen und Personen zu anonymisieren.
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Für die Teilnehmende Beobachtung als junge, nicht pflegebedürftige Forscherin entwickelte ich mehrere Methoden, die mir die Annäherung an eine Innenperspektive ermöglichen sollten. Dazu zählte u. a. eine räumlich-zeitliche Begrenzung (das Halten an Essens- und Schlafenszeiten etc.), eine Begrenzung von Privilegierung (wie das Eindämmen ausgiebiger Gespräche mit dem Personal) sowie die partielle Begrenzung meines Wissens (die bewusste Aussparung von Fachkenntnissen, wie Diagnosen oder biografischen Details, um im Miteinander kein entsprechendes Wissen vorauszuhaben) (Christov, 2016). Die Anwendung dieser Methoden zugunsten einer klaren Positionierung im Feld und der Fokussierung auf eine Perspektive – in meinem Fall jene der Bewohnerschaft – stellt mitunter einen grundlegenden Unterschied zur Herangehensweise Koch-Straubes (2002) dar.
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Die folgenden Zeilen des Kapitels fassen zentrale Erkenntnisse aus meinem Buch „Gemeinschaft und Schweigen im Pflegeheim: Eine ethnologische Annäherung“ (2016) zusammen.
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Wenn das gewählte Schweigen für viele Bewohnerinnen und Bewohner eine hilfreiche und zentrale Funktion im menschlich herausfordernden Miteinander erfüllt, darf es niemandem pauschal ‚genommen‘ werden. Ein Schweigen soll und muss vorherrschen können, aber nicht müssen.
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Hierzu inspiriert auch Eleanor Feldman Barberas (2012) preisgekrönter Pflegeheim-Guide, der für Bewohnerinnen und Bewohner verfasst wurde.
Literatur
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Christov, V. (2022). Pflegeheim und Corona: Lockdown eines zwischenmenschlich komplexen Feldes. In: Breitbach, V., Brandenburg, H. (eds) Corona und die Pflege. Vallendarer Schriften der Pflegewissenschaft, vol 10. Springer, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-34045-2_10
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