Zusammenfassung
Der Beitrag nähert sich über die Begriffsbestimmung von Diagnostik einem diagnostisch-didaktischen Handeln in einer inklusiven Schule. Wichtig, um die Bedeutsamkeit von diagnostischen Kompetenzen für die Umsetzung eines passgenauen Unterrichts für alle Schüler*innen nachvollziehen zu können, ist Diagnostik nicht als normorientierter, sondern einzig und allein subjektorientierter Prozess zu begreifen. Ausgehend von der Charakterisierung einer zwingend notwendigen subjektorientierten Perspektive für Inklusion werden konzeptionelle Elemente für ein verstehendes pädagogisches Handeln entworfen.
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Ähnliche Charakteristika haben Jaqueline und Toni Simon für Diagnostik im Kontext von Inklusion herausgearbeitet: „[…] ist kein Instrument für interindividuelle oder normorientierte Vergleiche, für Selektions- bzw. Platzierungsprozesse, Bewertungen oder Zuordnungen. […] besitzt Praxisrelevanz für pädagogisches Handeln und ist mit didaktischem Handeln unmittelbar verbunden. […] ist keine sonderpädagogische Spezialdisziplin mehr. […] ist eine individualisierte, entwicklungssensible Diagnostik. […] hat einen anerkennenden Charakter und überwindet die dingähnliche Behandlung von Kindern im Rahmen von Diagnostik“ (Simon und Simon 2013).
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Der PDCA-Zyklus wird auch als Denkzirkel bezeichnet und ist ein Element des Qualitätsmanagementsystems, dem Total Quality Management. Mit diesem wird das Management von Qualität, das bedeutet nicht nur Qualitätssicherung, sondern auch Weiterentwicklung der Qualität von u. a. institutionellen Veränderungen realisiert.
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Im Rahmen dieses Buches wird auf die Idee der Syndromanalyse Bezug genommen, wie sie durch Lurija (1970) und auch Sacks (1992) beeinflusst wurde. Die durch diese beiden Wissenschaftler geprägte romantische Syndromanalyse analysiert die psychischen Prozesse des Menschen. Auf deren Basis entwickelt Wolfgang Jantzen (1990, S. 186 ff.) dies weiter zu einer Rehistorisierenden Syndromanalyse und André Zimpel zu einer systematischen Syndromanalyse (1994). Das Anliegen von Zimpel ist es, dass die Wahrnehmung des Diagnostikers so lange verändert wird, „bis sich Achtung vor noch so unverständlichen Verhaltensweisen einstellt“ (Macykowski 2010, S. 131).
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Langner, A., Jugel, D. (2019). Ohne Verstehen kein pädagogisches Handeln – Diagnostik im Kontext von Inklusion. In: Langner, A., Ritter, M., Steffens, J., Jugel, D. (eds) Inklusive Bildung forschend entdecken. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-25515-2_6
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